Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustabzug gemäß § 2 Abs. 1 AIG bei inländischer Kapitalgesellschaft nach Umstellung ihres Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr - Beteiligungen an österreichischen Mitunternehmerschaften als Betriebsstätten - Auslegung des Betriebsstättenbegriffs in § 2 AIG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verlustabzug gemäß § 2 Abs.1 AIG setzt voraus, daß ohne Anwendung eines DBA nach deutschen einkommensteuerlichen Vorschriften ein Verlust entstünde.
2. Ist eine inländische Kapitalgesellschaft an einer nach Kalenderjahren bilanzierenden ausländischen Personengesellschaft beteiligt und stellt die Kapitalgesellschaft ihr vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr auf Kalenderjahre um, so sind nach deutschem Einkommensteuerrecht bei der Veranlagung der Kapitalgesellschaft für das Jahr der Umstellung sowohl das Vorjahresergebnis der Personengesellschaft als auch deren Ergebnis des Umstellungsjahres zu erfassen.
3. Ergibt sich bei der Saldierung der beiden Jahresergebnisse der ausländischen Personengesellschaft kein Verlust, so entfällt ein Abzug gemäß § 2 Abs.1 AIG.
Orientierungssatz
1. Nach dem DBA Österreich werden Beteiligungen an österreichischen Mitunternehmerschaften wie Betriebsstätten angesehen.
2. Der Betriebstättenbegriff des DBA Österreich kann zur Auslegung des § 2 AIG herangezogen werden, da auch die von § 2 AIG tatbestandlich vorausgesetzte Steuerbefreiung vom Betriebsstättenbegriff des Abkommens abhängt (vgl. Literatur).
Normenkette
AuslInvG § 2 Abs. 1 S. 1; KStG 1977 § 7 Abs. 4 S. 2; EStG § 4a Abs. 2 Nr. 2; DBA AUT Art. 4 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 15.05.1990; Aktenzeichen 6 K 212/87) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, ist an der in Österreich ansässigen X-KG beteiligt.
Bis zum 30.September 1979 ermittelte die Klägerin ihren Gewinn nach abweichenden Wirtschaftsjahren jeweils vom 1.Oktober bis 30.September. Ab dem 1.Januar 1980 stellte sie ihr Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr um mit der Folge, daß sich im Veranlagungszeitraum 1979 ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1* .Oktober bis zum 31.Dezember 1979 ergab.
Bei der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1978/1979 verbuchte die Klägerin einen Aufwand in Höhe von 481 620 DM aus der Übernahme ihres Anteils am Verlust 1978 der X-KG. Das Wirtschaftsjahr der X-KG stimmt mit dem Kalenderjahr überein.
Anläßlich einer im Dezember 1984 abgeschlossenen Außenprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, im Veranlagungszeitraum seien keine negativen Einkünfte aus der Betriebsstätte der Klägerin in Österreich entstanden. Das FA errechnete folgende positive Einkünfte:
Anteil am im Kalenderjahr 1 9 7 8
entstandenen Verlust (dem
Wirtschaftsjahr 1978/1979 zuzuordnen) ./. 481 620 DM
Anteil am im Kalenderjahr 1 9 7 9
erzielten Gewinn (dem
Rumpfwirtschaftsjahr 1.Oktober bis
31.Dezember 1979 zuzuordnen) + 847 707 DM
Positiver Saldo der aus Österreich
stammenden Einkünfte im
Veranlagungszeitraum 1979 + 366 087 DM
Das FA versagte dementsprechend den gemäß § 2 Abs.1 Auslandsinvestitionsgesetz (AIG) geltend gemachten Verlustabzug.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und hob den Körperschaftsteuer- Änderungsbescheid 1979 auf, soweit das FA den Verlustabzug gemäß § 2 Abs.1 AIG nicht anerkannt hatte.
Die von der X-KG erzielten Ergebnisse der Jahre 1978 und 1979 seien bei Anwendung des § 2 AIG nicht zu saldieren.
Das FA stützt seine Revision auf die Verletzung des § 2 Abs.1 AIG sowie des § 4a Abs.2 Nr.2 und § 2 Abs.7 des Einkommen- steuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Sind nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gewerbliche Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte steuerbefreit, so ist gemäß § 2 Abs.1 AIG ein Verlust aus einer solchen Betriebsstätte bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte auf Antrag abzuziehen. Voraussetzung ist, daß sich der Verlust nach den Vorschriften des EStG ergibt und vom Steuerpflichtigen ausgeglichen oder abgezogen werden könnte, wenn die Einkünfte nicht von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer befreit wären (§ 2 Abs.1 Satz 1 AIG).
2. Bei Anwendung des § 2 AIG sind im Streitfall die anteiligen Ergebnisse der X-KG aus deren Wirtschaftsjahren 1978 und 1979 zusammenzufassen. Durch die Saldierung ergibt sich kein nach § 2 AIG abziehbarer Verlust.
a) Das FG hat zutreffend den anteiligen Verlust der X-KG als Verlust aus einer ausländischen "Betriebsstätte" angesehen.
Nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4.Oktober 1954 --DBA/Österreich-- (BGBl II 1954, 749) werden Beteiligungen an österreichischen Mitunternehmerschaften wie Betriebsstätten angesehen (vgl. Art.4 Abs.1 DBA/Österreich; Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Anm.5 zu Art.4 DBA/Österreich). Der Betriebsstättenbegriff des Abkommens kann zur Auslegung des § 2 AIG herangezogen werden, da auch die von § 2 AIG tatbestandlich vorausgesetzte Steuerbefreiung vom Betriebsstättenbegriff des Abkommens abhängt (vgl. Blümich/Krabbe, EStG und Nebengesetze, Kommentar, § 2 AIG Rz. 33; Conradi in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 2 AIG Rz.7; Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 2 AIG Rz.62 ff.; Mayer/Wegelin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 2 AIG Rz.10).
b) Ein Verlust aus ausländischen Betriebsstätten ist nur und nur insoweit abziehbar, als er ohne Anwendung der Befreiungsvorschriften des Abkommens in dem zu beurteilenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen wäre (§ 2 Abs.1 Satz 1 AIG).
Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die anteiligen Ergebnisse der X-KG aus deren Wirtschaftsjahren 1978 und 1979 ohne Berücksichtigung des Doppelbesteuerungsabkommens bei der Veranlagung der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 1979 zu berücksichtigen wären.
aa) Weicht das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr ab, so fallen Gewinnermittlungszeitraum und Veranlagungszeitraum auseinander. In diesem Fall gilt bei Gewerbetreibenden der Gewinn des Wirtschaftsjahrs in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 7 Abs.4 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG 1977--; § 4a Abs.2 Nr.2 EStG). Anteile am Ergebnis einer Personengesellschaft gehören zu demjenigen Wirtschaftsjahr, in dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.September 1964 I 231, 232/62 U, BFHE 81, 151, BStBl III 1965, 54). Infolge der Umstellung des Wirtschaftsjahrs der Klägerin im Jahre 1979 endeten im Kalenderjahr 1979 zwei Wirtschaftsjahre: Das bisherige Wirtschaftsjahr 1978/1979 und das vom 1.Oktober bis 31.Dezember 1979 laufende Rumpfwirtschaftsjahr.
Das bedeutet, daß die Anteile am Ergebnis 1978 der X-KG im Wirtschaftsjahr 1978/1979 und das anteilige Ergebnis 1979 der X-KG in dem am 31.Dezember 1979 endenden Wirtschaftsjahr der Klägerin zu erfassen sind.
bb) Durch diese Regelung können die Ergebnisse mehrerer Wirtschaftsjahre in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sein (vgl. BFH-Urteil vom 14.Oktober 1987 I R 381/83, BFH/NV 1989, 141; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 4a Anm.6 b; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4a, Rz. 76; Blümich/Dankmeyer, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4a, Rz.61).
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin widerspricht dieses Ergebnis nicht der Regelung des § 8b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Nach dieser Vorschrift darf ein Wirtschaftsjahr den Zeitraum von höchstens 12 Monaten nicht überschreiten. Weder das Wirtschaftsjahr 1978/1979 noch das am 31.Dezember 1979 endende Rumpfwirtschaftsjahr der Klägerin umfaßten längere Zeiträume. Die Erfassung der Ergebnisse mehrerer Wirtschaftsjahre in einem Veranlagungszeitraum ist eine von der Dauer der Wirtschaftsjahre unabhängige Rechtsfolge aus § 7 Abs.4 Satz 2 KStG 1977 bzw. § 4a Abs.2 Nr.2 EStG.
c) Es ist auch ohne Bedeutung, daß die in die Schattenveranlagung der Klägerin einfließenden Ergebnisse der X-KG aus einem über 12 Monate hinausgehenden Zeitraum stammen.
Der nach § 2 Abs.1 AIG abziehbare Verlust aus ausländischen Betriebsstätten ist ohne zeitliche Zuordnung nicht denkbar. Jedes Ergebnis einer wirtschaftlichen Einheit ist nur in Verbindung mit einer Zeiteinheit bezifferbar. Als Zeiteinheit kommt nur der Gewinnermittlungszeitraum der Klägerin in Betracht. Gemäß § 2 Abs.1 AIG ist abziehbar ein nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnder Verlust der Klägerin, wie er sich ohne Anwendung der Befreiungsvorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens ergäbe. Diese Vorschrift kann sich nur auf den --steuerrechtlich fiktiven-- Verlust der Klägerin beziehen, wie er nach Einkommensteuerrecht für einen bestimmten Gewinnermittlungszeitraum anzusetzen wäre.
Bei der Veranlagung 1979 könnte die Klägerin ohne die Steuerbefreiung des Abkommens keinen Verlust ausgleichen oder abziehen, da die Ergebnisse der Wirtschaftsjahre 1978/1979 und des Rumpfwirtschaftsjahrs 1979 zusammenzufassen wären.
3. Die nach österreichischem Recht beschränkten Möglichkeiten eines Verlustabzugs sind für die Entscheidung ohne Bedeutung.
Es kann dahinstehen, ob in Österreich für beschränkt Steuerpflichtige kein Verlustvortrag möglich ist. Das FG hat dazu keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Selbst wenn jedoch der Verlust 1978 der X-KG in Österreich steuerlich nicht in anderen Veranlagungszeiträumen geltend gemacht werden könnte, wäre § 2 AIG nicht anwendbar. Zwar ist nach § 2 Abs.1 Satz 4 AIG die nach § 2 Abs.1 Satz 3 AIG vorgesehene spätere Hinzurechnung des Abzugsbetrages ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht werden kann. Daraus ist jedoch nur zu entnehmen, daß der Gesetzgeber auf die an sich bei späteren Gewinnen der Betriebsstätte vorgesehene Nachversteuerung verzichtet hat, wenn sich der Verlust im Betriebsstättenstaat in anderen Jahren nicht auswirken kann. Der Gesetzgeber hat jedoch keinen Verlustabzug trotz fehlender Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs.1 AIG angeordnet. Ist der Tatbestand des § 2 Abs.1 AIG nicht erfüllt, weil nach deutschem Einkommensteuerrecht kein Verlust eingetreten ist, so hat der Gesetzgeber keinen Abzug vorgesehen. Das gilt auch dann, wenn sich ein nach ausländischem Steuerrecht ergebender Verlust im Ausland steuerlich nicht auswirkt.
Fundstellen
Haufe-Index 63890 |
BFH/NV 1992, 42 |
BStBl II 1992, 750 |
BFHE 167, 28 |
BFHE 1992, 28 |
BB 1992, 1102 |
BB 1992, 1102-1103 (LT) |
DB 1992, 1762-1763 (LT) |
DStR 1992, 819 (KT) |
DStZ 1992, 446 (KT) |
HFR 1992, 483 (LT) |
StE 1992, 333 (K) |