Leitsatz (amtlich)
Beim Erwerb eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot auch dann Besteuerungsgrundlage, wenn die Beteiligten außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens andere private Vereinbarungen treffen. Auch § 17 Abs. 3 GrEStG 1940 ist in solchen Fällen nicht anwendbar.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 17 Abs. 3
Tatbestand
Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Wege der Zwangsversteigerung ein Grundstück zugeschlagen, weil er im Zwangsversteigerungstermin Ende November 1965 mit einem Bargebot von 405 000 DM Meistbietender geblieben war. (Rechte in Abt. II und III des Grundbuchs blieben nicht bestehen.)
Wie aus einem privatschriftlichen Vertrag von Ende November 1964 ersichtlich, war das Grundstück bereits mehrere Jahre zuvor unter notarieller Beurkundung an den Kläger verkauft, der Kaufvertrag aber nicht genehmigt worden. Zur Sicherung des Anspruchs auf Rückzahlung des bereits entrichteten Kaufpreises war eine Grundschuld in Höhe von 100 000 DM zugunsten des Klägers bestellt worden, aus welcher dieser die Zwangsversteigerung betrieb. - Die Eigentümerin hatte sich in dem Vertrag vom November 1964 verpflichtet, die Durchführung der Zwangsversteigerung nicht zu erschweren. Der Kläger hatte sich zum Mitbieten in jedem Termin verpflichtet. Bei Erteilung des Zuschlages sollten alle Forderungen des Klägers gegen die Eigentümerin auch dann als erloschen gelten, wenn sein Gebot unter seinem Forderungsbetrag liegen würde. Sollte das Gebot über seinem Forderungsbetrag liegen, waren der Kläger nicht verpflichtet und die Eigentümerin nicht berechtigt, den überschießenden Betrag auszuzahlen bzw. zu verlangen. Zur Sicherung dieser Regelung trat die Eigentümerin ihren künftigen Anspruch auf Auszahlung des Versteigerungserlöses unwiderruflich an einen Rechtsanwalt ab, der sich als Treuhänder verpflichtete, den Versteigerungserlös in Empfang zu nehmen und unverzüglich an den Kläger abzuführen. - Der Kläger verpflichtete sich außerdem, der bisherigen Eigentümerin ab Dezember 1964 eine monatliche Leibrente und einen einmaligen Barbetrag von 10 000 DM zu zahlen.
Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) setzte Grunderwerbsteuer aus dem Meistgebot fest.
Der Kläger vertrat die Auffassung, seine tatsächliche Gegenleistung bestehe auf Grund der Vereinbarung vom November 1964 nur in der Barzahlung von 110 000 DM und der mit einem Kapitalwert von höchstens 90 000 DM anzusetzenden Rentenverpflichtung.
Nach erfolglosem Einspruch wies das FG die Klage als unbegründet ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Kläger meint, er habe durch den Vertrag vom November 1964 bereits die wirtschaftliche Verfügungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG erworben. Dementgegen hat das FG zutreffend erkannt, daß der Kläger sich in diesem Vertrag lediglich verpflichtet hatte, bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks ein ausreichendes Gebot abzugeben, und daß die Vertragsparteien nur schuldrechtliche Vereinbarungen über die Abwicklung gegenseitiger Ansprüche nach Durchführung der Zwangsversteigerung getroffen hatten. Abgesehen davon, daß der Kläger dies erst mit der Revision und erst auf die gegenteiligen Ausführungen des FG vorbringt, ist nicht erkennbar, inwiefern der Kläger bereits durch diesen Vertrag eine eigentümerähnliche Stellung (vgl. Urteil des BFH vom 2. Dezember 1971 II 136/65, BFHE 105, 165, 167, BStBl II 1972, 495) erlangt haben sollte, sei es z. B. mit tatsächlicher Verwertungsbefugnis unter Nutzung der Substanz und Teilnahme an den Wertänderungen des Grundstücks (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1970 II R 135/68, BFHE 99, 68, 73, BStBl II 1970, 522), sei es mit rechtlicher Verwertungsbefugnis im Sinne der Möglichkeit, selbst das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (BFH-Beschluß vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352, BStBl II 1969, 170; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126, 129, BStBl II 1971, 278).
Es erübrigt sich, diese und auch die Frage der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit und des Umfanges der Auswirkungen des Vertrages vom November 1964 im einzelnen zu vertiefen. Selbst wenn man einen Rechtsvorgang im Sinn des § 1 Abs. 2 GrEStG auf Grund des Vertrages vom November 1964 unterstellen wollte, wäre die Grunderwerbsteuer nach den Rechtsgrundsätzen des § 1 Abs. 5 Sätze 1 und 3 GrEStG aus dem nachfolgenden Rechtsvorgang des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG mit der vorhandenen höheren Gegenleistung geschuldet.
2. Im Falle der Zwangsversteigerung unterliegt der Grunderwerbsteuer kraft eigenen gesetzlichen Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG das Meistgebot. Der Ersteher des Grundstücks ist nicht Rechtsnachfolger des Schuldners, sondern erwirbt originär Eigentum durch staatlichen Hoheitsakt (§§ 81, 90 des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -; Zeller, Zwangsversteigerungsgesetz, 8. Aufl., § 81 Anm. 1, § 91 Anm. 1, 3). Die Behauptung, daß es sich bei seinem Gebot um ein Scheingebot gehandelt habe, hat der Käger in der Revision ausdrücklich nicht aufrechterhalten. Angesichts des klaren Wortlautes des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG hinsichtlich des Besteuerungsgegenstandes und der sich daraus ebenso eindeutig ergebenden Besteuerungsgrundlage des Meistgebotes im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG sind auch hinsichtlich letzterer Differenzierungen nicht erlaubt, etwa - wie der Kläger meint - in dem Sinne, daß zwischen einem formell-prozessualen und einem materiellwirtschaftlichen Meistgebot zu unterscheiden sei mit der Folge, daß nur letzteres für die Grunderwerbsteuer maßgeblich und als Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) nur das "wirkliche Entgelt, das der Ersteigerer zu bezahlen" habe, anzusetzen sei.
Was als Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) "gilt", ist für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in § 11 GrEStG formal-eigenständig genau umschrieben; hieraus, insbesondere auch aus den Abs. 2 bis 4 dieser Vorschrift ergibt sich, daß die Gegenleistung und ihr Wert nicht in jedem Falle mit dem "wirklichen" Leistungsaustausch nur zwischen "Veräußerer" und "Erwerber" übereinstimmen muß.
Beim Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren gilt als Gegenleistung das begrifflich dem Recht der Zwangsversteigerung zu entnehmende Meistgebot im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG. Diese gesetzliche Fiktion fordert grundsätzlich und unwiderlegbar eine wortlautgemäße Auslegung der Vorschrift. Private Vereinbarungen der Parteien außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens - deren Wirksamkeit oder jedenfalls tatsächliche Durchführung unterstellt (vgl. die vom Kläger zitierten §§ 5, 6 StAnpG) - müssen demgemäß unberücksichtigt bleiben; dies auch schon deshalb, weil - wie erwähnt - der Ersteher das Grundstück ohnehin nicht vom früheren Eigentümer erwirbt.
Das Ergebnis erscheint auch weder allgemein noch im vorliegenden Fall als sinnwidrig. Der Kläger war - wie die gesamte Vertragsgestaltung zeigt - offensichtlich auf den Erwerb des Grundstücks bedacht. Wenn dem notariellen Kaufvertrag vom Juni 1962 die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung versagt worden war, und wenn der Kläger danach den Erwerb des Grundstücks auf dem Weg über die Zwangsversteigerung erstrebte, so muß er auch die sich daraus ergebenden grunderwerbsteuerrechtlichen Folgerungen wie jeder andere Ersteher in Kauf nehmen. Gibt er ein Meistbargebot von 405 000 DM ab, so ist daraus zu entnehmen, daß er dieses Gebot abgeben mußte und auch abzugeben bereit war, um das Grundstück für sich zu erwerben. Dabei ist es grunderwerbsteuerrechtlich unerheblich, ob die von ihm zu leistende Zahlung im Verteilungstermin an das Gericht erfolgt (§ 107 Abs. 2 ZVG) oder ob - wie der Kläger erstmals mit der Revision geltend macht - die Beteiligten sich gemäß § 143 ZVG über die Verteilung des Erlöses außergerichtlich geeinigt haben. Denn eine gültige Einigung muß - ebenso wie die amtliche Verteilung - den Gesamterlös, nämlich das bare Meistgebot (zuzüglich der Zinsen und des Sondererlöses nach § 65 ZVG) umfassen, so daß auch eine bloße Angabe, daß eine Einigung erzielt worden sei, nicht genügt (vgl. die Kommentare zu § 143 ZVG von Dassler/Schiffhauer, 10. Aufl., Anm. 3; Jaeckel/Güthe, 7. Aufl., Anm. 3 und 5; Steiner/Riedel, 7. Aufl., Anm. 2 mit weiteren Nachweisen; Zeller, Anm. 3 zu b). Auch dieses Verfahren betrifft nur die Verteilung des Erlöses, berührt aber die Höhe des Meistgebots selbst nicht. Demgemäß kommt es auf die Rüge des Klägers nicht an, das FG habe unter Verletzung der §§ 76 Abs. 1, 2 und 93 Abs. 1 FGO sein Urteil auf § 107 Abs. 2 ZVG gestützt, ohne ihm Gelegenheit zu Darlegungen gemäß § 143 ZVG zu geben.
Unerheblich und in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen zusätzliche Leistungen, die der Erwerbsinteressent über das Meistgebot hinaus dem Veräußerer oder anderen Personen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung gewährt, im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne als Gegenleistung zu behandeln sind (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
3. Schließlich hat das FG zutreffend erkannt, daß § 17 Abs. 3 GrEStG den vorliegenden Fall nicht trifft. Nach dieser Vorschrift wird nach näherer Maßgabe ihrer Nrn. 1 und 2 die Grunderwerbsteuer auf Antrag ermäßigt oder erstattet, wenn die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt wird. Vom Erfordernis eines Antrages, den der Kläger vor FA und FG nicht gestellt hat (vgl. hierzu Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 17, Tz. 167 ff., 174 ff.), abgesehen, setzt diese auf den Begriff der Gegenleistung bezogene Vorschrift im Verhältnis zu § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG voraus, daß das Meistgebot selbst als Gegenleistung nachträglich herabgesetzt worden sein muß. Das aber ist unstreitig nicht geschehen. Vielmehr macht der Kläger im Ergebnis lediglich geltend, daß an Stelle des (in der Höhe unveränderten) Meistgebotes bereits vorher - durch den Vertrag vom November 1964 - eine andere Absprache über das tatsächlich zu leistende Entgelt als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks getroffen worden sei. Wie für die Bestimmung der Gegenleistung selbst (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG), so müssen aus denselben Erwägungen auch für die insoweit ergänzende Ermäßigungs-(Erstattungs-)vorschrift des § 17 Abs. 3 GrEStG Vereinbarungen außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens außer Betracht bleiben. Eine Anwendung des § 17 Abs. 3 GrEStG auf Fälle der vorliegenden Art im Sinne der Vorstellungen des Klägers müßte zu einer Auflösung des grunderwerbsteuerrechtlichen Begriffes der Gegenleistung führen; dies außerdem gegen den Wortlaut der Vorschrift und ferner, obwohl hierzu auch allgemeine Erwägungen oder Bedürfnisse nicht ersichtlich sind.
Fundstellen
Haufe-Index 70533 |
BStBl II 1973, 709 |
BFHE 1973, 476 |