Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Führt eine Organtochter auf Grund eines Ergebnisausschlußvertrages den Erfolg eines Jahres an die Organmutter ab (sogenannte "Gewinnabführung"), so ist dies eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung nach § 2 Nr. 2 KVStG 1955, wenn die Organtochter an der Organmutter beteiligt ist.
Auch der Inhaber eines Zwerganteils ist Gesellschafter im Sinne von § 6 Abs. 2 KVStG 1955.
Normenkette
KVStG § 2 Nr. 2, § 2/1/2, § 6 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Abführung des Erfolgs ("Gewinnes") einer Organtochter an die Organmutter (Bgin.) der Gesellschaftsteuer unterliegt, wenn zwischen beiden ein Ergebnisausschlußvertrag (EAV) besteht und die Organtochter an der Organmutter als Gesellschafterin beteiligt ist.
Die Bgin. ist fast alleinige Aktionärin der X-AG (Tochtergesellschaft) mit Anteilen von rund 99,5 v. H. Durch Vertrag vom ... 1942 haben die Bgin. und die Tochtergesellschaft einen EAV abgeschlossen und ihn später jeweils verlängert. Von 1945 bis einschließlich 1957 besaß die Tochtergesellschaft ihrerseits Anteile an der Bgin., allerdings nur in Höhe von rund 0,12 v. H. Außerdem befanden sich im Vermögen der B-GmbH, an der die Tochtergesellschaft wesentlich beteiligt ist, Aktien der Bgin. in Höhe von rund 0,591 v. H.
Für das Jahr 1955 führte die Tochtergesellschaft an die Bgin. den Jahreserfolg von 30.459,72 DM ab. Das Finanzamt forderte wegen dieses Vorganges, gestützt auf § 2 Nr. 2 KVStG 1955, Gesellschaftsteuer in Höhe von 913,75 DM. Es begründete die Steuerfestsetzung damit, daß die Tochtergesellschaft infolge ihres unmittelbaren und mittelbaren Besitzes an Aktien der Bgin. mit der Abführung des "Bilanzgewinnes" eine steuerpflichtige Gesellschafterleistung im Sinne von § 2 Nr. 2 KVStG 1955 erbracht habe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Berufung der Bgin. stellte das Finanzgericht sie von der Gesellschaftsteuer frei.
Das Finanzgericht ging in seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1960 Nr. 345 S. 312 veröffentlichten Entscheidung davon aus, daß die Voraussetzungen nach § 2 Nr. 2 KVStG nur gegeben seien, wenn die Leistungsverpflichtung den Gesellschafter als solchen treffe. Während es sich bei der Verlustübernahme um eine Leistung handele, die auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werde, leiste bei der Gewinnabführung die Gesellschaft an den Hauptgesellschafter und nicht, wie § 2 Nr. 2 KVStG dies fordere, der Gesellschafter. Zwar sei die Tochtergesellschaft zugleich Gesellschafterin der Bgin. Die Gewinnabführung könne aber nur dem Gesellschaftsverhältnis Bgin. - Tochtergesellschaft zugerechnet werden. Die Leistung der Tochtergesellschaft stehe in keinem rechtlichen Zusammenhang mit ihrem Aktienbesitz und ihrer Stellung als Gesellschafterin der Bgin. Soweit im Schrifttum eine andere Meinung vertreten werde, gehe sie auf Boruttau (Grundriß der Kapitalverkehrsteuer, 1950, S. 22 oben) zurück, der die Steuerpflicht aber auf § 2 Nr. 3 KVStG stütze. Hierbei könne es allerdings auf das Gesellschaftsverhältnis nicht ankommen. Da es sich nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II 106/39 vom 25. Oktober 1940 (RStBl 1940 S. 989, Slg. Bd. 49 S. 219; Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, § 2 Nr. 2, Rechtsspruch 15) bei der Gewinnabführung auf Grund eines EAV aber um eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung, nicht um eine freiwillige Leistung handele, komme eine Steuerpflicht nicht in Betracht.
Mit der Rb. begehrt der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) die Aufhebung der Vorentscheidung und die Bestätigung der Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat Erfolg.
Nach § 2 Nr. 2 KVStG unterliegen der Gesellschaftsteuer Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden. Unbestritten ist die Bfin. eine inländische Kapitalgesellschaft und die Tochtergesellschaft ihre Gesellschafterin. Es kann auch nicht bezweifelt werden, daß die Abführung des Erfolges eine "Leistung" im Sinne der Vorschrift darstellt. Die Erfolgsabführung ist auch auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt worden. Der Reichsfinanzhof hat die Auffassung vertreten, daß die Vereinbarung eines Organverhältnisses das zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft bestehende Gesellschaftsverhältnis selbst berührt (vgl. die Urteile II 106/39 vom 25. Oktober 1940, a. a. O., und II 92/43 vom 27. April 1944, RStBl 1944 S. 540; Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, § 2 Nr. 2, Rechtsspruch 19). An dieser, auch vom Bundesverfassungsgericht geteilten Auffassung (vgl. Urteil 1 BvL 16/60 vom 7. August 1962 - "Feldmühle-Urteil" -, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 14 S. 263, 281 in der Mitte) hält der erkennende Senat fest.
Erwirbt die Organtochter Aktien der Organmutter, so wird das zwischen ihnen bestehende Gesellschaftsverhältnis, ebenso wie schon zuvor durch den Abschluß des Organvertrages, erneut in besonderer Weise modifiziert. Es geht nicht an, die Rechtsverhältnisse von Kapitalgesellschaften, die durch einen EAV verbunden sind, so zu behandeln, als bestände ein solcher Vertrag nicht. In Abweichung von dem satzungsmäßigen Gegenstand des Unternehmens sind im Streitfall der Tochtergesellschaft durch diese Vereinbarung mit der Bgin. jedes Eigenleben und jeder Eigenzweck genommen worden. Ihre Tätigkeit erschöpft sich im Handeln für Rechnung der Bgin. Sie hat keine Möglichkeit, Gewinne zu erzielen. Ein solches Abkommen wäre zwischen "Fremden" nicht denkbar. Daß es getroffen wurde, ist ausschließlich durch das Verhältnis zwischen Organmutter und Organtochter zu erklären. Da das Organverhältnis gesellschaftsteuerrechtlich nicht anerkannt wird, ist die Organtochter gemäß § 6 Abs. 2 KVStG auch Gesellschafterin der Organmutter. Sie muß es sich nach alledem gefallen lassen, daß ihre "Gewinn" - Abführungen (richtiger Erfolgsabführungen) als auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung angesehen werden. Das Vorbringen der Bgin. steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar ist der Auffassung der Bgin., daß ein neues Gesellschaftsverhältnis auf anderer Ebene zwischen den gleichen juristischen Personen entsteht, wenn die Organtochter Anteile der Organmutter erwirbt, zuzustimmen. Unrichtig ist aber ihre Meinung, daß dieses neue Gesellschaftsverhältnis ohne jeden Einfluß auf das schon bestehende Gesellschaftsverhältnis sei; denn durch den Anteilserwerb wird die Organtochter Gesellschafterin der Organmutter. Das hat nun zur Folge, daß die schon zuvor auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung vorgenommenen Abführungen der Jahreserfolge (nicht Ausschüttung der Reingewinne, wie die Bgin. meint) nun nicht mehr von einer Nichtgesellschafterin, sondern von einer Gesellschafterin erbracht werden, da die aus dem durch den EAV modifizierten Gesellschaftsverhältnis herrührende Verpflichtung der Organtochter auf Abführung des Jahreserfolges durch den Anteilserwerb nicht berührt wurde. Daß der Gesellschafter aber die Leistung in seiner Eigenschaft als Gesellschafter, nicht jedoch in der Eigenschaft als Gesellschaft erbringen muß, ist nicht Voraussetzung der Steuerpflicht. Schaffen die Beteiligten Verhältnisse, bei denen einer juristischen Person zugleich die Eigenschaft als Gesellschafter und als Gesellschaft zufällt, so müssen sie auch die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Folgen tragen.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Höhe der Geschäftsanteile der Tochtergesellschaft an der Bgin. ohne Einfluß auf die Besteuerung der Erfolgsabführung ist. Entgegen der Meinung der Bgin. unterliegt, falls die Voraussetzungen von § 2 Nr. 2 KVStG erfüllt sind, der gesamte abgeführte Erfolg der Gesellschaftsteuer und nicht nur der Anteil, der der Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Bgin. entspricht. Auch Brönner sagt an der von der Bgin. zitierten Stelle (Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, Köln 1956, § 2 Anm. 28, S. 48 vorletzter Absatz) nicht Gegenteiliges, wenn er zutreffend ausführt, daß Gesellschaftsteuer im Falle der "Gewinnabführung" nur insoweit in Betracht komme, als die Tochtergesellschaft an der Muttergesellschaft beteiligt sei. Er will damit offensichtlich nur feststellen, daß Gesellschaftsteuerpflicht in einem solchen Falle in der Regel nicht entsteht, da im allgemeinen die Tochtergesellschaft nicht an der Muttergesellschaft beteiligt ist. Ist sie es aber, so entsteht auch nach seiner Meinung Gesellschaftsteuerpflicht. Auf die Frage, ob nur der der Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Muttergesellschaft entsprechende Teil des abgeführten Erfolges oder der ganze abgeführte Erfolg der Besteuerung unterliegt, geht auch Brönner nicht ein. Da auch der Inhaber eines Zwerganteils Gesellschafter im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne ist, erfüllen auch seine gesamten Leistungen die Voraussetzungen des die Steuerpflicht begründenden Tatbestands.
Nach alledem war die Entscheidung des Finanzgerichts, die von anderen Grundsätzen ausging, aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411243 |
BStBl III 1964, 385 |
BFHE 1964, 422 |
BFHE 79, 422 |