Leitsatz (amtlich)
Der Prüfungsauftrag, der auf die Gewinnfeststellung bei einer gewerblichen Personengesellschaft gerichtet ist, umfaßt die gewerblichen Einkünfte der Gesellschafter, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben (§ 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG), nicht aber andere steuerliche Verhältnisse der Gesellschafter.
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte der Berliner Industrie- und Kreditbank im Jahre 1969 einen Kredit i. S. des § 16 des Berlinhilfegesetzes (BHG) gewährt, in seiner Einkommensteuererklärung jedoch vergessen, dies dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mitzuteilen. Die Veranlagung erfolgte aus diesem Grunde ohne Berücksichtigung der Vergünstigung des § 16 BHG. Der Einkommensteuerbescheid für 1969 wurde bestandskräftig. Als in der H Kommanditgesellschaft, an der der Kläger als Komplementär zu 50 v. H. beteiligt ist, eine Betriebsprüfung stattfand, die sich entsprechend dem Prüfungsauftrag auf die Prüfung der Gewinne der KG in den Jahren 1966 bis 1971 erstreckte und die auch das Jahr 1969 umfaßte, teilte der Kläger dem Betriebsprüfer die Darlehensgewährung in der Erwartung mit, daß eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) erfolgen werde, bei der die Vergünstigung gewährt würde. Das FA berücksichtigte die Vergünstigung jedoch unter Hinweis auf § 232 Abs. 1 AO nur, soweit das Einkommen des Klägers durch die anderweitige Ermittlung des Gewinns der KG gem. § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Abs. 4 § 218 AO erhöht wurde.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat sein Urteil wie folgt begründet: Der Einkommensteuerbescheid der Kläger habe nur nach § 218 Abs. 4 AO entsprechend dem Ergebnis der Betriebsprüfung und zugunsten der Kläger im Rahmen des § 232 Abs. 1 AO geändert werden können. Eine Änderung nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO sei mangels der Feststellung eines Fehlers zugunsten der Kläger in der Betriebsprüfung nicht möglich gewesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger mit folgender Begründung: Wäre die Betriebsprüfung bei einem Einzelkaufmann durchgeführt worden, so hätte dieser dem Betriebsprüfer den Fehler in der Veranlagung mitteilen können, so daß der Fehler im Rahmen der Betriebsprüfung i. S. des § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO bekanntgeworden wäre. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, wenn diese Möglichkeit einem Gesellschafter lediglich wegen der Zweistufigkeit des Veranlagungsverfahrens verlorengehe. Im übrigen sei auch eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich gewesen. Wenn nämlich auch Aufdeckung neuer Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen durch eine Betriebsprüfung bei einem anderen Steuerpflichtigen zu einer Änderung nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO führe, worauf das FG hingewiesen habe, dann komme es nicht auf die konkret durchgeführte Betriebsprüfung an, sondern lediglich auf die Institution "Betriebsprüfung".
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG vom 28. Oktober 1975 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1969 auf 119 172 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das FA hat die Berücksichtigung der Vergünstigung nach § 16 BHG im berichtigten Einkommensteuerbescheid über die Einschränkung in § 232 Abs. 1 AO hinaus zu Recht verweigert.
Die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO setzt nicht voraus, daß die Betriebsprüfung beim Steuerpflichtigen selbst stattfindet. Es genügt, daß eine Betriebsprüfung tatsächlich stattgefunden hat, in deren Rahmen die dem Steuerpflichtigen günstige Tatsache festgestellt worden ist. Eine solche Feststellung ist aber nur möglich, soweit der Umfang der Betriebsprüfung sie zuläßt. Hierfür ist der Betriebsprüfungsauftrag von entscheidender Bedeutung. Der Betriebsprüfer kann nicht selbst bestimmen, in welchem Umfang er die Betriebsprüfung durchführt. Er ist vielmehr an den Prüfungsauftrag gebunden und nicht befugt, diesen Auftrag zu überschreiten. So hat der erkennende Senat im Urteil vom 12. Dezember 1972 VIII R 65/68 (BFHE 109, 100, BStBl II 1973, 570) entschieden, daß die Verjährung nicht durch Handlungen eines Betriebsprüfers unterbrochen wird, die über den ihm erteilten Prüfungsauftrag hinausgehen. In gleicher Weise hat der V.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 13. August 1970 V R 56/67 (BFHE 99, 514, BStBl II 1970, 767) entschieden, daß eine nicht in den Prüfungszeitraum fallende neue Tatsache im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung nur dann gem. § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen ist, wenn ein innerer und unmittelbarer Zusammenhang mit dem Gegenstand der Prüfung besteht. Dieser Rechtsprechung entsprechend hat der mit der Prüfung der steuerlichen Verhältnisse im Betriebe der KG beauftragte Prüfer es zu Recht abgelehnt, das Darlehen an die Berliner Industrie- und Kreditbank zur Kenntnis zu nehmen. Dies hätte seinen Prüfungsauftrag überschritten. Denn der Prüfungsauftrag war nach den Festellungen des FG auf die "Gewinnfeststellung bei der KG" gerichtet. Diese umfaßt allerdings nach § 215 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht nur den Gewinn der KG und die Anteile der Gesellschafter an diesem Gewinn (Gewinnanteile nach § 15 Nr. 2 EStG), sondern auch die in § 15 Nr. 2 EStG an zweiter Stelle genannten Vergütungen für die Überlassung von Arbeitskraft, Kapital oder Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft, wie auch Gewinne aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils und andere Sonderbetriebseinnahmen (und Sonderbetriebsausgaben) der Gesellschafter, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1975 I R 16/73, BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188). Andere steuerliche Verhältnisse der Gesellschafter werden dagegen nicht erfaßt. Im Streitfall ist den tatsächlichen Feststellungen des FG zu entnehmen, daß der Kredit nach § 16 BHG, den der Kläger gewährt hat, in keinem Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis des Klägers zur KG stand. Er liegt daher außerhalb der vom Prüfungsauftrag gezogenen Grenzen.
Daß die Möglichkeit bestanden hätte, die Hingabe des Darlehens durch eine Betriebsprüfung feststellen zu lassen, wenn der Kläger Einzelkaufmann gewesen wäre und seine Einkommensverhältnisse im Streitjahr geprüft worden wären, bedeutet nicht, daß das Urteil des FG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes verstößt. Ein derartiger Verstoß läge nur vor, wenn die Benachteiligung im Einzelfall willkürlich wäre. Hiervon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn die notwendigerweise unterschidliche Ausgestaltung der Einkommensermittlung des Einzelkaufmanns und des Gesellschafters einer Personengesellschaft unterschiedliche Verfahrenfolgen mit sich bringt. Abgesehen davon ist der Gesellschafter einer Personengesellschaft auch nach sachlichem Recht nicht in jeder Beziehung dem Einzelunternehmer gleichgestellt (BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 I R 210/73, BFHE 117, 144, BStBl II 1976, 180).
Fundstellen
Haufe-Index 73164 |
BStBl II 1979, 529 |
BFHE 1979, 493 |