Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
übernimmt die Muttergesellschaft auf Grund eines Ergebnisausschlußvertrages den Jahresverlust ihrer Tochtergesellschaft, so ist dies eine im Gesellschaftsverhältnis begründete, nach § 2 Nr. 2 KVStG steuerpflichtige Leistung.
Der Anspruch auf Verlustausgleich auf Grund eines Ergebnisausschlußvertrages hindert in der Regel die Anwendung der Ermäßigungsvorschrift des § 9 Absatz 2 Nr. 1 b KVStG nicht.
Normenkette
KVStG § 2 Nr. 2, § 2/1/2, § 9/2/1/b
Tatbestand
Streitig sind die Gesellschaftsteuerpflicht von Verlustübernahmen bei einer Organschaft und die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 b KVStG bei Organverhältnissen mit Ergebnisausschluß.
Die Bfin. ist die Organtochter der X GmbH (Muttergesellschaft). Auf Grund eines Ergebnisausschlußvertrages (EAV) ist sie ab 1. Januar 1952 verpflichtet, das Jahresergebnis, das sich aus der nach handelsrechtlichen Vorschriften aufzustellenden Jahresbilanz ergibt, auf die Muttergesellschaft in der Weise zu übertragen, daß ein der Muttergesellschaft zustehender Gewinn in die Jahresbilanz als Verbindlichkeit, ein Verlust als Forderung gegen die Muttergesellschaft einzusetzen ist. Da die Geschäftsjahre 1952 bis 1955 mit Verlusten abgeschlossen haben, hat die Bfin. in ihren Bilanzen dieser Jahre folgende Forderungen gegen ihre Muttergesellschaft ausgewiesen:
Bilanz zum 31. Dezember 1952 ---------- 95.563,11 DM Bilanz zum 31. Dezember 1953 --------- 204.131,18 DM Bilanz zum 31. Dezember 1954 --------- 381.167,03 DM Bilanz zum 31. Dezember 1955 --------- 157.734,79 DM insgesamt ---------------------------- 838.596,11 DM.Die Vermögensaufstellungen der Bfin. weisen für die hier maßgebenden Jahre 1952 bis 1955 mit Ausnahme des Jahres 1952 Schulden aus, die das Vermögen erheblich übersteigen.
Das Finanzamt sah diese Verlustübernahmen als steuerpflichtige Leistungen der Muttergesellschaft an die Bfin. an und unterwarf sie trotz des teilweisen oder ganzen Verlustes am Stammkapital mit Rücksicht auf den EAV um vollen Steuersatz der Gesellschaftsteuer. Das ergab eine Steuerforderung von 25.157,85 DM (= 3 v. H. von 838.596,11 DM).
Gegenüber der Rechtsauffassung des Finanzamts, wonach infolge des EAV und der daraus folgenden Ausgleichsforderung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil II 114/56 U vom 25. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 254, Slg. Bd. 63 S. 149) ein Verlust nicht entstehen könne, machte die Bfin. im Einspruchsverfahren ohne Erfolg geltend, daß, wirtschaftlich betrachtet, sowohl bei nachträglicher als auch bei vorher vertraglich zugesagter Verlustübernahme durch eine Leistung von außen her eine Lücke im Stammkapital ausgefüllt werde.
In ihrer Berufung wiederholte die Bfin. dieses Vorbringen und machte darüber hinaus noch geltend, daß eine Gesellschaftsteuerpflicht bei Verlustübernahmen grundsätzlich nicht begründet sei. Bejahe man dennoch die Steuerpflicht, müsse im Rahmen der Vermögensermittlung für die Sanierungsvergünstigung die Vermögensabgabeverbindlichkeit als echte Forderung anerkannt werden.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es hat die Steuerpflicht dem Grunde nach bejaht, da der Rechtsgrund für die Leistung (Verlustübernahme), nämlich die Verpflichtung aus dem EAV, auf einem Vertrag beruhe, der im Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses im Sinne des § 2 Nr. 2 KVStG liege. Entgegen der Auffassung des Finanzamts schließe aber ein derartiger Vertrag zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Sanierungsvergünstigung nicht aus, da der Abschluß eines EAV jedenfalls zugleich eine Sanierung zum Gegenstand habe, wenn eine solche auf Grund geschäftlicher Mißerfolge der Tochtergesellschaft erforderlich werde. Die Vermögensabgabeverpflichtung sei auch eine das Vermögen mindernde Verpflichtung. Die Vergünstigung sei aber, wie das Finanzgericht bereits in seinem Urteil III (V) 96/55 vom 8. August 1957 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1958 Nr. 73 S. 57) ausgeführt habe, zu versagen, da die übernahme der laufenden Jahresverluste durch die Muttergesellschaft die Vermögensabgabe nicht berührt habe und nicht habe berühren sollen.
Mit der Rb. wendet sich die Bfin., gestützt auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 228/57 U vom 22. April 1959 (BStBl 1959 III S. 240, Slg. Bd. 68 S. 630), gegen die Nichtberücksichtigung der Vermögensabgabeverpflichtung. Ferner beantragt sie unter Berufung auf das neuere Schrifttum, völlig von der geforderten Steuer freigestellt zu werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist zum Teil begründet.
Nach § 2 Nr. 2 KVStG unterliegen Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden, der Gesellschaftsteuer. Unbestritten ist die Bfin. eine inländische Kapitalgesellschaft und die Muttergesellschaft ihre Gesellschafterin. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei Verlustübernahmen um die Bewirkung von Leistungen im Sinne von § 2 KVStG (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs II 118/59 vom 30. Januar 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962 Nr. 290 S. 305, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 2, Rechtsspruch 36). Da nicht bestritten werden kann, daß es sich bei der Verlustübernahme um eine "Leistung" handelt, erörtern die von der Bfin. genannten Schriftsteller, soweit es hier von Bedeutung ist, nur die Frage, ob derartige Leistungen als "freiwillige" anzusehen sind oder ob die Verlustübernahmen bei Organverhältnissen mit Ergebnisausschluß "auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung" bewirkt werden. Die im Schrifttum vorgetragenen Bedenken (vgl. insbesondere Gübbels, Der Betriebs-Berater - BB - 1963 S. 85) gegen die in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach die Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft "auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung" bewirkt wird, kann der Senat auch nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage nicht teilen. Gübbels verkennt, wenn er sich für seine Ansicht, daß es sich bei der Ergebnisabführung um einen betrieblichen Vorgang handelt, auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 324/56 U vom 9. September 1958 (BStBl 1958 III S. 432, Slg. Bd. 67 S. 417) stützt, die Bedeutung dieser Entscheidung. Der I. Senat hat dort nur ausgesprochen, daß die übernahme des Verlustes körperschaftsteuerrechtlich als betrieblicher Vorgang anzusehen sei. Diese Entscheidung steht im Ergebnis nicht in Widerspruch zu dem Gutachten I D 1/56 S vom 27. November 1956 (BStBl 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64 S. 368, 372), in dem der gleiche Senat ausdrücklich erklärt hat, daß ein Ergebnisabführungsvertrag bei Organverhältnissen kein Vorgang rein betrieblicher Natur sei. Bei einem derartigen Vertrage trete der Gesellschafter der Organgesellschaft nicht lediglich als Unternehmer, sondern auch als Gesellschafter gegenüber. Dies entspricht der Auffassung des erkennenden Senats (vgl. auch insoweit die Gründe des "Feldmühle-Urteils" des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 16/60 vom 7. August 1962, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 14 S. 263, 281 in der Mitte). Der lediglich auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhenden Auffassung des I. Senats, daß auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage abgeschlossene Ergebnisausschlußverträge wie betriebliche Vorgänge behandelt werden, kann für das Gesellschaftsteuerrecht nicht gefolgt werden. übrigens hat der I. Senat diese wirtschaftliche Betrachtungsweise auch in dem Urteil I 324/56 U vom 9. September 1958 (a. a. O.) ausdrücklich auf das Körperschaftsteuerrecht beschränkt. Aus alledem folgt, daß Ergebnisausschlußverträge gesellschaftsrechtlicher Natur sind. Ist aber der EAV dem Gesellschaftsverhältnis zuzurechnen, werden Leistungen, die auf Grund der in ihm begründeten Verpflichtungen bewirkt werden, auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, also im Sinne von § 2 Nr. 2 KVStG erbracht (vgl. zur Rechtsnatur des EAV auch Flume, Der Betrieb - DB - 1956 S. 460; Ballerstedt, DB 1956 S. 813, 837, und v. Wallis, Neue Juristische Wochenschrift 1963 S. 1129). Das Finanzgericht hat somit zu Recht die Gesellschaftsteuerpflicht von Verlustübernahmen durch die Organmutter dem Grund nach bejaht.
Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der der Bfin. in Verlustjahren zustehende Ausgleichsanspruch auf Grund des EAV einen Verlust im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 b KVStG nicht ausschließen kann. Denn die Sanierungsvergünstigung ist auch bei Leistungen anzuwenden, die auf Grund von Ergebnisabführungsverträgen stattfinden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II 106/39 vom 25. Oktober 1940 RStBl 1940 S. 989, Slg. Bd. 49 S. 219, und Urteil des Bundesfinanzhofs II 228/57 U vom 22. April 1959, a. a. O.). Wie nämlich das Finanzgericht an anderer Stelle seiner Entscheidung zutreffend bemerkt hat, müßte die Berücksichtigung von Ansprüchen zur Beseitigung eines Verlustes am Stammkapital stets dazu führen, die Sanierungsvergünstigung am Stichtag, also am Tage der tatsächlichen Leistung, zu versagen. Das aber kann nicht der Sinn der Vorschrift sein und würde gegen den Grundsatz verstoßen, daß eine Organgesellschaft gesellschaftsteuerlich nicht besser, aber auch nicht schlechter behandelt werden soll als eine unabhängige Kapitalgesellschaft. Ein Verlust am Stammkapital kann vielmehr gesellschaftsteuerrechtlich ebensowenig durch einen Anspruch auf Grund eines EAV ganz oder zum Teil ausgeglichen werden, wie auf Grund eines Anspruchs aus einem von Fall zu Fall vor der tatsächlichen Leistung gefaßten (ausdrücklichen) Sanierungsbeschluß (vgl. auch Egly, Gesellschaftsteuer-Kommentar, Abschnitt 70, S. 131 zweiter Absatz).
Die Sanierungsvergünstigung wäre der Bfin., wie auch einer nicht in einem Organverhältnis stehenden Kapitalgesellschaft, nur dann zu versagen, wenn es sich bei ihr um einen sogenannten geborenen Zuschußbetrieb handeln würde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 140/58 vom 4. Oktober 1961, HFR 1962 Nr. 28 S. 31; StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 2, Rechtsspruch 33). Das aber ist, wie die Bilanzen zum 31. Dezember der Jahre 1949, 1950 und 1951 zeigen, die Verbindlichkeiten aus Ergebnisabführungen ausweisen, bei der Bfin. nicht der Fall.
Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz aber, soweit sie bei der Ermittlung des Reinvermögens der Bfin. zur Feststellung eines etwaigen Verlustes am Stammkapital die Vermögensabgabe wegen des EAV nicht berücksichtigt hat. Wie der Senat im Urteil II 228/57 U vom 22. April 1959 (a. a. O.) näher dargelegt hat, ist bei der Ermittlung des Reinvermögens die Vermögensabgabe mit ihrem Zeitwert, wie jede andere Schuld, als vermögensmindernd zu behandeln. Das hat das Finanzgericht auch nicht verkannt. Es hätte daher von diesem Standpunkt aus die Steuervergünstigung nicht versagen dürfen. Darauf, ob durch die Verlustübernahme die Vermögensabgabeforderung "berührt" worden ist, worauf das Finanzgericht seine Entscheidung stützt, kommt es aber nicht an; denn durch eine Verlustübernahme können immer nur die im EAV begründeten Forderungen der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft berührt, also ganz oder teilweise getilgt werden. Auf Forderungen Dritter kann eine Verlustübernahme keinen Einfluß nehmen, also auch nicht auf die Vermögensabgabeforderung des Steuergläubigers. Sie ist daher bei der Vermögensaufstellung zur Ermittlung eines etwaigen Verlustes am Stammkapital, ohne Rücksicht auf ihre Behandlung in den Handels- oder Steuerbilanzen, als Schuld auszuweisen und bei der Beurteilung der Vermögensaufstellung von den Finanzverwaltungsbehörden und Steuergerichten voll zu berücksichtigen, wenn sie, wie im Streitfall, mit dem zutreffenden Zeitwert aufgeführt wurde.
Die Vorentscheidung, die insoweit von anderen Grundsätzen ausging, war daher aufzuheben.
Die Sache ist bei der dem Senat nunmehr gemäß § 296 Abs. 3 AO zustehenden freien Beweiswürdigung spruchreif.
Entgegen dem hilfsweisen Vorbringen der Bfin. ist das DM-Eröffnungsbilanz-Vermögen bei der Berechnung der Höhe des Verlustes ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der nach § 1 in Verbindung mit §§ 10 ff. des Bewertungsgesetzes ermittelte Vermögensstand am Tage der Leistung. Da das Finanzamt Einwendungen gegen die von der Bfin. in den Vermögensaufstellungen zum 31. Dezember der Jahre 1952, 1953, 1954 und 1955 ausgewiesenen gemeinen Werte nicht erhoben hat, kann von diesen Werten ausgegangen werden. Wie aus dem Urteil des erkennenden Senats II 228/57 U vom 22. April 1959 (a. a. O.) folgt, ist, entgegen der Ansicht des Finanzamts, Vergleichsmaßstab für die Feststellung eines etwaigen Vermögensverlustes der Nennbetrag des Stammkapitals, nicht ein um die Vermögensabgabeverpflichtung gemindertes Kapital, denn diese Verpflichtung ist eine Steuerschuld, also eine echte Verbindlichkeit, nicht aber, wie das Finanzamt annimmt, ein Kapitalherabsetzungsbetrag.
Nach alledem mußte die Rb. teilweise zum Erfolg führen.
Fundstellen
Haufe-Index 411244 |
BStBl III 1964, 384 |
BFHE 1964, 417 |
BFHE 79, 417 |