Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 3 - zweite Alternative - UStG 1967 wegen nichtberechtigten gesonderten Ausweises von Umsatzsteuer treffen den Nichtunternehmer und den Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG 1967; die Fälle des gesonderten Steuerausweises bei nichtsteuerbaren und steuerfreien Lieferungen und sonstigen Leistungen fallen unter § 14 Abs. 2 UStG 1967.
2. Der unter Verstoß gegen § 2 AbsichG erfolgte gesonderte Ausweis von Sonderumsatzsteuer wird von § 14 Abs. 3 - zweite Alternative - UStG 1967 nicht erfaßt.
Normenkette
UStG 1967 § 14 Abs. 2-3; AbsichG § 2 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Metallwarenfabrik, führte in der Zeit vom 1. Januar bis 10. Oktober 1969 Ausfuhrlieferungen im Sinne des § 4 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1976) aus, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Absicherungsgesetzes (AbsichG) der Sonderumsatzsteuer unterlagen. Den ausländischen Abnehmern wurden Rechnungen erteilt, in denen die Sonderumsatzsteuer in Höhe von 13 208,22 DM gesondert ausgewiesen und als "Mehrwertsteuer" bezeichnet worden war.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung im Jahre 1971 vertrat der Prüfer die Auffassung, die Klägerin schulde die so gesondert ausgewiesene Sonderumsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1967
Die Klägerin teilte daraufhin ihren ausländischen Abnehmern schriftlich mit, daß es sich bei den unter der Bezeichnung "Mehrwertsteuer" ausgewiesenen Steuerbeträgen um Sonderumsatzsteuer handele, die vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei. Die Abnehmer bestätigten schriftlich, hiervon Kenntnis erlangt zu haben.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ aufgrund der Prüfungsfeststellungen am 27. Mai 1971 einen berichtigten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1969, mit dem er die Klägerin in Höhe der gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1967 heranzog. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage hat sich die Klägerin gegen die Heranziehung nach § 14 Abs. 3 UStG 1967 gewendet.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe in ihren den ausländischen Abnehmern erteilten Rechnungen neben dem Steuerbetrag stets auch den nach § 4 AbsichG maßgeblichen Steuersatz von 4 v. H. angegeben. Damit sei sowohl für die ausländischen Abnehmer als auch für das FA ersichtlich gewesen, daß der gesonderte Steuerausweis entgegen der Aufführung in der Zeile "Mehrwertsteuer" nicht die Umsatzsteuer nach dem Umsatzsteuergesetz 1967, sondern die Sonderumsatzsteuer nach dem Absicherungsgesetz betreffe. Zwar sei nach § 2 Abs. 4 AbsichG der gesonderte Ausweis von Sonderumsatzsteuer unzulässig. Der Verstoß gegen diese Vorschrift führe jedoch nicht zur Begründung einer Steuerschuld, da das Absicherungsgesetz keine dem § 14 Abs. 2 und 3 UStG 1967 entsprechende Vorschrift enthalte.
Mit der Revision begehrt das FA, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin schulde die gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1967, da sie diese als "Mehrwertsteuer" gesondert in Rechnung gestellt habe. Der in § 14 Abs. 3 UStG 1967 enthaltene Begriff des Steuerbetrages sei wertneutral auszulegen und erfasse eine gesondert ausgewiesene Sonderumsatzsteuer zumindest dann, wenn sie in den Rechnungen als "Mehrwertsteuer" bezeichnet worden sei. Es komme deshalb nicht darauf an, daß nach Ansicht der Finanzverwaltung § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht anzuwenden sei; wenn die gesondert ausgewiesene Sonderumsatzsteuer als solche bezeichnet worden sei (Besprechung der Umsatzsteuergruppenleiter der Oberfinanzdirektionen - OFD - am 21. und 22. Februar 1969, Umsatzsteuer-Rundschau 1969 S. 207 - UStR 1969, 207 -). Die spätere Berichtigung der Rechnungen könne die Heranziehung nach § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht abwehren. Zum einen sei nach § 14 Abs. 3 UStG 1967 keine Berichtigungsmöglichkeit gegeben; zum anderen seien die Abnehmer fast zwei Jahre lang in der Lage gewesen, mit diesen Rechnungen einen Vorsteuerabzug geltend zu machen.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Die Klägerin schuldet die unter der Bezeichnung "Mehrwertsteuer" ausgewiesene Sonderumsatzsteuer (§ 2 Abs. 1 AbsichG) nicht gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1967. Die erste Alternative dieser Vorschrift greift schon deshalb nicht ein, weil die Klägerin Lieferungen ausgeführt hat. Nach der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 wird die gesondert ausgewiesene Steuer geschuldet, wenn der Rechnungsaussteller zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist. Der gesonderte Ausweis von Umsatzsteuer für Umsätze, die nach § 4 Nr. 1 UStG 1967 steuerfrei sind, wird aus den folgenden Erwägungen zur Abgrenzung des § 14 Abs. 2 gegen § 14 Abs. 3 - zweite Alternative - UStG 1967 durch § 14 Abs. 2 UStG 1967 erfaßt.
a) Die Wortfassung der zweiten Alternative des § 14 Abs 3 UStG 1967 ( "... oder zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist") könnte im Hinblick darauf, daß gemäß § 14 Abs. 1 UStG 1967 nur Unternehmer mit steuerpflichtigen Umsätzen zum gesonderten Steuerausweis berechtigt sind, zu der Annahme verleiten, bei Vorliegen nichtsteuerbarer oder steuerfreier Umsätze greife die zweite Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 ein. Bei dieser Auslegung wäre jeder Unternehmer, der nichtberechtigt gesondert Umsatzsteuer ausweist (sei es, weil er in seiner Person die Voraussetzungen nicht erfüllt, sei es, daß er nichtsteuerbare oder steuerfreie Umsätze ausführt), wegen Verstoßes gegen die steuerrechtliche Ordnungsnorm des § 14 Abs. 1 UStG 1967 aus § 14 Abs. 3 - zweite Alternative - UStG 1967 in Anspruch zu nehmen.
Jedoch ist eine gesetzliche Konzeption, jeden dem Grunde nach unberechtigten Steuerausweis durch § 14 Abs. 3 UStG 1967 zu ahnden, nicht erkennbar. Sie folgt jedenfalls nicht zwingend aus der Wortfassung des Gesetzes, nach der diejenigen Personen erfaßt werden sollen, die zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis "nicht berechtigt" sind. Der insoweit maßgebliche Wortlaut der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 (wer ... zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist) läßt schon für sich allein die Deutung zu, es gehe nur um die personelle Beschränkung der Regelung auf diejenigen Personen, die als Nichtunternehmer oder als Kleinunternehmer zum gesonderten Steuerausweis nicht berechtigt sind. Sofern der BdF gemeint haben sollte, die Festlegung des Begriffsinhalts der Worte "nicht berechtigt" ergäbe sich aus der Beschreibung der Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis in § 14 Abs. 1 UStG 1967, gerät er - wie noch darzustellen ist (Abschn. f) - in einen Widerspruch zu § 14 Abs. 2 UStG 1967.
b) Wegen des demnach nicht eindeutigen Gesetzeswortlautes ist zur Ermittlung des gesetzgeberischen Willens die Entstehungsgeschichte zu § 14 Abs. 3 UStG 1967 heranzuziehen. Aus ihr ergibt sich, daß diese Vorschrift zunächst nur die Fälle ihrer ersten Alternative (also des Fehlens einer Leistung) erfassen sollte. Die zweite Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 ist erst anläßlich der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag eingefügt worden, und zwar aus Anlaß der Aufnahme der Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 UStG 1967 in das Gesetz. Es sollte nach der gegebenen Begründung klargestellt werden, daß die unter § 19 UStG 1967 fallenden Kleinunternehmer bei Vornahme des - ihnen nicht gestatteten - gesonderten Ausweises von Umsatzsteuer ebenfalls - und zwar wie der Nichtunternehmer - diese Steuerbeträge Schulden (vgl. Umdruck 177, Anlage 4 zum Stenografischen Bericht der 102. Sitzung des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, S. 4770 und 4783).
c) Dem BdF ist darin beizutreten, daß die Annahme, die Inrechnungstellung von Steuer durch den Nichtunternehmer wäre vom Gesetz bereits ohne diese Klarstellung erfaßt, unzutreffend war. Ein diesbezüglicher Irrtum des Gesetzgebers sagt aber allein nichts über das Ziel und den Umfang der gewollten und durchgeführten Ausweitung des § 14 Abs. 3 UStG 1967 durch die Einfügung der zweiten Alternative aus. Der gegebenen Änderungsbegründung (vgl. Umdruck 177, a. a. O.) ist aber der Wille zu entnehmen, durch diese zweite Alternative jedenfalls neben dem Nichtunternehmer den Kleinunternehmer i. S. des § 19 UStG 1967 zu erfassen. Gemeinsames Merkmal beider Personengruppen ist die Nichtberechtigung zum gesonderten Steuerausweis aus Gründen, die in ihrer Person liegen. Daraus ist herzuleiten, daß nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers die Einfügung der zweiten Alternative ausschließlich bezwecken sollte, diejenigen Rechnungsaussteller zu erfassen, die persönlich die Voraussetzungen einer Berechtigung zur gesonderten Inrechnungstellung von Steuer nicht erfüllen. Eine Ausdehnung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 auf diejenigen Fälle, in denen sich die Nichtberechtigung zum gesonderten Steuerausweis aus dem Fehlen der Steuerbarkeit bzw. Steuerpflicht der zugrunde liegenden Umsätze ergibt, ist der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht zu entnehmen. Diese indiziert vielmehr die gegenteilige Auslegung, daß nur Kleinunternehmer i. S. des § 19 UStG 1967 und Nichtunternehmer von der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 erfaßt werden.
d) Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Gesetzeszweck des § 14 Abs. 3 UStG 1967 bestätigt. Er besteht darin, Mißbräuche des gesonderten Steuerausweises wegen der dadurch ausgelösten Gefahr der unberechtigten Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs durch den Rechnungsempfänger zu verhindern (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Abschn. B, zu § 14, zu Bundestags-Drucksache V/1581; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2l. Februar 1980 V R 146/73, BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283). Um dieses Ziel sicherzustellen, wurde eine Rechnungsberichtigung in § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht zugelassen, da sie die angestrebte Abschreckungswirkung entkräftet hätte (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, a. a. O.). Zwar wird in den Fällen des gesonderten Steuerausweises bei Vorliegen nichtsteuerbarer und steuerfreier Umsätze ebenfalls gegen die Ordnungsvorschrift des § 14 Abs. 1 UStG 1967 verstoßen. Es liegt jedoch in der Regel kein Mißbrauchstatbestand vor, weil die Beteiligten des Leistungsaustausches vorwiegend rechtsirrtümlich, ferner aufgrund mechanischer Versehen oder ähnlicher Fehlerquellen von der Steuerbarkeit bzw. Steuerpflicht des Leistungsaustausches ausgehen und/oder ihre Umsätze entsprechend behandeln, und weil sich wegen ihres Verhaltens die Versteuerung - des für steuerpflichtig erachteten oder so behandelten Umsatzes - und der Vorsteuerabzug im Gleichgewicht befinden, eine Gefährdung des Steueraufkommens also nicht eintreten kann.
Es wäre jedenfalls in den Fällen rechtsirrtümlicher und versehentlicher Bejahung der Steuerbarkeit und Steuerpflicht mit der Begrenzung des für § 14 Abs. 3 UStG 1967 maßgeblichen Gesetzeszwecks, Mißbräuche zu verhindern, unvereinbar, wenn auch hier - ohne die Möglichkeit einer Korrektur der Rechnung - die Rechtswirkungen eines Mißbrauchstatbestandes eintreten würden. Diese Überlegungen gebieten, sämtliche Fallgestaltungen nichtsteuerbarer und steuerfreier Lieferungen und sonstiger Leistungen nach § 14 Abs. 2 UStG 1967 zu verweisen (vgl. nachfolgenden Abschn. e). Diese Vorschrift greift demnach dann ein, wenn ein zum gesonderten Steuerausweis persönlich berechtigter Unternehmer für eine bewirkte Leistung eine Umsatzsteuer gesondert ausweist, obwohl er nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes keine oder eine niedrigere Steuer schuldet. An dem im Urteil vom 10. Mai 1973 V R 145/72 (BFHE 109, 395, BStBl II 1973, 647) - für den Fall steuerfreier Umsätze - vertretenen Standpunkt hält der Senat nicht mehr fest.
e) Der BdF hat gegen diese Abgrenzung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 gegen § 14 Abs. 2 UStG 1967 Bedenken geltend gemacht. Er erkennt zwar an, daß im Bereich rechtsirrtümlicher oder versehentlicher Inrechnungstellung von Steuer bei nichtsteuerbaren oder steuerfreien Leistungen mit entsprechender Versteuerung dieser Umsätze eine Mißbrauchssituation mit der Gefahr von Steuerausfällen wegen des Gleichgewichts von Steuer und Vorsteuer nicht besteht. Er ist jedoch der Auffassung, daß dies eine weite Auslegung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 (Einschluß der nichtsteuerbaren und steuerfreien Umsätze mit gesondertem Steuerausweis) nicht ausschließe, sondern wegen bestimmter Fallgruppen sogar gebiete. Er verweist auf den Bereich nichtsteuerbarer und steuerfreier Leistungen, in dem der Unternehmer (gleichwohl) unter gesonderter Inrechnungstellung von Steuer abrechne, diese jedoch nicht an das FA abführe. Würde diese Handhabung aufgedeckt, könnte er sich im Falle des dargestellten Auslegungsergebnisses einer Heranziehung zur Steuer in Höhe des unberechtigt ausgewiesenen Steuerbetrages durch eine Rechnungsberichtigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1967 entziehen. Damit gehe die notwendige Abschreckungswirkung, die § 14 Abs. 3 UStG 1967 bezwecke, verloren, obwohl auch in diesen Fällen ein Mißbrauchstatbestand gegeben sei.
Diese Auffassung kann jedoch eine andere als die vom Senat vertretene Gesetzesauslegung nicht rechtfertigen. Es ist das Ziel des § 14 Abs. 3 UStG 1967, Mißbräuche des gesonderten Steuerausweises zu verhindern. Ein qualifizierter Verstoß gegen die Ordnungsnorm des § 14 Abs. 1 UStG 1967 muß vorliegen (vgl. Abschn. d). Bei rechtsirrtümlichem oder versehentlichem Steuerausweis für nichtsteuerbare oder steuerfreie Leistungen, die die Mehrzahl der vorkommenden Fälle bilden, liegt ein solcher Mißbrauchstatbestand nicht vor. Dies ist bei der Auslegung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 zu berücksichtigen. Die Wortfassung des Gesetzes bietet jedoch keine Möglichkeit, im Bereich der nichtsteuerbaren und steuerfreien Leistungen nach solchen Fallgruppen zu differenzieren, auf die die zweite Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nach seiner erklärten Zielsetzung und wegen seiner einschneidenden Wirkung keine Anwendung finden kann, und solchen Fallgruppen, bei denen eine Einreihung in die zweite Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 sinnvoll wäre. Bei dieser Sachlage bedingt die gebotene Nichtanwendung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 bezüglich der Fälle rechtsirrtümlichen oder versehentlichen Steuerausweises eine Auslegung in dem vom Senat vertretenen Sinne, nämlich eine Verweisung sämtlicher Fälle gesonderten Steuerausweises bei nichtsteuerbaren und steuerfreien Leistungen nach § 14 Abs. 2 UStG 1967.
f) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen jemand wegen mißbräuchlichen Handelns nach § 14 Abs. 3 UStG 1967 in Anspruch genommen werden kann, unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze zu normieren. Dies ist auch in bezug auf den Bereich zu fordern, für den der BdF eine Anwendung dieser Vorschrift für erforderlich hält.
Entgegen seiner rechtlichen Beurteilung können Mißbrauchsfälle auch in demjenigen Regelungsbereich auftreten, den er dem § 14 Abs. 2 UStG 1967 zuweist. Es ist möglich, daß ein Unternehmer statt des ermäßigten Steuersatzes bewußt den allgemeinen Steuersatz gesondert in Rechnung stellt, um dem Rechnungsempfänger einen entsprechenden Vorsteuerabzug zu eröffnen, seinerseits aber nur zum ermäßigten Steuersatz versteuert. Bei dieser Fallgestaltung, der mißbräuchliches Handeln zugrunde liegt, hat noch niemand - auch nicht der BdF - die Auffassung vertreten, daß wegen des mißbräuchlichen Handelns § 14 Abs. 2 UStG 1967 unanwendbar wäre. Daraus ergibt sich zum einen, daß der Auffassung des BdF ein unauflösbarer Wertungswiderspruch zugrunde liegt. Zum anderen ist offengelegt, daß der regelungsbedürftige Bereich von Mißbrauchsfällen größer ist als vom BdF selbst angenommen.
g) In Teilbereichen, in denen kein mißbräuchliches Verhalten der Unternehmer bei unberechtigtem Steuerausweis vorlag, hat die Verwaltung - nach Ansicht des BdF billigkeitshalber - durch "entsprechende Anwendung" des § 14 Abs. 2 UStG 1967 die dargestellten nachteiligen Folgen einer Anwendung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 zu vermeiden versucht (vgl. Verfügungen der OFD Hamburg vom 19. Januar 1971 und der OFD Hannover vom 19. Februar 1971, beide in UStR 1972, 242; Verfügung der OFD Saarbrücken vom 15. November 1973, UStR 1974, 83; Schreiben des BdF vom 24. April 1973, UStR 1973, 127; vom 15. Juli 1974, UStR 1974, 191; vom 1. Dezember 1975, UStR 1975, 278; vom 4. August 1976, UStR 1976, 189; vom 14. November 1980, UStR 1980, 253 und vom 1. Dezember 1980, UStR 1981, 13).
Diese Vorgangsweise einer selektiven und nicht durchgängigen Herausnahme von Fällen, denen kein Mißbrauchstatbestand zugrunde liegt, zeigt aber auf, daß der von der Finanzverwaltung vertretenen Gesetzesauslegung keine gleichmäßige Gesetzes(nicht)anwendung nachfolgt. Davon abgesehen ist diese Verwaltungspraxis nicht frei von Widersprüchen. Wenn der BdF davon ausgeht, daß die Anwendung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht davon abhängig sei, ob ein Mißbrauchsfall vorliegt oder nicht, also ein Überhang des Gesetzes über die Wertungen des Gesetzgebers verneint wird, dann wäre bei dieser Auffassung einer entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 2 UStG 1967 aus Gründen sachlicher Härte der Boden entzogen, denn sie setzt einen Gesetzesüberhang voraus.
2. Die Klägerin schuldet die gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge auch nicht aus § 14 Abs. 2 UStG 1967 oder aus § 2 Abs. 4 AbsichG.
a) Der Inanspruchnahme eines Unternehmers aus § 14 Abs. 2 UStG 1967 wegen gesonderter Inrechnungstellung von Sonderumsatzsteuer unter der Bezeichnung "Mehrwertsteuer" steht § 2 Abs. 4 AbsichG nicht entgegen. Diese Vorschrift regelt nämlich das Verbot der gesonderten Inrechnungstellung von Sonderumsatzsteuer unter dieser Bezeichnung.
b) Die Klägerin hat jedoch durch Abänderung ihrer Rechnungen die ursprüngliche Bezeichnung der gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge als "Mehrwertsteuer" durch "Sonderumsatzsteuer" ersetzt. Die Abänderung ist wie eine Rechnungsberichtigung i. S. des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1967 zu behandeln. Sie ist für das Jahr der Rechnungserteilung (1969) und nicht erst im Jahr der Rechnungsberichtigung (1971) zu berücksichtigen und wirkt damit auf den mit der Klage angegriffenen Berichtigungsbescheid für das Jahr 1969 ein. Eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967, wie sie § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1967 für den Fall seiner unmittelbaren Anwendung vorschreibt, scheidet im vorliegenden Fall aus; denn in dem hier gegebenen besonderen Fall des Nebeneinanders von herkömmlicher Umsatzsteuer und der besonderen Umsatzsteuer nach dem Absicherungsgesetz, den § 14 Abs. 2 UStG 1967 nicht voraussehen konnte und auch nicht geregelt hat, wurde nicht ein neben dem Nettowarenpreis stehender Betrag an gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer berichtigt, sondern die unzutreffende Bezeichnung eines Preisbestandteils korrigiert, der - ungeachtet seiner nach § 2 Abs. 4 AbsichG unzulässigen gesonderten Aufführung in der Rechnung - aus der hier maßgeblichen Sicht der Umsatzsteuer Teil des Gesamtkaufpreises war.
c) Mit der nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1967 in zulässiger Weise durchgeführten Rechnungsberichtigung hat die Klägerin den unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer, der zur Heranziehung nach § 14 Abs. 2 UStG 1967 geführt hätte, beseitigt, ohne durch dieses Verhalten einen in etwa der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 vergleichbaren Tatbestand nach dem Absicherungsgesetz zu verwirklichen. § 2 Abs. 4 AbsichG ist zwar eine dem § 14 Abs. 1 UStG 1967 vergleichbare Ordnungsvorschrift; sie erschöpft sich jedoch in dem Verbot des gesonderten Ausweises von Sonderumsatzsteuer. Die sinngemäße Anwendung der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 auf die Fälle des unberechtigten Ausweises von Sonderumsatzsteuer ist durch das Absicherungsgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Mangels einer entsprechenden Regelung wurde die sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift eine unzulässige steuerbegründende Analogie bedeuten (im Ergebnis ebenso Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, § 2 AbsichG Anm. 80; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 10. Aufl., Bd. II/7, AbsichG RdNr. 36; Besprechung der Umsatzsteuergruppenleiter vom Februar 1969, UStR 1969, 207). Das Absicherungsgesetz begnügt sich damit, Verstöße gegen das Verbot des gesonderten Ausweises von Sonderumsatzsteuer dadurch zu neutralisieren, daß in § 2 Abs. 4 AbsichG die Nichtanwendung des § 15 UStG 1967 vorgesehen ist. Der Leistungsempfänger ist mithin wegen der ihm gesondert in Rechnung gestellten Sonderumsatzsteuer vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Fundstellen
BStBl II 1981, 547 |
BFHE 1981, 127 |