Leitsatz (amtlich)
Sind Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, so ist die Beiladung der Ehefrau zu einem vom Ehemann betriebenen Klageverfahren auch dann nicht notwendig (§ 60 Abs. 3 FGO), wenn die Ehefrau zwar eigene Einkünfte hat, diese aber unstreitig und Interessengegensätze unter den Eheleuten nicht erkennbar sind.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist die steuerrechtliche Einordnung der Einkünfte, die der Kläger (Steuerpflichtiger) vom 1. Juli bis 31. Dezember 1960 als Werbeberater der Firma W. bezogen hat. Er erhielt von der Firma W. außer einem monatlichen Fixum eine "Entschädigung für doppelte Haushaltsführung und erhöhte Lebenshaltungskosten von 20 DM pro Tag = pauschal 400 DM monatlich". Seine Tätigkeit bestand in der Beratung in allen Werbefragen und Vorbereitung aller Druck- und Annoncenaufträge. Im letzteren Aufgabenbereich erhielt er von den Druckereien oder Verlagen sogenannte Mittlerprovisionen. Nach dem Urteil des FG betrugen seine Bezüge im Jahre 1960 insgesamt 18 973 DM. Die Ehefrau des Steuerpflichtigen war als Graphikerin ebenfalls in der Werbebranche - auch für ihren Mann - tätig.
Das FA veranlagte die Eheleute zusammen zur Einkommensteuer, und zwar zunächst als Gewerbetreibende. Auf den Einspruch des Steuerpflichtigen, mit dem dieser Zurechnung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und höhere Betriebsausgaben geltend machte, beurteilte das FA die Tätigkeit des Steuerpflichtigen bei der Firma W. einschließlich der Druckaufträge als nichtselbständige Arbeit, die Annoncenvermittlung dagegen als gewerbliche Tätigkeit und die Tätigkeit der Ehefrau als selbständig.
Auf die Klage, mit der der Steuerpflichtige Aufhebung des Einkommensteuerbescheids begehrte, hob das FG den Einkommensteuerbescheid nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO auf, legte die Kosten dem FA auf und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Gegen das Urteil legte das FA Revision ein.
Die Revision des FA stützt sich auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das FA führte aus:
Es werde zunächst Verletzung des § 60 FGO gerügt, da das FG die notwendige Beiladung der Ehefrau des Steuerpflichtigen unterlassen habe. Der Einkommensteuerbescheid sei an die Eheleute, die Einspruchsentscheidung wahrscheinlich versehentlich nur an den Steuerpflichtigen gerichtet worden, obwohl hierin auch Einkünfte der Ehefrau und der ihr gewährte Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG berücksichtig worden seien. Die Entscheidung könne gegenüber Eheleuten als Gesamtschuldnern nach § 7 Abs. 2 StAnpG nur einheitlich ergehen (so die Urteile des BFH III 96/62 vom 28. Januar 1966, BFH 85, 327, BStBl III 1966, 327, und IV 258/63 vom 10. Februar 1966, BFH 85, 464, BStBl III 1966, 423; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO, Anm. 20). Das angefochtene Urteil müsse schon deshalb aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
Der BdF ist dem Verfahren nach § 122 FGO beigetreten und hat im wesentlichen ausgeführt: Wenn der nicht klagende Ehegatte keine eigenen Einkünfte habe oder diese zwar vorhanden, aber nicht zweifelhaft seien, neige er zur Ansicht, daß die Beiladung zwar möglich und ggf. zweckmäßig, jedoch nicht notwendig sei. Wolle man anderer Ansicht sein, müsse das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist zulässig und nur zum Teil begründet.
Die auch ohne Revisionsrüge von Amts wegen zu prüfende Frage, ob die Ehefrau des Steuerpflichtigen notwendig beizuladen war, ergibt keinen Verfahrensfehler. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind notwendig beizuladen Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ist nach dem Urteil des IV. Senats IV R 263/66 vom 27. Februar 1969 (BFH 95, 148, BStBl II 1969, 343), dem sich der erkennende Senat im Urteil VI R 230/67 vom 11. Juli 1969 (BFH 96, 306, BStBl II 1969, 708) angeschlossen hat, die Beiladung auch dann notwendig, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt, wie dies in Streitfällen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung vorkommt. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten ist jedoch weder eine notwendig einheitliche Entscheidung noch eine die Rechte Dritter gestaltende Wirkung anzunehmen. Nach der angeführten Rechtsprechung des BFH stellt der zusammenveranlagende Bescheid nicht einen einheitlichen Bescheid dar, wie er im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren ergeht; vielmehr handelt es sich um die Zusammenfassung zweier Bescheide zu einem gemeinsamen Bescheid, den jeder der Ehegatten mit verschiedenen Gründen angreifen oder gegen sich gelten lassen kann. Daß zusammen zu veranlagende Personen gemäß § 7 Abs. 2 StAnpG Gesamtschuldner sind, schließt ihnen gegenüber die Möglichkeit verschiedener Entscheidungen nicht aus, wie sich aus §§ 421 ff. BGB ergibt (vgl. Woerner, BB 1967, 241 ff.). Entgegen Riewald in Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 7 StAnpG, Anm. 4 Abs. 2 bis 4; § 60 FGO, Anm. 3a Abs. 6, und v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 60 FGO, Anm. 17 a, läßt sich auch aus der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 3 Sätze 4 bis 7 StAnpG nichts anderes folgern. Die dort vorgesehene Aufteilung der Gesamtschuld findet in einem gesonderten antragsbedürftigen Verfahren statt (das an die Vollstreckbarkeit des Bescheids, nicht die Rechtskraft des FG-Urteils anknüpft) und stellt der Sache nach eine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Einschränkung der Gesamtschuld dar (vgl. Entscheidung des BVerfG 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961, BVerfGE 12, 151, BStBl I 1961, 55, 61 f.; Bopp in Judeich-Felix, Steueranpassungsgesetz-Kommentar, § 7 Anm. 50). Nach der Verordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 3 StAnpG vom 8. November 1963 (BGBl I, 785) in der Fassung des Gesetzes vom 6. Oktober 1965 (BGBl I, 1477) - vgl. insbesondere § 3 - ist Aufteilungsmaßstab eine gedachte getrennte Veranlagung. Damit wird die Gesamtschuld im Ergebnis zu Teilschulden aufgespalten (vgl. Kruse, Steuerrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1969, § 13 II 4., S. 105).
Diese Regelung spricht mithin eher gegen als für das Bedürfnis einer notwendigen Beiladung. Im Urteil VI R 230/67 (a. a. O.) hat der Senat mit dem IV. Senat das Erfordernis der notwendigen Beiladung für den Fall verneint, daß nur der klagende Ehegatte Einkünfte hat und seine Interessen an einer niedrigeren Besteuerung denjenigen des anderen Ehepartners nicht zuwiderlaufen. Nach der - auch vom BdF geteilten - Auffassung des Senats liegt der Sachverhalt nicht wesentlich anders, wenn zwar beide Ehegatten Einkünfte erzielt haben, aber nur die Einkünfte des einen streitig sind und kein Interessengegensatz erkennbar ist. Entscheidend ist insbesondere, ob eine für den Ehemann günstige oder ungünstige Entscheidung notwendigerweise umgekehrt die Ehefrau benachteiligen oder begünstigen muß. Zur Höhe der Steuerschuld wie des Steuertarifs sind die Interessen zusammenveranlagter Ehegatten jedoch regelmäßig gleichgerichtet. Steuerschuld und Steuersatz richten sich gemäß § 32a EStG gleichsam automatisch nach der Höhe des Einkommens der Ehegatten. Ficht einer der Eheleute den Bescheid, mit dem ihm Einkünfte zugerechnet werden, dem Grunde oder der Höhe nach an, so können Steuerschuld und Steuersatz, wenn sie geändert werden, nur zugunsten der Ehegatten ermäßigt werden. Hat die Klage Erfolg, so unterliegen im Rahmen der erneuten Zusammenveranlagung auch die Einkünfte des nichtklagenden Ehegatten dem nunmehr anzuwendenden niedrigeren Steuersatz. Bei Klageabweisung bleibt es wegen des Verbots der Schlechterstellung im Finanzprozeß bei der festgesetzten Steuerschuld. Auch im vorliegenden Fall lassen sich widerstreitenden Interessen weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Steuerakten entnehmen. Die vom FA herangezogenen BFH-Urteile stehen dem nicht entgegen. Das Urteil IV 258/63 vom 10. Februar 1966 (a. a. O.) betrifft einen Sachverhalt des einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahrens, das Urteil III 96/62 vom 28. Januar 1966 (a. a. O.) die Zusammenveranlagung zur Vermögensabgabe mit widersprüchlichen Interessen der Eheleute. Der III. Senat hat in dem nichtveröffentlichten Urteil III 260/63 vom 9. Februar 1968 ebenfalls ausgesprochen, daß auch er eine Beiladung bei Interessengleichheit der Eheleute nicht für erforderlich hält.
Fundstellen
Haufe-Index 69412 |
BStBl II 1971, 331 |
BFHE 1971, 358 |