Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG
Leitsatz (NV)
Die Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes beim Steuerpflichtigen setzt bei der Kapitalgesellschaft deren zivilrechtliche Auflösung voraus.
Der Auflösungsverlust ist entstanden, sobald nach Auflösung der Kapitalgesellschaft feststeht, daß mit Zuteilungen oder Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu rechnen ist und ferner, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen entstanden sind.
Die Entstehung des Verlustes wird nicht dadurch verzögert, daß noch Aufwendungen in unwesentlicher Höhe entstehen können.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zu 51 v.H. an einer GmbH beteiligt. Das Stammkapital der GmbH betrug 50000 DM.
Die 1979 gegründete GmbH entwickelte sich zunächst positiv. In den Geschäftsjahren 1985 und 1986 erzielte die GmbH noch Gewinne in Höhe von rund 82000 DM und 31000 DM. 1987 geriet die GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 4. Dezember 1987 wurde beim Amtsgericht A Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt. Das Gericht verwies das Verfahren mit Beschluß vom 23. Dezember 1987 an das Amtsgericht B, welches mit Beschluß vom 13. Januar 1988 das Konkursverfahren eröffnete.
Am 10. September 1985 hatten die Gesellschafter der GmbH vereinbart, Tantiemen und Gewinnausschüttungen dem Unternehmen als mit 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz zu verzinsendes Gesellschaftsdarlehen zur Verfügung zu stellen. Zum 31. Dezember 1987 betrug die Darlehensforderung des Klägers 211570 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 11716 DM.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1987 machte der Kläger einen Verlust gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 248786 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte den Verlust nicht. Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, mit der sie geltend machten, daß die Darlehenshingabe von Anfang an risikobehaftet gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück. Im Streitjahr 1987 sei lediglich der Konkursantrag gestellt, die GmbH in diesem Jahr mithin nicht aufgelöst worden, so daß ein Auflösungsverlust zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden sei. 1987 sei es weder rechtlich noch tatsächlich bereits zu einer Abwicklung gekommen, so daß ein Abwicklungsverlust dem Grunde nach in diesem Jahr nicht entstanden sein könne.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das FG habe § 17 EStG verletzt. Der Vermögensverfall der GmbH sei 1987 gewesen. In diesem Jahr habe festgestanden, daß mit einer Auskehrung von Vermögen an die Gesellschafter nicht mehr zu rechnen gewesen sei.
Gerügt werde ferner die mangelhafte Sachaufklärung des FG zu entscheidungserheblichen Punkten.
Die Gesellschaft habe sich praktisch und wirtschaftlich bereits im Dezember 1987 mitten in der Auflösung befunden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht die Berücksichtigung eines Verlustes gemäß § 17 Abs. 2, 4 EStG für das Streitjahr 1987 abgelehnt.
Auflösungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (analog den Veräußerungskosten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten, einschließlich der als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandelnden Kosten, übersteigt.
Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die genannten Kosten den Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
Die Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes beim Steuerpflichtigen setzt bei der Kapitalgesellschaft zunächst deren Auflösung voraus. Das ist nicht nur ein formales Tatbestandsmerkmal, das sich aus § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG ergibt. Diese Voraussetzung beruht vielmehr auf Wesen und Zweck des § 17 Abs. 4 EStG. Erst nach Auflösung und im Rahmen der dann normalerweise folgenden Liquidation der Kapitalgesellschaft kann das Vermögen der Kapitalgesellschaft (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) ermittelt werden, das dem Steuerpflichtigen ggf. zurückzuzahlen ist. Vor der Auflösung der Kapitalgesellschaft ist kein Raum für die Ermittlung eines Liquidationsgewinns. Die Auflösung ist nicht nur deshalb Voraussetzung, weil vorher die einzelnen Grundlagen des Auflösungsgewinns in der Regel nicht feststehen, sondern weil ein Auflösungsgewinn begrifflich die Auflösung der Kapitalgesellschaft voraussetzt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, daß unter aufgelöst i.S. des § 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist (Urteil vom 3. Oktober 1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361). Danach ist die Kapitalgesellschaft, hier die GmbH, i.S. des § 17 Abs. 4 EStG frühestens in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem sie nach Gesetz (§§ 60f. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) oder Satzung zivilrechtlich aufgelöst wäre.
Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt im Streitfall nur die Eröffnung des Konkursverfahrens (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, 63f. GmbHG) in Frage. Das Konkursverfahren wird noch nicht durch den Antrag (§ 103 Abs. 1 der Konkursordnung - KO -), sondern erst durch den Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts (§§ 71, 108 Abs. 1 KO) eröffnet (dazu im einzelnen Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl., § 108 Anm. 1; Jaeger-Weber, Konkursordnung, 8. Aufl., Bd.II, § 108 Rdnr. 1). Der Eröffnungsbeschluß wurde im Streitfall erst am 13. Januar 1988 vom Amtsgericht B erlassen. Ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 102 Abs. 1 KO) schon bei Antragstellung oder gar vorher gegeben waren, ist nicht entscheidend (so im Ergebnis auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 17 EStG Rdnr. 305; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 17 Anm. 32; Hörger in Littmann/Bitz/Meinke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 17 EStG Rdnr. 81; vgl. auch Döllerer in Steuerberater-Jahrbuch - StbJ - 1981/1982, 195, 206; Urteil des FG Hamburg vom 5. Mai 1983 II 51/81, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 28, bestätigt durch das BFH-Urteil vom 13. Dezember 1984 IV R 216/83, nicht veröffentlicht - NV -).
Die Kläger tragen zwar in ihrer Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung vor, die GmbH habe sich bereits im Dezember 1987 praktisch und wirtschaftlich in der Auflösung befunden. Wenn damit behauptet werden soll, daß die GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt aufgelöst worden sei (evtl. gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG), so können die Kläger damit in diesem Verfahren nicht mehr gehört werden, weil dieses Vorbringen neu ist; aus den Feststellungen des FG ergibt sich dies nicht (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Kläger rügen zwar insofern Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO). Sie haben aber nicht i.S. des § 120 Abs. 2 FGO die Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben. Dazu gehört die Angabe des Beweismittels, das vom FG nicht erhoben wurde (vgl. dazu Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 170); dazu haben die Kläger nichts vorgetragen. Für das FG, das sich mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, bestand im übrigen kein Anlaß, auch ohne Beweisantritt weitere Beweise zu erheben. Die Kläger haben schließlich auch keinen Verstoß gegen den Inhalt der Akten (§ 96 FGO) etwa mit der Behauptung gerügt, das FG habe ihren Vortrag insoweit übergangen.
Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84 (BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428). Darin ist ausgeführt, daß der Verlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG bereits in dem Jahre erfaßt werden könne, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. In dieser Entscheidung ging es allerdings um Aufwendungen nach Beendigung der Kapitalgesellschaft. Wenn abgesehen davon in dieser Entscheidung die Rede davon ist, daß der Steuerpflichtige den Verlust i.S. des § 17 Abs. 2 EStG bereits in dem Jahr erfassen kann, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, dann soll dem Steuerpflichtigen damit kein Wahlrecht eröffnet werden. Der Auflösungsverlust ist entstanden, sobald nach Auflösung der Kapitalgesellschaft feststeht, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu rechnen ist und ferner, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen entstanden sind. Mit dem Wort kann soll nur zum Ausdruck gebracht werden, daß die Entstehung des Verlustes nicht dadurch verzögert wird, daß noch Aufwendungen in unwesentlicher Höhe entstehen könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 419249 |
BFH/NV 1994, 364 |