Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Montanwachs und Montanwachs-Bitumen sind nicht mineralölsteuerbar.
MinöStG § 1 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Abschn. 6, § 2 Abs. 1 Abschn. 6, § 11 Abschn. a; DVO z. MinöStG § 3 Abschn. 13; änderungsgesetz z. MinöStG vom 19. Januar 1951, BGBl. I S. 73 Art. 2; VO über die Erhebung einer Nachsteuer auf Min.öl vom 21. Januar 1951, BGBl. I S. 77, ZT 1902 Nr. 241 u. 249;
Normenkette
MinöStG § 1/1, § 1/2/6, § 2/1/6, § 11
Tatbestand
Die Vorinstanzen verlangen von der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf Grund von Artikel 2 des änderungsgesetzes zum Mineralölsteuergesetz vom 19. Januar 1951 (Bundesgesetzblatt I S. 73) in Verbindung mit der Verordnung über die Erhebung einer Nachsteuer auf Mineralöl vom 21. Januar 1951 (Bundesgesetzblatt I S. 77 = Bundeszollblatt S. 30) für 85,523 kg Eigengewicht Rohmontanwachs 8.552,30 DM Mineralölnachsteuer.
Entscheidungsgründe
Streitig ist nur, ob Rohmontanwachs mineralölsteuerbar ist.
Nach § 1 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) in der Fassung des genannten änderungsgesetzes unterliegt Mineralöl der Mineralölsteuer. Neben den anderen Waren des § 1 Abs. 2 des Gesetzes sind nach dessen Abschn. 6 Mineralöl im Sinn des Gesetzes "Waren der Nr. 241 und 249 des Zolltarifs (1902), Paraffin aus Nr. 250 des Zolltarifs, Weichparaffin der Nr. 251 des Zolltarifs und Vaselin aus Nr. 258 des Zolltarifs". Der Steuersatz dafür ist in § 2 Abs. 1 Abschn. 6 des Gesetzes festgesetzt.
Im Zolltarif 1902 umfassen: die Nr. 241 nur "Erdwachs (Ozokerit), roh, auch umgeschmolzen", und 249 "Erdwachs (Ozokerit), gereinigt, und Zeresin (aus Erdwachs hergestellt, auch mit Paraffin versetzt) in Blöcken, Täfelchen oder Kugeln oder in Fässer eingeschmolzen; Wachsstümpfe von gereinigtem Erdwachs und von Zeresin".
Diese Fassungen der beiden Tarifnummern bestehen seit dem Inkrafttreten des Zolltarifs 1902 mit dem 1. März 1906, bei der Tarif-Nr. 249 bis auf die hier bedeutungslose spätere Einschaltung "oder in Fässer eingeschmolzen". Montanwachs ist weder roh (Montanwachs-Bitumen) in Zolltarif-Nr. 241 noch gereinigt (Montanwachs schlechthin) in Zolltarif-Nr. 249 genannt.
Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen bejaht ihre Mineralölsteuerbarkeit, weil durch das Warenverzeichnis (1939 S. 572) Montanwachs-Bitumen der Zolltarif-Nr. 241 und Montanwachs der Zolltarif-Nr. 249 zugewiesen sind. Nun wird zwar der Zolltarif 1902 gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 des Zollgesetzes (ZG) nach seinen Durchführungsvorschriften ausgelegt, und das sind nach § 108 Abs. 2 ZG das Warenverzeichnis zum Zolltarif und Teil III der Anleitung für die Zollabfertigung; und diese beiden haben nach § 49 Abs. 3 Satz 2 ZG die gleiche verbindliche Kraft wie der Zolltarif. Trotzdem kann der Auffassung des Bundesministers der Finanzen nicht beigetreten werden, weil die Anwendung des Warenverzeichnisses durch § 3 Abschn. 13 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStDV) ausgeschlossen wird.
Der durch das änderungsgesetz vom 19. Januar 1951 eingefügte § 11 des Gesetzes ermächtigt nämlich in Abschn. a die Bundesregierung "zur Durchführung des Gesetzes durch Rechtsverordnung die Begriffe des § 1 Abs. 2 und des § 2 im einzelnen zu umschreiben". Diese Umschreibungen der Bundesregierung sind als "Begriffsbestimmungen für Mineralöl" in § 3 der MinöStDVO in der Fassung der 4. änderungsverordnung vom 16. Februar 1951 (Bundesgesetzblatt I S. 115) enthalten. § 3 Abschn. 13 DVO sagt: "Für Mineralöl gelten folgende Begriffsbestimmungen: ... 13. Waren der in § 1 Abs. 2 Ziff. 6 des Gesetzes bezeichneten Art sind: Ozokerit, Zeresin, Hartparaffin, Weichparaffin, Paraffingatsch, Petrolatum und Vaselin, auch in Mischungen miteinander." § 3 Abschn. 13 DVO hat mit Ozokerit und Zeresin die sämtlichen Waren der Zolltarif-Nummern 241 und 249 genannt, d. h. das rohe, auch umgeschmolzene Ozokerit der Tarif-Nr. 241 und das gereinigte der Tarif-Nr. 149 sowie das Zeresin der gleichen Tarifnummer und die Mischungen der Waren des Abschn. 13 miteinander. Der Bundesminister der Finanzen nennt auf S. 3 unter C seines Schriftsatzes vom 7. Januar 1952 den Abschn. 13 des § 3 DVO eine "beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Waren dieser Art" und hebt hervor, "eine abschließende Aufzählung aller in Betracht kommenden Waren dieser Art wäre kaum möglich gewesen". In der Tat sind mit Ozokerit und mit Zeresin und mit den Mischungen Warengattungen, nicht einzelne Waren, bezeichnet, wie es auch I 3 des Schriftsatzes der Bfin. vom 16. Januar 1952 anerkennt, die Stoffe des § 3 Abschn. 13 seien "Repräsentanten für eine große Zahl von ... unterschiedlich benannten Stoffen, die ... alle von dem einen ... Gruppennamen mitumfaßt werden. Jeder von den in § 3 Abschn. 13 aufgeführten Namen repräsentiert eine ganze Familie von Warengattungen, die verschiedene Namen tragen".
Es fragt sich daher, ob das Montanwachs und das Montanwachs-Bitumen unter die Warengruppen in § 3 Abschn. 13 DVO fallen, und damit mineralölsteuerbar sind.
Die amtliche Begründung zu dem Entwurf des änderungsgesetzes (Drucksache 1680/1949 des Deutschen Bundestags = Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1951 S. 17) enthält nichts zu dieser Frage. Montanwachs und Montanwachs-Bitumen dürfen den Waren des § 3 Abschn. 13 DVO nur zugezählt werden, wenn sie diesen Waren wesensgleich oder wenigstens wesensähnlich sind; das ist aber auch verschiedenen Gründen zu verneinen.
Ozokerit, roh oder gereinigt, und Zeresin sind wie alle Waren in § 3 Abschn. 13 DVO Kohlenwasserstoffe, die aus dem Zerfall der Fett-Substanz prähistorischer Meerestiere entstanden sind. Ozokerit, auch Erdwachs oder Bergtalg genannt, ist ein natürlich vorkommendes mineralisches Wachs von grünschwarzer Farbe. Durch Destillation wird daraus Paraffin und Vaselin gewonnen, und durch Raffination mit konzentrierter Schwefelsäure geht Ozokerit in Zeresin über. Zeresin ist gereinigtes Ozokerit, gelblich-weiß, und wird statt Bienenwachs zu Kerzen, kosmetischen Artikeln, Bohnerwachs und Schuhcreme verarbeitet.
Montanwachs dagegen ist unveränderte Wachssubstanz tertiärer, fossiler Pflanzen, gewonnen aus der durch Verwesung tropischer Landpflanzen entstandenen bituminösen Braunkohle. Es besteht nach Ost, Lehrbuch der Chemischen Technologie, 13. Aufl. 1923 S. 412, nicht aus Kohlenwasserstoffen, sondern aus hochmolekularen Säuren und anderen Estern mit einwertigen Alkoholen und aus schwarzem Harz (vgl. ebenso den in III 2 S. 11 f des Schriftsatzes vom 17. Dezember 1951 genannten Aufsatz in der Zeitschrift "Fette und Seifen pp." und das vorgelegte Gutachten des Chemischen Universitätslaboratoriums vom 12. Dezember 1951). Nach Blücker-Winkelmann, Auskunftsbuch für die Chemische Industrie, 15. Aufl. Berlin 1939, ist Montanwachs "das primäre Bitumen der Braunkohle" und "besteht aus Estern hochmolekulareren Säuren und Alkohole und aus freien Säuren; der unverseifbare Anteil enthält ... viel schwarzes Harz". ähnlich spricht sich Ullmann, "Enzyklopädie der Technischen Chemie", 2. Aufl. 1928 Bd. 2 S. 618, aus.
Wenn auch "das Mineralölsteuergesetz den Begriff Mineralöl nicht in einem chemisch-technischen Sinn, etwa beschränkt auf Kohlenwasserstoffe" gebrauchen mag, wie B Abs. 2 des Schriftsatzes des Bundesministers der Finanzen vom 7. Januar 1952 hervorhebt, so sind in § 3 Abschn. 13 DVO doch nur Kohlenwasserstoffe genannt. Wenn das Montanwachs von dieser Vorschrift mitumfaßt werden sollte, so müßte es auch einen Kohlenwasserstoff darstellen oder es müßte dort besonders genannt sein. Da beides nicht zutrifft, fallen Montanwachs und sein Bitumen nicht unter § 3 Abschn. 13 DVO und sind deshalb nicht mineralölsteuerbar.
Durch das Warenverzeichnis sind Montanwachs-Bitumen der Zolltarif-Nr. 241 und Montanwachs der Zolltarif-Nr. 249 nur unterstellt worden, ohne sachlich zu den Waren dieser beiden Zolltarifnummern zu gehören, und zwar wohl deshalb, weil sie (wie die Bfin. auf S. 10 unter III 1 Abs. 2 ihres Schriftsatzes vom 17. Dezember 1951 bemerkt) in manchen Beziehungen gewisse ähnlichkeiten mit dem rohen und dem gereinigten Ozokerit und dem Zeresin aufweisen, z. B. Plastizität, wachsartigen Charakter und gemeinsame Verarbeitung, besonders zu Putzmitteln, nicht aber, weil sie zu den Warengattungen Ozokerit oder Zeresin gehörten. § 3 Abschn. 13 geht als DVO zum MinöStG dem Warenverzeichnis als Durchführungsvorschrift zum Zolltarif vor. Die Begriffsbestimmungen in § 3, hier die seines Abschn. 13 DVO, sind nach § 11 Abschn. a des Gesetzes, auf dem sie beruhen, authentische Interpretationen, durch den Gesetzgeber selbst gegebene Auslegungen.
Sind somit Montanwachs und Montanwachs-Bitumen nicht mineralölsteuerbar, so war, wie geschehen, zu erkennen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 309 der Reichsabgabenordnung.
Die Bfin. hat mündliche Verhandlung beantragt; gem. § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung ist vorerst ohne eine solche entschieden worden.
Fundstellen
Haufe-Index 407403 |
BStBl III 1952, 177 |
BFHE 1953, 459 |
BFHE 56, 459 |