Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Betriebsaufgabe, Betriebs abwicklung und Fortführung eines verkleinerten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs
Leitsatz (NV)
Bei Einstellung der betrieblichen Tätigkeit hat der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einer steuerbegünstigten Betriebsaufgabe und einer schrittweisen Betriebsabwicklung. Zur Ausübung dieses Wahlrechts ist zwar eine ausdrückliche Aufgabe- oder Abwicklungserklärung nicht erforderlich, die Absicht des Steuerpflichtigen muß jedoch äußerlich erkennbar sein.
Normenkette
EStG §§ 13-14, 16 Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1988 und 1989 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Für diese Jahre hatten sie Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich gestellt, die zu entsprechenden Bescheiden führten. Im November 1991 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) fest, daß der Kläger am 8. Juni 1989 ein in A Gemarkung B belegenes unbebautes Grundstück zur Größe von ... qm für ... DM veräußert hatte.
Das Grundstück gehörte ursprünglich zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Mutter des Klägers. Die Gemeinde A erließ für den Ortsteil B im Dezember 1984 einen neuen Flächennutzungsplan, durch den die landwirtschaftliche Nutzfläche des Betriebs der Mutter zu Bauland wurde. Im Oktober 1985 übertrug die Mutter des Klägers ein Grundstück ihrer Tochter, die auf ihren Pflichtteil verzichtet hatte, und veräußerte im November 1985 ein weiteres Grundstück. Zusammen handelte es sich um Flächen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs von ... qm; eine etwa gleich große Fläche hatte der Kläger als privat genutztes Wohn- und Gartengrundstück im Wege der Erbfolge übernommen. Am ... März 1985 erfolgte die letzte Milchlieferung aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Mutter, die 1987 starb und dem Kläger die noch verbliebenen Grundstücke vererbte.
Das FA sah das vom Kläger im Jahre 1989 veräußerte Grundstück als Bestandteil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs an, der im Wege der Erbfolge auf den Kläger übergegangen war. Es forderte daher den Kläger auf, eine Anlage L einzureichen und den Gewinn aus Veräußerung des Grundstücks zu erklären. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, wurden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1988/89 geschätzt und der Veräußerungsgewinn mit ... DM (Erlös von ... DM abzüglich des Buchwerts von ... DM x ... qm = ... DM) erfaßt. Danach ergaben sich für das Wirtschaftsjahr 1988/89 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von ... DM, die anteilig in die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre eingingen. In den Vorjahren hatte eine Veranlagung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht stattgefunden.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und führte zur Begründung im wesentlichen aus, der Kläger habe durch den Erbfall 1987 lediglich Privatvermögen übernommen, so daß der aus der Grundstücksveräußerung im Jahre 1989 erzielte Erlös nicht steuerpflichtig sei. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb sei mit der Einstellung der Milchlieferung aufgegeben worden, ohne daß es der in Verpachtungsfällen geforderten Aufgabeerklärung bedurft hätte.
Mit seiner dagegen gerichteten vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 13 a, 14 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und trägt vor, das Grundstück sei im Rahmen einer Betriebsabwicklung veräußert worden, weil es bis zu diesem Zeitpunkt an einer eindeutigen Erklärung der Aufgabe des Betriebs durch die Erblasserin oder den Kläger gefehlt habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, daß die Mutter des Klägers mit der Einstellung der Milchlieferung und der Veräußerung zweier Grundstücke im Jahre 1985 ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben und daher im Oktober 1987 Privatvermögen vererbt hat.
Wird ein Betrieb eingestellt, so liegt darin noch nicht ohne weiteres eine Betriebsaufgabe i. S. von § 16 Abs. 3 EStG (Senatsurteile vom 28. März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508, und vom 30. März 1989 IV R 45/87, BFHE 156, 204, BStBl II 1989, 509). Eine Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG ist nur anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Absicht erkennen läßt, seine wesentlichen Betriebsgrundlagen in absehbarer Zeit zu veräußern, in ein anderes Betriebsvermögen oder in sein Privatvermögen zu überführen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. Mai 1986 I S 13/85, BFH/NV 1987, 294). Im übrigen hat der Steuerpflichtige jedoch die Wahl zwischen einer steuerbegünstigten Betriebsaufgabe und einer schrittweisen Betriebsabwicklung (ständige Rechtsprechung: s. BFH-Urteile vom 12. März 1964 IV 107/63 U, BFHE 79, 476, BStBl III 1964, 406; vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, BStBl II 1972, 936; vom 24. Oktober 1979 VIII R 49/77, BFHE 129, 334, BStBl II 1980, 186; vom 19. Januar 1983 I R 84/79, BFHE 138, 50, BStBl II 1983, 412, und vom 22. Oktober 1992 III R 7/91, BFH/NV 1993, 358).
Zwar ist zur Ausübung dieses Wahlrechts eine ausdrückliche Aufgabeerklärung gegenüber dem FA nicht erforderlich. Der Wille, wie verfahren werden soll, muß jedoch äußerlich erkennbar sein. Ein Steuerpflichtiger übt dieses Wahlrecht im Sinne einer Betriebsaufgabe z. B. aus, wenn sein unternehmerisches Handeln im Zusammenhang mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen (BFH-Urteil vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, BStBl II 1984, 711, m. w. N.). Hierzu gehört die Veräußerung bestimmter, für die Fortführung des Betriebes unerläßlicher Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens und die Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen -- wie z. B. des Betriebsgrundstücks -- in das Privatvermögen. Der Übergang des bisherigen Betriebsgrundstücks in das Privatvermögen wird auch ohne eine ausdrücklich dahingehende Erklärung des Steuerpflichtigen dann angenommen, wenn nach der Verwertung des sonstigen Betriebsvermögens das übriggebliebene Grundstück vermietet oder verpachtet wird (BFH-Urteile vom 27. März 1987 III R 214/83, BFH/NV 1987, 578; vom 26. März 1991 VIII R 73/87, BFH/NV 1992, 228; vom 21. Mai 1992 X R 77-78/90, BFH/NV 1992, 659). Eine Betriebsaufgabe ist somit in der Regel immer schon dann anzunehmen, wenn der Betriebsinhaber, nachdem er die übrigen Betriebsgegenstände veräußert, verschrottet oder ins Privatvermögen überführt hat, nur noch das Betriebsgrundstück vermietet oder verpachtet (BFH in BFH/NV 1993, 358).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat die Mutter des Klägers im März 1985 die Milchlieferungen eingestellt, ein Grundstück ihrer Tochter als weichender Erbin übertragen und ein weiteres Baugrundstück im November 1985 an einen Dritten veräußert. Diese Veräußerungen umfaßten insgesamt ... qm. Eine etwa gleich große, vom Kläger heute als Garten- und Wohngrundstück genutzte Fläche und das streitige, im Jahre 1989 veräußerte Baugrundstück vererbte die Mutter dem Kläger. Zwar hat das FG nicht festgestellt, ob der Nachlaß noch weitere Grundstücke umfaßte. Insoweit führt die Vorentscheidung lediglich aus, der Kläger habe "die noch verbliebenen Grundstücke in A" geerbt. Dies ist aber für die Beurteilung des Streitfalls nicht entscheidend. Denn bereits aus den Vorgängen des Jahres 1985 folgt, daß die Mutter des Klägers sich nicht für eine Betriebsaufgabe, sondern entweder für eine schrittweise Betriebsabwicklung oder für die Buchwertübertragung eines verkleinerten stillgelegten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs auf den Kläger entschieden hat. Angesichts der gebotenen Versteuerung stiller Reserven aus den Vorgängen des Jahres 1985 hätte es für die Mutter des Klägers nahegelegen, ihre Absicht, den Betrieb aufzugeben, dem FA gegenüber zu offenbaren. Statt dessen hat sie im April 1986 -- wie das FA unwidersprochen vorgetragen hat -- auf Anfrage erklärt, die Landwirtschaft werde noch aktiv betrieben. Unabhängig von dieser Erklärung spricht bereits der tatsächliche Geschehensablauf dafür, daß die Mutter des Klägers bei Einstellung der Milchlieferungen nicht die Absicht hatte, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, und dazu gehören in der Land- und Forstwirtschaft vor allem die betrieblich genutzten Grundstücke, innerhalb kurzer Zeit an einen oder mehrere Abnehmer zu veräußern oder ganz oder teilweise in das Privatvermögen zu überführen.
Entgegen der Vorentscheidung kommt es bei dieser Sachlage nicht darauf an, ob die verbliebenen Flächen noch zu einer rentablen Bewirtschaftung geeignet sind. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Betriebsaufgabe jedenfalls nicht schon dann anzunehmen, wenn die nach einer Verkleinerung des Betriebs noch vorhandenen Flächen für die ertragreiche Bewirtschaftung nicht mehr ausreichen (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1983 IV R 217/81, BFHE 139, 530, BStBl II 1984, 364; vom 12. November 1992 IV R 41/91, BFHE 170, 311, BStBl II 1993, 430, und vom 24. November 1994 IV R 53/94, BFH/NV 1995, 592).
Danach hat der Kläger beim Tod seiner Mutter Betriebsvermögen geerbt. Zu Recht hat daher das FA den Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks bei den Einkünften des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft erfaßt. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 421975 |
BFH/NV 1997, 225 |