Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Stirbt der Gesellschafter einer Personengesellschaft, so kann der auf ihn entfallende Anteil an einem Gewerbeverlust nicht von den übrigen Gesellschaftern, auch wenn diese seine Erben sind, gemäß § 10 a GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags abgezogen werden.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 5, § 10a
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine Partenreederei, hatte in den Jahren 1958 und 1959 Verluste von 636.809 DM. Einen Betrag von 276.048 DM hat das Finanzamt (FA) bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags 1960 gemäß § 10 a GewStG berücksichtigt. Im Jahre 1960 ist der Mitreeder R, der an der Stpfl. zu 80 % beteiligt war, gestorben. Seine Erben sind die drei anderen Mitreeder (seine Kinder) zu je einem Drittel.
Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags 1961 setzte das FA den Gewerbeertrag mit 224.049 DM an, ohne - dem Antrag der Stpfl. entsprechend - den bisher nicht verrechneten Teil des Verlustes der Jahre 1958 und 1959 abzusetzen. Das FA vertrat die Ansicht, der Verlust könne, weil durch den Tod des Vaters die Unternehmergleichheit bei der Stpfl. durchbrochen sei, nicht mehr abgezogen werden.
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte den Gewerbesteuermeßbetrag auf 0 DM fest. Das FA sei, so führte es aus, allerdings nach der bisherigen Rechtsprechung verfahren, wonach der Verlustabzug bei Personengesellschaften an die Person des einzelnen Mitunternehmers gebunden sei. Durch das Steueränderungsgesetz vom 13. Juli 1961 StändG 1961 - BGBl 1961 I S. 981, BStBl 1961 I S. 444) sei aber das GewStG geändert worden. Die Folgen eines Unternehmerwechsels seien nunmehr auch in § 2 Abs. 5 GewStG, der den Steuergegenstand behandelt, festgelegt. Außerdem sei in § 10 a GewStG (Gewerbeverlust) durch Satz 2 bestimmt worden, daß im Falle des § 2 Abs. 5 GewStG der übernehmende Unternehmer Verluste des übertragenden Unternehmers nicht absetzen dürfe. Aus diesen änderungen zögen Lenski- Steinberg (Kommentar zur Gewerbesteuer, § 10 a Anm. 7) mit Recht den Schluß, daß ein Unternehmerwechsel nicht vorliege, wenn innerhalb einer Personengesellschaft die Gesellschafter wechselten. In gleichem Sinne äußere sich auch Kirmse (Rechts- und Wirtschaftspraxis, Gewerbesteuer I 6, S. 541-56). Wenn § 10 a GewStG zuerst von "Gewerbetreibenden" und in dem folgenden Satz von "Unternehmern" spreche, so sei offenbar nicht das gleiche gemeint. Es sei nicht erklärlich, weshalb der Gesetzgeber den in § 5 GewStG definierten Begriff "Unternehmer" nicht auch in Satz 1 des § 10 a GewStG verwendet haben würde, wenn er wirklich den Unternehmer gemeint hätte. "Gewerbetreibender" sei bei natürlicher Auslegung des Begriffs, wer das Gewerbe betreibe. Das sei bei Personengesellschaften die Gesellschaft als solche und nicht der einzelne Gesellschafter (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG). Sehe man aber die Personengesellschaft als Gewerbetreibenden an, dann könne ein Wechsel im Bestand der Gesellschafter den vollen Verlustabzug nicht ausschließen, weil der "Gewerbetreibende" unverändert bestehen bleibe. Andererseits komme dann allerdings auch bei der Umwandlung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft ein Verlustabzug nicht in Betracht, weil dann ein anderer Gewerbetreibender vorhanden sei. § 10 a GewStG sei deshalb dahin auszulegen, daß bei Personengesellschaften der Gesellschaft als dem Gewerbetreibenden und nicht den einzelnen Mitunternehmern der Verlustabzug zustehe. Das entspreche auch besser dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer. Die Bedeutung des neu eingefügten Satzes 2 in § 10 a GewStG liege darin, daß nur in den dort genannten Fällen der Verlustabzug unzulässig sei, und zwar in vollem Umfange. Diese Bestimmung schaffe eine klare und einfache Regelung; sie betone den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer durch den Hinweis auf § 2 Abs. 5 GewStG (Steuergegenstand). Ein Fall des § 2 Abs. 5 GewStG, der den Verlustabzug ausschließen würde, liege aber im Streitfall nicht vor. Im übrigen würde die Berufung aber auch begründet sein, wenn man der Gesetzesänderung nicht die vorgenannte Bedeutung beimesse, sondern der bisherigen Rechtsprechung des BFH folge; denn abweichend von der früheren Rechtsprechung habe der BFH inzwischen in dem Urteil VI 49/61 S vom 22. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 386, Slg. Bd. 75 S. 328) entschieden, daß der Erbe einen in der Person des Erblassers entstandenen Verlust absetzen könne, soweit der Erblasser den Verlust noch hätte geltend machen können. Diese Grundsätze, die zur Einkommensteuer ergangen seien, müsse man auch für die Gewerbesteuer anwenden; denn der Sinn und der steuerpolitische Zweck des § 10 d EStG und des § 10 a GewStG seien gleich.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach seiner Auffassung setzt der Verlustabzug nach § 10 a GewStG weiterhin die Identität der Unternehmer (Mitunternehmer) voraus.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF), der auf Ersuchen des Senats dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, hält die Auffassung des FG im Ergebnis für zutreffend. Er will allerdings die Lösung der Streitfrage nicht wie das FG aus dem Wortlaut des § 10 a GewStG durch Gegenüberstellung der Begriffe "Gewerbetreibender" und "Unternehmer" entnehmen. Die unterschiedliche Terminologie in § 10 a GewStG hat nach seiner Auffassung nur historische Gründe. Die jetzige Fassung der Vorschrift erscheine erstmalig in dem Runderlaß des Reichsministers der Finanzen (RdF) vom 14. Juli 1939 RStBl 1939 S. 849), durch den die Kürzung des Gewerbeertrages um Fehlbeträge früherer Jahre unter Hinweis auf die entsprechende einkommensteuerrechtliche Regelung zugelassen werde. Die einkommensteuerrechtliche Fassung sei wörtlich übernommen worden, soweit es sich um die Beschreibung des zur Inanspruchnahme der Vergünstigung berechtigten Personenkreises handele. Der gleiche Wortlaut kehre dann in § 19 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes vom 31. Januar 1940 (RStBl 1940 S. 185) und schließlich in § 10 a GewStG wieder. Die Bezugnahme des FG auf den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer geht nach der Auffassung des BdF schon deshalb fehl, weil das Gesetz bei der Regelung des Gewerbeverlustes mit der Verweisung auf § 2 Abs. 5 GewStG das personale Merkmal für rechtserheblich erklärt hat (Urteil des BFH IV 173/64 S vom 14. Januar 1965, BStBl 1965 III S. 115, Slg. Bd. 81 S. 318). Indem das Gesetz die Geltendmachung von Fehlbeträgen früherer Erhebungszeiträume an die Person des früheren Unternehmers knüpfe, bringe es zum Ausdruck, daß die Unternehmensidentität allein nicht zur Geltendmachung früherer Verluste ausreiche. Die Bedeutung des Gesellschafterwechsels für die Berücksichtigung von Gewerbeverlusten früherer Erhebungszeiträume sei nur durch die Auslegung des § 10 a GewStG nach seinem Sinn und Zweck und aus seinem Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Gesetzes festzulegen. Negativ sei der Vorschrift zu entnehmen, daß eine - auch nur teilweise - Kürzung des laufenden Gewerbeertrags ausgeschlossen sei, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG erfüllt seien. Das Gesetz gehe davon aus, daß die Absetzung von Verlusten an die Person des Gewerbetreibenden geknüpft sei, der sie erlitten und wirtschaftlich zu tragen habe. Der Verlust treffe immer und ausschließlich den jeweiligen Inhaber. Es sei deshalb nicht zu rechtfertigen, wenn der Nachfolger aus den Verlusten seines Vorgängers steuerliche Vorteile ziehen würde. Bei Personengesellschaften finde dieser Grundgedanke seine Verwirklichung am besten dadurch, daß jeder Gesellschafter für die Berücksichtigung von Gewerbeverlusten allein betrachtet werde. Das habe zur Folge, daß bei seinem Ausscheiden der auf ihn entfallende Teil des Gewerbeverlustes untergehe (vgl. Abschn. 22 a Abs. 3 und Abschn. 68 Abs. 5 GewStR). Im Streitfall liege allerdings eine Besonderheit darin, daß der Vater durch Tod ausgeschieden und von den übrigen Reedern, seinen Kindern, beerbt worden sei. Der Grundsatz des § 1922 BGB, daß der Erbe vollständig in die vermögensrechtliche Position des Erblassers einrücke, sei im allgemeinen auch im Steuerrecht maßgebend, sofern keine Sonderregelung eingreife, wie der BFH mehrfach ausgesprochen habe. Der Regel des § 1922 BGB gebühre auch der Vorrang gegenüber dem Grundsatz, daß die Verrechnung von Gewerbeverlusten an die Person des Gewerbetreibenden geknüpft sei, der sie erlitten habe. Dieser Auslegung stehe das Urteil des BFH IV 173/64 S (a. a. O.) nicht entgegen, wenngleich es entschieden habe, daß der Erbe seinen Gewerbeertrag nicht um Fehlbeträge kürzen dürfe, die dem Erblasser entstanden seien. Die Entscheidung betreffe nur die Erbfolge in einem Einzelunternehmen. Für diese Fälle seien in der Tat nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 a GewStG in Verbindung mit § 2 Abs. 5 GewStG Gewerbeverluste des Erblassers beim Erben nicht zu berücksichtigen. Im Streitfall handle es sich aber um eine Personengesellschaft.
Entscheidungsgründe
Die Revision muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Wie das FG zutreffend ausführt, können nach der bisherigen Rechtsprechung Verlust einer Personengesellschaft nach § 10 a GewStG nur abgezogen werden, soweit die im Jahr der Entstehung des Verlustes und im Jahr des Abzugs des Verlustes beteiligten Gesellschafter dieselben Personen sind. Der Verlustabzug setzt nach Abschn. 68 Abs. 5 GewStR 1958, der die Rechtsprechung zutreffend wiedergibt, die Gleichheit des Unternehmens und der Unternehmer voraus. Wechseln die Gesellschafter einer Personengesellschaft, so wird dadurch zwar die Unternehmensgleichheit nicht berührt, wohl aber die Unternehmergleichheit. Diese ist nur gewahrt, soweit die Gesellschafter nicht gewechselt haben.
Wenn das FG meint, daß diese ohnehin bedenkliche Rechtsprechung auf jeden Fall nicht mehr angewendet werden könne, seit das StändG 1961 die §§ 2 und 10 a GewStG anders gefaßt habe, so ist dem nicht zuzustimmen. Das FG folgt Lenski-Steinberg (a. a. O.), die betonen, daß die Neufassung des § 2 GewStG den Zweck habe, den Urteilen des BFH IV 666/55 U vom 19. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 210, Slg. Bd. 66 S. 548) und I 159/58 U vom 25. November 1958 (BStBl 1959 III S. 115, Slg. Bd. 68 S. 294) den Boden zu entziehen. Der Senat folgt dieser Rechtsauslegung nicht, sondern tritt dem BdF darin bei, daß bei Personengesellschaften nach wie vor nur der einzelne Gesellschafter, der den Verlust erlitten hat, zum Abzug des Verlustes berechtigt ist.
Der BdF will aber für Gesellschafter, die einander beerben, andere Grundsätze anwenden. Dem ist indessen nicht zuzustimmen. Wie sich aus § 10 a Satz 1 GewStG 1961 ergibt, kann nur der Gewerbetreibende, der seinerzeit den Verlust erlitten hat, den Verlust auch abziehen. Daß er den Verlust nicht auf einen anderen Gewerbetreibenden, auch nicht bei einer Gesamtübertragung des Gewerbebetriebs, übertragen kann, ergibt sich eindeutig aus § 10 a Satz 2 GewStG 1961, nach dem beim übergang eines Gewerbebetriebs auf einen anderen Unternehmer dieser "andere Unternehmer" seinen Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge des übergegangenen Unternehmens kürzen kann. Daraus folgt, daß nach wie vor das Erfordernis der Unternehmens- und Unternehmergleichheit gilt (vgl. Abschn. 68 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GewStR 1961). Wie der BdF zutreffend ausführt, gilt das auch für den Erben , der das Unternehmen des Erblassers fortführt, hinsichtlich der im Unternehmen des Erblassers entstandenen Verluste, wie auch im Grundsatzurteil des BFH IV 173/64 S (a. a. O.) dargelegt ist.
Nach § 2 Abs. 5 GewStG 1961 gilt, wenn ein Gewerbebetrieb im ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht, der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt und durch den anderen Unternehmer, wenn nicht der Betrieb mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird, als neu gegründet. Betrachtet man den Wortlaut des § 2 Abs. 5 GewStG für sich allein, so mag dem FG zugegeben sein, daß der Abzug des Verlustes einer Personengesellschaft durch einen Wechsel im Bestand der Gesellschafter nicht berührt wird, weil der Gesellschafterwechsel nicht dazu führt, daß der Gewerbebetrieb der Personengesellschaft als eingestellt und anschließend als neugegründet gilt. Diese Wortauslegung wird aber dem Sinnzusammenhang des Gesetzes nicht ausreichend gerecht. Es ist zu beachten, daß § 2 GewStG bei der Bestimmung des Gewerbebetriebs von Personengesellschaften auf die Gesellschafter "durchgreift", wenn die Vorschrift fordert, daß die Gesellschafter "als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen" sein müßten. Daß trotz des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer nicht die Personengesellschaft als solche, sondern die Gesellschafter belastet werden, ergibt sich auch aus § 5 GewStG 1961, wonach, falls ein Gewerbebetrieb für "Rechnung mehrerer Personen" betrieben wird, dies Gesamtschuldner sind (vgl. hierzu auch den Beschluß des Großen Senats des BFH Gr.S. 3/64 S vom 29. November 1965, BStBl 1966 III S. 158, betreffend die Steuerschuldnerschaft des Kommanditisten). Der Senat ist aus diesen Gründen mit dem BdF der Auffassung, daß ein Wechsel in dem Bestand der Gesellschafter zur Einschränkung des Verlustabzugs (Kürzung um Fehlbeträge) führt, soweit der Verlust auf einen ausscheidenden Gesellschafter fällt.
Der Senat ist allerdings - entgegen der Meinung des BdF - der Auffassung, daß es dabei unerheblich ist, ob der Gesellschafterwechsel auf rechtsgeschäftlicher übertragung oder auf Erbfolge beruht. Dem BdF ist zuzugeben, daß im allgemeinen der Erbe auch steuerrechtlich in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Wie dargelegt, kann aber der Erbe eines Einzelunternehmens eindeutig nach § 10 a Satz 2 GewStG 1961 den in der Person seines Erblassers entstandenen Verlust auch bei unveränderter Fortführung des Unternehmens seines Erblassers nicht abziehen. Diese Regelung zeigt, daß der allgemeine Grundsatz des § 1922 BGB für das Gewerbesteuerrecht nicht ohne weiteres gilt. Dann aber ist es nicht gerechtfertigt, die Erbfolge bei Gesellschaftern von Personengesellschaften anders zu behandeln als bei Einzelunternehmen.
Das angefochtene Urteil war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 411974 |
BStBl III 1966, 374 |
BFHE 1966, 123 |
BFHE 86, 123 |