Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb eines Grundstücks mit Hilfe der Kapitalabfindung ist auch dann gegeben, wenn der Erwerber zur Befriedigung des Barzahlung verlangenden Veräußerers einen Zwischenkredit in der Absicht aufnimmt, ihn mit der Kapitalabfindung zu tilgen, dies auch geschieht und der Erwerber den Antrag auf Kapitalabfindung vor oder unverzüglich nach Abschluß des Kaufvertrags stellt.

 

Normenkette

GrEStG § 8 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.), ein Kriegsbeschädigter, kaufte durch Vertrag vom 3. März 1951 ein Hausgrundstück gegen Barzahlung, die die Verkäuferin deshalb verlangt hatte, weil sie das Geld für ein bestimmtes Vorhaben benötigte. Am 7. März 1951 nahm der Bg. zum Ankauf des Hauses bei der Stadtsparkasse ein verbürgtes kurzfristiges Zwischendarlehen von 2.400 DM auf, mit dem er den größeren Teil der Barleistungen abdeckte. Am 15. März 1951 beantragte er beim Versorgungsamt die Kapitalabfindung für seine Kriegsbeschädigtenrente. Die Kapitalabfindung wurde am 5. Dezember 1951 bewilligt und am 4. Februar 1952 ausgezahlt. Mit ihr zahlte der Bg. darauf das Darlehen zurück. Die letzte erforderliche Genehmigung des Kaufvertrages war am 17. April 1951 erteilt worden.

Der Streit geht um die Frage, ob die Befreiung von der Grunderwerbsteuer aus § 8 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) deshalb zu versagen ist, weil das Grundstück nicht mit Hilfe der Kapitalabfindung erworben worden sei. Gegenüber der Vorentscheidung, die einen Erwerb mit Hilfe der Kapitalabfindung angenommen hat, beruft sich der beschwerdeführende Vorsteher des Finanzamts auf das Urteil II 77/42 vom 26. September 1944 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1945 S. II), in dem der Reichsfinanzhof entschieden hat, daß für die Steuerermäßigung kein Raum sei, wenn die Kapitalabfindung nicht zur Tilgung des Kaufpreises, sondern zur Bezahlung der zur Tilgung des Kaufpreises aufgenommenen Schulden gewährt und verwendet wird.

 

Entscheidungsgründe

Es fragt sich, ob ein Erwerb mit Hilfe der Kapitalabfindung dann noch angenommen werden kann, wenn der Erwerber das Grundstück unter Verwendung der Kapitalabfindung zu erwerben beabsichtigt und zum Erwerb des Grundstücks einen kurzfristigen Zwischenkredit aufgenommen hat, den er nach Empfang der Abfindung abgedeckt hat. Der Senat bejaht diese Frage in übereinstimmung mit dem Finanzgericht.

§ 8 GrEStG gewährt eine Steuervergünstigung, wenn - abgesehen von sonstigen Voraussetzungen - ein Kriegsbeschädigter ein Grundstück mit Hilfe einer Kapitalabfindung erwirbt. Angesichts dieses Wortlauts geht das Finanzgericht davon aus, daß im Gesetz der Kaufpreis und die Geldbewegung zwischen dem Erwerber und Veräußerer nicht erwähnt sind, sondern nur gesagt ist, daß der Erwerb mit Hilfe der Abfindung erfolgt sein muß; es werde also nicht auf Wechselbeziehungen zwischen Abfindung und Bezahlung des Kaufpreises abgestellt, es müsse nur ein Zusammenhang zwischen Abfindung und Erwerb bestehen. Der Grunderwerb habe sich "mit Hilfe" der Abfindung vollzogen, wenn er neben anderen Quellen auf der wirtschaftlichen Kraft beruhe, die dem Erwerber dadurch zur Seite stand, daß er von der Abfindungsmöglichkeit Gebrauch machte. Diese wirtschaftliche Kraft bringt der Erwerber auch dann zum Einsatz, wenn er wegen des Drängens des Veräußerers auf Barzahlung im Hinblick auf die zu erwartende Kapitalabfindung einen verhältnismäßig kurzen Zwischenkredit aufnimmt und diesen alsbald nach Empfang der Abfindung ablöst. Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Die in Aussicht stehende Kapitalabfindung verhilft dem Kriegsbeschädigten auch dann zu dem Erwerb des Grundstücks, wenn sie ihn in die Lage versetzt, einen für die Zeit bis zur Auszahlung der Abfindung aufgenommenen überbrückungskredit abzuzahlen und damit im Hinblick auf diese Abfindung den Kredit überhaupt aufzunehmen. Es besteht in diesem Falle der zu fordernde Zusammenhang zwischen dem Grundstückserwerb und der Abfindung.

Der Reichsfinanzhof erwähnt in dem Urteil vom 26. September 1944 zwar die Möglichkeit der Stundung des Kaufpreises und der dann folgenden Tilgung des Kaufpreises selbst mit der Abfindung, der Erwerber hat aber die Stundung nicht in der Hand; es wird sehr viele Fälle geben, in denen der Veräußerer zu der Stundung nicht bereit ist, zumal, wenn bar zahlende Bewerber vorhanden sind. Es ist dabei bedeutsam, daß die Erledigung eines Abfindungsantrags oft lange Zeit in Anspruch nimmt, so in diesem Streitfall fast ein Jahr und in einem anderen dem Senat vorliegenden Fall mehr als ein Jahr.

Nun schrieb zwar der § 20 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen zum früheren Grunderwerbsteuergesetz (RStBl. 1935 S. 100) vor, die Steuervergünstigung gelte auch dann, wenn die Kapitalabfindung nachträglich für ein bereits erworbenes Grundstück gewährt und zur Bezahlung des Kaufpreises oder der Schulden, die zur Tilgung des Kaufpreises aufgenommen sind, verwendet wird, und diese Vorschrift ist in das Grunderwerbsteuergesetz 1940 und seine Durchführungsverordnung nicht aufgenommen worden. Daraus ist der Schluß gezogen worden, der Gesetzgeber habe in dem neuen Gesetz die Vergünstigung in keinem Falle der Abdeckung einer zur Zahlung des Kaufpreises aufgenommenen Schuld gewähren wollen. Der Wille des Gesetzgebers kann mangels jeder Bemerkung in der Gesetzesbegründung aber auch dahin gegangen sein, daß die Vergünstigungsvorschrift aus sich selbst heraus ausgelegt werden sollte. Damit wurde die Vergünstigung in den Fällen ausgeschlossen, in denen der Grundstückserwerber die Kapitalabfindung beantragte und erhielt, nachdem der Kaufvertrag schon vor Jahren abgeschlossen war, und die Kapitalabfindung in keinem Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb stand; andererseits blieb die Möglichkeit der Gewährung der Vergünstigung für den hier behandelten Fall der Aufnahme eines Zwischenkredits bis zum Empfang der Abfindung offen.

Daß auch der Darlehnsgeber den Zwischenkredit mit Rücksicht auf die zu erwartende Kapitalabfindung gewährt, kann nicht verlangt werden. So macht es im Streitfall nichts aus, daß für die Sparkasse sicher die Bürgschaft des Chefs des Bg. für die Kredithingabe bestimmend war. Es ist erforderlich und genügt für die Erfüllung der strittigen Voraussetzung, daß der Erwerber den Zwischenkredit zur Befriedigung des Barzahlung verlangenden Veräußerer in der Absicht aufnimmt, ihn mit der Kapitalabfindung zu tilgen, daß dies auch geschieht, und daß er den Antrag auf Kapitalabfindung vor oder unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern, nach dem Abschluß des Kaufvertrags stellt. In diesem Falle dient die Kapitalabfindung dem Erwerb des Grundstücks, nicht der wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes des Abfindungsempfängers.

Hiernach ist die strittige Voraussetzung der Steuervergünstigung erfüllt. Da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407680

BStBl III 1953, 211

BFHE 1954, 550

BFHE 57, 550

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