Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundlagenbescheid gegenüber Organgesellschaft ist kein Grundlagenbescheid für Organträger
Leitsatz (amtlich)
Ein Gewinnfeststellungsbescheid für die Tochterpersonengesellschaft einer Organgesellschaft entfaltet verfahrensrechtlich gegenüber dem Organträger nicht die Wirkung eines Grundlagenbescheids.
Normenkette
AO § 173 Abs. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; KStG § 14
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Konzernobergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG und Organträgerin zahlreicher Kapitalgesellschaften. In den Jahren 1993 und 1994 hielt die Klägerin u.a. sämtliche Anteile an der A-Markt GmbH (Organgesellschaft --OG--), mit der ein Organschaftsverhältnis i.S. des § 14 des Körperschaftsteuergesetzes damaliger Fassung (KStG) bestand. Die OG war ihrerseits zu 50 % an der B-oHG (oHG) beteiligt. Die Klägerin und die OG erstellten ihre Jahresabschlüsse auf den 28. Februar, während die oHG ein dem Kalenderjahr entsprechendes Wirtschaftsjahr hatte.
Nach einer Außenprüfung bei der oHG erging im März 2002 ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid 1993 für die oHG, mit dem der Gewinnanteil der OG um 7 400 154 DM erhöht wurde. Im Mai 2002 erließ daraufhin der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1994 für die OG, mit dem allerdings wegen des Organschaftsverhältnisses die Steuer weiterhin auf 0 DM festgesetzt wurde. Die Veranlagungsstelle für die OG fertigte darüber eine Mitteilung an die für die Klägerin zuständige Veranlagungsstelle.
Für die Klägerin waren zuvor schon zwei Gewinnfeststellungsbescheide 1994 erlassen worden. Nach Abgabe der Feststellungserklärung im Jahr 1996 war der erste Bescheid im Oktober 1996 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Nach einer Außenprüfung wurden unter Änderung nach § 164 Abs. 2 AO und Aufhebung des Vorbehalts Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 260 774 592 DM festgestellt. Hiergegen hatte die Klägerin im Hinblick auf ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu § 32c des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt.
Im Hinblick auf die Mitteilung über den geänderten Gewinnanteil der OG erließ das FA nun am 25. Juni 2002 für die Klägerin einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 7 400 154 DM höher auf 268 174 746 DM fest. Die Änderung stützte das FA auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es wies darauf hin, dass sich der gegen den vorangegangenen Bescheid erhobene Einspruch nicht erledigt habe.
Gleichwohl erhob die Klägerin Einspruch und machte geltend, eine Änderung sei wegen erhöhter Bestandskraft nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO ausgeschlossen. Das FA war allerdings der Meinung, der Bescheid könne jedenfalls auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden. Es verwarf den zweiten Einspruch als unzulässig und wies den ersten (fortwirkenden) zurück, erklärte den Bescheid vom 25. Juni 2002 allerdings im Einvernehmen mit der Klägerin hinsichtlich der Anwendung von § 32c EStG a.F. für vorläufig (alles in der Einspruchsentscheidung vom 26. August 2003).
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Die Entscheidungsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1223 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 26. August 2003 und den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom 25. Juni 2002 aufzuheben, soweit nicht der Bescheid hinsichtlich der Anwendung des § 32c EStG a.F. für vorläufig erklärt wurde.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Nebenbestimmung über die Vorläufigkeit ist von der Aufhebung nicht betroffen.
Das FA durfte keinen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid erlassen. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids waren nicht gegeben.
a) Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO, auf den sich der Bescheid ursprünglich stützte, lagen nicht vor. Denn nach § 173 Abs. 2 AO können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.
Der zuvor ergangene Bescheid war aufgrund einer Außenprüfung bei der Klägerin ergangen. Zwar war er wegen des erhobenen Einspruchs noch nicht bestandskräftig (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172-177 AO Rz 66). Im Einspruchsverfahren hätte eine Erhöhung der als Gewinn aus Gewerbebetrieb der Klägerin bezeichneten Besteuerungsgrundlage aber gegen den Willen der Klägerin nicht vorgenommen werden können. Das FA hätte auf die drohende Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO hinweisen müssen, welcher die Klägerin durch Rücknahme des Einspruchs (§ 362 Abs. 1 Satz 1 AO) hätte entgehen können. Dementsprechend trat die Änderungssperre (sog. erhöhte Bestandskraft) nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO in Bezug auf steuererhöhende Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bereits vor der formellen Bestandskraft des Bescheids auf Grund der Außenprüfung ein.
b) Das FA konnte sich auch nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO stützen. Ein Steuerbescheid bzw. nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO ein Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen kann danach geändert werden, soweit ein Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Grundlagenbescheid ist nach der Legaldefinition des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt, soweit er für die Festsetzung einer Steuer bindend ist.
aa) Als Grundlagenbescheid ist nicht der geänderte Körperschaftsteuerbescheid der OG anzusehen. Denn ein solcher Bescheid entfaltet nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Januar 2004 I R 84/03 (BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539) keine verfahrensrechtliche Bindungswirkung für die Besteuerung des Organträgers.
bb) Grundlagenbescheid ist auch nicht der geänderte Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte (Gewinnfeststellungsbescheid) 1993 für die oHG. Mit diesem Bescheid wurden höhere Einkünfte aus Gewerbebetrieb der oHG und damit verbunden höhere auf die OG entfallende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt.
Ein Gewinnfeststellungsbescheid entfaltet Bindungswirkung gegenüber demjenigen Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO). Eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte wird nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO durchgeführt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und diesen die Einkünfte zuzurechnen sind. Die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids erstreckt sich danach auf die Personen, denen die Einkünfte steuerlich zuzurechnen sind, also die Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.
Danach entfaltet der Gewinnfeststellungsbescheid für die oHG nur Bindungswirkung für die OG, denn diese ist ungeachtet des Organschaftsverhältnisses selbst und alleine Mitunternehmerin ihrer Tochterpersonengesellschaft.
cc) Eine Erstreckung der Wirkungen des Feststellungsbescheids auf die Klägerin ist nach Auffassung des Senats nicht möglich. Rechtsgrundlage dafür könnte nur § 14 KStG (jetzt § 14 Abs. 1 KStG n.F.) sein, der eine Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft beim Organträger regelt. Zwar können einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche Rechtsfolgen aus der Beteiligung der Organgesellschaft an einer Mitunternehmerschaft wegen der Zurechnung nach § 14 KStG im Ergebnis nur bei dem Organträger eintreten. Dies ist indessen keine unmittelbare Folge der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AO. Diese Wirkung erstreckt sich nur auf den an der oHG Beteiligten, also die OG. Lediglich über § 14 KStG kann der Feststellungsbescheid Wirkungen auch gegenüber der Klägerin entfalten. Da § 14 KStG aber nach dem BFH-Urteil in BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539 bereits dem Körperschaftsteuerbescheid der OG verfahrensrechtlich nicht die Wirkung eines Grundlagenbescheids für die Besteuerung des Organträgers verleiht, muss Gleiches erst recht für den Gewinnfeststellungsbescheid einer Beteiligungsgesellschaft der OG gelten (a.A. Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 48; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 14 KStG n.F., Rz 267).
Im Ergebnis können danach aus dem Gewinnfeststellungsbescheid für eine Tochterpersonengesellschaft einer OG keine Folgen innerhalb des Organkreises gezogen werden. Der Senat hält dies zwar für nicht sachgerecht, sieht sich wegen des Fehlens einer gesetzgeberischen Verfahrensentscheidung über die Erstreckung der Bindungswirkung auf den Organträger aber nicht zu einer anderen Entscheidung in der Lage.
Fundstellen
Haufe-Index 2008388 |
BFH/NV 2008, 1378 |
BFH/PR 2008, 404 |
BStBl II 2008, 663 |
BFHE 2008, 304 |
BFHE 220, 304 |
BB 2008, 1479 |
BB 2008, 1996 |
DB 2008, 1546 |
DStR 2008, 1284 |
DStRE 2008, 912 |
DStZ 2008, 509 |
HFR 2008, 790 |