Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung bei zuviel ausgezahlten Vorsteuern
Leitsatz (NV)
Wird der Anspruch des FA auf Rückzahlung zu Unrecht ausgezahlter Vorsteuerbeträge nicht rechtzeitig festgesetzt, weil die steuerpflichtige Gesellschaft die USt-Jahreserklärung nicht abgegeben hat, so kann wegen des Rückzahlungsanspruchs des FA (§ 37 Abs. 2 AO 1977) die Geschäftsführerhaftung (§§ 69, 34 AO 1977) in Betracht kommen.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, §§ 69, 34
Gründe
1. Die Haftungsinanspruchnahme für Umsatzsteuer 1979 hat ihre Ursache darin, daß das FA an die AG aufgrund der in den Voranmeldungen angegebenen Vorsteuerüberschüsse den Betrag von 37 431,47 DM ausgezahlt hatte, während sich bei der - wie vom FG festgestellt - erst nach Konkurseröffnung (11. März 1981) festgesetzten Umsatzsteuerjahresschuld 1979 nur Vorsteuerüberschüsse mit 27 432 DM ergaben, die AG somit 9 999,47 DM (37 431,47 DM ./. 27 432 DM) zuviel ausgezahlt erhalten hat. Insoweit hat das FA eine Steuervergütung ,,ohne rechtlichen Grund" ausgezahlt und damit einen Rückzahlungsanspruch, der steuerrechtlich als Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977 einzuordnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488, und die - erst ab 1. Januar 1987 anwendbare - Neufassung von § 69 Satz 1 AO 1977 durch das Steuerbereinigungsgesetz vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735).
Zur Haftung für die Rückzahlung der überhöht ausgezahlten Vorsteuerüberschüsse 1979 hat das FG entschieden, daß der Rückzahlungsanspruch nicht (mehr) vor der Eröffnung des Konkursverfahrens im März 1981 entstanden sei und deshalb eine Inanspruchnahme des Klägers nach § 69 AO 1977 ausscheide (Hinweis auf § 6 Abs. 2 KO). Diese Beurteilung ist insofern richtig, als der Rückzahlungsanspruch als solcher - mangels Geltendmachung durch einen Bescheid (§ 218 Abs. 1 AO 1977) - jedenfalls nicht vor der Konkurseröffnung fällig geworden ist, und schon deshalb - unbeschadet seiner Entstehung - seine Nichterfüllung durch den Kläger keine schuldhafte Pflichtverletzung (§ 69 AO 1977) darstellt.
2. Das FG hat aber das Vorbringen des FA unberücksichtigt gelassen, durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1979 sei der Rückzahlungsanspruch nicht rechtzeitig und damit auch nicht zu einem Zeitpunkt festgesetzt worden, zu dem seine Realisierung dem FA noch möglich gewesen wäre. Dieses Vorbringen des FA, das immerhin in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführt gewesen war, ist insofern entscheidungserheblich, als - im Fall seiner Richtigkeit - eine Pflichtverletzung des Klägers durch Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1979 gegeben sein könnte, die die nicht rechtzeitige Festsetzung des Rückzahlungsanspruchs nach § 69 Satz 1, 2. Alternative AO 1977 bewirkt und in Folgewirkung hiervon die mangelnde Realisierung des Anspruchs auf Rückzahlung der überhöhten Vorsteuerüberschüsse vor Konkurseröffnung nach sich gezogen haben könnte.
3. Da das FG diesem - möglicherweise entscheidungserheblichen - Gesichtspunkt nicht nachgegangen ist und der erkennende Senat als Revisionsinstanz die hierfür notwendigen Ermittlungen seinerseits nicht vornehmen kann, ist das finanzgerichtliche Urteil hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1979 aufzuheben und die Sache insoweit an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 2 FGO). Das FG hat Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung 1979 vor der Konkurseröffnung eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers darstellt. Falls dies der Fall sein sollte, ist zu ermitteln, ob und in welcher Höhe bei der gebotenen zeitgerechten Abgabe der Erklärung der Rückzahlungsanspruch des FA noch realisierbar gewesen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 416739 |
BFH/NV 1990, 618 |