Entscheidungsstichwort (Thema)
Verluste aus der Beteiligung an einem ausländischen Betrieb; Verfahrensfragen
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob der Verlust aus einer Beteiligung an einem im Ausland belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nach § 2 Abs. 1 AIG bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigungsfähig ist, ist nicht im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid, sondern im Verfahren der gesonderten Feststellung der Einkünfte zu entscheiden.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 155 Abs. 2, § 179 Abs. 3; AuslInvG § 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist - gemeinsam mit A - an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) . . . beteiligt. Diese GbR betreibt in den USA ein land- und forstwirtschaftliches Unternehmen.
Nach der Erklärung der GbR wurde im Jahre 1979 aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ein Verlust in Höhe von - umgerechnet - 205 416 DM erzielt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) führte antragsgemäß eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der GbR für das Jahr 1979 durch. In dem Bescheid wurde festgestellt, daß die ausländischen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 205 416 DM auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfrei sind. Der auf den Kläger entfallende Anteil am Verlust wurde dabei mit 103 692 DM angesetzt.
Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und seiner - mit ihm zusammenveranlagten - Ehefrau für das Streitjahr 1979 begehrte der Kläger den Ausgleich des anteilig auf ihn entfallenden Verlustes mit seinen anderen Einkünften. Das FA lehnte dies ab. Es berücksichtigte bei der Festsetzung der Einkommensteuer die Verluste aus der Beteiligung an der GbR lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977.
Der gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtete Einspruch, mit dem der Kläger begehrte, den Verlust nach § 2 Abs. 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) in voller Höhe zu berücksichtigen, hatte keinen Erfolg.
Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 58).
Mit der - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat verkannt, daß die Frage, ob der Verlust aus der Beteiligung an dem in den USA belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nach § 2 Abs. 1 AIG bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigungsfähig ist, nicht im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid, sondern im Verfahren der gesonderten Feststellung der Einkünfte zu entscheiden ist.
1. Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) werden gesondert festgestellt die ,,einkommensteuerpflichtigen . . . Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind". In diesem gesonderten Feststellungsverfahren sind auch Feststellungen über Besteuerungsgrundlagen zu treffen, die nach einem DBA von der Besteuerung ausgenommen sind, gleichwohl aber bei der Festsetzung der Steuer von Bedeutung sind; hierzu gehören insbesondere Feststellungen über Verluste aus einer in einem ausländischen Staat belegenen ,,Betriebstätte" im Sinne des § 2 AIG (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566).
Diese verfahrensrechtliche Zuordnung hat darin seinen Grund, daß alle eine Mitunternehmerschaft betreffenden Fragen einheitlich, d. h. mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten, entschieden werden müssen. Nach der Rechtsprechung des BFH werden deshalb alle mit der rechtlichen Qualifizierung der gemeinsamen Einkünfte zusammenhängenden Fragen dem Gewinnfeststellungsverfahren zugewiesen (vgl. Urteile vom 22. September 1977 IV R 120/73 BFHE 123, 467, BStBl II 1978, 152; vom 9. November 1978 IV R 185/74, BFHE 127, 96, BStBl II 1979, 330, und vom 12. Juni 1980 IV R 150/79, BFHE 131, 299, BStBl II 1981, 8).
Im Streitfall ist zwar im Rahmen der gesonderten Feststellung der Einkünfte, die der Kläger gemeinsam mit A aus dem in den USA betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmen bezogen hat, festgestellt worden, daß die im Streitjahr erzielten Verluste ,,aufgrund von DBA steuerfrei" sind; es fehlte indessen in dem Feststellungsbescheid eine Entscheidung darüber, ob die erzielten Verluste einer ,,Betriebstätte" im Sinne des § 2 AIG zuzurechnen sind.
2. Da die Entscheidung der Frage, ob eine ausländische ,,Betriebstätte" im Sinne des § 2 Abs. 1 AIG vorliegt, in das Verfahren der gesonderten Feststellung der Einkünfte (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977) gehört, hätte hierüber nicht - jedenfalls nicht abschließend - im Verfahren der Einkommensteuerveranlagung bzw. in dem hieran anschließenden Rechtsbehelfsverfahren entschieden werden dürfen.
Nach § 155 Abs. 2 AO 1977 kann zwar ein Einkommensteuerbescheid erteilt werden, auch wenn ein an sich erforderlicher Grundlagenbescheid (hier: Gewinnfeststellungsbescheid) noch nicht erlassen wurde. Das den Einkommensteuerbescheid erteilende FA kann hiernach vorläufig auch über Fragen entscheiden, die dem Verfahren über den Gewinnfeststellungsbescheid zugewiesen sind. Dagegen ist die endgültige Entscheidung solcher Fragen in jedem Fall dem gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren vorbehalten. Nimmt das FA bei Erlaß des Einkommensteuerbescheids zu Unrecht an, eine gesonderte Gewinnfeststellung sei nicht erforderlich oder eine nach Sachlage dem Gewinnfeststellungsverfahren zugeordnete Frage müsse durch den Einkommensteuerbescheid endgültig entschieden werden, so ist bei einem Streit über diese Frage nicht in dem anhängigen Verfahren über den Steuerbescheid, sondern in dem hierfür vorgesehenen Verfahren zur gesonderten Gewinnfeststellung zu entscheiden (BFH-Urteil vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290). Entsprechendes gilt auch dann, wenn ein Gewinnfeststellungsbescheid zwar ergangen ist, eine dem Feststellungsverfahren zugewiesene Feststellung oder Entscheidung aber in diesem Verfahren nicht getroffen worden ist. In einem solchen Fall muß die unterlassene Feststellung (Entscheidung) in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden (§ 179 Abs. 3 AO 1977).
Bei dieser Sachlage hätte das FG die Frage, ob eine ausländische ,,Betriebstätte" im Sinne des § 2 Abs. 1 AIG vorliegt, nicht in dem bei ihm anhängigen Verfahren über die Einkommensteuerfestsetzung abschließend entscheiden dürfen. Es hätte vielmehr das bei ihm anhängige Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aussetzen müssen, um den Ausgang des Verfahrens über den nach § 179 Abs. 3 AO 1977 noch zu erlassenden Ergänzungsbescheid zur Frage der Betriebstättenverluste im Sinne des § 2 Abs. 1 AIG abzuwarten.
3. Da das FG übersehen hat, daß das noch durchzuführende Ergänzungsfeststellungsverfahren für die endgültige Entscheidung zur Einkommensteuerfestsetzung vorgreiflich ist, mußte seine Entscheidung aufgehoben werden. Die Sache geht an das FG zurück, das sein Verfahren bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den noch fehlenden Ergänzungsbescheid nach § 74 FGO auszusetzen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 414585 |
BFH/NV 1987, 549 |