Leitsatz (amtlich)
1. Das Diskriminierungsverbot aus Art. 12 A DBA 1931/59 (BGBl II 1959, 1252, BStBl I 1959, 1005) rechtfertigt nicht eine Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 1974 dahin, daß die Steuerfreiheit auch einer nach Schweizer Recht errichteten Stiftung zusteht, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in der Schweiz hat.
2. Das Urteil des Senats vom 24. November 1976 II R 99/67 (BFHE 120, 553, BStBl II 1977, 213) ist nicht dahin zu verstehen, daß für die Frage, ob eine Zweckwidmung i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 (= § 18 Abs. 1 Nr. 20 ErbStG 1959) vorliegt, bei eindeutigem Testamentswortlaut eine Testamentsauslegung mit Hilfe außerhalb des Testaments liegender Umstände nicht stattfinden dürfe.
Normenkette
ErbStG 1974 § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b, Nr. 17; DBA CHE 1931/59 Art. 12A
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Stiftung schweizerischen Rechts. Durch Testament wurde sie von einem Erblasser mit einem Vermächtnis in Gestalt eines Zahlungsanspruchs bedacht. Hierwegen wurde sie vom beklagten FA zur Erbschaftsteuer herangezogen. Ihr Einspruch blieb erfolglos. Die Klage, mit der von der Klägerin geltend gemacht wird, sie dürfe nicht zur Erbschaftsteuer herangezogen werden, ist vom FG abgewiesen worden.
Mit ihrer - vom BFH zugelassenen - Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Sie rügt Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) i. V. m. Art. 12 A des Deutsch-Schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 11. November 1959 - DBA 1931/59 - (BGBl II 1959, 1252, BStBl I 1959, 1005) sowie des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 und macht geltend, das Diskriminierungsverbot in Art. 12 A DBA 1931/59 erfordere eine Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 1974 dahin, daß die Steuerfreiheit erstreckt werde auf Zuwendungen an rechtsfähige Stiftungen schweizerischen Rechts, die ihren Sitz in der Schweiz haben. Außerdem habe das FG verkannt, daß der Erblasser eine Zweckwidmung habe vornehmen wollen und tatsächlich auch vorgenommen habe, so daß Steuerfreiheit aus § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 zur Anwendung komme.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II.
Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zwar zu Recht entschieden, daß der Klägerin die Steuerfreiheit nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 1974 nicht zusteht. Mangels entsprechender Feststellungen ist der Senat jedoch nicht imstande, darüber zu befinden, ob die von der Klägerin empfangene Zuwendung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 steuerfrei ist.
1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 1974 sind Zuwendungen an die in der Vorschrift näher bezeichneten Körperschaften, zu denen u. a. Stiftungen gehören, steuerfrei. Die Steuerfreiheit setzt voraus, daß es sich um inländische Körperschaften handelt. Zuwendungen an ausländische Körperschaften sind von der Vergünstigung ausgeschlossen (vgl. Meincke/Michel, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 7. Aufl., § 13 Anm. 53; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz-Kommentar, 3. Aufl., § 13 Rdnr. 34). Zu den inländischen Körperschaften gehört die Klägerin nicht. Entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG 1974 für die Festlegung der persönlichen Steuerpflicht bei der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) lassen sich Körperschaften nur insoweit als inländisch ansehen, als sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Dies ist bei der Klägerin unstreitig nicht der Fall.
Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, Rechtsgrundsätze außerhalb des ErbStG müßten dennoch dahin führen, daß die erörterte Vorschrift auch angewendet wird auf Zuwendungen an rechtsfähige Stiftungen schweizerischen Rechts, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in der Schweiz haben.
a) Eine entsprechende Interpretation des Gesetzes, etwa auf dem Wege der verfassungskonformen Auslegung, ist nicht durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) geboten. Der grundrechtliche Anspruch auf Gleichbehandlung steht der Klägerin im hier erörterten Zusammenhang nicht zu. Art. 19 Abs. 3 GG erstreckt zwar die Grundrechte auf Körperschaften, beschränkt diese Erstreckung aber auf inländische juristische Personen (vgl. BFH-Beschluß vom 18. April 1975 III B 24/74, BFHE 115, 524, BStBl II 1975, 595, mit weiteren Nachweisen). Es stellt dementsprechend keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, wenn die Klägerin die erörterte erbschaftsteuerrechtliche Vergünstigung nicht erhält, die von einer vergleichbaren inländischen Stiftung in Anspruch genommen werden dürfte.
b) Die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit aus § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 1974 durch die Klägerin läßt sich nicht auf deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsvereinbarungen stützen. Rechtsgrundlage ist insoweit das DBA 1931/59, nicht etwa das am 29. Dezember 1972 bereits mit Wirkung für das Jahr 1972 in Kraft getretene (vgl. Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Länderteil, Schweiz, DBA 1971 Abschn. I Nr. 14 = Seite 8) Abkommen vom 11. August 1971 - DBA 1971 - (BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 518). Letzteres hat lediglich eine Änderung für den Bereich der Einkommen- und Vermögensteuern gebracht, während die erbschaftsteuerrechtlichen Abkommensregelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgeklammert geblieben sind, so daß insoweit das DBA 1931/59 weiter Gültigkeit behalten hat (vgl. Korn/Dietz/Debatin, a. a. O., ErbSt-DBA 1978 Abschn. I 1 vor Art. 1). Dementsprechend hat Art. 30 Abs. 1 Satz 1 DBA 1971 mit seinem Inkrafttreten das DBA 1931/59 nur insoweit außer Kraft gesetzt, als dieses sich nach seinem Abschn. I auf die direkten Steuern bezieht.
Anwendbar im vorliegenden Fall ist schließlich nicht das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlaß- und Erbschaftsteuern vom 30. November 1978 - ErbSt-DBA - (BGBl II 1980, 593, BStBl I 1980, 244), da dieses Abkommen erst am 28. September 1980, d. h. nach der Entstehung des umstrittenen Erbschaftsteueranspruchs, in Kraft getreten ist (vgl. Korn/Dietz/Debatin, a. a. O., Anm. 1 und 2 zu Art. 17 ErbSt-DBA).
Art. 12 A Abs. 1 DBA 1931/59 enthält - ebenso wie Art. 25 Abs. 1 DBA 1971 und Art. 11 Abs. 1 ErbSt-DBA - ein Diskriminierungsverbot, wonach die Staatsangehörigen eines der beiden Staaten in dem anderen Staate keiner Besteuerung oder einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden dürfen, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen die Staatsangehörigen des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können. Unter dem Begriff der Staatsangehörigkeit ist nach Art. 12 A Abs. 2 Buchst. c DBA 1931/59 bei juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen zu verstehen, daß sie nach dem in einem der beiden Staaten geltenden Recht errichtet worden sind. Hiernach ist lediglich eine solche Schlechterstellung untersagt, die darauf abstellen würde, ob die Errichtung der betreffenden Körperschaft nicht nach deutschem, sondern nach schweizerischem Recht vorgenommen worden ist. Dagegen greift das Diskriminierungsverbot nicht ein, wenn der deutsche Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen für Körperschaften vorsieht, deren Geschäftsleitung oder deren Sitz im deutschen Inland liegt, mögen sie nach deutschem oder Schweizer Recht errichtet worden sein, und wenn er andere Körperschaften von der Vergünstigung ausschließt, bei denen weder die Geschäftsleitung noch der Sitz im Inland liegt, gleichgültig, ob sie nach deutschem oder Schweizer Recht errichtet worden sind (vgl. Korn/Dietz/Debatin, a. a. O., Art. 25 DBA 1971 Anm. 2 b; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 24 Rdnr. 32; vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 224/74, BFHE 120, 366, BStBl II 1977, 175; Troll, a. a. O., § 13 Rdnr. 34).
Nichts Gegenteiliges ergibt sich auf Grund des Einwandes der Klägerin, es erscheine aus rechtlichen Gründen unmöglich, daß eine als schweizerische Staatsangehörige i. S. des Art. 12 A DBA 1931/59 anzusehende Stiftung ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben könnte, so daß insoweit das Diskriminierungsverbot um seine Wirkung gebracht würde. Dem ist entgegenzuhalten, daß die deutsche Rechtsordnung einer Verlegung der Geschäftsleitung durch eine ausländische Stiftung, die im Ausland juristische Person ist, ins deutsche Inland nicht entgegensteht (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 42. Aufl., § 80 Anm. 1, mit weiteren Nachweisen, wonach sogar eine Verlegung des Sitzes möglich sein soll). Die von der Klägerin geltend gemachte Besorgnis, daß die hier vertretene Auslegung das Diskriminierungsverbot um seine praktische Bedeutung brächte, ist demnach nicht gerechtfertigt.
2. Der Senat vermag mangels entsprechender Feststellungen durch das FG nicht zu entscheiden, ob der Klägerin Steuerfreiheit nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 zusteht. Aufgrund dieser Vorschrift bleiben Zuwendungen steuerfrei, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist. Zu der mit der erörterten Vorschrift wörtlich übereinstimmenden Bestimmung des § 18 Abs. 1 Nr. 20 ErbStG 1959 hat der Senat in seinem Urteil vom 24. November 1976 II R 99/67 (BFHE 120, 553, BStBl II 1977, 213; vgl. auch Kapp, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 8. Aufl., § 13 Rdnrn. 167 und 168; Troll, a. a. O., § 13 Rdnr. 41; abweichend Meincke/Michel, a. a. O., § 13 Anm. 54) entschieden, die Steuerbefreiung setze bei Zuwendungen aufgrund Erbrechts u. a. voraus, daß auf Anordnung des Erblassers ein Vermögen für den oder die steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden ist. Der Empfänger des Vermögens dürfe nicht bereichert werden, sondern nur die Stellung eines Verwalters oder Treuhänders des dem Zweck gewidmeten Vermögens erhalten. Unterlasse der Erblasser die ausdrückliche Widmung, so trete keine Steuerfreiheit ein. Die Widmung müsse vom Erblasser angegeben sein, und zwar auch dann, wenn die Zuwendung einer ausländischen kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Einrichtung gewährt wird.
Das FG hat das Testament des Erblassers - insoweit zutreffend - dahin ausgelegt, daß ihm eine ausdrückliche Zweckbestimmung, wie sie der Klägerin günstig wäre, nicht zu entnehmen ist. Das FG hat jedoch dem in der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Vortrag der Klägerin aus der mündlichen Verhandlung, der Wille des Erblassers sei unter Heranziehung des Wortlauts ihrer Satzung auszulegen, entgegengehalten, dies habe der BFH in der eben zitierten Entscheidung in BFHE 120, 553, BStBl II 1977, 213 verboten. Diese Weigerung, weitere Umstände außer dem Wortlaut des Testaments zur Auslegung heranzuziehen, wird von der Klägerin mit Recht gerügt. Sie findet im geltenden Bundesrecht keine Stütze. In der zitierten Entscheidung des BFH heißt es zwar, die Erklärung der Erblasserin sei im Hinblick darauf, wer Erbe sein soll, und hinsichtlich des Fehlens einer bestimmten Zweckwidmung eindeutig; für eine Auslegung sei daher kein Raum. Diese Aussage darf aber nicht dahin verstanden werden, daß etwa sämtliche auf ein anderes Auslegungsergebnis abzielenden Überlegungen angesichts des Testamentswortlautes von vornherein hätten unterbleiben müssen. Der Senat hat insoweit vielmehr lediglich das Ergebnis seiner entsprechenden Erwägungen zur Interpretation des Testaments der Wiedergabe der diesbezüglichen Gedankengänge vorangestellt. Dies wird dadurch deutlich, daß die auf die zitierte Stelle folgenden Teile der Entscheidungsgründe eingehende Ausführungen zu der vom Senat - letztlich verneinten - Frage enthalten, ob die Einsetzung des Staates Israel als Erben etwa unausgesprochen die Erklärung enthalte, die Zuwendung sei einem gemeinnützigen oder mildtätigen Zweck gewidmet. Auch durch andere Rechtsgrundsätze ist das FG nicht gehindert gewesen, zusätzliche Umstände neben dem Testamentswortlaut bei dessen Auslegung heranzuziehen.
3. Das FG wird nach der Zurückverweisung der Sache zu ermitteln haben, ob Umstände außerhalb des Testaments vorhanden sind, die es rechtfertigen, das der Klägerin ausgesetzte Vermächtnis dahin zu interpretieren, daß es mit einer die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 erfüllenden Zweckwidmung versehen ist. Hierbei wird das FG auch die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Testamenten (Urteil vom 8. Dezember 1982 IV a ZR 94/81, BGHZ 86, 41; vgl. auch Beschluß vom 9. April 1981 IV a ZB 6/80, Der Betrieb 1981, 2379) zu berücksichtigen haben, wonach auch in den - seltenen - Fällen "klaren und eindeutigen" Wortlauts der Auslegung des Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt ist und wonach erst nach der Ermittlung des Erblasserwillens entschieden werden kann, ob dieser im Testament eine hinreichende Stütze findet und damit formgültig erklärt ist. Gegebenenfalls wird vom FG ferner zu entscheiden sein, ob die weitere Voraussetzung aus § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG 1974 als erfüllt angesehen werden kann, daß die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist (vgl. Kapp, a. a. O., § 13 Rdnr. 169; Meincke/Michel, a. a. O., § 13 Rdnr. 55; Troll, a. a. O., § 13 Rdnr. 41).
Fundstellen
Haufe-Index 74819 |
BStBl II 1984, 9 |
BFHE 1984, 298 |