Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung der Streitsache nach Änderungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Änderungsbescheid antragsgemäß in einem beim BFH anhängigen Rechtsstreit Gegenstand des Verfahrens und sind hinsichtlich dieses neuen Verwaltungsakts die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichend, so ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
2. Zur Möglichkeit einer partiellen Sachentscheidung.
Normenkette
FGO §§ 68, 123, 127
Verfahrensgang
Tatbestand
Bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) fand für die Jahre 1970 bis 1974 eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer korrigierte die Absetzungen für Abnutzung (AfA), indem er bei in den Jahren 1970 bis 1974 vorgenommenen Investitionen von einer längeren Nutzungsdauer ausging, als sie die Klägerin zugrunde gelegt hat (Betriebsprüfungsbericht vom 5. Januar 1981). Die Korrekturen führten zu Gewinnerhöhungen in den Jahren 1970, 1971 und 1974 sowie zu Verlustminderungen in den Jahren 1972 und 1973. Die Verluste der Jahre 1972 und 1973 wurden in das Jahr 1974 vorgetragen; sie überstiegen den Gewinn des Jahres 1974.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 18. August 1981 einen Bescheid über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) zum 31. Dezember 1976. In ihm wurde das sog. EK 03 mit 288,8 Mio. DM festgestellt.
Der gegen den Feststellungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Gegen die Einspruchsentscheidung wurde Klage erhoben. Mit ihr machte die Klägerin geltend, daß sie für die Wirtschaftsgüter, deren Abschreibungen der Prüfer korrigiert habe, die sog. degressive AfA gemäß § 7 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend mache. Dem stehe nicht entgegen, daß sie in der Handelsbilanz auf eine kürzere Nutzungsdauer linear abschreibe und zu einer Berichtigung der Handelsbilanzen des Jahres 1970 und der folgenden Jahre nicht bereit sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 80 veröffentlichten Urteil ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 5 Abs. 1 und 4 EStG sowie des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und des § 7 Abs. 2 EStG.
Das FA hat den Feststellungsbescheid vom 18. August 1981 während des Revisionsverfahrens geändert und dabei das EK 03 mit 290,1 Mio. DM festgesetzt.
Die Klägerin hat beantragt, diesen Bescheid nach § 123, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu erheben und den Feststellungsbescheid dahin abzuändern, daß das EK 03 zum 31. Dezember 1976 auf 284,3 Mio. DM festgesetzt wird.
Die Klägerin hat ihren Antrag bezüglich des geänderten Feststellungsbescheides erläutert. Während die Differenz zwischen dem vom FA ursprünglich festgestellten EK 03 (288,8 Mio. DM) und dem EK 03 nach ihrem zunächst gestellten Antrag (283,3 Mio. DM) 5,5 Mio. DM betragen habe, ergebe sich zwischen dem EK 03 in dem geänderten Feststellungsbescheid (290,1 Mio. DM) und ihrem darauf bezogenen Antrag (EK 03 = 284,3 Mio. DM) ein Unterschiedsbetrag von 5,8 Mio. DM. Damit werde auf der Grundlage des zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Feststellungsbescheids eine Minderung des EK 03 beantragt, die um 300 000 DM über dem Betrag liege, um den das vom FA ursprünglich festgesetzte EK 03 das ihrem ursprünglichen Antrag entsprechende EK 03 überstiegen habe. Sie mache damit geltend, daß der Aufwand, den sie in vor dem 1. Januar 1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahren aufgrund der AfA habe, höher sei als nach Auffassung des FA. Die Differenz in der Höhe des Aufwands, wie er sich aus ihrem ursprünglichen Antrag und ihrem neuen Antrag ergebe, beruhe ausschließlich auf dem Auseinanderklaffen der beantragten degressiven AfA und der vom FA zugrunde gelegten linearen AfA. Allerdings habe sich die nach Auffassung des FA geringere AfA in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid nur insoweit niedergeschlagen, als sie auf vor dem Jahre 1975 durchgeführte Investitionen zurückzuführen sei. Die nun höhere Differenz ergebe sich daraus, daß zwischenzeitlich eine weitere Betriebsprüfung stattgefunden habe, deren Ergebnisse das FA übernommen habe. Dabei seien bezüglich der in den Jahren 1975 und 1976 durchgeführten Investitionen die von ihr zugrunde gelegten Nutzungsdauern beanstandet worden. Gehe man von den vom FA zugrunde gelegten längeren Nutzungsdauern aus, ergebe sich für die Kalenderjahre 1975 und 1976 ein höherer Aufwand, je nach dem man von der vom FA vertretenen linearen AfA oder der von ihr zugrunde gelegten degressiven AfA ausgehe. Die Differenz betrage insgesamt 300 000 DM.
Das FA hat demgegenüber erklärt, daß die Differenz zwischen dem jetzt gestellten Antrag der Klägerin und dem früher gestellten Antrag in Höhe von 300 000 DM (höhere Minderung des EK 03) auf Feststellungen der Betriebsprüfung beruhe, die das strittige Problem unberührt ließen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 127 FGO).
Die Sache ist nicht spruchreif.
Soweit die strittige Differenz in der Höhe des EK 03 nicht auf die in dem Betriebsprüfungsbericht vom 5. Januar 1981 erwähnten Investitionen zurückzuführen ist, fehlen die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des FG, um über die strittige Differenz entscheiden zu können.
Der Senat kann keine Teilentscheidung über die Höhe der Differenz treffen und im übrigen die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Es ist insbesondere nicht möglich, über die Höhe des strittigen Aufwands eine Teilentscheidung zu treffen, soweit dieser auf die in dem Betriebsprüfungsbericht vom 5. Januar 1981 erwähnten Investitionen zurückzuführen ist. Streitgegenstand ist die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1976. Der Senat kann offenlassen, ob eine Teilentscheidung möglich ist, wenn die Höhe zweier Teilbeträge bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals streitig ist und die beiden Teilbeträge nicht voneinander abhängen. Jedenfalls kann beim Streit über die Höhe eines Teilbetrags nicht eine Teilentscheidung über die Auswirkungen bestimmter Sachverhalte getroffen werden, die nach dem Vorbringen der Klägerin wie andere nicht festgestellte Sachverhalte in gleicher Weise den strittigen Betrag beeinflussen. Dem steht die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht entgegen. In dem Urteil des BFH vom 26. Oktober 1973 VI R 144-145/70 (BFHE 110, 401, BStBl II 1974, 34) betraf der Streitpunkt, über den der BFH bei gleichzeitiger Zurückverweisung vorweg entschied, eine selbständige Grundlage des strittigen Steuerbescheids. In dem vom BFH-Urteil vom 26. November 1985 IX R 107/84 (BFH/NV 1986, 284) entschiedenen Fall wich der zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Bescheid bezüglich der Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von dem ursprünglich den Gegenstand des Verfahrens bildenden Bescheid insoweit ab, als das FA zusätzliche Werbungskosten zugestand, die jedoch nicht mit der Baumaßnahme in Zusammenhang standen, deren Auswirkung auf die Werbungskosten Gegenstand des Rechtsstreits war. Durch den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Bescheid haben sich nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten zudem - im Gegensatz zum vorliegenden Streitfall - keine weiteren Streitpunkte ergeben.
Im Streitfall führt nach dem Vortrag der Klägerin die unterschiedliche Handhabung der AfA bei einer größeren Zahl von Investitionen zu Differenzen bei der Eigenkapitalgliederung, wobei ein bestimmter Teil der Investitionen sich bereits auf die Differenz ausgewirkt hat, wie sie sich aus dem ursprünglichen Feststellungsbescheid und dem ursprünglichen Antrag der Klägerin ergab. Dabei haben sich jedenfalls nach dem Vortrag der Klägerin die in den Jahren 1975 und 1976 vorgenommenen Investitionen auf den ursprünglichen Differenzbetrag nicht ausgewirkt und die vor dem Jahr 1975 vorgenommenen Investitionen wohl nur insoweit, als sie nicht die Ergebnisse der Jahre 1975 und 1976 beeinflußt haben.
Der Senat kann auch nicht in der Sache entscheiden, ohne diese an das FG zurückzuverweisen. Insbesondere ist es - ohne weitere tatsächliche Feststellungen - nicht möglich, die in einer Sache zu treffende Entscheidung ohne weiteres auf die zusätzlich beantragte Minderung des EK 03 zu übertragen. Dem steht das BFH-Urteil vom 29. März 1973 IV R 158/68 (BFHE 109, 47, BStBl II 1973, 489) nicht entgegen. In dem Urteil wurde es für zulässig gehalten, daß die Entscheidung über die Verteilung des Gewinns bei einer Familienpersonengesellschaft auf einen während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheid übertragen wird, in dem der Gewinn erhöht wurde. In dem dort entschiedenen Fall stand die Tatsache der Gewinnerhöhung fest, während im Streitfall die tatsächlichen Grundlagen der strittigen Minderung des EK 03 in Höhe von 300 000 DM nicht festgestellt sind. Entsprechendes gilt für das BFH-Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 229/70 (BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121). Die dort für zulässig gehaltene Übertragung der Entscheidung über das Vorliegen außerordentlicher Einkünfte auf eine nachträglich vorgenommene Aufteilung der strittigen Einkünfte auf einen persönlich haftenden Gesellschafter und auf einen Kommanditisten unterscheidet sich von dem Streitfall dadurch, daß die Aufteilung als solche durch den Bescheid feststand. Entsprechendes gilt für das BFH-Urteil vom 31. Juli 1984 IX R 3/79 (BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33 - Übertragung der strittigen Tarifvergünstigung auf einen geänderten Bescheid -).
Im übrigen verweist der Senat auf seine Entscheidung vom 19. Juli 1972 I R 167/70 (BFHE 106, 576, BStBl II 1972, 958), in der auf die Fragwürdigkeit der Bindungswirkung einer partiellen Sachentscheidung hingewiesen wird (vgl. auch die BFH-Urteile vom 8. Oktober 1985 VIII R 78/82, BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302; vom 12. Dezember 1985 IV R 104/85, BFH/NV 1986, 291, und vom 25. März 1986 IX R 106/82, BFH/NV 1986, 545).
Fundstellen
Haufe-Index 414980 |
BFH/NV 1988, 372 |