Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnermittlung: Behandlung einer Brandentschädigung
Leitsatz (NV)
1. Leistungen aus einer Brandschadens-Versicherung erhöhen als Betriebseinnahmen den Gewinn des Betriebes, durch den sie veranlaßt sind; sie sind damit der Einkunftsart zuzurechnen, in der auch die betrieblichen Einkünfte erfaßt werden. Wozu diese Leistungen verwendet werden, ist für die Zurechnung der Einnahmen unbeachtlich.
2. Die Übertragung der durch die Entschädigung aufgedeckten stillen Reserven nach den Grundsätzen der Rücklage für Ersatzbeschaffung erfordert die Funktionsgleichheit des Ersatzwirtschaftsguts. Stille Reserven landwirtschaftlicher Gebäude und landwirtschaftlichen Inventars können daher nicht auf ein neuerrichtetes Gebäude übertragen werden, das der gewerblichen Zimmervermietung dienen soll.
3. Bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen sind als außerordentliche Erträge nicht nur die Gewinne aus der Veräußerung und Entnahme von Anlagegütern gesondert zu erfassen, sondern auch die die Buchwerte übersteigenden Entschädigungen, die für den Verlust solcher Wirtschaftsgüter von Versicherungen geleistet werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3, §§ 11, 13, 13a; GDL § 12 Abs. 3; EStR Abschn. 35 Abs. 2, 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1973 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger ist Fuhrunternehmer und führt u.a. auch einen Raupen- und Baggerbetrieb. Die Klägerin betreibt eine Landwirtschaft und ermittelte ihren Gewinn daraus für das Wirtschaftsjahr 1973/74 gemäß § 12 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen (GDL) und für das Wirtschaftsjahr 1974/75 nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) a. F.
Nachdem im Januar 1974 die landwirtschaftlichen Gebäude mit dem Maschinenpark bis auf das Wohnhaus abgebrannt waren, errichtete die Klägerin im Jahre 1974 auf dem gleichen Grundstück ein Gebäude und meldete zum 1. September 1974 einen Gewerbebetrieb ,,Zimmervermietung" an, den sie seitdem als Fremdenpension führte. Für das Rumpfwirtschaftsjahr 1974 ermittelte die Klägerin durch Überschußrechnung einen Verlust von 24 758,98 DM aus diesem Gewerbebetrieb. Den Bau finanzierte die Klägerin im wesentlichen durch die für den Brandschaden geleisteten Versicherungsentschädigungen in Höhe von 178 305 DM für die Gebäude und weiteren 35 313 DM für die ebenfalls zerstörten Maschinen.
Nach einer 1977 in den Betrieben der Kläger durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zunächst die Auffassung, die Klägerin habe den Grund und Boden, das Gebäude und die Maschinen dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommen, als sie mit dem Bau der Fremdenpension begonnen und dafür die Versicherungsleistungen verwendet habe. Dementsprechend ermittelte das FA folgende Entnahmegewinne: Grund und Boden 1 930 DM, Gebäude und Maschinen 183 618 DM.
Diese Entnahmegewinne behandelte das FA als Zuschläge zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen, die es in den Wirtschaftsjahren des Zuflusses erfaßte, so daß dem Durchschnittssatzgewinn des Wirtschaftsjahres 1973/74 112 713 DM zuzurechnen waren. Auf dieser Grundlage erging der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1973.
Der dagegen gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA hinsichtlich des Grund und Bodens auf Erfassung eines Entnahmegewinns verzichtete. Im übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Die Klage führte abermals zur Herabsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr, weil das Finanzgericht (FG) den für die Ermittlung des Gewinnzuschlags maßgebenden Buchwert um 15 000 DM höher ansetzte als der Prüfer.
Das FG vertrat im übrigen die Auffassung, die Versicherungsleistungen seien bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und nicht bei den Einkünften aus der Fremdenpension zu erfassen. Der daraus entstandene einmalige Gewinn sei nach den Grundsätzen der Überschußrechnung den einzelnen Wirtschaftsjahren zuzuordnen und soweit er auf das Wirtschaftsjahr 1973/74 entfalle, zur Hälfte dem Streitjahr 1973 zuzurechnen. Da es sich auch nicht um einen Veräußerungsgewinn nach § 14 EStG gehandelt und eine Übertragung der stillen Reserven nach § 6c EStG oder Abschn. 35 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) ausscheide, sei der Gewinnzuschlag in voller Höhe zu versteuern.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung der §§ 2 Abs. 6, 13 und 15 EStG 1971 und des Gleichheitsgrundsatzes, weil es das FA abgelehnt habe, die Billigkeitsregelung in Abschn. 35 Abs. 8 EStR 1978 auf den Streitfall anzuwenden. Das FG habe die erst im Jahre 1974 geleisteten Entschädigungen zu Unrecht dem Streitjahr zugeordnet. Diese Versicherungsleistungen seien vielmehr den gewerblichen Einkünften zuzuordnen, da sie zum Aufbau der Fremdenpension verwendet worden seien und dieser Gewerbebetrieb durch Strukturwandel aus der Land- und Forstwirtschaft hervorgegangen sei. Aus der Landwirtschaft habe sich eine neue Betriebsform herausgebildet. Fremdenpension und Landwirtschaft würden nicht nebeneinander betrieben, sondern ergänzten einander in der Weise, daß ,,Ferien auf dem Bauernhof" angeboten würden. Nur steuerlich werde der neue Betrieb in einen landwirtschaftlichen und einen gewerblichen Betrieb zerlegt. Eine Zurechnung der Entschädigungen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb ergebe sich daher auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Juli 1981 I R 134/78 (BFHE 134, 20, BStBl II 1981, 780), so daß der daraus entstandene Gewinn erst im Jahr 1974 zu erfassen sei.
Selbst wenn die Entschädigungen als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu behandeln seien, so finde doch die in Abschn. 35 Abs. 8 EStR 1978 vorgesehene Billigkeitsregelung Anwendung; denn die dort genannte Gewinnermittlung gemäß § 13a EStG entspreche der für das Streitjahr durchgeführten Gewinnermittlung nach dem GDL. Das FG habe sich insoweit nicht genügend mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Gleichheitsgrundsatz verletzt sei, wenn die in den EStR 1978 enthaltene Billigkeitsregelung nicht bereits auf frühere Jahre angewendet werde. Die EStR 1978 seien vielmehr in allen nicht bestandskräftigen Fällen anzuwenden. Das FA sei daher zu verpflichten, entsprechend Abschn. 35 Abs. 8 EStR 1978 zu verfahren.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1973 die Einkommensteuer auf . . . DM herabzusetzen, hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Gewinn aus Entschädigungsleistungen von 47 892 DM für 1973 gemäß Abschn. 35 Abs. 8 EStR 1978 nicht zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die noch im Wirtschaftsjahr 1973/74 geleisteten Versicherungsentschädigungen zutreffend dem Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft zugerechnet und dem Veranlagungszeitraum 1973 zeitanteilig zugeordnet.
1. a) Leistungen aus einer Brandschadens-Versicherung erhöhen als Betriebseinnahmen den Gewinn des Betriebs, durch den sie veranlaßt sind; sie sind damit der Einkunftsart zuzurechnen, in der auch die betrieblichen Einkünfte erfaßt werden. Wozu diese Leistungen verwendet werden, ist für die Zurechnung der Einnahmen unbeachtlich.
Das FG hat danach zutreffend entschieden, daß die bis zum 30. Juni 1974 geleisteten Versicherungsentschädigungen den für das Wirtschaftsjahr 1973/74 nach dem GDL zu ermittelnden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft erhöhten (§ 13 EStG i.V.m. § 12 GDL). Derartige Entschädigungen sind als einmalige Betriebseinnahmen i. S. des § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL dem Grundbetrag nach § 12 Abs. 3 GDL hinzuzurechnen, wenn die sich nach Abzug der Buchwerte daraus ergebenden Gewinne 800 DM übersteigen. Mit dem Grundbetrag nach § 12 Abs. 3 GDL soll nur der regelmäßige und nachhaltig erzielbare Reinertrag des landwirtschaftlichen Betriebes erfaßt werden. Wie der BFH zu dem nach § 13a Abs. 3 EStG a. F. anzusetzenden Grundbetrag entschieden hat (Urteil vom 15. November 1984 IV R 131/83, BFHE 142, 469, BStBl II 1985, 156), gehören dazu in der Regel alle laufenden Geschäftsvorfälle, nicht jedoch außerordentliche Erträge. Gesondert zu erfassen sind daher nicht nur Erträge aus der Veräußerung und Entnahme von Anlagegütern (BFHE 142, 469, BStBl II 1985, 156), sondern auch die Entschädigungen, die für den Verlust solcher Wirtschaftsgüter geleistet werden, soweit sich nach Abzug der Buchwerte noch ein Gewinn errechnet. Dieser Gewinn ist nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 11 EStG zu ermitteln (BFH-Urteil vom 31. März 1977 IV R 159/76, BFHE 121, 476, BStBl II 1977, 549). Auf dieser Grundlage hat die Vorinstanz abweichend von der ursprünglichen Berechnung des FA den außerordentlichen Ertrag aufgrund des Vorbringens der Kläger geschätzt, dem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1973/74 hinzugerechnet und gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 EStG 1971 zur Hälfte dem Kalenderjahr 1973 zugeordnet.
b) Demgegenüber können die Kläger nicht mit Erfolg einwenden, die Entschädigungen seien deshalb als gewerbliche Einnahmen zu erfassen, weil der landwirtschaftliche Betrieb im Zeitpunkt des Zuflusses der Leistungen als solcher nicht mehr bestanden habe, sondern durch Strukturwandel zu einem Gewerbebetrieb geworden sei. Zwar könnten in einem solchen Falle, wie der BFH im Urteil in BFHE 134, 20, BStBl II 1981, 780 ausgeführt hat, die Versicherungsleistungen auch nicht als nachträgliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13, 24 EStG) erfaßt werden. Die Kläger berufen sich jedoch zu Unrecht auf diese Entscheidung; denn im Streitfall ist der Pensionsbetrieb nicht infolge Strukturwandels aus der Landwirtschaft hervorgegangen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), hat die Klägerin ihren Gewerbebetrieb ,,Zimmervermietung" vielmehr neu eröffnet, den landwirtschaftlichen Betrieb daneben aber fortgeführt. Eine derartige Gestaltung ist selbst dann nicht als Strukturwandel zu beurteilen, wenn beide Betriebe einander sich dergestalt ergänzen, daß Landwirtschaft und Fremdenpension den Gästen ,,Ferien auf dem Bauernhof" ermöglichen, während die landwirtschaftliche Betätigung im übrigen weiter ausgeübt wird.
2. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß eine Übertragung der durch die Versicherungsleistungen aufgedeckten stillen Reserven auf das neu errichtete gewerbliche Gebäude im Streitfall ausscheidet. Die Voraussetzungen für die Bildung und Übertragung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung liegen nicht vor. Eine solche gewohnheitsrechtlich zugelassene Rücklage kann nur ein buchführender Land- und Forstwirt bilden. Die Verwaltung hat allerdings in Abschn. 35 Abs. 8 EStR 1978 erstmals auch für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zugelassen, daß das zwangsweise Ausscheiden von Wirtschaftsgütern und die damit zusammenhängenden Entschädigungsleistungen nicht zu berücksichtigen sind. Mit der Vorinstanz hält der Senat im Streitfall diese Regelung aber nicht für anwendbar, und zwar nicht nur deshalb, weil bis zum Veranlagungszeitraum 1978 eine Übertragung zwangsweise aufgedeckter stiller Reserven für alle gleichartigen Fälle der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen ausgeschlossen war, sondern weil es auch an der weiteren für die Übertragung stiller Reserven erforderlichen Voraussetzung der Funktionsgleichheit des Ersatzwirtschaftsguts fehlt. Die Entschädigungsleistungen, die für die zerstörten landwirtschaftlichen Gebäude und das zerstörte Inventar gezahlt worden sind, hat die Klägerin nicht für entsprechende Ersatzwirtschaftsgüter, sondern zur Herstellung des gewerblich genutzten Gebäudes verwandt.
Fundstellen
Haufe-Index 414168 |
BFH/NV 1986, 208 |