Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenveranlagung bei nach jordanischem Recht gültiger polygamer Ehe
Leitsatz (NV)
Ist ein Steuerpflichtiger nach jordanischem Recht mit zwei Frauen wirksam verheiratet, so ist eine Zusammenveranlagung mit der zweiten Ehefrau jedenfalls dann möglich, wenn die erste Ehefrau nicht ebenfalls unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1 S. 1; EGBGB Art. 13 Abs. 1, Art. 30
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist nach jordanischem Recht mit zwei Frauen verheiratet, die, wie er, jordanische Staatsangehörige sind. In den Streitjahren 1978 und 1979 lebte seine erste Frau in Jordanien und seine zweite Frau, mit der der Kläger seit 1974 verheiratet ist, zusammen mit ihm in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger für beide Streitjahre mit der Begründung einzeln zur Einkommensteuer, eine Zusammenveranlagung komme bei wirksamer Doppelehe nur für die Ehegatten der zeitlich zuerst geschlossenen Ehe in Betracht. Im Streitfall könne die beantragte Zusammenveranlagung nicht gewährt werden, da die erste Ehefrau nicht unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, es sei eine Zusammenveranlagung durchzuführen, da der Kläger und seine zweite Ehefrau in gültiger Ehe lebten, beide unbeschränkt steuerpflichtig seien und die Zusammenveranlagung beantragt hätten. Der Ehegattenbegriff des § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimme sich nach bürgerlichem Recht. Das deutsche Zivilrecht erkenne auch eine polygame Ehe an, wenn sie im Ausland wirksam geschlossen worden sei. Obwohl die §§ 5, 20 des Ehegesetzes (EheG) eine Doppelehe verböten, widerspreche die Tolerierung einer nach ausländischem Recht gültigen Doppelehe nicht dem deutschen ordre public (§ 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -). Die zweite Ehe des Klägers sei nach jordanischem Recht wirksam geschlossen worden (vgl. Merkblatt Nr. 12 des Bundesverwaltungsamtes in Köln) und daher auch im Rahmen des § 26 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Eine Zusammenveranlagung auch mit der Ehefrau aus zweiter Ehe verstoße gegen Zwecke der Ehegattenbesteuerung und sei daher nach § 30 EGBGB unzulässig. Das deutsche Steuerrecht gehe von der Einehe aus und kenne daher nur die Zusammenveranlagung mit einem Ehegatten. Eine Veranlagung im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht sämtlicher Ehegatten unter Einbeziehung von mehr als zwei Personen sei deshalb nicht zulässig und würde auch zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen. Es könne den Steuerpflichtigen aber auch kein Wahlrecht eingeräumt werden, mit welchem Ehegatten sie zusammenveranlagt werden wollten. Deshalb stelle die Zusammenveranlagung nur mit dem Ehegatten aus erster Ehe die einzig praktikable und deshalb auch zulässige Lösung dar.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Bevorzugung der ersten Ehe durch das FA sei eine von mehreren möglichen Lösungen. Statt dessen sei es denkbar, einen Steuerpflichtigen auch mit Wirkung für die Zukunft an die Erklärung, mit einem bestimmten Ehegatten veranlagt werden zu wollen, zu binden. Tatsächlich sei eine Veranlagung immer nur mit der zweiten Ehefrau beantragt worden. Es dränge sich der Eindruck auf, das FA räume der ersten Ehe den Vorrang vor allem wegen des steuerlichen Mehrergebnisses ein. Insofern stelle sich die Frage der Gleichbehandlung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Es ist gemäß §§ 26, 26 b eine Zusammenveranlagung durchzuführen, da der Kläger und seine zweite Ehefrau in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtige, nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten waren und eine Zusammenveranlagung beantragt hatten.
1. Welche Personen ,,Ehegatten" i. S. des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG sind, bestimmt sich grundsätzlich nach bürgerlichem Recht (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juni 1957 VI 115/55 U, BFHE 65, 172, BStBl III 1957, 300, und vom 9. März 1973 VI R 396/70, BFHE 109, 44, BStBl II 1973, 487). Dabei gilt bei der Beteiligung von Ausländern folgendes: Die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Eheschließung sind in Ansehung eines jeden Verlobten nach den Gesetzen des Staates zu beurteilen, dem er angehört (Art. 13 Abs. 1 EGBGB). Das gilt auch für den in Art. 13 Abs. 1 EGBGB offengelassenen Fall der nachträglichen Beurteilung einer Ehe, die Ausländer im Ausland geschlossen haben (h. M., Staudinger/von Bar, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 4; Soergel/Kegel, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 1, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind beide Ehen des Klägers nach jordanischem Recht geschlossen worden. Dieses verbietet es, anders als §§ 5, 20 EheG einem verheirateten Mann nicht, eine weitere Frau zu heiraten (Staudinger/von Bar, a.a.O., Vorbem. 20 zu Art. 13 EGBGB ,,Jordanien"). Danach ist der Kläger nach ausländischem Recht auch in zweiter Ehe wirksam verheiratet.
Eine derartige Ehe wird, jedenfalls hinsichtlich der vermögens- und kindschaftsrechtlichen Wirkungen im Inland ebenfalls als Ehe i. S. des bürgerlichen Rechts anerkannt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 30. April 1985 1 C 33/81, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 402.24 § 2 AuslG Nr. 68; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 13 EGBGB Rdnr. 45; Soergel/Kegel, a.a.O., Art. 13 EGBGB Rz. 116, Art. 14 Rz. 68; Staudinger/von Bar, a.a.O., Art. 13 EGBGB Rz. 87, Art. 14 Rz. 71). Dem steht Art. 30 EGBGB nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen, wenn sie gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen gesetzlichen Regelung und den in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es für untragbar gehalten werden muß (Beschlüsse des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. September 1968 IV ZB 501/68, BGHZ 50, 370 ff.; 376, und vom 22. Juni 1983 VIII ZB 14/82, BGHZ 88, 17 ff., 24; Urteil vom 12. Juni 1978 II ZR 48/77, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1979, 488). Das ist bei der lediglich vermögensrechtlichen Anknüpfung an eine nach anwendbarem ausländischem Recht zulässige Mehrehe, an der die Beteiligten im Inland einvernehmlich festhalten, nicht der Fall.
Allerdings ist der deutsche Gesetzgeber durch Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an das Prinzip der Einehe gebunden (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 4. Mai 1971 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 ff., 69, und vom 30. November 1982 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323 ff., 330). Darüber hinaus widerspricht nach herrschender Meinung eine durch einen deutschen Standesbeamten zu schließende Mehrehe dem deutschen ordre public auch dann, wenn sie nach dem Heimrecht beider Verlobten zulässig wäre. In diesem Fall besteht eine für die Anwendung des § 30 EGBGB maßgebende starke Inlandsbeziehung, da der Abschluß einer Mehrehe im Inland zugelassen werden soll, also ein Erfolg, der inländischen Rechts- und Wertvorstellungen in besonders schwerer Weise widerspricht.
Anders verhält es sich, wenn bei einer von beiden Ausländern im Ausland gültig geschlossenen Ehe lediglich zu beurteilen ist, ob auch für sie die im Inland an jede Ehe anknüpfenden vermögensrechtlichen Folgen eintreten. Hierbei ist das wirksame Eingehen einer Ehe nach ausländischem Recht nur Vorfrage für die an den Ehestatus gebundenen Rechtsfolgen. Das durch die Tolerierung einer nach ausländischem Recht begründeten Mehrehe auf vermögensrechtlichem Gebiet eintretende Ergebnis widerspricht den sich aus dem Prinzip der Einehe ergebenden inländischen Gerechtigkeitsvorstellungen nicht so wesentlich, daß dieses vermögensrechtliche Ergebnis als untragbar angesehen werden müßte. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - an der Ehe nur Ausländer beteiligt sind, die an ihrer Ehe festhalten, und die vermögensrechtlichen Folgen dieser Ehe nur für den möglicherweise vorübergehenden Zeitraum eingreifen, währenddessen sich die Ehegatten im Inland aufhalten.
Steuerliche Vergünstigungen in polygamer wie in Einehe verheirateten Personen zu gewähren, verstößt auch nicht gegen die Grundgedanken der §§ 26, 26 b EStG und gegen die diesen zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen derart, daß das Ergebnis als unhaltbar bezeichnet werden müßte. Zwar geht der Gesetzgeber in den genannten Vorschriften selbstverständlich von der monogamen Ehe aus und kommt mit den an den Status des Verheiratetsein geknüpften Rechtsfolgen gleichzeitig der ihm nach Art. 6 Abs. 1 GG obliegenden Verpflichtung nach, Benachteiligungen von Verheirateten gegenüber Unverheirateten zu vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 150/69, BFHE 109, 363, BStBl II 1973, 640). Daraus folgt aber nicht umgekehrt, daß eine nach ausländischem Recht zulässige polygame Ehe als Anknüpfungspunkt schlechthin ausscheiden müßte, zumal gleichrangige Tatbestandsvoraussetzungen für eine Zusammenveranlagung neben der bestehenden Ehe die unbeschränkte Steuerpflicht und die im Merkmal des Nichtdauerndgetrenntlebens enthaltene Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind. Der Steuergesetzgeber bedient sich in § 26 EStG des aus dem Zivilrecht vorgegebenen Begriffs der Ehegatten. Daher besteht kein Anlaß zu der Annahme, die auf steuerrechtlichem Gebiet eintretenden Folgen einer polygamen Ehe könnten in höherem Maße dem deutschen ordre public widersprechen als andere vermögensrechtliche Folgen einer derartigen Ehe.
2. Entgegen der Ansicht des FA nötigt das Einkommensteuerrecht auch nicht dazu, bei prinzipieller bürgerlich-rechtlicher Anerkennung von nach ausländischem Recht gültigen Mehrehen jeweils nur die zeitlich zuerst geschlossene Ehe eines unbeschränkt steuerpflichtigen Ausländers als Ehe i. S. des § 26 Abs. 1 EStG anzusehen.
Im EStG ist der Fall zweier gleichzeitig nebeneinander bestehender Ehen eines Steuerpflichtigen nicht ausdrücklich geregelt, weil der Gesetzgeber von dem das deutsche Recht beherrschenden Grundsatz der Einehe ausgegangen ist. Insbesondere ist dem Gesetz weder ein unmittelbarer Hinweis dafür zu entnehmen, daß nur eine von zwei gültigen Ehen zu berücksichtigen sei, noch, welche von beiden maßgeblich sei. Der in § 26 Abs. 1 Satz 2 EStG ausgesprochene Vorrang der zeitlich später eingegangenen Ehe bei zwei in einem Veranlagungszeitraum nacheinander bestehenden Ehen kann nicht als allgemeines Prinzip auf den Fall gleichzeitig bestehender Ehen übertragen werden. Vielmehr muß, wie im Hinblick auf zwei nacheinander bestehenden Ehen in einem Veranlagungszeitraum vor Einführung des § 26 Abs. 1 Satz 2 EStG geschehen (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 1956 VI 669/54 U, BFHE 62, 438, BStBl III 1956, 163 einerseits, und vom 9. Juni 1965 VI 240/64 U, BFHE 83, 303, BStBl III 1965, 611 andererseits), die bestehende Regelungslücke so ausgefüllt werden, daß unter Würdigung der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Vorstellungen und Wertungen die Lösung gesucht wird, die der Gesetzgeber wahrscheinlich gewählt hätte, wenn die Frage in seinen Gesichtskreis getreten wäre.
Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, wie bei unbeschränkter Steuerpflicht aller Ehegatten eines in gültiger Mehrehe Verheirateten zu entscheiden wäre, insbesondere ob alle Ehegatten oder nur bestimmte in die Veranlagung einzubeziehen seien und nach welchen Grundsätzen die Veranlagung durchzuführen sei. Denn im Streitfall kommt eine Besteuerung des Klägers nur nach den Grundsätzen der Einzelveranlagung oder eine Ehegattenveranlagung mit der unbeschränkt steuerpflichtigen Ehefrau aus zweiter Ehe in Betracht. Die vom FA geltend gemachten Bedenken bestehen bei dieser nicht, da - wie in dem in § 26 EStG vorgesehenen Regelfall - die Besteuerungsmerkmale von lediglich zwei Personen einzubeziehen sind. Ausgehend davon, daß die Ehegattenbesteuerung an den zivilrechtlichen Ehegattenbegriff anknüpft, und daß auch eine zweite, nach ausländischem Recht zulässige polygame Ehe in vermögensrechtlicher Hinsicht im Inland als wirksame Ehe zu behandeln ist, verbleibt jedenfalls dann kein durchschlagender sachlicher Grund, die Ehegattenbesteuerung zu versagen, wenn der Ehepartner aus einer weiteren Ehe nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (im Ergebnis ebenso Geier in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 26 Rdnr. 17; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 26 Anm. 3; Hein, Deutsche Steuerzeitung 1983, 339; Klaus Vogel, Steuer und Wirtschaft 1982, 66 ff., 70). Es entspricht auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, die Ehegattenbesteuerung bei der von mehreren möglichen Ehen anzuwenden, deren Ehegatten beide unbeschränkt steuerpflichtig sind.
Fundstellen
Haufe-Index 414293 |
BFH/NV 1986, 394 |