Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildung als Altenpflegerin keine Fortbildung bei erstmaliger Berufsausbildung
Leitsatz (NV)
Hat eine in der Altenpflege tätige Arbeitnehmerin keine abgeschlossene Berufsausbildung als Altenpflegehelferin, so sind ihre Aufwendungen für den Besuch der Schule für Altenpflege und entsprechender Lehrgänge mit dem Ziel, Altenpflegerin zu werden, Ausbildungskosten und nicht als Werbungskosten abziehbare Fortbildungs kosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) erzielte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bis zum Monat X des Streitjahres 1989 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Altenpflegehelferin. Sie besuchte seitdem eine Schule für Altenpfleger, um den Beruf der Altenpflegerin zu erlernen. Sie machte im Streitjahr mit dem Schulbesuch im Zusammenhang stehende Aufwendungen in Höhe von 5 964,78 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ordnete den Schul- und Lehrgangsbesuch der Berufsausbildung und nicht der beruflichen Fortbildung zu und erkannte gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur Aufwendungen in Höhe von 900 DM als Sonderausgaben an.
Das FG gab der Klage statt. Es ging davon aus, die Klägerin habe sich bereits als Altenpflegehelferin qualifiziert. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 470 veröffentlicht.
Das FA stützt seine Revision auf eine Verletzung der §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und macht geltend, das FG habe zu Unrecht angenommen, die jahrelange Tätigkeit der Klägerin als Pflegekraft in einem Altenheim sei der Tätigkeit einer ausgebildeten Altenpflegehelferin gleichzustellen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei der Streitfall mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. März 1992 VI R 163/88 (BFHE 167, 392, BStBl II 1992, 661) vergleichbar, in dem eine Praxishilfe in einer Massagepraxis die Masseurschule besucht habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Entscheidung, der Besuch der Schule und Lehrgänge habe der Fortbildung und nicht der Ausbildung der Klägerin i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG gedient und die Aufwendungen der Klägerin dafür, den Beruf als Altenpflegerin zu erlernen, seien daher als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) abziehbar.
In dem Urteil in BFHE 167, 392, BStBl II 1992, 661 sind die Aufwendungen einer Praxishilfe in einem Massagebetrieb für die Teilnahme an einem Lehrgang mit dem Ziel, Masseurin zu werden, nicht als Fortbildungs-, sondern als Ausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG gewertet worden. Entscheidend für diese Wertung war, daß der Beruf als Praxishilfe nicht durch eine berufliche Ausbildung im herkömmlichen Sinne erlernt wird und die Klägerin daher vor dem Besuch der Masseurschule keine abgeschlossene Berufsausbildung im weitesten Sinne vorzuweisen hatte, auf die eine Fortbildung hätte aufgebaut werden können. Der Senat hat betont, bei der Abgrenzung zwischen Ausbildung und Fortbildung könne nicht gänzlich auf formale Kriterien, wie z. B. eine durch Zeugnisse nachweisbare erstmalige Berufsausbildung, verzichtet werden. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
Wendet man sie auf den Streitfall an, so lassen die bislang vom FG festgestellten Tatsachen nicht die Wertung zu, die Klägerin habe bei Beginn des Besuchs der Schule für Altenpflege bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt. Das FG hat nicht festgestellt, daß die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt eine der beruflichen Bildung im weitesten Sinne dienende Schule besucht, irgendeine Prüfung abgelegt oder ein Zeugnis oder eine sonstige Urkunde als Qualifikationsnachweis erhalten hätte. Zwar hat die Klägerin nach dem Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit "als Altenpflegehelferin" erzielt. Außerdem hat das FG ausgeführt, aus der Wahrnehmung einer einjährigen Praktikantentätigkeit der Klägerin vor Aufnahme ihrer Tätigkeit als Altenpflegerin entnehme es, daß auch in Nordrhein-Westfalen für die Aufnahme einer Tätigkeit als Altenpflegehelferin eine gewisse Grundausbildung erforderlich sei, die erst die Fähigkeit vermittele, den Berufsanforderungen einer Altenpflegehelferin zu genügen. Das FG hat indessen nicht festgestellt, ob, wann, wo und mit welchem Ergebnis die Klägerin diese Grundausbildung absolviert hat oder daß etwa aufgrund der Vorbildung der Klägerin z. B. bestimmte Lehrgänge oder Unterrichtsfächer, die nach dem Ausbildungsplan für den Beruf der Altenpflegerin erforderlich sind, angerechnet würden und mithin nicht mehr besucht werden müßten.
Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen kann. Sollte sich dabei herausstellen, daß die Klägerin eine abgeschlossene Berufsausbildung als Altenpflegehelferin nicht nachweisen kann, so handelt es sich bei dem Besuch der Schule für Altenpflege sowie der entsprechenden Lehrgänge um eine erstmalige Berufsausbildung und nicht um die Fortbildung in einem ausgeübten Beruf.
Fundstellen
Haufe-Index 420151 |
BFH/NV 1995, 112 |