Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Tritt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der Sperrfrist den Anspruch aus einem Bausparvertrag zur Sicherung von Forderungen aus seiner geschäftlichen Verbindung mit einer Sparkasse an diese ab, so liegt eine steuerschädliche Beleihung im Sinne des § 10 Abs. 2 Ziffer 2 EStG 1955 vor.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 Ziff. 2; EStDV § 15a/2, § 29/2, § 11b/2, § 23/2
Tatbestand
Der Bf. betreibt ein Nähmaschinen- und Schreibmaschinengeschäft. Eine Sparkasse finanziert zum Teil die Kaufverträge der Kunden des Bf. Dieser haftet für etwaige Ausfälle. Als Sicherheit unterhielt er bei der Sparkasse ein Sperrkonto. Dieses Sperrkonto wurde freigegeben, als der Bf. am 14. September 1956 zur Sicherung aller gegenwärtigen oder künftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit der Sparkasse seine Rechte aus zwei am 5. August 1954 bei der öffentlichen Bausparkasse X. über insgesamt 15.000 DM abgeschlossenen Bausparverträgen an die Sparkasse abtrat. Die Bausparkasse zeigte dem Finanzamt an, die Bausparverträge seien beliehen worden. Dieses erkannte daraufhin bei der Einkommensteuerveranlagung für 1956 die in diesem Jahr eingezahlten Beiträge (1.777 DM) nicht als Sonderausgaben an und versteuerte außerdem die 1954 und 1955 geleisteten Beiträge (580 DM und 1.142 DM) nach. Einspruch und Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht teilte die Auffassung des Finanzamts, daß eine für den Sonderausgabenabzug schädliche Beleihung der Ansprüche aus den Bausparverträgen vorliege, wenn auch dem Bf. nicht unmittelbar von der Sparkasse ein Kredit eingeräumt worden sei. Dafür spreche insbesondere, daß der Bf. durch die Sicherungsabtretung über das bis dahin bestehende Sperrkonto wieder habe frei verfügen können. Derartige Rechtsgeschäfte seien mit dem Sinn und Zweck der damals dreijährigen Sperrfrist nicht vereinbar.
Der Bf. rügt, daß die Vorinstanz bei der Beurteilung des Sachverhalts den Begriff des "Beleihens" verkannt habe. Das Finanzgericht habe die Grenzen der zulässigen Auslegung überschritten, weil es, statt den klaren juristischen Inhalt dieses Begriffs zugrunde zu legen, bei seiner Entscheidung eine Auslegung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch vorgenommen habe. Bankmäßig gesehen habe die Sparkasse übrigens überhaupt keine Beleihung vornehmen dürfen; denn bei Einzahlungen auf die Bausparverträge von insgesamt 2.113 DM hätte sie nur bis zu dieser Höhe beleihen dürfen. Da die getätigten Geschäfte sich jedoch in der Größenordnung von 25.000 DM bis 27.000 DM bewegt hätten, habe ihr Ausmaß die Beleihungsgrenze um etwa das Zwölffache überstiegen. In Wirklichkeit sei jedoch ein Risiko für die Sparkasse nicht vorhanden gewesen, da keine Verluste eingetreten seien. Die geleistete Sicherheit habe unter diesen Umständen nur die Bedeutung einer Kaution gehabt. Das Finanzgericht habe das Wesen eines Kredits verkannt. Ein Kredit bringe eine Verschuldung mit sich. An einer solchen habe es aber bei ihm gefehlt. Er habe durch die Abtretung der Rechte aus den Bausparverträgen lediglich die Verfügungsmacht über das Sperrkonto wieder erlangt. Bei den Kreditgewährungen der Sparkasse an seine Kunden habe die Abtretung der Rechte aus den Bausparverträgen keine Rolle gespielt. Dafür seien vielmehr jeweils der Wert des Kaufgegenstandes und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Käufer maßgebend gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 10 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1955 ist hinsichtlich der als Sonderausgaben berücksichtigten Bausparkassenbeiträge eine Nachversteuerung unter anderem vorzunehmen, wenn die Ansprüche des Steuerpflichtigen aus einem Bausparvertrag vor Ablauf der Sperrfrist beliehen werden. § 15 a Abs. 2 Ziff. 3 EStDV 1953 bestimmt in Verbindung mit § 11 b Abs. 2, § 59 Abs. 2, 4 EStDV 1953, § 81 Abs. 4 EStDV 1955, daß bei den nach dem 31. Mai 1953 und vor dem 1. Januar 1955 abgeschlossenen Bausparverträgen eine steuerschädliche Beleihung anzunehmen ist, wenn der Anspruch aus dem Bausparvertrag von dem Bausparer zur Sicherung einer Schuld abgetreten wird. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß diese in den EStDV 1953 enthaltene Regelung eine zutreffende Auslegung des in § 10 EStG 1953 und EStG 1955 aufgestellten Verbots einer Beleihung von Ansprüchen aus Bausparverträgen ist. Der Gesetzgeber will durch den Abzug der Bausparbeiträge als Sonderausgaben den Wohnungsbau fördern. Diesem Ziel widerspricht es, wenn ein Steuerpflichtiger Ansprüche aus einem Bausparvertrag zur Durchführung der Finanzierung von Geschäften seines Gewerbebetriebs verwendet. Eine Beleihung ist lediglich dann unschädlich, wenn die durch sie erlangten Geldmittel unverzüglich und unmittelbar dem Wohnungsbau zugeführt werden und damit der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck auch durch die Beleihung unmittelbar gefördert wird. Ob der Gläubiger, dem in anderen Fällen Ansprüche aus Bausparverträgen sicherheitshalber abgetreten werden, die Sicherung in Anspruch nimmt oder nicht, ist ohne Bedeutung. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob die Abtretung nach einiger Zeit rückgängig gemacht wird und der Steuerpflichtige nach der Zuteilung des Bausparvertrags das von der Bausparkasse ausgezahlte Geld dann zum Wohnungsbau verwendet. Solange der Bausparvertrag der gewerblichen Betätigung eines Steuerpflichtigen vor Ablauf der Sperrfrist als Kreditunterlage dient, können die während dieser Zeit an die Bausparkasse geleisteten Beiträge nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 EStG 1953 und EStG 1955 abgezogen werden und muß die Nachversteuerung hinsichtlich der früher geleisteten Beiträge erfolgen. Der Hinweis des Bf. auf Verwaltungsregelungen, in denen es für unschädlich erklärt wird, wenn Ansprüche aus einem Bausparvertrag zur Gestellung einer Kaution verwendet werden, ändert hieran nichts. Ob diese Verwaltungsanordnungen dem EStG entsprechen, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Da nach dem Vertrag des Bf. mit der Bausparkasse die Abtretung der Ansprüche aus den beiden Bausparverträgen zur Sicherung aller gegenwärtigen oder künftigen Ansprüche der Sparkasse aus ihrer Geschäftsverbindung mit dem Bf. diente, liegt im Streitfall eine Kautionsgestellung nicht vor. Die Abtretung der Ansprüche aus den Bausparverträgen stand vielmehr in engstem Zusammenhang mit der Sicherung von Verbindlichkeiten des Bf. Ob diese bereits im Zeitpunkt der Abtretung bestanden oder ihre Entstehung erst in der Zukunft möglich war, ist nach § 11 b Abs. 2 Satz 2 EStDV 1953 ohne Bedeutung. Daß die Sicherung dieser geschäftlichen Verpflichtungen Gegenstand der Abtretung war, wird auch besonders deutlich durch den Umstand, daß der Bf. nach der Abtretung der Ansprüche aus den Bausparverträgen wieder die freie Verfügung erhielt über ein Guthaben, das bis dahin auf einem Sperrkonto zugunsten der Sparkasse als Sicherheit festgelegt war. Die Vorinstanzen haben bei dieser Sachlage mit Recht eine Beleihung der Ansprüche des Bf. aus den Bausparverträgen angenommen. Sie haben daraus zutreffend die Folgerung gezogen, daß die in den Veranlagungszeiträumen 1954 und 1955 gezahlten Bausparbeiträge nachzuversteuern sind und die im Jahre 1956 auf die Bausparverträge geleisteten Einzahlungen nicht als Sonderausgaben zum Abzug kommen können. Die Rb. kann daher keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409822 |
BStBl III 1960, 508 |
BFHE 1961, 692 |
BFHE 71, 692 |