Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag auf Veranlagung gem. § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8, Satz 2 EStG kann formfrei gestellt werden.
2. Ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung beinhaltet in der Regel keinen Antrag auf Veranlagung gem. § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8, Satz 2 EStG.
Orientierungssatz
1. Für den Mindestinhalt des Antrags auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8, Satz 2 EStG sind Angaben des Steuerpflichtigen notwendig, aber auch ausreichend, die seinen Willen auf Durchführung des entsprechenden Verfahrens gegenüber dem FA in der Weise erkennbar machen, daß dem FA die Einleitung des Verfahrens ermöglicht ist (vgl. BFH-Rechtsprechung zu verfahrenseinleitenden Anträgen des Steuerpflichtigen).
2. Bei der Frist des § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlußfrist (vgl. BFH-Urteil vom 8.5.1979 VIII R 78/77).
Normenkette
EStG 1977 § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 8, S. 2; EStDV 1977 § 56 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die bei der Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Im Streitjahr erzielte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Für die Jahre vor dem Streitjahr 1978 hatten die Kläger Einkommensteuererklärungen abgegeben, in denen sie neben den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auch Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärt hatten.
Mit Schreiben vom 29.September 1980 beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--), die Frist "zur Abgabe der Steuererklärung ... 1978" bis zum 31.Oktober 1980 zu verlängern. Nachdem die Kläger die Einkommensteuererklärung 1978 nicht eingereicht hatten, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1978 vom 24.März 1981 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3 000 DM. Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Einspruchs legten die Kläger die Einkommensteuererklärung 1978 am 22.April 1981 vor, in der sie neben Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 36 732 DM einen Werbungskostenüberschuß aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 19 048 DM erklärten. Das FA hat daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1978 vom 24.März 1981 aufgehoben und den Klägern mit der Begründung, daß die Antragsfrist für die Antragsveranlagung abgelaufen sei, am 28.September 1981 eine Nichtveranlagungsverfügung erteilt. Der von den Klägern hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vermochte das FA nicht zu erkennen.
Auf die Klage hin verpflichtete das Finanzgericht (FG) das FA unter Aufhebung der Nichtveranlagungsverfügung vom 28.September 1981 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1978 durchzuführen. Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Steuererklärung vom 29.September 1980 sei als Antrag auf Veranlagung anzusehen. Eine besondere Form für diesen Antrag sei nicht vorgeschrieben, weswegen er entgegen der von der Finanzverwaltung in Abschn.217 Abs.1 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1978 (EStR) vertretenen Auffassung nicht den in § 60 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1977 (EStDV) aufgestellten Erfordernissen entsprechen müsse. Der Fristverlängerungsantrag der Kläger bringe deren Wunsch auf Veranlagung zum Ausdruck. Angesichts der Kompliziertheit der Regelung in § 46 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG) würde es den Steuerpflichtigen überfordern, wenn man gemäß § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG einen ausdrücklichen Antrag verlange.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 46 Abs.2 Satz 2 EStG durch das FG. Ein Antrag auf Verlängerung der Abgabefrist für eine Steuererklärung beinhalte nicht die danach geforderte fristgerechte Abgabe des Veranlagungsantrags, sondern nur den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe des Antrags in Gestalt der Einkommensteuererklärung. Die Frist nach § 46 Abs.2 Satz 2 EStG sei als Ausschlußfrist nicht verlängerbar. Das FA sei nicht verpflichtet gewesen, den Klägern einen Hinweis auf den Ablauf der Ausschlußfrist zu erteilen. Die beantragte Fristverlängerung habe sich im Rahmen der durch § 46 Abs.2 Satz 2 EStG vorgegebenen Ausschlußfrist bewegt. Zur weiteren Begründung bezieht sich das FA auf Abschn.217 Abs.1 EStR.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Antrag auf Veranlagung könne schon deshalb formlos gestellt werden, weil das Gesetz nicht ausdrücklich einen förmlichen Antrag vorschreibe. Wenn das FA dem Fristverlängerungsantrag keinen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs.2 Satz 2 EStG habe entnehmen können, sei es verpflichtet gewesen, dies den Klägern gegenüber klarzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG haben die Kläger den Antrag auf Durchführung der Veranlagung gemäß § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8, Satz 2 EStG nicht fristgerecht gestellt.
a) Nach § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 Buchst.b EStG kann bei Einkommen bis zu den in § 46 Abs.1 EStG genannten Beträgen die Veranlagung u.a. zur Berücksichtigung von Verlusten aus einer anderen Einkunftsart als derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit beantragt werden, falls die Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, zusammen einen Verlustbetrag ergeben. Die Meinungen darüber, ob der Antrag nur in einer bestimmten Form, insbesondere in der Form der Einkommensteuererklärung im Sinne von § 60 EStDV gestellt werden kann, sind geteilt (befürwortend z.B. Abschn.217 Abs.1 Satz 2 EStR; Horowski/Altehoefer, Kommentar zum Lohnsteuerrecht, § 46 EStG Anm.41; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer Stichwort "Veranlagung von Arbeitnehmern" B III 12 zu § 46 Abs.2 Nr.7; ablehnend z.B. FG Münster, Urteil vom 20.Dezember 1983 VI 87/81 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 352; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 46 EStG Tz. 175; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl. 1986, § 46 Anm.22; Baumdicker in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 46 Tz.96; Gerard in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 46 Tz.46; Kuhlmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 46 Rdnr.32). Der Senat sieht in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur wortgleichen Vorschrift des § 46 Abs.2 Nr.5 Buchst.b EStG 1960 (vgl. BFH-Urteil vom 18.September 1964 VI 244/63 U, BFHE 81, 30, BStBl III 1965, 11, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7.März 1963 IX A 147/61, EFG 1964, 19 bestätigt wurde) in § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG keinen Anhaltspunkt dafür, daß der dort geforderte Antrag einer bestimmten Form, insbesondere der Form der Steuererklärung im Sinne von § 60 EStDV, bedarf. Nach diesem Urteil hält der BFH einen Lohnsteuer-Ermäßigungsantrag als Antrag nach § 46 Abs.2 Nr.5 Buchst.b EStG für ausreichend, weil aus diesem Antrag hinreichend auf den Willen des Steuerpflichtigen auf Steuerermäßigung --gleich in welchem Verfahren-- geschlossen werden könne. Diese wortgetreue Auslegung des Antragsbegriffs im Sinne von § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8, Satz 2 EStG wird durch einen Vergleich mit der Regelung für den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bestätigt. Daraus, daß der Gesetzgeber in § 42 Abs.2 Satz 3 EStG hierfür ausdrücklich einen Antrag nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck vorgesehen hat, schließt der Senat, daß ohne eine solche gesetzliche Grundlage eine bestimmte Antragsform nicht verlangt werden kann. Im Streitfall fehlt es an der gesetzlichen Grundlage für das Verlangen eines förmlichen Antrages. § 51 Abs.1 Nr.1 Buchst.c EStG in Verbindung mit §§ 56 bis 60 EStDV (zur Ermächtigungsgrundlage BFH-Urteil vom 8.Juni 1971 VII R 75/68, BFHE 103, 18, BStBl II 1971, 726) bezieht sich nur auf das durch den Antrag ausgelöste Veranlagungsverfahren (§ 25 EStG). Dies ist in § 56 Abs.1 Satz 2 EStDV klargestellt.
b) Im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zu verfahrenseinleitenden Anträgen des Steuerpflichtigen ist der Senat der Auffassung, daß für den Mindestinhalt des Antrags nach § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8, Satz 2 EStG Angaben des Steuerpflichtigen notwendig, aber auch ausreichend sind, die seinen Willen auf Durchführung des entsprechenden Verfahrens gegenüber dem FA in der Weise erkennbar machen, daß dem FA die Einleitung des Verfahrens ermöglicht ist (zum Antrag auf Feststellung eines höheren Teilwerts nach § 55 Abs.5 EStG 1971: BFH-Urteil vom 11.Oktober 1979 IV R 65/78, BFHE 129, 34, BStBl II 1980, 63; zum Antrag auf Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1969: BFH-Urteil vom 23.Juli 1976 III R 122/75, BFHE 119, 553, BStBl II 1976, 759). Ob und inwieweit der Steuerpflichtige mit seinem --wenn auch gegebenenfalls formlosen-- Antrag bereits Tatsachen und Umstände darlegen muß, aus denen auf sein Recht zur Veranlagung gemäß § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG geschlossen werden kann, ist nicht zu entscheiden, weil es im Streitfall nach den aufgezeigten Maßstäben bereits an einem fristgerecht gestellten Antrag fehlt.
Ob der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung zugleich einen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG darstellt, wird in Rechtsprechung und Schrifttum uneinheitlich beantwortet (befürwortend z.B. FG Münster, EFG 1984, 352; zu § 46 Abs.2 Nr.5 EStG a.F., § 71 EStDV a.F.: Niedersächsisches FG, Urteil vom 6.April 1966 IV 19/66, EFG 1966, 462; ablehnend zu § 46 Abs.2 Nr.5 EStG a.F., Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 13.April 1965 XVII A 56/64, EFG 1965, 491; grundsätzlich auch Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 46 EStG Rdnr.175).
Der Senat ist der Ansicht, daß einem allgemein gehaltenen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung der Wille des Steuerpflichtigen zur Antragsveranlagung nach § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG nicht entnommen werden kann.
c) Sollten die Kläger, als sie ihren Fristverlängerungsantrag stellten, davon ausgegangen sein, sie hätten einer Steuererklärungspflicht nachkommen müssen, weil sie von Amts wegen hätten zur Einkommensteuer veranlagt werden müssen, so wäre der Antrag darauf gerichtet gewesen, daß die erst spätere Erfüllung der Steuererklärungspflicht für die Kläger keine nachteiligen Folgen hat. Dem Antrag könnte in diesem Fall nur die Abwehr einer gegenwärtig bestehenden Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung im Amtsverfahren, nicht aber der positive Wille auf Durchführung einer Veranlagung entnommen werden.
Aber auch wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, daß die Kläger zugleich auch die Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG bei Stellung ihres Antrags erstrebten, konnte das FA diesem Antrag nicht den entsprechenden Willen zur Einleitung des Verfahrens nach § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 EStG entnehmen. Denn aus einem Antrag, der sich auf die Verlängerung der Steuererklärungsfrist bezieht, kann das FA nur erkennen, daß noch eine Steuererklärung eingereicht werden wird. Einem derartigen Fristverlängerungsantrag kann jedoch nicht entnommen werden, daß der Steuerpflichtige mit der noch einzureichenden Steuererklärung im Sinne von § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 Buchst.b EStG einen Verlust aus einer anderen Einkunftsart als derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wissen will, selbst wenn dafür aus den Vorjahresveranlagungen gewisse Anhaltspunkte sprechen mochten. Denn es ist aus der Sicht des FA ebenso denkbar, daß gleichwohl eine Amtsveranlagung in Betracht kommt, etwa weil die Veranlagungsgrenzen nach § 46 Abs.1 EStG überschritten sind oder beispielsweise eine Amtsveranlagung wegen Erzielung anderer Einkünfte im Sinne von § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.1 EStG in Höhe von mehr als 800 DM oder aus anderweitigen Gründen durchzuführen ist.
Hieraus folgt, daß der Fristverlängerungsantrag das FA nicht in die Lage versetzte, das Verfahren nach § 46 Abs.2 Satz 1 Nr.8 Buchst.b EStG in Gang zu setzen.
Auf die Entscheidung hätte es keinen Einfluß gehabt, wenn man in dem Fristverlängerungsantrag einen Antrag auf Verlängerung der Antragsfrist im Sinne von § 46 Abs.2 Satz 2 EStG sehen würde. Denn bei der Frist des § 46 Abs.2 Satz 2 EStG handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlußfrist (BFH-Urteil vom 8.Mai 1979 VIII R 78/77, BFHE 128, 210, BStBl II 1979, 676).
d) Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, daß im Streitfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht käme (vgl. zu dieser Möglichkeit BFHE 128, 210, BStBl II 1979, 676; zum Rechtszustand nach dem EStG 1951 bereits BFH-Urteil vom 8.März 1957 VI 117/55 U, BFHE 64, 509, BStBl III 1957, 190).
Fundstellen
Haufe-Index 61488 |
BStBl II 1987, 421 |
BFHE 148, 232 |
BFHE 1987, 232 |
BB 1987, 530 |
BB 1987, 530-531 (ST) |
DB 1987, 417-418 |
HFR 1987, 244-245 (ST) |
FR 1987, 101-103 (ST) |