Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Hat das FG die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aus vertretbaren Gründen wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, so kann der BFH die Revision nicht als unzulässig verwerfen, weil er die Frage der Grundsätzlichkeit anders beurteilt.
Zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Promotionskosten gehören auch die Druckkosten der Doktorarbeit (Dissertation). Das gilt auch für einen Dr. Ing., der zahlreiche Stücke der Doktorarbeit verschickt und daraus eine berufliche Förderung erwartet.
Die Promotionskosten sind keine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG.
Normenkette
EStG § 9 S. 1, § 12 Nr. 1, § 19/1, § 33; FGO § 115 Abs. 1-2, § 124
Tatbestand
Der Stpfl., der Angestellter in einem Ingenieurbüro ist, machte für das Jahr 1965 die Kosten für den Druck seiner Dissertation (Doktorarbeit) mit 771 DM für Werbungskosten geltend. Das FA lehnte den Abzug dieser Kosten ab, weil sie nach der Rechtsprechung der Steuergerichte zu den Kosten der allgemeinen Lebenshaltung im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG gehörten.
Die Klage beim FG blieb ebenfalls ohne Erfolg. Das FG berief sich auf das Urteil des Senats VI 7/56 U vom 20. September 1957 (BFH 65, 498, BStBl III 1957, 424) und führte aus, auch die Druckkosten der Dissertation gehörten zu den Kosten der Promotion. Sie könnten nicht, wie der Stpfl. meine, für sich betrachtet werden, weil sie geeignet seien, sein berufliches Ansehen zu heben und ihm bessere berufliche Chancen zu schaffen.
Mit der Revision rügt der Stpfl. eine Verletzung des geltenden Bundesrechts. Er führt aus, das FG hätte die Druckkosten von den anderen Aufwendungen für die Promotion trennen müssen. Die Doktoranden der Technischen Hochschule würden vom Verein deutscher Ingenieure (V. D. I.) aufgefordert, in der Vereinszeitschrift kurze Berichte über ihre Dissertation zu veröffentlichen. Dadurch werde es notwendig, viele Exemplare der gedruckten Dissertation unentgeltlich an alle wichtigen wissenschaftlichen Institutionen zu schicken.
Das FA rügt in seiner Stellungnahme zur Revision zum Verfahren, daß das FG die Revision zu Unrecht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO seien nicht erfüllt. Das Urteil des FG liege in der Linie der ständigen Rechtsprechung des BFH, gegen die der Stpfl. keine neuen wesentlichen Einwendungen vorgebracht habe. Die im Sinne des Stpfl. ergangenen Entscheidungen der FGe Düsseldorf und Karlsruhe rechtfertigten die Zulassung der Revision nicht. Sachlich beantragt das FA, die Revision als unbegründet abzuweisen. Der Stpfl. beantrage im Revisionsverfahren nur noch, die streitigen Druckkosten als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) zu behandeln. Eine solche Teilanfechtung sei zulässig, weil Streitgegenstand der gesamte angefochtene Bescheid über den Lohnsteuerjahresausgleich 1965 sei. Die Druckkosten seien im übrigen auch keine außergewöhnliche Belastung. Selbst wenn man dem Stpfl. zugeben wollte, daß durch die Veröffentlichung die Wissenschaft gefördert werde, so mache das die Kosten nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Das FA rügt ferner, daß das FG den Antrag auf Festsetzung des Streitwerts nicht beachtet habe. Darin liege ein Verstoß gegen § 146 FGO. Das Antragsrecht fließe aus der Stellung der Prozeßbeteiligten. Dabei sei es unerheblich, ob der Antragsteller obsiege oder nicht. Das FG hätte den Streitwert auch feststellen müssen, wenn es die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuließ. Es hätte nämlich prüfen müssen, ob die erste Alternative des § 115 Abs. 1 FGO oder die zweite Alternative vorlag. Das Ergebnis hätte in der Streitwertfestsetzung zum Ausdruck kommen müssen.
Entscheidungsgründe
Die Revision konnte keinen Erfolg haben.
Zur Zulässigkeit der Revision Nach § 115 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten, auch wenn der in der Regel erforderliche Streitwert von mehr als 1.000 DM nicht gegeben ist, die Revision an den BFH zu, wenn das FG sie besonders zugelassen hat. Das FG kann nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zulassen, wenn es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt. Die grundsätzliche Bedeutung hat das FG darin gesehen, daß die Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und im Schrifttum trotz der ständigen Rechtsprechung des BFH verschieden beurteilt wird und daraus in der Verwaltungspraxis Rechtsunsicherheit entstanden ist. Diese Erwägungen tragen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Der BFH ist im Rahmen der Prüfung nach § 124 FGO grundsätzlich auch nicht befugt, eine vom FG ausgesprochene Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung aufzuheben, zumindest dann nicht, wenn das FG nicht offensichtlich willkürlich verfahren ist. Sachlich entspricht § 115 Abs. 1 FGO der Vorschrift des § 286 Abs. 1 AO a. F. Diese Vorschrift hat die Rechtsprechung ständig dahin ausgelegt, daß das Revisionsgericht nicht berechtigt sei, grundsätzliche Bedeutung einer Streitsache zu verneinen, wenn das FG die Revision zugelassen hatte. Soweit das Bundesverwaltungsgericht zu dem § 115 Abs. 1 FGO entsprechenden Vorschrift des § 132 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 eine andere Auffassung vertritt, ist § 115 FGO nicht entsprechend auszulegen, weil nichts dafür spricht, daß der Gesetzgeber den durch § 286 Abs. 1 AO a. F. den Beteiligten gewährten Rechtsschutz verschlechtern wollte.
Zu den sachlichen Revisionsgründen Nach der Rechtsprechung des RFH und des BFH gehören die Promotionskosten zu den nach § 12 Nr. 1 EStG steuerlich nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Wenn auch die Abgrenzung der Kosten der Ausbildung für einen Beruf von den Kosten der Fortbildung im ausgeübten Beruf oft schwierig ist und, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, der Begriff der Fortbildungskosten nicht eng ausgelegt werden darf, so rechtfertigen diese Erwägungen doch nicht, die Promotionskosten zu den Kosten der Berufsfortbildung zu rechnen, und zwar auch dann nicht, wenn der Stpfl., ohne den Doktortitel erlangt zu haben, in das Berufsleben getreten ist und dann erst später während seiner Berufstätigkeit die Promotion anstrebt. Dabei ist unerheblich, ob der Stpfl. der Auffassung ist, daß die Promotion für ihn die Voraussetzung zum Aufstieg im ausgeübten Beruf ist oder der Doktortitel seine Berufschancen verbessert. Der Senat hat im Grundsatzurteil VI R 88/66 vom 7. August 1967 (BStBl III 1967, S. 777) nach erneuter Prüfung die Promotionskosten nicht als Werbungskosten (Fortbildungskosten) anerkannt, weil die Promotion den Abschluß des akademischen Hochschulstudiums bildet.
Der Streitfall gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Der Stpfl. meint, daß bei einem Dr. Ing. von Bedeutung sei, daß er nach der Bekanntgabe des Dissertationsthemas in der Zeitschrift des V. D. I. zahlreiche Exemplare der Dissertation unentgeltlich verschicken müsse. Mit Recht ist das FG der Auffassung, daß die Druckkosten aus den Gesamtkosten der Promotion nicht herausgelöst werden könnten. Wenn einzelne Hochschulen und Universitäten auf die Drucklegung der Dissertationen verzichten, so ist das nicht entscheidend. Die Promotionskosten sind oft unterschiedlich hoch. Zuweilen erfordert eine Dissertation z. B. kostspielige Vorbereitungsarbeiten. übersteigen im Einzelfall die Kosten die übliche Grenze, so bleiben sie trotzdem Kosten der Lebensführung im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG.
Der Senat nimmt - im Gegensatz zum FA - an, daß der Stpfl. im Revisionsverfahren in erster Linie begehrt, die streitigen Kosten als Werbungskosten anzuerkennen und nur hilfsweise die Berücksichtigung nach § 33 EStG verlangt. Der Hilfsantrag ist aber ebenfalls nicht begründet. Nach § 33 Abs. 2 EStG sind außergewöhnliche Belastungen nur Aufwendungen, die einem Stpfl. zwangsläufig erwachsen sind, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen konnte. Diese Voraussetzungen sind für die Druckkosten einer Dissertation offensichtlich nicht erfüllt. Eine "Verpflichtung" zu promovieren besteht nicht.
Zur Rüge des FA wegen der unterbliebenen Streitwertfeststellung.
Der Rüge kann nicht stattgegeben werden. Das FA hat weder Revision noch Anschlußrevision eingelegt. Aber auch wenn man eine Anschlußrevision annehmen wollte, so ist zu beachten, daß die Festsetzung des Streitwertes nicht Bestandteil des Urteils selbst, sondern in einem mit dem Urteil verbundenen selbständigen Beschluß geschieht, der nur mit der Beschwerde anfechtbar ist. Wollte man aber die Rüge des FA in eine Beschwerde umdeuten, so müßte diese als unzulässig verworfen werden, solange ein Beschluß des FG auf Streitwertfestsetzung nicht ergangen ist (Beschluß des Senats VI B 30/66 vom 31. Januar 1967, BFH 88, 108, BStBl III 1967, 292).
Fundstellen
Haufe-Index 412722 |
BStBl III 1967, 789 |
BFHE 1968, 29 |
BFHE 90, 29 |