Leitsatz (amtlich)
Für die Entscheidung, an welchem Ort ein Unternehmer, der die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen betreibt, den Sitz seines Unternehmens hat, können Art und Umfang des Betriebs (z. B. Einmannbetrieb) nicht unbeachtet bleiben.
Normenkette
BefStG 1926 § 1 Abs. 2 Nr. 3 (BefStG 1955 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b); GüKG § 6 Abs. 2
Tatbestand
Der Bf. betreibt die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen. Die Genehmigung zum Güterfernverkehr besitzt er nicht. Unstreitig befand sich sein Wohnsitz und der Sitz seines Unternehmens bis April 1954 in A. Die ohne Genehmigung im Güterfernverkehr durchgeführten Beförderungen hatte der Bf. bis 12. April 1954 jeweils beim Finanzamt zur Festsetzung der Beförderungsteuer angemeldet. Ab diesem Zeitpunkt meldete er keine Beförderungen dieser Art mehr an. Auf Grund einer Prüfung im November 1955 und späterer Ermittlungen stellte das Finanzamt fest, daß der Bf. im März 1953 in B. zwei leere Räume gemietet hat mit der Berechtigung, den Fernsprechanschluß des Vermieters zu benutzen, und die leeren Räume mit zwei Betten, einem Schrank und Sitzgelegenheiten ausgestattet hat. Es stellte weiter fest, daß sich der Bf. am 25. März 1953 in B. polizeilich angemeldet und in A. polizeilich abgemeldet hat, daß das Kraftfahrzeug des Bf. am 13. April 1954 und das an Stelle dieses Kraftfahrzeugs neubeschaffte Kraftfahrzeug am 16. November 1954 in B. zugelassen worden ist, daß der Bf. am 24. April 1954 beim Gewerbeamt B. das Güternahverkehrsgewerbe angemeldet und er die Erlaubnis zum allgemeinen Güternahverkehr nach § 106 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) erhalten hat, daß er ferner in B. ab 15. April 1954 gewerbesteuerlich erfaßt, jedoch im übrigen nach wie vor noch von dem für A. zuständigen Finanzamt veranlagt wird und daß auf den beiden Kraftfahrzeugscheinen B. als Wohnsitz des Bf. eingetragen war.
Das Finanzamt erkannte B. als Standort des Kraftfahrzeugs nicht an und forderte für die in der Zeit vom 13. April 1954 bis 31. Dezember 1954 vom Bf. außerhalb der für A. maßgebenden Nahzone durchgeführten Güterbeförderungen die Beförderungsteuer mit Bescheid vom 8. Dezember 1955 in Höhe von 1777,90 DM nach, wobei es die Steuer unter Zugrundelegung eines Steuersatzes von 6,542 v. H. der Einnahmen berechnete. Es begründete dies damit, daß sich der Bf. in B. lediglich eine Übernachtungsgelegenheit geschaffen, nicht aber dorthin den Sitz seines Unternehmens, d. h. den Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit, verlegt oder eine geschäftliche Niederlassung im Sinne des Handelsrechts dort begründet habe. Die geschäftlichen Aufzeichnungen, die Büroarbeiten, die Rechnungserteilung, die Entgegennahme von Aufträgen seien nach wie vor unverändert in A., dem Wohnsitz der Familie des Bf., erledigt worden. Die Anbringung eines Schildes in B. und die mit dem Vermieter getroffene Abrede, daß dieser in Abwesenheit des Bf. eingehende geschäftliche Nachrichten entgegennehmen und an den Bf. weiterleiten werde, genügten nicht.
Der Bf. machte demgegenüber geltend, daß er zur Verlegung des Sitzes seines Unternehmens von A. nach B. besondere Gründe gehabt habe. Seine Absicht sei dahin gegangen, auch den Wohnsitz seiner Familie nach B. zu verlegen, wo er habe bauen wollen. Der Bauplan habe sich allerdings nicht durchführen lassen, weil auf dem vorgesehenen Baugelände die Einrichtung eines Gewerbebetriebs nicht erlaubt worden sei. Für seinen Betrieb hätten die gemieteten zwei Räume vollkommen genügt. Er fahre selbst einen Lastzug, daher sei er nur zwei bis drei Tage in der Woche vorübergehend in B. in den gemieteten Räumen gewesen. Sein Kundenkreis (drei bis vier Kunden) sei gleichbleibend. Er stelle für diese Kunden jeweils monatlich einmal die Rechnungen aus. Für die Grundaufzeichnungen führe er eine Kladde, die sich jeweils im Fahrzeug befinde. Diese Kladde diene als Unterlage für die Ausstellung der Rechnungen durch seine Ehefrau in A. und für die Aufzeichnungen für den Steuerberater. Der Umfang der Organisation und der kaufmännischen Verwaltung sei so gering, daß keine besonderen Einrichtungen für die Durchführung des Geschäfts benötigt würden, zumal er die Aufträge bei seinen Kunden selbst entgegennehme. Den Kunden sei die Verlegung seines Betriebs nach B. bekannt gewesen. Die Räume habe er 2 1/2 Jahre lang gemietet gehabt, alsdann sei auch seine Familie nach B. in ein Haus gezogen, zu dessen Errichtung er einen Baukostenzuschuß geleistet habe.
Das Finanzgericht wies die Sprungberufung des Bf. als unbegründet zurück. Trotz Anmeldung eines Wohnsitzes in B. und Abmeldung in A. am 25. März 1953 habe der Bf. den Sitz seines Unternehmens nicht in B., sondern nach wie vor in A. gehabt, wo auch die Familie wohnen geblieben sei.
Entscheidungsgründe
Der Rb. war der Erfolg nicht zu versagen.
Der Bf. macht geltend, seine Kraftfahrzeuge im Güternahverkehr verwendet zu haben, wobei Standort der Kraftfahrzeuge B. gewesen sei. Nach § 6 Abs. 2 GüKG gilt bei den im Güternahverkehr verwendeten Kraftfahrzeugen der im Kraftfahrzeugschein eingetragene Sitz (Wohnsitz) des Unternehmers als Standort, wobei allerdings vorausgesetzt ist, daß der Unternehmer an dem im Kraftfahrzeugschein eingetragenen Wohnsitz entweder den Sitz seines Unternehmens oder eine geschäftliche Niederlassung hat.
Unstreitig war im Kraftfahrzeugschein bei beiden Fahrzeugen, die der Bf. zur Güterbeförderung in dem Zeitraum verwendet hat, auf den sich die Steuernachforderung bezieht, B. als Wohnsitz eingetragen. Wenn der Bf. geltend macht, daß er den Sitz seines Unternehmens in B. bereits ab dem Zeitpunkt seiner Anmeldung dort gehabt habe, so kann dies nicht dadurch als widerlegt angesehen werden, daß der Bf., der für seine Person durch die Anmeldung in B. und die Abmeldung in A. seinen Wohnsitz nach B. verlegt hatte, gewisse geschäftliche Tätigkeiten (Ausstellung von Rechnungen, Entgegennahme von Reklamationen und Aufträgen) auch noch in A. vorgenommen hat, wo seine Familie bis zur Erlangung einer von vornherein erstrebten ausreichenden Wohnung in B. noch wohnen geblieben war. Es kann nicht unbeachtet bleiben, daß der Betrieb des Bf. -- vom Finanzamt unwidersprochen -- ein Einmannbetrieb mit einem nur kleinen und gleichbleibenden Kundenkreis (drei bis vier Kunden) war, der ganz geringe Anforderungen in bezug auf Rechnungserteilung und Führung von Aufzeichnungen an den Bf. stellte, zumal der Bf. die Aufträge bei seinen Kunden selbst im Regelfall entgegennahm. Daß der Bf., wie das Finanzamt geltend macht, sich in B. im wesentlichen nur eine Übernachtungsgelegenheit in den beiden von ihm gemieteten Zimmern geschaffen habe, kann bei dieser Sachlage für die Frage des Sitzes des Unternehmens keine entscheidende Rolle spielen. Immerhin hatte der Bf. 2 Räume in einem Hause gemietet gehabt, an dem er ein Schild mit dem Hinweis auf seinen Betrieb hatte anbringen lassen. Allerdings hat der Senat, wobei er im Ergebnis dem vom Finanzgericht zur Begründung seiner Auffassung angeführten Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 17. Dezember 1956 folgte, in seiner Entscheidung II 37/57 U vom 22. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 248, für das Vorliegen einer geschäftlichen Niederlassung gefordert, daß der Unternehmer an dem Ort, an dem er eine solche Niederlassung als vorliegend behauptet, einen zum dauernden Gebrauch eingerichteten, ständig oder doch in regelmäßiger Wiederkehr von ihm genutzten Geschäftsraum besitzt und die von ihm ausgeübte Tätigkeit an diesem Ort einen gewissen Mittelpunkt seines Unternehmens bildet und einen erheblicheren Umfang hat. Daß dieses Erfordernis im Streitfall in A., nicht aber in B. gegeben sein solle, ist vom Finanzgericht nicht ausreichend begründet.
Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat hat bei freier Beurteilung des Sachverhalts keine Bedenken, den Sitz des Unternehmens des Bf. in B. bereits in dem Zeitraum, auf den sich die Steuernachforderung bezieht, als gegeben anzusehen. Für die Annahme eines Scheintatbestands im Sinne des § 5 GüKG liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Bf. war daher von der nachgeforderten Steuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409677 |
BStBl III 1960, 305 |
BFHE 1961, 148 |