Leitsatz (amtlich)
1. § 3 Abs. KVStG setzt voraus, daß der Darlehnsgeber bei Hingabe, Vereinbarung oder Verlängerung des Darlehens Gesellschafter ist oder als Gesellschafter ein fälliges oder kündbares Darlehen nicht geltend macht (Abweichung von RFH 21, 229; BFH 76, 56).
2. Steuerpflicht aus § 3 Abs. 1 KVStG tritt nicht ein, wenn die Darlehnsgewährung nicht durch die Gesellschafterstellung veranlaßt ist (Ergänzung zu BFH 95, 117). Zu üblichen Bedingungen gewährte Darlehen von Kleinstaktionären unterliegen nicht der Gesellschaftsteuer.
2. Der Begriff der nach der Sachlage gebotenen Kapitalzuführung (§ 3 Abs. 1 KVStG) wird nicht durch den Grundsatz bestimmt, daß in der Regel das Anlagevermögen durch Eigenkapital zu decken sei (Abweichung von BFH 75, 489; 76, 585).
2. Die Forderungsstundung eines Gesellschafters (§ 3 Abs. 3 KVStG) unterliegt nicht schon deshalb der Gesellschaftsteuer, weil gestundete Forderung der Kaufpreis eines Grundstücks - eine Investition der Gesellschaft - ist.
2. Eine Kapitalzuführung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 KVStG geboten, wenn sie nach objektiven Maßstäben auf Grund der am Stichtag (§ 3 Abs. 1 StAnpG) bestehenden Planungen der Gesellschaft unter Berücksichtigung des Anlage- und des Umlaufvermögens (Abweichung von BFH 77, 133; 88, 526), der bisherigen Gewinne oder Verluste, der allgemeinen Wirtschaftslage und den Gegebenheiten der Branche (Abweichung von BFH 75, 489; 76, 585; 77, 176) voraussehbar erforderlich ist oder wird, um die Existenz der Gesellschaft oder deren Geschäftsvolumen zu erhalten. Das ist in erster Linie anhand eines Finanzierungsplans zu prüfen; die sogenannte Finanzierung durch Abschreibungen ist nicht schlechthin unbeachtlich (Abweichung von BFH 76, 346).
2. Soweit es auf eine Vermögensaufstellung zum Stichtag ankommt, sind die unter Berücksichtigung aller Umstände anzusetzenden gemeinen Werte, nicht aber die Vorschriften des BewG maßgebend (Abweichung von BFH 77, 176).
2. Bei einem Tilgungsdarlehen müssen die kurzfristigen Raten außer Betracht bleiben (Abweichung von BFH 58, 235); maßgebend ist im übrigen, ob innerhalb der Laufzeit der einzelnen Rate die Zuführung von Eigenkapital vorhersehbar erforderlich würde, aber durch die einzelne Darlehnsrate ersetzt wird.
2. Verhältnismäßig geringfügige mittelfristige Beträge können bei einem gesunden Unternehmen nur dann Ersatz einer gebotenen Kapitalzuführung sein, wenn ihre Gewährung Teil einer weiterreichenden Gesamtplanung ist.
Normenkette
KVStG § 3 Abs. 1, 3, § 6 Abs. 2; StAnpG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 4 750 000 DM. Nach den Bilanzen der Jahre 1956 bis 1959 war ihr Anlagevermögen nur zu 70 bis 74 v. H. durch Eigenkapital gedeckt. Die Struktur des Anlagevermögens ist nicht festgestellt. Das FG hat auf folgende Bilanzübersicht der Einspruchsentscheidung Bezug genommen:
1956 1957 1958 1959
DM DM DM DM
Anlagevermögen
einschl. Beteiligungen 15 654 100 16 363 100 16 655 600 18 237 500
(Zugänge) (3 759 100) (3 176 600) (2 914 900) (4 184 000)
(Abgänge und
Abschreibungen) (2 321 900) (2 467 600) (2 622 400) (2 602 100)
Umlaufvermögen 10 160 800 9 841 000 11 787 500 11 785 900
Abgrenzungsp. 234 700 278 700 341 700 307 600
Aktiva rd. 26 049 600 26 482 800 28 784 800 30 331 000
Grundkapital 4 750 000 4 750 000 4 750 000 4 750 000
Rücklagen 4 952 200 4 952 400 5 216 700 5 281 400
Gewinn einschl. Vortrag 432 100 370 400 423 500 478 000
Sonstiges
(Pensionsrückst.) 1 150 300 1 496 800 1 913 300 2 192 000
Eigenkapital 11 184 600 11 569 600 12 303 500 12 701 400
Sonstige Passivposten 14 765 000 14 913 200 16 481 300 17 629 600
Passiva rd. 26 049 600 26 482 800 28 784 800 30 331 000
Die Unterstützungskasse für die Belegschaftsmitglieder der Klägerin, ein eingetragener Verein, hatte dieser mehrere Darlehen gewährt. Deren Summe betrug am 30. September 1955 1 285 000 DM. Die Mittel für die gewährten Darlehen stammten überwiegend aus freiwilligen Zuweisungen der Klägerin. In den Jahren 1956 und 1957 erwarb die Unterstützungskasse Aktien der Klägerin im Nominalbetrag von 14 000 DM.
Im Jahr 1958 kaufte die Klägerin von zwei Aktionären ein Grundstück zum Preis von 363 000 DM. Ein Teilbetrag von "rund" 277 000 DM wurde gegen einen Zinssatz von 7 1/2 % gestundet; er sollte - beginnend im Jahr 1959 - in sechs Jahresraten getilgt werden.
Wegen der Darlehen der Unterstützungskasse im Gesamtbetrag von 1 285 000 DM und der Kaufpreisstundung in Höhe von angeblich 277 000 DM hat das FA - Beklagter - Gesellschaftsteuer festgesetzt. Einspruch und Berufung der Klägerin wurden zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Klägerin ist bezüglich beider durch das angefochtene Urteil erfaßter und zuvor durch den angefochtenen Steuerbescheid zusammengefaßter Steuerfälle begründet. Das angefochtene Urteil war daher in vollem Umfang aufzuheben (§ 126 Abs. 3 FGO).
I.
Hinsichtlich der Besteuerung des von der Unterstützungskasse gegebenen Darlehens kann der BFH in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Darlehnsgewährung unterlag nicht der Gesellschaftsteuer. Der Steuerbescheid war daher unter Änderung der Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben (§ 100 FGO).
1. Für die Entscheidung maßgebend ist § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1955, der durch Beschluß des BVerfG vom 10. Oktober 1961 - 2 BvL 1/59 - (BVerfGE 13, 153) mit Gesetzeskraft (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 11 BVerfGG) für mit dem GG vereinbar erklärt worden ist. Nach dieser Vorschrift unterliegt bei inländischen Kapitalgesellschaften (§§ 5, 10 Abs. 1 KVStG) die Gewährung von Darlehen an diese durch einen Gesellschafter (§ 6 Abs. 2 KVStG) der Gesellschaftsteuer, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Die Steuerschuld entsteht, wenn dieser Tatbestand verwirklicht ist (§ 3 Abs. 1 StAnpG).
a) Im vorliegenden Falle hatte die Unterstützungskasse der Klägerin die Darlehen zu (nicht näher bestimmten) Zeitpunkten gegeben, als sie noch nicht deren Aktionärin (§ 6 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 KVStG) war. Die Hingabe der Darlehen konnte somit - da sich für den Tatbestand einer Umgehung der Steuerpflicht (§ 6 Abs. 1 und 2 StAnpG) kein Anhalt findet - die Gesellschaftsteuerpflicht nicht auslösen. Das FG hat jedoch angenommen, daß die Gesellschaftsteuer zu dem späteren Zeitpunkt entstanden ist, zu dem die Unterstützungskasse Aktien der Klägerin erwarb, weil dadurch ihre (fortdauernde) Stellung als Gläubigerin der Darlehen mit der (neu erworbenen) Stellung als Gesellschafterin der Klägerin zusammengefallen sei. Dieser Standpunkt entspricht dem des Urteils des BFH II 42/59 U vom 26. Oktober 1962 (BFH 76, 56, BStBl III 1963, 21) - vgl. Urteil des RFH II A 293/27 vom 24. Juni 1927 (RFH 21, 229, RStBl 1927, 183) -, an dem der BFH noch in dem Urteil II 113/61 vom 2. März 1966 (BFH 86, 396, BStBl III 1966, 509) festgehalten hatte. Beide Urteile beruhen nicht auf dieser Rechtsansicht; sie kann nicht aufrechterhalten werden.
Einzuräumen ist allerdings, daß in einem solchen Falle der Darlehnsgeber während der Dauer der Darlehnsgewährung Gesellschafter geworden ist, und daß der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1955 unmittelbar nicht erkennen läßt, daß seine Tatbestandsmerkmale in einer bestimmten Reihenfolge verwirklicht werden müßten. Der früheren Rechtsprechung wäre also beizutreten, wenn die "Gewährung von Darlehen" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1955 nicht als eine (einmalige) Handlung, sondern als ein (dauernder) Zustand anzusehen wäre (so bei anderer Rechtslage RFH-Urteil II A 293/27 vom 24. Juni 1927, RFH 21, 229). Das trifft aber bereits nach dem regelmäßigen Sprachgebrauch nicht zu. Wohl kann - wie oben - von einer Dauer der Darlehnsgewährung gesprochen werden. Die verbale Auflösung dieser substantivierten Ausdrucksweise ergibt aber, daß sie nicht die Dauer angeben soll, während der das Darlehen gewährt wird, sondern die Dauer, für die oder während der das Darlehen gewährt ist oder - noch deutlicher - gewährt worden ist.
Dem aus dem Wort "gewähren" abgeleiteten Verbalsubstantiv "Gewährung" kommt also nur dann perfektische Bedeutung zu, wenn es mit einem die Dauer kennzeichnenden Worte verbunden ist oder sich seine perfektische Aussage sonst aus dem Kontext ergibt. Dieser beweist aber für § 3 Abs. 1 KVStG gerade das Gegenteil. Denn die Darlehnsgewährung muß eine "Kapitalzuführung" ersetzen. Ein Zustand könnte aber eine Handlung allenfalls erübrigen, jedoch nicht ersetzen.
Der Sinn des § 3 Abs. 1 KVStG bestätigt das Ergebnis der Wortauslegung. Denn dieser soll als Ergänzungstatbestand (vgl. zu diesem Begriff für § 1 Abs. 3 GrEStG die Urteile II 70/63 vom 16. März 1966, BFH 86, 158, BStBl III 1966, 378, und II 165/62 vom 22. Juni 1966, BFH 86, 520, BStBl III 1966, 554) zu den in § 2 KVStG aufgezählten Tatbeständen deren Umgehung unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 StAnpG verhindern (vgl. Amtliche Begründung zum KVStG 1934, RStBl 1934, 1460 [1465 f.]). Die Steuerpflicht soll also auch dann eintreten, wenn ein Gesellschafter statt an sich gebotener Kapitalerhöhung oder an sich gebotener Zuschüsse der Gesellschaft ein Darlehen gewährt. Dieser Gesetzeszweck fordert zwar nicht unbedingt, daß der spätere Gesellschafter es bereits im Zeitpunkt der Darlehnshingabe ist; er mag die Besteuerung bei Eintritt aller sonstigen Voraussetzungen auch dann zulassen, wenn das Darlehen bereits im Hinblick auf den anschließend vorgesehenen Erwerb der Gesellschafterstellung gewährt worden war. Hat der Darlehnsgeber, der nicht Gesellschafter ist, bei Hingabe des Darlehens aber nicht die Absicht, in absehbarer Zeit Anteile der Gesellschaft zu erwerben, so kann für ihn eine Kapitalzuführung im Sinne der Zuführung von Eigenkapital unter keinen Umständen durch die Sachlage geboten sein. Eine Auslegung, wonach bei Unterkapitalisierung der Gesellschaft schon die bloße Vereinigung der Stellung als Gläubiger und als Gesellschafter die Steuerpflicht auslösen würde, würde daher über den klaren Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 KVStG hinausreichen.
b) Andererseits kann der im BGB nicht verwendete Ausdruck der Darlehnsgewährung (§ 3 Abs. 1 KVStG) nicht der Hingabe eines Darlehens (§ 610 BGB), also der Handlung des Darleihers, durch die der Darlehnsnehmer Geld oder andere vertretbare Sachen als Darlehen empfängt (§ 607 Abs. 1 BGB), gleichgesetzt werden. Denn dadurch würde - offenbar sinnwidrig - das Vereinbarungsdarlehen des § 607 Abs. 2 BGB vom Tatbestand des § 3 Abs. 1 KVStG ausgenommen. Daß das nicht gewollt sein kann, ergibt sich eindeutig aus § 3 Abs. 3 KVStG, wonach es der Gewährung von Darlehen gleichsteht, wenn der Gesellschafter gestundete Forderungen Dritter gegen die Gesellschaft erwirbt oder Forderungen, die ihm selbst gegen die Gesellschaft zustehen, stundet. Daraus folgt zwingend, daß die Gesellschaftsteuer, wenn für die Rückerstattung des von einem Nichtgesellschafter gewährten Darlehens eine Frist bestimmt worden ist (vgl. §§ 609 Abs. 1, 607 Abs. 1 BGB) und diese verlängert wird, nachdem der Gläubiger Gesellschafter geworden ist, mit dieser Vereinbarung entsteht (§ 3 Abs. 1 StAnpG), sofern in diesem Zeitpunkt auch die sonstigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 KVStG erfüllt sind. Denn die Prolongation des Darlehens ist im Grunde nichts anderes als die Stundung (§ 3 Abs. 3 KVStG) der Rückerstattungspflicht (§ 607 Abs. 1 BGB); sie kann auch mit einem (erneuten) Vereinbarungsdarlehen verglichen werden, auf das der Wortlaut des § 607 Abs. 2 BGB nur deshalb nicht zutrifft, weil die ursprüngliche Schuld auf keinem anderen Rechtsgrunde als dem des Darlehens (§ 607 Abs. 1 BGB) beruht.
Das gleiche mag auch dann gelten, wenn ein Darlehen mit gesetzlicher (§ 609 Abs. 2 BGB) oder vereinbarter Kündigungsfrist nicht gekündigt wird, nachdem der Darleiher Gesellschafter geworden ist, und wenn das Unterlassen der Kündigung durch den neuen Gesellschafter eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt (§ 3 Abs. 1 KVStG). Auch insoweit kann freilich nicht unterstellt werden, daß die Darlehnsgewährung ein Dauerzustand sei. Vielmehr kann es nur darauf ankommen, ob nach dem zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter bestehenden Verhältnis davon auszugehen ist, daß das der Gesellschaft gewährte Darlehen dieser noch längere Zeit verbleiben und dort Eigenkapital ersetzen soll; erst diese Tendenz verwandelt das bloße Unterlassen des Gesellschafters in ein Tun durch Unterlassen, in eine Handlung. Denn daß ein Darlehen formal jederzeit kündbar ist, schließt weder aus, daß Gesellschaft und Gesellschafter es zum langfristigen Ersatz von Eigenkapital vorgesehen haben noch daß es dazu geeignet ist (vgl. Urteil II R 13/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 349 [351], BStBl III 1967, 397).
Da tatsächliche Feststellungen in dieser Richtung fehlen, wäre die Sache allein aus dem vorerwähnten Grunde noch nicht zur abschließenden Entscheidung reif. Die Steuerpflicht ist jedoch aus einem anderen Grunde abschließend zu verneinen.
2. Die Klägerin hatte im maßgebenden Zeitpunkt ein Grundkapital von 4 750 000 DM; an diesem wurde die Unterstützungskasse mit 14 000 DM beteiligt. Ihre Beteiligung betrug also nicht einmal 0,3 %.
a) Selbstverständlich ist die Unterstützungskasse auch mit dieser geringen Beteiligung Gesellschafterin im Sinne des § 6 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 KVStG und damit auch im Sinne des § 3 Abs. 1 KVStG geworden (vgl. zu § 1 Abs. 3 GrEStG Urteil II 26/63 vom 16. März 1966, BFH 85, 117, BStBl III 1966, 254, sowie zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 KVStG das Urteil II 24/63 vom 7. Mai 1968, BFH 92, 538). Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen muß überdies unterstellt werden, daß im Zeitraum des Aktienerwerbs der Unterstützungskasse die bei der Klägerin gegebene Sachlage eine Kapitalzuführung geboten hätte, wenn ihr die Darlehen der Unterstützungskasse nicht zur Verfügung gestanden hätten. Daraus folgt aber nicht, daß diese durch jene Sachlage zur Kapitalzuführung veranlaßt gewesen wäre und damit deren Darlehen die gebotene Kapitalzuführung ersetzten.
b) § 3 Abs. 1 KVStG ist - wie bereits oben erwähnt - ein Ergänzungstatbestand zu den Tatbeständen des § 2 KVStG. Wie § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 KVStG 1955 erfaßt er die Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft durch einen Gesellschafter. § 3 Abs. 1 KVStG ist damit eingegliedert in das Bestreben des Gesetzgebers, alle möglichen Lebenssachverhalte einer zur Erfüllung der Gesellschaftszwecke erforderlichen Kapitalzuführung erschöpfend und lückenlos zu regeln (vgl. Urteil II 176/61 vom 8. November 1967, BFH 91, 172 [176], BStBl II 1968, 213). Die innere Berechtigung der Gesellschaftsteuer wird abgeleitet aus der durch die Vergesellschaftung von Kapital ermöglichten höheren wirtschaftlichen Kraft und auch Sicherheit der Kapitalanlage in Verbindung mit den Vorteilen der Veräußerlichkeit der Anteile und der Haftungsbeschränkung (Amtliche Begründung zum KVStG 1934, RStBl 1934, 1460 [1462]).
Im Zusammenhang des Gesetzes gesehen darf § 3 Abs. 1 KVStG folglich nicht so verstanden werden, daß es genügt, wenn einer Kapitalgesellschaft, welche an sich höheres Eigenkapital benötigen würde, ein Darlehen gewährt wird und (zufällig) der Darleiher Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist; vielmehr muß die Leistung von dem Gesellschafter im Hinblick auf seine Stellung als Gesellschafter erbracht sein (vgl. zu § 2 Nr. 2 - jetzt Abs. 1 Nr. 2 - KVStG Urteil II 221/65 vom 14. Januar 1969, BFH 95, 117, BStBl II 1969, 321) und auch insofern eine der Sachlage nach gebotene Zuführung von Eigenkapital ersetzen. § 3 Abs. 1 KVStG will nicht - etwa im wirtschaftspolitischen Interesse oder im Interesse der Gläubiger - dem etwaigen Bestreben der Kapitalgesellschaft entgegenwirken, die gebotene Hebung des Eigenkapitals durch Aufnahme von Fremdkapital zu vermeiden; andernfalls hätte § 3 Abs. 1 KVStG nicht auf Darlehen der Gesellschafter beschränkt werden dürfen. Die Vorschrift trifft vielmehr nur den Fall, daß ein zum Einsatz seiner Mittel bereiter Gesellschafter der Gesellschaft statt der an sich gebotenen Zufuhr von Eigenkapital Fremdkapital erbringt; die Gesellschaftsteuer soll auf diese Weise nicht vermieden werden können. § 3 Abs. 1 KVStG will also nicht gewöhnliche Kreditgeschäfte treffen; erfordert wird vielmehr, daß der Gesellschafter als solcher das Darlehen zur Förderung des Gesellschaftszwecks gewährt und wegen seiner Beteiligung am Stammkapital noch weitere eigene Mittel in der Gesellschaft arbeiten lassen will, indem er das Entgelt hauptsächlich in den Gesellschaftsrechten oder gesellschaftlichen Vorteilen zu finden hofft (vgl. Urteil II A 54/23 vom 12. Mai 1923, RFH 12, 125). Daher können Darlehen, für deren Gewährung die Gesellschafterstellung nachweisbar unerheblich ist, die Steuerpflicht nicht auslösen.
Für den Bereich der §§ 4, 3 KVStG ist seit langem anerkannt, daß über die Tatsache hinaus, daß an der leistenden und an der empfangenden Gesellschaft derselbe Gesellschafter oder dieselben Gesellschafter beteiligt sind, noch eine weitere, gerade auf die Hingabe des Darlehens bezügliche Interessenverknüpfung zu fordern ist (Urteile II 259/52 U vom 28. Januar 1953, BFH 57, 203, BStBl III 1953, 80; II 106/59 U vom 22. August 1962, BFH 75, 567, BStBl III 1962, 475; II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129 [132 ff.], BStBl II 1969, 550; vgl. Urteile II A 81/24 vom 27. Mai 1924, RFH 13, 342; II A 48/26 vom 16. Februar 1926, RFH 18, 203). Für § 3 KVStG allein kann aber nichts anderes gelten. Insofern spricht zwar, wenn die Gesellschaft an und für sich Eigenkapital benötigen würde und ein Gesellschafter diesem Bedürfnis durch Hingabe eines Darlehens abhilft, die Vermutung dafür, daß er damit nicht nur seinem eigenen Bedürfnis zur Geldanlage genügt, sondern das erforderliche Eigenkapital der Gesellschaft ersetzen will (womit er wiederum seinen eigenen Interessen dient). Für einen Kleinaktionär mit einem ausgesprochenen Zwerganteil kann aber diese Vermutung nicht gelten. Das Gesellschaftsteuerrecht hat - wie insbesondere der vorliegende Fall einer betrieblichen Unterstützungskasse zeigt - keinen Grund, eine allein von den eigenen Interessen des Darlehnsgebers her zweckmäßige Geldanlage allein deshalb zu erschweren, weil der Darlehnsgeber zufällig zu einem für die Hingabe des Darlehens völlig unerheblichen Prozentsatz Anteile des Darlehnsnehmers hält.
Das Urteil des BFH II 201/60 U vom 6. Mai 1964 (BFH 79, 422 [425], BStBl III 1964, 385), auf das sich das FG beruft, ist zu § 2 Nr. 2 KVStG 1955 ergangen und betrifft den besonderen Fall einer Gewinnabführung auf Grund eines Ergebnisausschlußvertrags. Den in diesem Urteil vertretenen Standpunkt hat der BFH bereits in dem Urteil II 221/65 vom 14. Januar 1969 (BFH 95, 117, BStBl II 1969, 321) aufgegeben.
c) In Ausnahmefällen kann allerdings auch das Darlehen eines Kleinaktionärs eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzen. Das trifft jedenfalls dann zu, wenn gerade dieser Kleinaktionär sonst aus seiner vorhandenen oder erstrebten Stellung als Gesellschafter heraus gezwungen wäre, einen gegebenen Eigenkapitalbedarf der Gesellschaft abzudecken, sei es, daß er der Gesellschaft oder den anderen Gesellschaftern gegenüber entsprechende Verpflichtungen übernommen hatte (vgl. Urteile II 176/61 vom 8 November 1967, BFH 91, 172, BStBl II 1968, 213, und II 94/62 vom 7. Mai 1968, BFH 92, 534, BStBl II 1968, 617 zu § 2 Nr. 2 KVStG 1955), sei es, daß er aus eigenem Interesse seine Stellung in der Gesellschaft verstärken will.
Der letztgenannte Gesichtspunkt bedeutet allerdings nicht, daß die subjektive Willensrichtung des darlehngebenden Gesellschafters als solche maßgebend wäre. Vielmehr ist die Frage, ob die Zuführung der Mittel durch einen Gesellschafter eine durch die Sachlage gebotene Zuführung von Eigenkapital an die Gesellschaft ersetzt, objektiv zu bestimmen. Dazu ist aber zu beachten, daß auch das Darlehen eines Gesellschafters formal in jedem Falle Fremdkapital bleibt, und daß es auch funktionell Eigenkapital nur dann in nahezu vollem Umfang ersetzen kann, wenn die Forderung des Gesellschafters im Range hinter der eines jeden anderen Gläubigers zurücktritt (vgl. dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil II R 2/68 vom 3. Dezember 1969). Andererseits kann - wie oben ausgeführt und nunmehr in § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 hervorgehoben ist (vgl. zuvor schon Urteil II 175/51 U vom 11. Juni 1952, BFH 56, 502, BStBl III 1952, 195, und zu anderem Gesetzestext Urteile II A 205/23 vom 15. Februar 1924, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 7, und II A 322/32 vom 10. Mai 1933, RStBl 1933, 766 [767]) - nicht jedes Darlehen eines Gesellschafters allein deshalb der Steuer unterliegen, weil die Gesellschaft objektiv weiteres Eigenkapital benötigen würde (vgl. Urteil II A 54/23 vom 12. Mai 1923, RFH 12, 125). Folglich kann der Ersatz der Eigenkapitalzuführung nicht allein darin gesehen werden, daß das Gesellschafterdarlehen - wie jedes Fremdkapital - in gewissem Umfang (vgl. aber § 207 Abs. 1 KO) Eigenkapital erübrigt. Das entscheidende Differenzierungsmerkmal muß also, wie bereits dargelegt worden ist, in der Zweckbestimmung des Darlehens liegen. Diese kann zwar nicht allein der Willensrichtung des Darleihers entnommen werden, zumal die Gesellschaft an die Zwecke, die er mit der Darlehnshingabe verfolgt, nicht gebunden zu sein braucht. Ein Kleinaktionär wird sich aber zur Hingabe eines Darlehens nur dann durch seine Gesellschafterstellung veranlaßt sehen, wenn diese sich wegen der Hingabe des Darlehens in gleichem Umfang verstärkt, wie wenn er bei einer Kapitalerhöhung neu ausgegebene Aktien erwerben würde (vgl. Urteil II A 451/29 vom 27. August 1929, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c Abt. II, Rechtsspruch 2). Das setzt eine Veränderung der Gesellschaftsstruktur voraus; sie kann nur wirksam werden, wenn entweder die Gesellschaft selbst oder die Mehrheitsgesellschafter (was auf das gleiche hinausläuft) daran mitwirken.
d) Tatsachen dieser Art sind hier den Umständen nach ausgeschlossen. Eine etwaige Prolongation der Darlehen der Unterstützungskasse kann nicht durch deren Gesellschafterstellung bestimmt gewesen sein; die Darlehen dienten weiterhin allein einer für sie vernünftigen Geldanlage (vgl. bei anderem Gesetzestext Urteile II A 287/27 vom 20. September 1927, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 70, und II A 322/32 vom 10. Mai 1933, RStBl 1933, 766 [767]). Daß diese der Klägerin erwünscht, ja sogar von ihr geradezu erwartet und gefördert war, macht sie noch nicht zum Ersatz einer gebotenen Kapitalzuführung im Sinne des § 3 Abs. 1 KVStG. Die Festsetzung der Gesellschaftsteuer war daher insoweit aufzuheben. Über die Kosten des Verfahrens hat das FG im Zusammenhang mit der Entscheidung über den zurückverwiesenen Teil der Sache noch zu befinden.
II.
Die Revision der Klägerin ist auch hinsichtlich der Versteuerung der gestundeten Gesellschafterforderungen (§ 3 Abs. 3 KVStG) begründet. Der festgestellte Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 FGO) erlaubt aber keine abschließende Entscheidung. Die Sache war daher insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dabei war ihm auch die Entscheidung über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO vgl. mit § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Gemäß § 3 Abs. 3 KVStG steht es der Gewährung von Darlehen gleich, wenn ein Gesellschafter Forderungen, die ihm selbst gegen die Gesellschaft zustehen, stundet. Dazu gehört - nicht anders als in §§ 452, 454 BGB - auch der Fall, daß die Forderung von vornherein als eine befristete entsteht. Die Stundung der der Höhe nach nicht genau ("rund") festgestellten Kaufpreisforderung der beiden Aktionäre gegen die Gesellschaft unterliegt also der Gesellschaftsteuer, wenn (und soweit) sie eine der Sachlage nach gebotene Kapitalzuführung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1955 ersetzt.
2. Die Entscheidung des FG ist darauf gestützt, daß das Eigenkapital der Klägerin deren Anlagevermögen nicht gedeckt habe; daraus hat das FG gefolgert, die Kapitalzuführung sei geboten gewesen. Diese vereinfachte Betrachtung findet weder im Wortlaut noch im Wortsinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1934/1955 einen Anhalt (vgl. Erkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 27. Juni 1969 - G 17/68 -); sie ist deshalb unzulässig (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 10, 234 [244]; 11, 126 [130 f.]).
a) Zu Recht beruft sich allerdings das FG auf das Urteil des erkennenden Senats II 195/58 U vom 24. Januar 1963 (BFH 76, 585 [591], BStBl III 1963, 213). Dort ist postuliert, für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "nach der Sachlage gebotenen Kapitalzuführung" müßten solche wirtschaftlichen Gesichtspunkte maßgebend sein, die sich aus dem Sinn und Zweck des KVStG ergäben; maßgebend sei nicht, ob betriebswirtschaftlich eine Kapitalzuführung geboten wäre, sondern ob gesellschaftsteuerrechtlich ein Gesellschafter-Darlehen eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetze. Diese Ansicht ist ein Zirkelschluß und kann als solcher nicht das Ergebnis rechtfertigen, daß gesellschaftsteuerrechtlich grundsätzlich die volle Deckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital zu fordern sei.
Steuergesetze beschreiben die Tatbestände, an die sie nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 AO eine Leistungspflicht knüpfen (vgl. zum schweizerischen Recht Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 15. Mai 1968, Steuerrevue 1969 S. 216 [219]). Die Steuerschuld entsteht (soweit keine Befreiung eingreift), sobald ein solcher Tatbestand verwirklicht ist (§ 3 Abs. 1 StAnpG). Die wirtschaftliche Bedeutung eines Steuergesetzes kann einen fehlenden Besteuerungstatbestand nicht ersetzen (Urteile II 110/62 vom 28. November 1967, BFH 91, 132, BStBl II 1968, 216; II 33/63 vom 30. Januar 1968, BFH 91, 511, und II 94, 95/63 vom 10. Juli 1968, BFH 93, 388 [391], BStBl II 1968, 829). Folglich müssen sich die gesetzlich umschriebenen Steuertatbestände auf Sachverhalte beziehen, welche außerhalb des Steuerrechts liegen; das ist selbst dann nicht anders, wenn Tatbestandsmerkmal eines Steuergesetzes die Erfüllung des Tatbestands eines anderen Steuergesetzes ist, weil eine solche Bezugnahme letztlich immer auf einen Sachverhalt außerhalb des Steuerrechts zuführt.
Es ist nicht Sache eines Steuergesetzes, vorzuschreiben, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft Eigenkapital zuführen müssen; im verfassungsrechtlichen Sinn läge das außerhalb der Kompetenzverteilung des Art. 105 GG. Dieser Gesichtspunkt würde nicht ausschließen, daß das KVStG ausdrückliche oder indizielle Vorschriften darüber enthielte, welche Merkmale die Fremdkapitalzufuhr eines Gesellschafters in einem spezifisch gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne als Ersatz einer Eigenkapitalzuführung erscheinen ließen. Solche Vorschriften gibt es aber nicht. Der den Steuersatz betreffende § 9 Abs. 2 KVStG enthält sie offenbar nicht. Die Tatbestände des § 2 KVStG fragen nicht danach, ob die Zuführung der Mittel geboten oder nicht geboten war. Somit bleibt nur § 3 KVStG selbst. Hier kann aber nicht der Begriff der durch die Sachlage gebotenen Kapitalzuführung einerseits als unbestimmter Rechtsbegriff erkannt, andererseits aber ausschließlich aus sich selbst heraus ausgefüllt werden. Denn wäre das möglich, so wäre dieser Rechtsbegriff abschließend definiert und es läge im Widerspruch zum Ausgangspunkt kein ausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff vor.
b) Schon zuvor hatte sich der BFH zu dem Grundsatz, daß Anlagevermögen in erster Linie durch Eigenkapital und nur in Ausnahmefällen durch langfristiges Fremdkapital zu finanzieren sei, mit der Begründung bekannt, daß Liquiditätsschwierigkeiten besonders in Krisenzeiten zu vermeiden seien (Urteil II 207/57 U vom 30. August 1962, BFH 75, 489 [496], BStBl III 1962, 445). Dieser Grundsatz schloß aber nicht aus, strukturbedingte Ausnahmen für Wohnungsbaugesellschaften (Urteil II 176/57 U vom 28. März 1962, BFH 74, 635 [639], BStBl III 1962, 236) und andere Grundstücks- und Baugesellschaften (Urteil II 100/59 U vom 26. Oktober 1962, BFH 76, 22, BStBl III 1963, 9) sowie auf dem Gebiete des Schiffbaus (Urteil II 201/52 U vom 4. März 1953, BFH 57, 327, BStBl III 1953, 129) zuzulassen. Den Standpunkt, daß die Ausnahmen auf die vorbezeichneten Bereiche beschränkt seien (Urteil II 207/57 U vom 30. August 1962, BFH 75, 489 [496], BStBl III 1962, 445), hat der BFH alsbald zugunsten der Erkenntnis aufgegeben, daß Ausnahmen in besonderen Fällen schlechthin möglich seien und im Einzelfall nachgeprüft werden müsse, ob die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetze (Urteil II 4/59 U vom 22. Mai 1963, BFH 77, 136 [140], BStBl III 1963, 367; vgl. Urteil II 156/61 vom 28. Oktober 1964, HFR 1965, 62). Das spätere Urteil II R 13/66 vom 21. Februar 1967 (BFH 88, 349 [350], BStBl III 1967, 397) hebt ausdrücklich hervor, daß das Erfordernis einer vollen Deckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital als eine ausnahmslos abschließende Umschreibung des gesetzlichen Tatbestands mit dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 KVStG unvereinbar wäre. In diesem Punkte stimmt es überein mit dem Erkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 27. Juni 1969 - G 17/68 -.
c) Die entscheidende Frage ist somit, ob der Grundsatz der vollen Deckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital zwar nicht als rechtliche Fixierung des Tatbestandes, wohl aber - entgegen dem Erkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs - als eine für die Anwendung des § 3 Abs. 1 KVStG weiterhin maßgebende betriebswirtschaftliche Regel, als sogenannte goldene Bilanzregel, verstanden werden kann. Als solche hat sie offenbar das Urteil II 176/57 U vom 28. März 1962 (BFH 74, 635 [639], BStBl III 1962, 236) aufgefaßt; denn es begründet eine Ausnahme im Sinne einer geringeren Eigenkapitalausstattung im Rahmen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus damit, daß die geringere Eigenkapitalausstattung "auch vom Standpunkt des ordentlichen Kaufmanns aus gesehen" in der Regel nicht zu beanstanden sei. Die Bezugnahme auf den ordentlichen Kaufmann (Urteil II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BFH 56, 468, BStBl III 1953, 129) hebt aber die goldene Bilanzregel - wie immer sie betriebswirtschaftlich zu würdigen ist - als juristisches Argument aus den Angeln (nicht anders wäre es, wenn auf die Branchenüblichkeit oder einen ähnlichen Maßstab abgestellt wird). Denn wenn der Standpunkt des ordentlichen Kaufmanns ein Abweichen von der Regel gestattet, so gilt die Regel nur nach Maßgabe dieses Standpunktes. Das würde aber nichts anderes bedeuten, als daß entgegen der Ausgangsbehauptung maßgebendes Kriterium der Standpunkt des ordentlichen Kaufmanns wäre und jeweils im Einzelfall geprüft werden müßte, ob auf Grund dessen die goldene Bilanzregel (im engeren Sinne) anwendbar ist oder nicht.
d) Zur betriebswirtschaftlichen Tauglichkeit dieser Regel als eines kaufmännischen ideals ist hier nicht Stellung zu nehmen. In der kurzen Formel, daß Anlagevermögen grundsätzlich durch Eigenkapital gedeckt sein müsse, und deren Umkehrung, daß Umlaufvermögen grundsätzlich nicht durch Eigenkapital gedeckt zu sein brauche (Urteile II 105/60 U vom 8. Mai 1963, BFH 77, 133 [135 f.], BStBl III 1963, 366; II 268/60 U vom 22. Mai 1963, BFH 77, 176 [182], BStBl III 1963, 382; II 68/62 vom 30. Mai 1967, BFH 88, 526, BStBl III 1967, 473), ist eine solche Regel jedenfalls nicht geeignet, den Vorwurf des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 27. Juni 1969 - G 17/68 -) auszuräumen, § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1934 (= 1955) sei in einem Maße unbestimmt, daß der Inhalt seiner Aussage nicht verläßlich ermittelt werden könne, wodurch den Rechtsanwendungsorganen die Befugnis übertragen werde, nach ihren Vorstellungen den Tatbestand festzusetzen und die sich aus ihm ergebenden Folgen zu bestimmen. Denn ersichtlich hängt es ganz von der Struktur des einzelnen Unternehmens ab, in welcher Relation Anlagevermögen und Umlaufvermögen zueinander stehen und stehen müssen. Weder läßt sich behaupten, daß eine Gesellschaft, die nur geringes Anlagevermögen braucht, in jedem Falle nur ein ebenso geringes Eigenkapital benötige, noch läßt sich belegen, daß eine Gesellschaft, deren Vermögen fast ausschließlich in Anlagen gebunden ist, das Anlagevermögen voll durch Eigenkapital abgedeckt haben müsse; darum wurden ja auch die Ausnahmen nach beiden Richtungen zugelassen.
e) Die klassische gesetzliche Definition des Anlageund Umlaufvermögens in § 131 Abs. 1 AktG a. F. ist nicht tauglich, ein für alle Branchen gleichermaßen zutreffendes Bild über das langfristig und das kurzfristig gebundene Kapital (vgl. dazu Urteile II A 144/27 vom 24. Mai 1927, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 69; II 207/57 U vom 30. August 1962, BFH 75, 489 [496, 497], BStBl III 1962, 445; II 268/60 U vom 22. Mai 1963, BFH 77, 176 [182]) zu liefern. Für eine Gesellschaft, welche mit Grundstücken handelt, stellen die erworbenen und alsbald (nach Bebauung oder ohne solche) wieder zu veräußernden Grundstücke funktionell nichts anderes als Umlaufvermögen dar (vgl. § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG a. F.). Andererseits kann auch traditionelles Umlaufvermögen im Durchschnitt sehr lange gebunden sein; selbst ein Handelsunternehmen mit schnellem Warenumschlag muß, sofern es aus dem Lager verkauft, stets einen unter Umständen recht erheblichen Lagerbestand haben.
Diesen Bedenken könnte zwar durch eine andere Abgrenzung des Anlage- und Umlaufvermögens abgeholfen werden. Auch damit wäre aber die bisherige Rechtsprechung in ihren Grundlagen erschüttert. Denn wenn nicht auf die Art der einzelnen Wirtschaftsgüter, sondern auf deren Bedeutung für den Betrieb abgestellt wird, tritt anstelle einer statisch-generalisierenden eine dynamischindividualisierende Betrachtung.
3. Den Bedenken des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 27. Juni 1969 - G 17/68 -) ist wirksam nur dann zu begegnen, wenn zunächst eine betriebswirtschaftlich unangreifbare Mindestaussage des § 3 Abs. 1 KVStG festgestellt und jeder darüber hinausreichende Schritt bewiesen wird.
a) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KVStG 1955 unterliegt der Gesellschaftsteuer die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung (Beispiele: Kapitalerhöhung, weitere Einzahlungen, Zubußen) ersetzt. Die Zuführung von Eigenkapital ist zumindest dann geboten, wenn ohne diese die Gesellschaft nicht weiter bestehen könnte; die Gründe dafür brauchen nicht betriebswirtschaftlicher Art zu sein (Urteil II R 2/68 vom 3. Dezember 1969, zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine Gesellschaft könnte jedenfalls dann nicht weiter bestehen, wenn sie ohne die Zuführung von Eigenkapital in Konkurs fiele. Dabei muß der Konkursgrund der Überschuldung (§§ 207, 213 AktG) außer Betracht bleiben, weil dieser durch Gewährung eines Gesellschafterdarlehens nicht behoben werden könnte. Es verbleibt somit der Konkursgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 102 Abs. 1 KO), insbesondere der Zahlungseinstellung (§ 102 Abs. 2 KO). Dieser Konkursgrund (zu den Begriffen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 50 S. 39 - RGZ 50, 39 -) kann zwar sowohl durch die Zufuhr von Eigenkapital als auch durch die Zufuhr von Fremdkapital beseitigt werden (vgl. RGZ 132, 281). Stets dann, wenn Fremdkapital nicht zu erlangen ist, ist die Zuführung von Eigenkapital durch die Sachlage geboten, um die Existenzfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten. Ersetzt ein Gesellschafter die so gebotene Kapitalzuführung durch Gewährung eines Darlehens, so tritt die Steuerpflicht aus § 3 Abs. 1 KVStG zumindest dann ein, wenn das Darlehen nicht nur zur kurzfristigen Überbrückung einer in absehbarer Zeit behebbaren Liquiditätslücke bestimmt ist.
Der Steuerpflicht aus dem unter diesen Voraussetzungen gewährten Darlehen des Gesellschafters kann nicht entgegengehalten werden, die Ersetzbarkeit der Eigenkapitalzuführung durch ein Darlehen des Gesellschafters beweise, daß die Zuführung von Eigenkapital nicht geboten gewesen sei. Denn dieses Argument gälte immer; es würde, wenn es zulässig wäre, § 3 KVStG jeden Inhalt nehmen. Im Sinne des § 3 KVStG ist also die Zuführung von Eigenkapital stets dann als geboten anzusehen, wenn sie ohne die Darlehnsgewährung, Sicherheitsleistung (§ 3 Abs. 2 KVStG) oder Stundung (§ 3 Abs. 3 KVStG) dieses oder eines anderen Gesellschafters geboten gewesen wäre.
b) Ebenso wie die Vergünstigung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG nicht voraussetzt, daß eine Überschuldung oder ein Verlust am Grund- oder Stammkapital bereits eingetreten ist, es vielmehr genügt, daß die Leistung eine andernfalls eintretende Überschuldung oder einen Verlust am Grund- oder Stammkapital abwendet (Urteil II R 82/67 vom 27. August 1968, BFH 93, 344 [346], BStBl II 1968, 781), genügt es für den Tatbestand des § 3 Abs. 1 KVStG, daß das Gesellschafterdarlehen eine künftig eintretende Zahlungsunfähigkeit abwendet. Denn auch in einem solchen Falle könnte die Gesellschaft ohne die Zuführung von Eigenkapital oder das dieses ersetzende Gesellschafterdarlehen nicht weiterbestehen, vorausgesetzt, daß nicht in ausreichendem Umfang ausreichendes Fremdkapital beizubringen ist.
c) Auf die vorerwähnten Grenzpositionen kann die Anwendung des § 3 Abs. 1 KVStG nicht beschränkt sein. Es gibt darüber hinaus noch einen von betriebswirtschaftlichen Streitpunkten nicht berührten Raum, in dem - unter dem Blickpunkt des Weiterbestehens der Gesellschaft - die Zuführung von Eigenkapital in dem oben erwähnten Sinne geboten ist. Kein vernünftiger Kaufmann (hier: Vorstand oder Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft) wird es auf diese Grenzsituationen ankommen lassen, sofern nicht die Mittel fehlen, sie zu vermeiden. Für ihn kann es nicht darum gehen, ob er ohne Kapitalzufuhr nachweisbar in absehbarer Zeit zahlungsunfähig würde oder ob er sich möglicherweise davor noch durch fremdes Kapital retten könnte. Er wird es von vornherein vermeiden, daß er Gefahr läuft, künftig in nicht mehr sicher beherrschbare Liquiditätsschwierigkeiten zu kommen. Die Gesellschaft muß also prüfen, ob das vorhandene Kapital voraussichtlich ausreichen wird, und - falls dies zu verneinen ist - ob sie damit rechnen kann, rechtzeitig genügend befristetes, regelmäßig also langfristiges, Fremdkapital Außenstehender in genügender Höhe zu annehmbaren Bedingungen zu bekommen. Ist das zu verneinen, ist die Zuführung von Eigenkapital eindeutig geboten; es wird aber auch darüber hinaus betriebliche Gründe geben, sich nicht auf die Zufuhr von Fremdkapital zu verlassen.
Der Ersatz von Eigenkapital durch Gesellschafterdarlehen ist zwar nicht illegitim, wenn eine künftige Überschuldung auszuschließen ist. Das ändert aber nichts daran, daß das Fremdkapital der Gesellschafter nur Ersatz für eine an sich gebotene Eigenkapitalzuführung ist. Darum kann in einem solchen Falle der Steuerpflicht aus § 3 KVStG nicht entgegengehalten werden, die Zuführung der das fehlende Eigenkapital ersetzenden Mittel sei in diesem Zeitpunkt noch nicht unvermeidbar gewesen, da sie auch noch später, gewissermaßen erst im letzten Augenblick vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, hätten beigebracht werden können, und das künftige Eintreten der Zahlungsunfähigkeit überhaupt ungewiß wäre. Denn wirkliches Eigenkapital könnte, besonders wenn eine Kapitalerhöhung notwendig wird, nicht derart kurzfristig erzeugt werden. Zudem stellt § 3 Abs. 1 KVStG nicht darauf ab, ob eine Kapitalzuführung unvermeidbar, sondern ob sie durch die Sachlage geboten war.
d) Daraus folgt weiterhin, daß die Steuerpflicht aus § 3 KVStG auch nicht in dem eben abgesteckten Mindestrahmen bleiben kann. Denn dieser legt nur zugrunde, was eine Gesellschaft tun muß, um der unmittelbaren Gefahr künftigen Konkurses (§ 102 Abs. 1 KO) oder eines Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935, RGBl I, 321, mit Änderungen) zu entgehen. § 3 KVStG privilegiert aber nicht den Hasardeur; er stellt auf das objektiv Gebotene ab. Dessen weiterer Rahmen kann kaum mehr in rein rechtlicher Abstraktion gefunden werden; er muß im wesentlichen durch die Betriebswissenschaft ausgefüllt werden und bedarf insoweit, im besonderen hinsichtlich der streitigen Fragen, des Beweises. Nicht zu übersehen ist dabei, daß die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse - je nach der Art des Unternehmens in größerem oder in geringerem Umfang - auf allgemeinwirtschaftlichen Erwägungen aufbauen müsssen. Hier spielen unter anderem die allgemeine Lage des Marktes und die spezielle Marktlage für die einschlägigen Artikel, eine inflationäre oder deflatorische Entwicklung, die allgemeine Flüssigkeit des Geldes, die Mindestreservenpolitik der Bundesbank, die Lombard-, Diskont- und Anleihezinsen, unter Umständen auch die Entwicklung der Zollund Steuersätze eine große Rolle.
Die letztgenannten Gesichtspunkte mögen für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich sein. Sie zeigen aber deutlich, daß das Ausmaß der gebotenen Kapitalzuführung in jedem - und somit auch in diesem - Falle von Prognosen abhängt. Die individuelle Entscheidung wird also entscheidend durch die Voraussicht und den Wagemut des Unternehmers bestimmt. Für die Besteuerung aus § 3 KVStG ist aber das Ausmaß des objektiv Gebotenen und nicht die subjektive Ansicht der Gesellschaft oder ihres Gesellschafters maßgebend. Diese kann um so weniger bedeutsam sein, als sie in den Fällen des § 3 KVStG eine hypothetische Meinung sein müßte. Denn da - nach den Voraussetzungen der Tatbestände - das zugeführte Fremdkapital die Zuführung von Eigenkapital in dieser Höhe (durch Ersetzung) erübrigte, stellt sich für Gesellschaft und Gesellschafter regelmäßig nicht die Frage, wie es wäre, wenn dieses Fremdkapital nicht zugeführt worden wäre. Die Rechtsfrage ist somit, welcher Maßstab anzulegen ist, um eine Zuführung von Eigenkapital als geboten zu erkennen.
e) Als ein solcher Maßstab scheint sich der Standpunkt des verantwortungsbewußten, vorsichtigen Kaufmanns, der alle Umstände, insbesondere die vorhandenen Risiken verständnisvoll berücksichtigt (Urteil II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BFH 56, 468, BStBl III 1952, 181; vgl. Urteile II 201/52 U vom 4. März 1953, BFH 57, 27, BStBl III 1953, 129; II 176/57 U vom 28. März 1962, BFH 74, 635 [639], BStBl III 1962, 236), anzubieten (vgl. auch § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG a. F., § 347 Abs. 1 HGB mit den ähnlichen Begriffen des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und des ordentlichen Kaufmanns). Indessen wäre ein solcher Maßstab wiederum ausfüllungsbedürftig. Denn daß der gedachte Kaufmann vorsichtig sein müsse, sagt noch nicht, wie vorsichtig er sein muß; daß er verantwortungsbewußt sein muß, sagt nicht, wem gegenüber er die Verantwortung zu tragen hat. Auch ordentliche Kaufleute nehmen unter Umständen bewußt Geschäftsrisiken auf sich; sie müssen nur das Risiko kalkulierbar halten und auf alle Fälle besorgt sein, daß ihre Gläubiger nicht geschädigt werden. Inwieweit ein Kaufmann die Gefahr von Verlusten am eigenen Vermögen hinnehmen will, ist beim Einzelkaufmann - von der Verantwortung gegenüber seiner Familie abgesehen - im wesentlichen seine Sache; bei sonst ordentlicher Geschäftsführung wird man ihm, zumal wenn er das Risiko aus idealen Beweggründen übernimmt, kaum vorwerfen können, kein ordentlicher Kaufmann zu sein. Bei Aktiengesellschaften (und anderen Kapitalgesellschaften) ist dieser Punkt wesentlich schwieriger zu beurteilen, weil hier die Beziehungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und Aktionären und Betriebsangehörigen andererseits in Betracht zu ziehen sind. Jedoch stellt sich die zuvor für die individuellen Maßstäbe des einzelnen Kaufmanns aufgeworfene Frage auch hier: Die Betriebswirtschaftslehre braucht als solche nicht prinzipiell zu unterscheiden zwischen der zweckmäßigen und der gebotenen Kapitalzuführung; von ihr aus ist sie in der Regel schon dann geboten, wenn sie zweckmäßig und durchführbar ist.
Das ist nicht der Maßstab des § 3 Abs. 1 KVStG. Aus der Tatsache, daß der Gesellschafter eigene Mittel als Fremdkapital zugeführt hat, ergibt sich regelmäßig, daß er sie auch als Eigenkapital hätte zuführen können. Soweit das nicht zutrifft, liegen die Gründe außerhalb der Kapitalbedarfsberechnung, sei es, daß dem darlehnsgebenden Gesellschafter oder der Gesellschaft dieser Weg steuerlich günstiger erschien, sei es, daß andere Gesellschafter eine Kapitalerhöhung nicht hingenommen hätten, weil sie selbst nicht über die entsprechenden Mittel verfügten, aber auch eine Veränderung in den Anteilsverhältnissen nicht dulden wollten. Daß die Kapitalzuführung zweckmäßig gewesen wäre, wird in der Regel außer bei ersichtlich falscher Planung allein schon dadurch indiziert, daß Gesellschafter und Gesellschaft sie vorgenommen haben; zwischen der erfolgten Zufuhr von Fremdkapital und der hypothetischen Zufuhr von Eigenkapital besteht insoweit kein Unterschied, da Eigenkapital stets geeignet wäre, Fremdkapital der Gesellschaft voll zu ersetzen. Hierauf hat die Frage, ob der darlehnsgebende Gesellschafter auch bereit gewesen wäre, Eigenkapital zuzuführen oder ob ihm das - etwa aus steuerrechtlichen Gründen - untunlich erschienen wäre, keinen Einfluß.
Daraus folgt, daß mit Aussicht auf Beweisbarkeit einer "nach der Sachlage gebotenen Kapitalzuführung" nicht danach gefragt werden darf, ob sie ein vorsichtiger oder ordentlicher Kaufmann - verfügbare Mittel vorausgesetzt - vorgenommen hätte, sondern umgekehrt danach, ob es nach anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft unter den Umständen des Einzelfalles als unordentliches Geschäftsgebaren anzusehen wäre, der Gesellschaft kein Kapital zuzuführen, ohne das bisherige Geschäftsvolumen einzuschränken oder von einer beabsichtigten Ausweitung des Geschäftsvolumens abzusehen. Insoweit gilt aber heute noch der Satz, daß es mit einer gesunden Wirtschaftsgebarung durchaus im Einklang steht, daß eine Gesellschaft als Gesellschaftskapital nur soviel aufnimmt, wie sie als dauerndes Betriebskapital braucht, im übrigen aber ihren Kreditbedarf auf dem Wege der Kredithilfe deckt (so Urteil II A 159/26 vom 4. Juni 1926, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtssprüche 50, 51). Die Selbstverständlichkeit, daß hinter einer Kreditaufnahme regelmäßig ein Kreditbedarf steckt, führt allein noch nicht zur Steuerpflicht (vgl. RFH, a. a. O.).
4. Nach alledem muß an Stelle einer statischen Betrachtung eine dynamische Betrachtung treten.
a) Eine solche liegt schon der bisherigen Rechtsprechung insofern zugrunde, als bereits in dem Urteil II A 169/23 vom 11. Januar 1924 (Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtssprüche 3 bis 6) entsprechend dem damaligen Wortlaut des Gesetzes darauf abgestellt war, ob ein Gesellschafterdarlehen eine wesentliche Voraussetzung des Beginns oder der Fortführung der Gesellschaft bilde (vgl. Urteile II A 64/24 vom 20. Mai 1924, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 8; II 1043/24 vom 6. März 1925, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 20; II A 144/27 vom 24. Mai 1927, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 69), und der BFH in dem Urteil II 207/57 U vom 30. August 1962 (BFH 75, 489, BStBl III 1962, 445) - ebenso Urteil II 27/61 vom 15. Juli 1964 (HFR 1965, 168 [169]) - ausgeführt hatte, nach ständiger Rechtsprechung des Senats ersetze ein Kredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung in aller Regel dann, wenn der Kredit für Investitionszwecke verwendet werde, es sich bei dem Kredit um einen mittel- oder langfristigen Kredit handele und die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich sei (vgl. zuvor zum Gedanken der "gedeihlichen Fortführung des Geschäftsbetriebes" Urteil II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BFH 56, 468, BStBl III 1952, 181, und zur Wiederherstellung und Erweiterung von Betriebsanlagen Urteile II 7/53 U vom 3. September 1953, BFH 57, 743, BStBl III 1953, 283, und II 46/53 U vom 14. Oktober 1953, BFH 58, 235, BStBl III 1954, 5). Diese Tendenz betrifft Zukunftsprognosen, nämlich den Geldbedarf für künftige Investitionen, und die Frage, ob diese künftig aus eigenen Mitteln gedeckt werden können. Diese wird zwar maßgebend durch den augenblicklichen Vermögensstand beeinflußt, aber nicht allein entschieden (vgl. dazu für den anlaufenden Betrieb Urteil II R 13/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 349, BStBl III 1967, 397).
b) Dem üblichen Sinngehalt des Wortes Investitionen entsprechend hatte der BFH überwiegend auf Erweiterungen des Anlagevermögens abgestellt, Darlehen zur Erweiterung des Umlaufvermögens aber als nur im extremen Fall der Steuer unterliegend betrachtet (Urteile II 20/58 U vom 28. November 1962, BFH 76, 346, BStBl III 1963, 126; II 105/60 U vom 8. Mai 1963, BFH 77, 133, BStBl III 1963, 366; II 68/62 vom 30. Mai 1967, BFH 88, 526 [528], BStBl III 1967, 473). Dem kann - zumindest in dieser Allgemeinheit - nicht mehr gefolgt werden (vgl. für einen von betriebswirtschaftlichen Fragen dieser Art unberührten Fall das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil II R 2/68 vom 3. Dezember 1969). Denn wenn und soweit die Existenz einer Gesellschaft von der Zuführung von Eigenkapital oder dessen Ersatz durch ein Gesellschafterdarlehen abhängt, kann es nicht darauf ankommen, ob der Kapitalbedarf im Anlagevermögen oder im Umlaufvermögen entstanden ist. Eine individuelle Kapitalbedarfsberechnung liegt bereits dem - im übrigen auf etwas anderer Grundlage beruhenden - Urteil II R 6/66 vom 20. Februar 1968 (BFH 91, 496, BStBl III 1968, 391) zugrunde.
c) Eine andere Frage ist die der Dauer, für welche die eingebrachten Mittel gegebenenfalls benötigt werden. Anlagevermögen bewirkt, sofern es auch funktionell solches ist, eine dauernde Bindung, wenn nicht der Betrieb aufgegeben oder eingeschränkt werden soll. Die Güter des Umlaufvermögens dagegen sollen in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder abgestoßen werden; solange das geschehen kann, ist das auf das einzelne Gut aufgewendete Geld nur kurzfristig gebunden. Das ändert aber nichts daran, daß der Stock des Umlaufvermögens als ganzer zu einer nicht minder langfristigen Vermögensbindung führt; soweit jeweils Waren verkauft werden, müssen sie oder ihre Rohstoffe alsbald wieder eingekauft werden, soll nicht das Umsatzvolumen zurückgehen (wobei von der Umstellung der Vertriebsart hier abgesehen werden kann). Beim einmaligen Geschäft besonderer Art bleibt es zwar beim kurzfristigen Geldbedarf; eine grundsätzliche, dauernde Erweiterung des umlaufenden Vermögens ist aber ebenso geeignet, einen dauernden Kapitalbedarf zu erzeugen wie Investitionen.
Es kommt also jeweils darauf an, ob die Gesellschaft diesen zusätzlichen Bedarf ohne Zuführung von Eigenkapital oder dessen Ersatz durch Gesellschafterdarlehen verkraften kann oder nicht (vgl. Urteil II A 144/27 vom 24. Mai 1927, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 69). Soweit dabei der Bestand flüssiger Mittel außer Frage steht und es sich lediglich um allenfalls notwendige Reserven handelt, ist nicht schlechthin ausgeschlossen, diese in für Betriebszwecke überflüssigem, leicht liquide zu machendem Anlagevermögen zu finden. Dabei darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Gesellschaft regelmäßig solches Vermögen nicht ohne Grund erworben und behalten hat, die Veräußerung also regelmäßig zu einer ihr unerwünschten Verminderung des Vermögens führen würde und ernstlich gar nicht vorgesehen ist.
d) Nur scheinbar ist die Frage des Umlaufvermögens unerheblich für den vorliegenden Fall, in dem die gestundete Forderung aus dem Verkauf eines Grundstücks an die Klägerin, also einer Investition der Klägerin, herrührt. Denn wie immer auch die gestundete Forderung beschaffen sein mag, ist die Stundung nicht alleiniges Tatbestandsmerkmal des auf § 3 Abs. 1 KVStG verweisenden § 3 Abs. 3 KVStG. Dazu kommen muß bei der zweiten Alternative des § 3 Abs. 3 KVStG, daß die Forderungsstundung des Gesellschafters eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt (§ 3 Abs. 1 KVStG). Das wird aber bei der Stundung einer Kaufpreisforderung nicht schon dadurch belegt, daß die Gesellschaft ein Grundstück gekauft hat. Zwar ist hier - anders als bei Grundstücksverwertungsgesellschaften - nicht daran zu zweifeln, daß die auf das Grundstück aufgewandten Vermögenswerte für die Dauer gebunden sind. Das besagt aber weder allein noch in Verbindung mit der Stundung, daß die Gesellschaft einen entsprechenden Kapitalbedarf hatte; bei der Gegenansicht würden die getrennten Tatbestandsmerkmale der Stundung (§ 3 Abs. 3 KVStG) und der gebotenen Kapitalzuführung unzulässig identifiziert, wie ja auch allein mit der Darlehnsgewährung (§ 3 Abs. 1 KVStG) nicht der ihr entsprechende Kapitalbedarf belegt werden kann.
Die Stundung kann aus Gründen der Vereinfachung gewählt worden sein (etwa um die Umschreibung von Eigentümergrundschulden zunächst zu erübrigen); sie kann dem Wunsche des Gesellschafters nach einer guten Verzinsung seines Geldes entspringen und - soweit nicht § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG eingreift - auch steuerlich vorteilhaft sein.
In der Mehrzahl aller Fälle mag zwar der Kapitalbedarf der Gesellschaft der Grund der Stundung sein. Der Nachweis ist aber aus den gesamten Verhältnissen des Unternehmens zu führen; ein erster Anschein des Kapitalbedarfs kann umgekehrt durch diese entkräftet werden.
e) Bei dieser Betrachtung wird die Frage, ob für § 3 Abs. 1 KVStG die Finanzierung aus dem Gegenwert von Abschreibungen (ablehnend Urteil II 20/58 U vom 28. November 1962, BFH 76, 346, BStBl III 1963, 126) oder aus Pensionsrückstellungen anzuerkennen ist, als Sonderfrage gegenstandslos. Denn wenn und soweit kein Bedarf an Eigenkapital (oder dessen Ersatz durch Gesellschafterdarlehen) besteht und in absehbarer Zeit auch nicht entstehen wird, bleibt es sich gleich, aus welchen Gründen die Gesellschaft in der Lage ist, ihre künftigen Vorhaben aus eigenen Mitteln zu finanzieren, ohne ihr Geschäftsvolumen einschränken zu müssen. Dabei ändern Rückstellungen für künftige Forderungen nichts daran, daß die ihnen entsprechenden Mittel zunächst der Gesellschaft noch zur Verfügung stehen; eine andere Frage ist, ob sie nicht damit rechnen muß, daß diese Forderungen früher fällig wurden als zunächst vorgesehen.
Abschreibungen spiegeln zwar, soweit sie nicht aus steuerlichen oder anderen Gründen überhöht sind, einen aktuellen Substanzwertverlust wider. Der den Abschreibungen entsprechende - gegenwärtig wegen Preissteigerungen meist höhere - Geldbedarf entsteht aber erst, wenn die Wiederbeschaffung notwendig ist. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die entsprechenden Mittel verfügbar; sie können zu anderen Zwecken eingesetzt werden (und werden es; denn die Unternehmen legen die Abschreibungsbeträge nicht auf der Bank an), sofern nur berücksichtigt wird, daß möglicherweise die Erneuerung zu einem früheren Zeitpunkt notwendig wird als vorgesehen. Bei einer Vielzahl abzuschreibender Wirtschaftsgüter können allerdings die Wiederbeschaffungszeitpunkte nach Gegenständen und Beträgen so gleichmäßig verteilt sein, daß die sogenannte "Finanzierung aus Abschreibungen" unmöglich ist. Ob es so oder anders liegt, hängt von Art und Wert dieser Wirtschaftsgüter ab.
f) Daß die Tatbestände des § 3 KVStG derart zukunftsbezogen sind, heißt nicht, daß die Erfüllung der einzelnen Tatbestandsmerkmale nicht ausschließlich nach den Verhältnissen am Stichtag der Darlehnsgewährung (§ 3 Abs. 1 KVStG), der Sicherheitsleistung (§ 3 Abs. 2 KVStG), des Forderungserwerbs (§ 3 Abs. 3 erste Alternative KVStG) oder der Forderungsstundung (§ 3 Abs. 3 zweite Alternative KVStG) zu beurteilen wäre. Denn die Steuerschuld entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuer knüpft (§ 3 Abs. 1 StAnpG); sie muß also dem Grund und dem Betrage nach in diesem Zeitpunkt festliegen. Spätere Änderungen können eine entstandene Steuerschuld nur dann in Wegfall bringen, wenn sie einen steuervernichtenden Tatbestand (z. B. § 4 StAnpG) erfüllen (vgl. Urteil II 189/65 vom 28. Januar 1969, BFH 95, 121, BStBl II 1969, 323). Umgekehrt kann, wie unter I zum späteren Erwerb der Gesellschafterstellung dargelegt, das spätere Eintreten zunächst fehlender Tatbestandsmerkmale die Steuerpflicht nur dann auslösen, wenn in diesem Zeitpunkt alle Merkmale der Steuerpflicht erfüllt sind.
Daraus folgt, daß es - entgegen dem Urteil II 67/60 vom 15. April 1964 (HFR 1965, 167 [168]) - bezüglich der zukunftsbezogenen Merkmale des § 3 Abs. 1 KVStG nicht darauf ankommt, was späterhin wirklich geschehen ist (dort bezogen auf die tatsächliche Verwendung zu Investitionen), sondern darauf, was im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu erwarten war und erwartet worden ist. Dem Urteil II 67/60 ist jedoch darin beizutreten, daß für subjektive oder subjektiv bestimmbare Momente nicht die unter Umständen fehlgehende Bezeichnung der Beteiligten, sondern deren Abreden und der hinter ihnen stehende Wille, also die wirklichen Planungen maßgebend sind (vgl. zur Grunderwerbsteuer Urteile II 93/63 vom 14. November 1967, BFH 91, 130, und II R 11, 12/67 vom 5. August 1969, BFH 96, 491 [493]).
Das, was späterhin wirklich geschehen ist, kann also allenfalls ein Indiz dafür sein, was die Beteiligten im maßgebenden Zeitpunkt beabsichtigt haben. Bei gleichgebliebenen Verhältnissen und nicht nachweisbar veränderter Planung mag eine starke tatsächliche Vermutung dafür sprechen, daß das Geschehen den ursprünglichen Absichten entsprach. Doch ist das eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129 [134 f.], BStBl II 1969, 550), deren Ergebnis tatsächlicher Feststellung bedarf (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 3, § 118 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 FGO).
5. Dieser geänderten Beurteilung des Begriffs der nach der Sachlage gebotenen Kapitalzuführung (§ 3 Abs. 1 KVStG) entsprechend sind andere Anforderungen an das der Entscheidung zugrunde zu legende (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 3, Abs. 2 FGO), von Amts wegen zu erforschende (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) Material zu stellen als bisher.
a) Welche Unterlagen im Einzelfall benötigt werden, läßt sich bei der gebotenen individuellen Betrachtungsweise nicht allgemeingültig vorhersagen; die hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben nicht einmal eine für den vorliegenden Fall schlechthin verbindliche (§ 126 Abs. 5 FGO) Aussage. Im Einzelfall kann das Untersuchungsfeld trotzdem beschränkbar sein. Bestimmte Tatsachen können für sich allein schon mit zwingender Notwendigkeit zur Verneinung eines Tatbestandsmerkmals führen; liegen solche vor, erübrigt sich jede weitere Untersuchung. Andere offenbare Tatsachen können die Tatbestandserfüllung in hohem Maße indizieren; der ökonomische Weg für die weitere Untersuchung wird dann durch diese Tatsachen vorgezeichnet.
b) Die gebotene dynamische Betrachtung bedeutet nicht, daß die bisher geforderten Vermögensbilanzen (nach dem Stichtag der Darlehnsgewährung usw.) wertlos wären; sie geben immerhin Auskunft über die gemeinen Werte der einzelnen Vermögensteile. Das BewG kann für diese allerdings - entgegen dem Urteil II 286/60 U vom 22. Mai 1963 (BFH 77, 176 [185 f.], BStBl III 1963, 382) - nicht maßgebend sein, weil diese Vermögensaufstellungen nicht unmittelbar durch das KVStG für die Gesellschaftsteuer rechtlich veranlaßt sind (§ 1 BewG), sondern nur der Beantwortung einer durch § 3 Abs. 1 KVStG aufgeworfenen tatsächlichen Frage betriebswirtschaftlicher Art dienen. Der betriebswirtschaftliche Ansatzpunkt stimmt mit dem des BewG nur darin überein, daß es unter Berücksichtigung aller Umstände (§ 10 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F.) darauf ankommt, welcher Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BewG a. F.), und daß dieser Wert im Zusammenhang des fortzuführenden Unternehmens zu sehen ist (vgl. § 12 BewG a. F.). Die Anwendung der in §§ 4 bis 8 BewG a. F. ausgedrückten Regeln würde dagegen zu offensichtlich falschen Ergebnissen führen; die Regeln der §§ 3 und 11 bis 17a BewG a. F. könnten das Ergebnis unter Umständen verzerren.
Der vorliegende Fall gibt keine Möglichkeit, näher zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Vermögensaufstellung von Belang sein kann. Sie vermittelt jedenfalls - insbesondere bei langjährigem Grundstückseigentum - eine bessere Kenntnis des Verhältnisses zwischen der Größe des vorhandenen Vermögens und der Höhe des aufgenommenen Darlehens als die Handelsbilanz. Über die künftigen Verhältnisse, auf die schon der einfache Wortsinn des nach der Sachlage Gebotenen hinzielt, sagt sie nur insofern etwas aus, als sich bei entsprechender Aufgliederung aus ihr der äußere Umfang der Beleihungsfähigkeit ergibt. Diese allein kann aber eine anhaltende Liquidität nicht gewährleisten.
c) Dagegen läßt die Entwicklung in der Vergangenheit Schlüsse auf die Zukunft zu, die selbstverständlich an anderen Momenten überprüft werden müssen. Über die Vergangenheit geben die Handelsbilanzen und die Steuerbilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen Auskunft. Diese sind allerdings ihrem eigentlichen Zweck nach nicht auf die Bedürfnisse des § 3 Abs. 1 KVStG zugeschnitten; sie müssen deshalb erläutert und im einzelnen untersucht werden. Insbesondere kann die Höhe nicht betriebswirtschaftlich bedingter Abschreibungen ein falsches Bild vermitteln.
d) In die Zukunft weist ein Unternehmens- und Finanzierungsplan, der vor Hingabe des Darlehens (oder hier: Stundung) errichtet ist, und unmittelbar darüber aussagt, wie die Gesellschaft ihr Unternehmen in Zukunft gestalten und wie sie ihre Vorhaben finanzieren will. Ein solcher wird zwar - insbesondere bei kleineren und Familienunternehmen - nicht immer schriftlich vorliegen; wo er schriftlich vorliegt, wird er nicht immer förmlich ausgearbeitet sein und nur selten diesen Namen tragen. Kaum denkbar ist aber, daß ein Gesellschafter der Gesellschaft einen nennenswerten Betrag zuführt, ohne daß sich Gesellschaft und Gesellschafter Gedanken darüber machen, wozu er dienen soll.
Aus einem solchen Finanzierungsplan ergeben sich, wenn er auf richtigen Unterlagen aufbaut, vollständig und glaubwürdig ist - insbesondere auch die generelle Rentabilität der Branche und die individuelle Rentabilität des Unternehmens und dessen besondere Risiken berücksichtigt -, die wichtigsten Daten zur Beurteilung der Steuerpflicht. Denn er gibt in einer an den weiteren Unterlagen nachprüfbaren Weise Auskunft darüber, wie sich in der Sicht des Stichtages die künftige Entwicklung der Gesellschaft darstellt, also einerseits welche Mittel zu welchem Zeitpunkt für welche Vorhaben auf wie lange Zeit benötigt werden, andererseits welche Mittel aus welchen Quellen zu welchen Zeitpunkten für welche Zeitdauer frei sind. In der Regel ist daher er oder das an seine Stelle tretende Parteivorbringen der geeignete Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen; in anderen Fällen (vgl. das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil II R 2/68 vom 3. Dezember 1969) kann er dagegen unerheblich sein.
e) Die Glaubwürdigkeit eines solchen Finanzierungsplanes kann an den bereits erwähnten innerbetrieblichen Unterlagen, in vielen Fällen aber auch durch einen außerbetrieblichen Vergleich überprüft werden. Ein solcher außerbetrieblicher Vergleich kann und soll nur Anhaltspunkte liefern, was in der Branche, der die Gesellschaft angehört, allenfalls noch möglich ist. Daher ist es unbedenklich, daß nicht alle (dem FA bekannten) Einzelheiten der zum Vergleich herangezogenen Unternehmen dem Gericht und dem rechtlichen Gehör der Parteien unterbreitet werden können (§ 96 Abs. 2 FGO) und ein exakter Vergleich deshalb nicht möglich ist. Denn wo individuelle Besonderheiten der einzelnen Betriebe wirksam werden und bis zu welchem Maximum sie sich auswirken können, ist bekannt oder unschwer zu ermitteln. Der Unsicherheitsfaktor ist also begrenzbar und läßt sich durch Unterstellungen zugunsten des Steuerpflichtigen eliminieren. Die Auffassung der Urteile II 207/57 U vom 30. August 1962 (BFH 75, 489 [496], BStBl III 1962, 445); II 195/58 U vom 24. Januar 1963, (BFH 76, 585 [590], BStBl III 1963, 213); II 268/60 U vom 22. Mai 1963 (BFH 77, 176 [185], BStBl III 1963, 382) und II 14/60 vom 28. Oktober 1964 (HFR 1965, 62 [63]), daß die Branchenüblichkeit schlechthin unbeachtlich sei, kann nicht aufrechterhalten werden (vgl. Urteil II 175/51 U vom 11. Juni 1952, BFH 56, 502, BStBl III 1952, 195). Soweit sich freilich nach Maßgabe der vorangehenden Ausführungen nachweisen ließe, daß unter den Voraussetzungen einer gegebenen Sachlage eine Eigenkapitalzuführung geboten ist, könnten branchenübliche Mißbräuche der Steuerpflicht nicht entgegenstehen.
6. Die Darlehnsgewährung muß die Zuführung von Eigenkapital ersetzen; die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals sind selbständig festzustellen.
a) Fremdkapital kann, auch wenn es von einem Gesellschafter gewährt ist, Eigenkapital nur dann in nahezu vollem Umfang - außer bezüglich des Konkursgrundes der Überschuldung (§§ 207, 213 KO) - ersetzen, wenn die Gesellschafter sich verpflichtet haben, mit ihren Forderungen hinter denen aller anderen Gläubiger zurückzustehen (vgl. Urteil II R 2/68 vom 3. Dezember 1969, BStBl II 1970, 289). Dieser Fall extremer Eigenkapitalähnlichkeit eines Gesellschafterdarlehens ist für den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 KVStG nicht typisch. Das Gesetz fordert bewußt und eindeutig nicht, daß das Gesellschafterdarlehen Eigenkapital ersetze (obwohl das - wie bei jedem Fremdkapital - in gewissen stärkeren oder schwächeren Beziehungen auch zutrifft); Voraussetzung ist vielmehr, daß die Darlehnsgewährung die Eigenkapitalzuführung ersetzt. Dieses Merkmal ist dann und nur dann erfüllt, wenn ohne die Darlehnsgewährung (bzw. Stundung) geboten gewesen wäre, das Kapital zu erhöhen, weitere Einzahlungen oder Zubußen zu leisten oder in anderer Weise der Gesellschaft Mittel zuzuführen, welche Eigenkapital geworden wären. Nicht erforderlich ist dagegen, daß die Eigenkapitalzufuhr gerade im Augenblick der Darlehnsgewährung unabdingbar geworden wäre; es genügt, daß die Darlehnsgewährung eine künftig notwendige Eigenkapitalzuführung ersetzt. Eine Befristung ergibt sich daraus, daß ein zurückbezahltes Darlehen der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung steht und deshalb die Zuführung von Eigenkapital nicht mehr erübrigen kann.
b) Theoretisch könnte also bei bereits eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Zahlungsunfähigkeit selbst ein kurzfristig zurückzuzahlendes Gesellschafterdarlehen eine Eigenkapitalzuführung ersetzen. Doch wird es kaum einen praktischen Fall geben, in dem einerseits die Zahlungsunfähigkeit ohne Eigenkapitalzufuhr unabwendbar, andererseits aber eine dauernde Verstärkung des Gesellschaftskapitals überflüssig ist. Im praktischen Grundsatz ist also an der Regel festzuhalten, daß nur langfristige oder mindestens mittelfristige Kredite geeignet sein können, eine Eigenkapitalzuführung zu ersetzen (Urteil II 53/60 vom 21. Dezember 1962, HFR 1963, 144). Für die Dauer der Frist kann aber - abweichend von dem Beschluß II S 57/66 vom 20. Juni 1967 (BFH 89, 1 [2], 648, BStBl III 1967, 492, 688) - keine allgemeingültige Grenze gezogen werden; die Notwendigkeit, § 3 Abs. 1 KVStG aus sich selbst heraus bestimmbar auszulegen, zwingt dazu, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ohne die Darlehnsgewährung (Stundung) innerhalb der Laufzeit des Kredits eine Eigenkapitalzuführung voraussehbar erforderlich würde oder nicht. Das ist allerdings um so wahrscheinlicher, je länger der durch das Gesellschafterdarlehen abgedeckte Kapitalbedarf andauert.
c) Ein Darlehen oder eine Stundung können freilich nicht allein deshalb als kurzfristig angesehen werden, weil sie im Vertrag als kurzfristig beschrieben sind (Urteile II A 310/25 vom 9. Juni 1925, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 14; II 424/25 vom 7. Dezember 1925, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 25; II A 214/30 vom 22. Juli 1930, RStBl 1930, 699; Beschluß II S 57/66 vom 20. Juni 1967, BFH 89, 1 [2], 648, BStBl III 1967, 492, 688). Denn das schließt nicht aus, daß sich Gesellschaft und Gesellschafter von vornherein darüber einig sind, daß der Gesellschafter sein Geld nicht abrufen oder das Darlehen nicht kündigen wird. Sind die Gelder des Gesellschafters langfristig stehen geblieben und hatten sich zwischenzeitlich die Verhältnisse nicht anders entwickelt als vorherzusehen war, so mag davon ausgegangen werden können, daß die Langfristigkeit von vornherein gewollt war. Doch ist dies eine Tatfrage; demnach muß das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung als solches festgestellt werden.
d) Bei Tilgungsdarlehen und einer nach verschiedener Fälligkeit gestaffelten Stundung (wie sie nach den spärlichen Feststellungen hier vorliegt) stehen nur Teile der Gesamtsumme mittel- oder langfristig, andere dagegen kurzfristig zur Verfügung. Es geht nicht an, in einem solchen Falle allein auf den letzten Zeitpunkt abzustellen und - falls dieser langfristig ist - die Gesamtsumme der Steuer zu unterwerfen (vgl. Beschluß II S 57/66 vom 20. Juni 1967, BFH 89, 1, 648, BStBl III 1967, 492, 688); die gegenteilige Ansicht der Urteile II 46/53 U vom 14. Oktober 1953 (BFH 58, 235, BStBl III 1954, 5) und II 27/61 vom 15. Juli 1964, (HFR 1965, 168) war aufzugeben. Denn ersichtlich kann ein Darlehen insoweit, als es zurückgezahlt ist, eine gebotene Kapitalzuführung nicht mehr ersetzen.
In dieser Zuspitzung tritt die Frage in § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG nicht auf, wo es sich für die Gewerbesteuer um die Versteuerung der Dauerschuldzinsen und der ihnen entsprechenden Verbindlichkeiten handelt. Denn in § 8 Nr. 1 GewStG ist zwar einerseits von der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals die Rede, andererseits aber auch und zunächst von Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs zusammenhängen. Auf die Durchschnittsberechnung der zu § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG ergangenen Urteile I 366/62 U vom 13. April 1965 (BFH 82, 466, BStBl III 1965, 416) und I 7/65 U vom 20. Juli 1965 (BFH 83, 333, BStBl III 1965, 620) braucht daher nicht eingegangen zu werden. Schon in der Befristung wurde bislang noch nie ein Zusammenhang zwischen diesen Vorschriften und § 3 Abs. 1 KVStG gesehen. Der erkennende Senat weicht daher von diesen Urteilen nicht ab; selbst eine etwaige Abweichung würde nicht dazu nötigen, den Großen Senat anzurufen (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO).
e) Die von den Gesellschaftern der Klägerin gewährte Stundung hätte daher jedenfalls nicht in voller Höhe der ursprünglichen Forderungsstundung der Gesellschaftsteuer unterworfen werden dürfen.
7. Wegen dieses Punktes war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Allerdings vermerkt die Klägerin nicht ohne Grund, daß bei ihr als einem - wie unbestritten - gesunden Unternehmen bezüglich des allenfalls mathematisch verbleibenden, ihrem Gesamtvolumen gegenüber geringfügigen mittelfristigen Restes nicht mehr von einer kapitalersetzenden Stundung gesprochen werden könne, auch wenn das Darlehen der Unterstützungskasse nicht als im Sinne des § 3 KVStG Eigenkapital ersetzend behandelt werde. Ob der BFH - wenn dieser Fall isolierbar wäre - allein auf Grund der festgestellten Bilanzübersichten bei Fehlen weiterer Feststellungen befugt wäre, zugunsten der Klägerin durchzuerkennen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO), muß jedoch auf sich beruhen. Denn jedenfalls ist die Zurückverweisung deshalb geboten, weil mangels tatsächlicher Feststellungen (vgl. Urteil II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 91, 417, BStBl II 1968, 610) nicht auszuschließen ist, daß durch weitere, auf Grund der bisherigen Rechtsauffassung in dem finanzgerichtlichen Verfahren nicht bekanntgewordene Vorgänge sich bereits am Stichtag ein größerer Kapitalbedarf ergab, der auf Grund damals bereits bestehender Planungen von den Gesellschaftern abgedeckt werden sollte. In diesem Falle könnte unter Umständen auch der verbliebene verhältnismäßig kleine, überdies nur mittelfristige Rest eine die Eigenkapitalzuführung ersetzende Funktion haben.
Fundstellen
Haufe-Index 68912 |
BStBl II 1970, 279 |
BFHE 1970, 59 |