Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage des geringwertigen Wirtschaftsgutes nach § 6 Abs. 2 EStG bei zusammengefügten Stahlregalteilen
Leitsatz (NV)
Erwirbt ein Steuerpflichtiger genormte Stahlregalteile (Bauelemente) eines bestimmten Baukastensystems, um diese in bestimmter Weise zusammenzufügen und das daraus gefertigte Gebilde im Betrieb zu verwenden, so sind als ,,Wirtschaftsgut, das einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist" i. S. von § 6 Abs. 2 EStG die aus den Bauelementen tatsächlich montierten und auf die Dauer betrieblich genutzten, eine mehr oder weniger große Anzahl von ,,Grundeinheiten" umfassenden ,,Regalbauwerke" - auch als ,,Regalblöcke" bezeichnet - zu verstehen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betrieb bis zum 31. Dezember 1973 eine Fabrik. Ab 1. Januar 1974 beschränkte sich die Klägerin auf die Verpachtung ihres Anlagevermögens an eine beteiligungsidentische KG. Bilanzstichtag der Klägerin ist der 30. Juni.
Die Klägerin erwarb im Wirtschaftsjahr 1972/73 für insgesamt 275 000 DM und im Wirtschaftsjahr 1973/74 für insgesamt 50 000 DM genormte Regalteile aus Stahlblech eines bestimmten Baukastensystems. Diese Regalteile fügte sie in ihrem Ersatzteillager mittels Stapelleisten und -sicken zu in sich standfesten ,,Regalen" und diese wiederum durch einfache Steckklammern zu Regalblöcken (Regalreihen) zusammen. Die ,,Regale" enthielten überwiegend offene Flächen, z. T. aber auch Schubladen; sie konnten getrennt von den Regalblöcken einzeln aufgestellt werden, waren aber gewöhnlich in diese integriert. Die Regalblöcke dienten zur Lagerung von Ersatzteilen. Diesem Betriebszweck entsprechend wurden sie auf Dauer aufgestellt. Nur ausnahmsweise wurden sie bei veränderten betrieblichen Bedürfnissen auseinandergenommen und in anderer Zusammensetzung neu aufgestellt. Der ,,Wert" der einzelnen Regalteile und ebenso der Wert der daraus zusammengesetzten offenen ,,Regale" lag im Zeitpunkt der Anschaffung unter 800 DM, der Wert der sog. Schubladenregale einschließlich der Schubladen möglicherweise über 800 DM. Der Wert der Regalblöcke war stets höher als 800 DM.
Die Klägerin betrachtete die einzelnen Regalteile als geringwertige Wirtschaftsgüter i. S. von § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und setzte die Anschaffungskosten insgesamt in den Wirtschaftsjahren der Anschaffung als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, als selbständig nutzungsfähige Wirtschaftsgüter seien nicht die Regalteile, sondern die aus ihnen zusammengefügten Regalblöcke (Regalreihen) anzusehen; da deren Wert über 800 DM liege, sei § 6 Abs. 2 EStG nicht anzuwenden. Die Anschaffungskosten für die Regalteile seien abzüglich einer Absetzung für Abnutzung (AfA) von 10 v. H. zu aktivieren, die Gewinne der Klägerin demgemäß für 1972/73 um 247 500 DM und für 1973/74 um 20 250 DM zu erhöhen. Auf dieser Grundlage erließ das FA Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1973 und 1974.
Den Einspruch wies das FA zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied nach Einnahme eines Augenscheins, daß weder die Regalteile noch die ,,Regale", sondern nur die Regalblöcke (Regalreihen) Wirtschaftsgüter i. S. von § 6 Abs. 2 EStG seien.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Feststellungsbescheide 1973 und 1974 dahin zu ändern, daß der Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1973 um 247 500 DM und für 1974 um 20 250 DM herabgesetzt wird. Die Klägerin rügt Verletzung des § 6 Abs. 2 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Gemäß § 6 Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von ,,beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen und die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind", im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das einzelne Wirtschaftsgut 800 DM nicht übersteigen.
Die Vorschrift setzt tatbestandlich zum einen die Anschaffung oder Herstellung eines einzelnen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nicht mehr als 800 DM und zum anderen voraus, daß dieses Wirtschaftsgut einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind insofern miteinander verflochten, als bereits dem Begriff des Wirtschaftsguts die selbständige Bewertungsfähigkeit eines materiellen oder immateriellen ,,Objekts" (Vermögensvorteil) eigen ist, und zwar in dem Sinne, daß nach der Verkehrsauffassung ein Erwerber des ganzen Betriebs für den fraglichen ,,Vorteil" als Einzelheit ein besonderes ins Gewicht fallendes Entgelt ansetzen würde.
1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger genormte Stahlregalteile (Bauelemente) eines bestimmten Baukastensystems, um diese in bestimmter Weise zusammenzufügen und das daraus gefertigte Gebilde im Betrieb zu verwenden, so kommen als ,,Wirtschaftsgut, das einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist" i. S. von § 6 Abs. 2 EStG theoretisch in Betracht:
a) Das einzelne Stahlregalteil (Bauelement) oder
b) die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen während eines Wirtschaftsjahres angeschafften Stahlregalteile (Bauelemente), d. h. ,,die genormten Stahlregalteile als einheitliches Ganzes" oder
c) die aus den Stahlregalteilen (Bauelementen) zusammengefügten ,,Grundeinheiten", d. h. die für eine selbständige Standfestigkeit und Nutzbarkeit als Ablage stets mindestens erforderliche Zusammensetzung einer bestimmten Anzahl von Bauelementen - im Streitfall von den Beteiligten offensichtlich einvernehmlich als ,,Regal" bezeichnet - oder schließlich
d) die vom Steuerpflichtigen aus den Bauelementen tatsächlich montierten und auf die Dauer betrieblich genutzten, unter Umständen eine mehr oder weniger große Anzahl von ,,Grundeinheiten" umfassenden ,,Regalbauwerke" - im Streitfall von den Beteiligten offensichtlich als ,,Regalblöcke" bezeichnet -.
Mit einem Teil dieser rechtlichen Beurteilungsmöglichkeiten hat sich der Senat eingehend in seinem Urteil vom 26. Juli 1979 IV R 170/74 (BFHE 129, 315, BStBl II 1980, 176) befaßt (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Februar 1980 V R 152/74, BFHE 130, 561, BStBl II 1980, 671). Der Senat hat entschieden, daß ,,Wirtschaftsgut, das einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist", i. S. von § 6 Abs. 2 EStG
a) einerseits nicht bereits jedes einzelne genormte Stahlregalteil, also das einzelne Bauelement ist, weil dieses keiner selbständigen Nutzung fähig ist, und
b) andererseits aber nicht erst die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen während eines Wirtschaftsjahres angeschafften Stahlregalteile ist, sofern die betriebliche Zweckbestimmung der einzelnen Teile nicht auf eine ständige Trennung und erneute kurzfristige Zusammenfügung zu anderen Einheiten gerichtet ist.
Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, daß als ,,Wirtschaftsgut, das einer selbständigen Nutzung fähig ist", i. S. von § 6 Abs. 2 EStG ,,nur die einzelnen in den verschiedenen Betriebsräumen der Klägerin zusammengefügten und aufgestellten Regale in Betracht kommen", da diese in der Regel auf Dauer so genutzt werden, wie sie zusammengesetzt wurden, und sie sich damit ebenso wie gleichartige Fertigregale als selbständig, d. h. unabhängig von den anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, insbesondere anderen Regalen, nutzbar erweisen.
Der Senat hat sich seinerzeit allerdings, da der vom FG festgestellte Sachverhalt und der Sachvortrag der Beteiligten hierzu keinen Anlaß bot, nicht ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob bereits die aus einer Mindestanzahl von Stahlregalteilen zusammengesetzten ,,Grundeinheiten" oder erst das einzelne ,,Regalbauwerk" als Wirtschaftsgut, das einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist, i. S. von § 6 Abs. 2 EStG zu beurteilen ist. Darüber ist nunmehr im Streitfall zu befinden.
2. Die Vorentscheidung hat insoweit sinngemäß ausgeführt, die Klägerin könne die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG nicht beanspruchen, weil Wirtschaftsgüter im bilanzsteuerrechtlichen Sinne nicht die einzelnen ,,Regale" (Grundeinheiten), sondern nur die von der Klägerin jeweils aufgestellten ,,Regalblöcke" seien. Auf die selbständige ,,Nutzungsfähigkeit" der ,,Regale" komme es daher nicht an, weil diese letztlich ebenso wie die Regalteile nur sozusagen höhere Bauelemente der aufgestellten ,,Regalblöcke" seien. Entscheidend sei, daß die Klägerin die Regalteile unmittelbar nach ihrer Anschaffung entsprechend ihrem betrieblichen Verwendungszweck im Ersatzteillager auf Dauer zu mehreren Regalblöcken montiert (und nicht laufend wieder auseinandergenommen und anders zusammengefügt) habe. Danach seien erst und nur die Regalblöcke in ihrer Einzelheit von Bedeutung. Das entspreche auch dem bei der Inaugenscheinnahme gewonnenen optischen Eindruck. Innerhalb der Regalblöcke hätten die ,,Regale" keine selbständige Funktion; augenfällig komme dies darin zum Ausdruck, daß nur die Regalblöcke mit Buchstaben gekennzeichnet seien. Auch die Art der Verbindung spreche nicht gegen die Wertung, nicht die ,,Regale", sondern erst die ,,Regalblöcke" seien die zu beurteilenden Wirtschaftsgüter. Zwar spreche eine Verbindung von höherer Festigkeit für die Einheit; ihr Fehlen deute aber dann nicht auf das Gegenteil hin, wenn eine feste Verbindung, wie vorliegend, technisch nicht erforderlich sei. Entscheidend sei allein der konkrete betriebliche Beschaffungs- und Verwendungszweck, der im Streitfall allein in der Zusammenfügung zu ,,Regalblöcken" bestehe.
Diese Ausführungen sind in tatsächlicher Hinsicht für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Rechtsansicht des FG, daß Wirtschaftsgüter im bilanzsteuerrechtlichen Sinne (und damit auch i. S. des § 6 Abs. 2 EStG) im Streitfall nicht die einzelnen ,,Regale" (Grundeinheiten), sondern nur die in den Betriebsräumen der Klägerin aufgestellten und als Einheit auf Dauer genutzten ,,Regalblöcke" sind. Für diese Wertung spricht neben den vom FG hervorgehobenen Gesichtspunkten, daß für einen Erwerber des ganzen Betriebs der Klägerin - dessen unveränderte Fortführung durch den Erwerber unterstellt - als ,,Einzelheit" erst und nur der aufgestellte ,,Regalblock" interessant ist, so wie dieser auf Dauer betrieblich verwendet und benötigt wird, denn nur dessen Vorhandensein ermöglicht die sofortige ununterbrochene Betriebsführung und erspart entsprechenden Montageaufwand, der ja notwendig nicht nur für das Montieren der Regalteile zu ,,Regalen" (Grundeinheiten), sondern in gleicher Weise für das Zusammenfügen der ,,Regale" zu den allein benötigten und betrieblich genutzten ,,Regalblöcken" entsteht. Die Rechtsansicht des FG wird des weiteren durch die Erwägung gestützt, daß sie zu einer bilanzsteuerrechtlichen Gleichbehandlung wirtschaftlich weitgehend gleichwertiger Sachverhalte führt, nämlich von ,,Regalblöcken", die aus genormten Bauelementen montiert werden, und ,,Regalblöcken", die, wie früher üblich, von dritter Seite als Fertigregale erworben oder als solche maßgerecht im eigenen Betrieb angefertigt und aufgestellt werden.
Die Angriffe der Revision gegen das angefochtene Urteil konzentrieren sich auf das Argument, nur die ,,Regale" und nicht die daraus gebildeten ,,Regalblöcke" seien als Einzelheit bedeutsam und damit Wirtschaftsgut im bilanzsteuerrechtlichen Sinne, weil die ,,Regale" im wesentlichen nur durch einfache Steckklammern verbunden seien; eine andere Beurteilung wäre allenfalls geboten, wenn die ,,Regale" zu einem einheitlichen Block fest verbunden, z. B. verschraubt und verschweißt wären.
Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Die Festigkeit, mit der einzelne Sachen miteinander zu einem Ganzen zusammengefügt sind, ist nur eines von mehreren Kriterien für die Wertung der Teile und des Ganzen als Wirtschaftsgut im bilanzsteuerrechtlichen Sinne. Auch unterscheiden sich z. B. die Verbindung durch Steckklammern und durch Schrauben nicht so wesentlich, daß sie eine unterschiedliche tatsächliche und wirtschaftliche Beurteilung des dadurch geschaffenen Ganzen geboten erscheinen lassen. Entscheidend ist vielmehr, daß eine Verbindung für die vorgesehene betriebliche Nutzung überhaupt erforderlich ist und deshalb auch hergestellt wird. Hiervon geht aber auch die Revision aus, wenn sie betont, daß die zu ,,Regalblöcken" zusammengefügten ,,Regale" aus Sicherheitsgründen miteinander verbunden seien.
Fundstellen
Haufe-Index 413796 |
BFH/NV 1986, 592 |