Leitsatz (amtlich)
Stellt ein von einer Gebietskörperschaft im öffentlichen Interesse geführtes Theater einem von einer anderen Gebietskörperschaft im öffentlichen Interesse geführten Theater sein Ensemble für dessen Aufführungen zur Verfügung, so ist dieser Umsatz nach § 47 Nr. 1 UStDB 1951 umsatzsteuerfrei.
Normenkette
UStDB 1951 § 47 Nr. 1
Tatbestand
Die Städtische Bühne ... und das Städtische Orchester ..., Einrichtungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), gaben in den Jahren ... Gastspiele in ... und ... und erzielten dabei die folgenden Einnahmen:
1955 ... DM
1956 ... DM
1957 ... DM
1958 ... DM und
1959 ... DM.
Die Gastspiele wurden veranstaltet in ... durch die Kurdirektion ... als Rechtsträger der Stadt ... und in ... und ... durch das Landestheater .... Nach dem mit den Städtischen Bühnen ... abgeschlossenen Gastspielvertrag übernahmen die Veranstalter alle örtlichen Unkosten, die durch die Gastspiele entstanden, z. B. die Kosten für Saalmiete, Eintrittskarten, Plakate und Plakatanschläge. Die Veranstalter waren verpflichtet, ein ordnungsmäßiges und bespielfähiges Haus sowie die erforderlichen Garderobenräume bereitzustellen und für entsprechende hygienische Einrichtungen und die Beheizung der Räume zu sorgen. Die Städtische Bühne ... war verpflichtet, die Gastspielaufführung in der gleichen Besetzung wie am Heimatort durchzuführen. Sie bekam für die Gastvorstellung ein Honorar in bestimmter Höhe.
In Berichtigungsveranlagungen für die Jahre 1955 bis 1959 zog das FA die Steuerpflichtige auch mit den oben bezeichneten Umsätzen mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran. Gegen diese Veranlagungen richtete sich nach erfolglosem Einspruch die Berufung (jetzt Klage) der Steuerpflichtigen, der ebenfalls der Erfolg versagt blieb.
Das FG ist unter Bezugnahme auf die im Urteil des Senats V 294/57 vom 24. März 1960 (HFR 1961, 212) ausführlich zitierte nicht veröffentlichte Entscheidung des Senats V 240/54 vom 3. März 1955 der Auffassung, daß die Städtische Bühne ... mit den in ... und ... veranstalteten Gastspielen in diesen Orten kein Theater "führe", sondern den örtlichen Bühnen nur das künstlerische Ensemble zur Verfügung stelle, das diese ihrerseits in die von ihnen geführten Bühnen eingliederten.
Mit der Revision begehrt die Steuerpflichtige erneut Umsatzsteuerbefreiung nach § 47 Nr. 1 UStDB 1951 für diese Umsätze. Sie weist darauf hin, daß sie unstreitig ein Theater im Sinne der genannten Befreiungsvorschrift führe und daß die einengende Auslegung der Vorinstanz, die lediglich in der bezeichneten Gastspieltätigkeit die Führung eines Theaters nicht erblicken will, dem in dem Urteil des Senats V 294/57 vom 24. März 1960 (a. a. O.) ausführlich geschilderten Sinn und Zweck der Vorschrift widerspräche. Insbesondere sei es rechtsirrig, wenn die Vorinstanz es darauf abgestellt habe, daß in den bespielten Orten nicht das gastspielgebende Theater als Veranstalter aufgetreten sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung.
Nach § 47 Nr. 1 UStDB in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind steuerfrei die Umsätze der von dem Bund, den Ländern, den Gemeinden oder den Gemeindeverbänden im öffentlichen Interesse geführten Theater. Unbestritten handelt es sich im vorliegenden Fall bei der Städtischen Bühne ... um ein von einer Gebietskörperschaft geführtes Theater. Zutreffend ist die Vorinstanz auch davon ausgegangen, daß in der Durchführung der jeweiligen Gastspielaufführung ein Umsatz der Städtischen Bühne ... gegenüber der bespielten Bühne liegt, der in der zur Verfügungstellung des künstlerischen Ensembles an das bespielte Theater besteht. Steht aber fest, daß es sich bei den in Rede stehenden Umsätzen um solche eines im öffentlichen Interesse geführten Theaters handelt, so kann die Steuerbefreiung des § 47 Nr. 1 UStDB 1951 weder deshalb abgelehnt werden, weil das Theater nicht in der bespielten Gemeinde, sondern nur in der Heimatgemeinde geführt wird, noch deshalb, weil die Theateraufführung wegen ihrer Veranstaltung durch die bespielte Gemeinde nur in deren Theaterführung und nicht in die der Heimatgemeinde einzureihen ist. Diese Auffassungen entsprechen weder dem Wortlaut noch - wie die Steuerpflichtige zutreffend ausführt - dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist es ohne Bedeutung, wo eine Gebietskörperschaft ein Theater führt; entscheidend ist vielmehr allein, daß sie ein Theater führt. Ergibt aber eine Prüfung der Verhältnisse, daß eine Gebietskörperschaft ein Theater führt, so handelt es sich auch bei der Zurverfügungstellung seines Ensembles um einen Umsatz eines von einer Gebietskörperschaft geführten Theaters. Dies gilt auch dann, wenn das Ensemble einem Theater zur Verfügung gestellt wird, das ebenfalls von einer Gebietskörperschaft geführt wird, und wenn das bespielte Theater die Aufführung veranstaltet. Denn der Charakter dieses zweiten Umsatzes, nämlich die Veranstaltung der Aufführung gegenüber den Theaterbesuchern, kann das Wesen des ersten Umsatzes, nämlich die Zurverfügungstellung eines Ensembles, als Umsatz eines im öffentlichen Interesse von einer Gebietskörperschaft geführten Theaters nicht beeinflussen. Für die Frage, ob eine Gebietskörperschaft ein Theater führt, kann es daher auch nicht von Bedeutung sein, ob das Ensemble des Theaters einer Gemeinde mit eigenem Theater oder ohne ein solches zur Verfügung gestellt wird. Soweit aus den Gründen des Urteils V 294/57 (a. a. O.) in Verbindung mit dem darin zitierten nicht veröffentlichten Urteil V 240/54 vom 3. März 1955, bei denen es sich um die Entscheidung von anders gelagerten Sachverhalten handelt, etwas anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift, die Gebietskörperschaften im Hinblick auf die besondere kulturelle Bedeutung der von ihnen geführten Theater und die ihnen dadurch entstehende Belastung von der Umsatzsteuer zu entlasten. Das gilt um so mehr, wenn - wie im vorliegenden Fall - beide der jeweils beteiligten Gemeinden ein Theater führen.
Auch die Tatsache, daß bei dieser Auslegung der Befreiungsvorschrift gegebenenfalls sowohl das gastspielende wie auch das bespielte Theater in den Genuß der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 UStG 1951 kommen, weil es sich in beiden Fällen um Umsätze eines von einer Gebietskörperschaft im öffentlichen Interesse geführten Theaters handelt, widerspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der genannten Vorschrift.
Die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung des FA waren daher aufzuheben und die Umsatzsteuer - da die Sache spruchreif ist - neu festzusetzen.
Fundstellen
BStBl II 1970, 355 |
BFHE 1970, 86 |