Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen für den Einbau eines Austauschmotors in einen Lastkraftwagen innerhalb der buchmäßig vorgesehenen Nutzungszeit stellen in der Regel laufenden Erhaltungsaufwand dar.
Normenkette
EStG § 6/1/1, § 7/1
Tatbestand
Streitig ist in der Rechtsbeschwerde nur noch, ob die Kosten des Einbaus eines Diesel-Austauschmotors in einen LKW im August 1955 sofort über Unkosten abzubuchenden Erhaltungsaufwand oder aktivierungspflichtigen Herstellungsaufwand darstellen. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hatte den LKW im Jahr 1952 zum Preise von etwa 52 000 DM erworben. Am 31. Dezember 1954 stand der LKW noch mit 10 336 DM zu Buch. Die Aufwendungen für den neuen Motor und für seinen Einbau betrugen 10 864 DM.
Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung des Finanzamts an, verteilte die Kosten auf zwei Jahre und ließ für 1955 unabhängig von der bisher jährlich zugestandenen Absetzung für Abnutzung einen auf sechs Monate entfallenden Teilbetrag von 1/4 von 10 864 DM = 2715 DM zum Abzug zu. Es ging dabei von folgenden Erwägungen aus.
Werde ein LKW mit einem neuen Austauschmotor versehen, so sei damit eine wesentliche änderung seines Zustands verbunden. Es handle sich deshalb nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639) um aktivierungspflichtigen Herstellungsaufwand. Der Einbau des Austauschmotors in einen mehrere Jahre genutzten LKW diene nicht bloß dazu, das Fahrzeug in einem der Dauer seiner bisherigen Nutzung entsprechenden Zustand zu erhalten, sondern führe darüber hinaus zu einer ihm wesentlichen änderung und Verbesserung des Fahrzeugs, die ihm den Charakter des zusätzlich Neuen gebe und seine Nutzungsdauer wesentlich verlängere.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde der Bfin. ist begründet.
Zutreffend geht das Finanzgericht von den im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U entwickelten Grundsätzen über die Abgrenzung von sogleich abzugsfähigem Erhaltungsaufwand und aktivierungspflichtigem Herstellungsaufwand aus. Danach lassen sich zwar nicht für alle Fälle gültige allgemeine Abgrenzungsmerkmale finden. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Annahme von Herstellungsaufwand ergibt sich dann, wenn der Aufwand zu einer Veränderung der Wesensart führt oder wenn eine so umfangreiche Erneuerung der Substanz vorgenommen wird, daß bei wirtschaftlicher Betrachtung ein neuer Gegenstand, wenn auch von gleicher Wesensart, entsteht. Dabei ist der Begriff der Erhaltung weit zu fassen und in Zweifelsfällen nicht Herstellungs-, sondern Erhaltungsaufwand anzunehmen. Der Werterhöhung und der regelmäßigen Wiederkehr der Aufwendungen kann keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Sind die Aufwendungen allerdings im Verhältnis zum Wert des Wirtschaftsguts vor der Reparatur ungewöhnlich hoch, wie das bei dem generalüberholten Omnibus im Urteil des Senats I 111/54 U vom 31. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 86, Slg. Bd. 62 S. 230, oder bei der Neuwicklung der Transformatoren im Urteil I 14/55 U vom 16. August 1955, BStBl 1955 III S. 306, Slg. Bd. 61 S. 283, der Fall war, so bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob nicht der Aufwand bei wirtschaftlicher Betrachtung ein neues Wirtschaftsgut schuf und das bestehende Wirtschaftsgut in seiner Substanz oder in seiner Wesensart veränderte. Aber auch hoher Aufwand kann dazu dienen, den normalen Materialverschleiß auszugleichen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, ohne daß die Gebrauchs- und Nutzungsmöglichkeit wesentlich verändert wird und die für die Annahme von Herstellungsaufwand notwendigen Merkmale gegeben sind.
Von diesen Grundsätzen ausgehend kann der Auffassung des Finanzgerichts nicht gefolgt werden, daß die Kosten des Einbaumotors als Herstellungsaufwand anzusehen sind. Der Lastwagen wird weder in seiner Wesensart verändert noch in der Substanz erweitert. Der Austausch des Motors führt nicht zu einer so umfangreichen Erneuerung der vorhandenen Substanz, daß damit bei wirtschaftlicher Betrachtung ein neuer Lastwagen geschaffen würde. Jede Reparatur dient dazu, den Nutzungs- und Gebrauchswert des Wirtschaftsguts in der vorgesehenen Nutzungszeit zu erhalten. Die Hauptteile des Wirtschaftsguts, die bei normaler Nutzung während der Nutzungszeit nicht ergänzt oder erneuert werden, bestimmen weitgehend die Gesamtlebensdauer. Wird deshalb in einem Wirtschaftsgut ein Teil ersetzt, der einem schnelleren Verschleiß als die anderen Teile unterliegt, so wird die Nutzungsfähigkeit des Wirtschaftsguts nur im Rahmen der Lebensdauer der nicht ergänzten Teile ermöglicht. Liegt die durch den Aufwand geschaffene Verlängerung der Gebrauchs- und Nutzungsmöglichkeit im Rahmen dieser Schranken, so ist in der Regel Erhaltungsaufwand anzunehmen.
Die vorstehenden Ausführungen gelten nur für Aufwendungen innerhalb der buchmäßig vorgesehenen Nutzungszeit. Zu der Frage, ob und inwieweit diese Grundsätze auch in den Fällen angewendet werden dürfen, in denen die Aufwendungen erst nach Ablauf dieser Nutzungszeit oder an einem in gebrauchtem Zustand erworbenen Wirtschaftsgut gemacht werden, braucht hier nicht Stellung genommen zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409243 |
BStBl III 1959, 95 |
BFHE 1959, 240 |
BFHE 68, 240 |
BB 1959, 147 |
DB 1959, 159 |