Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelbesteuerungsabkommen Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Normenkette
DBA AUT Art. . 11; EStG § 34c; OECD-MA 23B; DBA AUT Art. 11 Abs. 3; EStG § 34c/1; OECD-MA 23B/1
Tatbestand
über die Anrechnung ausländischer Einkommensteuer auf die deutsche Einkommensteuer ist im Veranlagungsverfahren zu entscheiden.
Zur Auslegung des Art. 11 Abs. 3 des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens betreffend die Anrechnung österreichischer Kapitalertragsteuer auf Dividenden, mit denen der Steuerpflichtige in der Bundesrepublik zur Einkommensteuer veranlagt wird.
GG Art. 80 Abs. 1; deutsch-österreichisches Doppelbesteuerungsabkommen Art. 11; EStG 1958 § 34 c Abs. 1; EStDV 1958 § 68 g Abs. 1.
Der Bg. hat im Jahre 1958 aus österreich Dividenden aus Aktien bezogen. Auf die Dividenden ist in österreich die Kapitalertragsteuer mit 519 DM einbehalten worden. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1958 wurden auch die Dividenden angesetzt. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wurde auf die festgesetzte Einkommensteuer von 1.356 DM nur mit 195 DM angerechnet. Diesen angerechneten Teilbetrag errechnete das Finanzamt nach der Formel: Festgesetzte Einkommensteuer x Dividende: Gesamtbetrag der Einkünfte = X. Der Bg. will die einbehaltene Kapitalertragsteuer voll angerechnet haben. Er hält für entscheidend, um welchen Betrag die festgesetzte Einkommensteuer durch die Einbeziehung der Dividenden höher ist, als sie ohne die Einbeziehung der Dividenden sein würde. Wären die Dividenden nicht in die Veranlagung einbezogen worden, so würde nach seiner Berechnung die Einkommensteuer um 528 DM niedriger sein.
Das Finanzgericht gab dem Bg. recht. Es hält zwar, weil es nur um die Anrechnung einer einbehaltenen Steuer gehe, das Berufungsverfahren an sich nicht für zulässig. Es glaubt aber, weil bei einer Anrufung der Oberfinanzdirektion doch kein anderes Ergebnis als das vom Finanzamt festgestellte zu erwarten sein würde, aus prozeßökonomischen Gründen unmittelbar entscheiden zu sollen. Sachlich meint es, die vom Bg. beantrage Anrechnung entspreche auch dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954, abgekürzt: DBAA, - in Kraft gesetzt durch das Gesetz vom 27. Juli 1955 (BGBl 1955 II S. 749, BStBl 1955 I S. 369) -.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, hält die vom Finanzamt durchgeführte Anrechnung für richtig. In der mündlichen Verhandlung hat der Bg. insbesondere darauf hingewiesen, daß nach Art. 1 DBAA beabsichtigt sei, die doppelte Erfassung von Einkünften zu vermeiden. Diesem Zweck werde allein die Auslegung des Finanzgerichts gerecht. Der Wortlaut des hier maßgeblichen Art. 11 DBAA sei zwar nicht eindeutig. In solchen Fällen müsse aber die dem Steuerpflichtigen günstigere Möglichkeit angewandt werden. Würde man der Auffassung des Finanzamts folgen, dann würden gerade die kleineren Steuerpflichtigen mehr belastet als die größeren, ganz abgesehen davon, daß dann die Regelung des DBAA keine Vorteile gegenüber der des EStG selbst bringe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Dem Finanzgericht kann nicht darin zugestimmt werden, daß an sich die Entscheidung des Finanzamts über die Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer mit der Beschwerde an die Oberfinanzdirektion hätte angegriffen werden müssen. Die Entscheidung, ob Einkommensteuervorauszahlungen anzurechnen sind, gehört zwar nicht in das Steuerfestsetzungsverfahren. Falls das Finanzamt und der Steuerpflichtige sich über die Anrechnung nicht einig sind, muß ein besonderer Abrechnungsbescheid ergehen, der selbständig angefochten werden kann (§§ 125, 235 Ziff. 6 AO). Werden Einkommensteuervorauszahlungen im Steuerbescheid nicht angerechnet, so liegt darin aber nicht schon ein Abrechnungsbescheid. Dieselben Grundsätze können aber nicht bei einer Veranlagung im Inland auf die Anrechnung ausländischer Steuern angewandt werden. über die Anrechnung muß vielmehr in diesen Fällen bereits bei der Steuerfestsetzung entschieden werden, weil die Anrechnung (vgl. § 34 c EStG 1957) nicht unter die Vorschriften über die "Entrichtung der Steuer" (§§ 35 ff. EStG), sondern unter die über den Tarif (§§ 32 ff. EStG) aufgenommen ist. Für die Regelung 1955 betreffend die Absetzung des nachweislich gezahlten Steuerbetrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 51 EStDV 1955) ist die Berücksichtigung bei der Festsetzung der Einkommensteuer selbstverständlich (vgl. § 68 f EStDV 1958 betreffend den Abzug ausländischer Steuern vom Gesamtbetrag der Einkünfte). Für den Streitfall gilt aber hinsichtlich der Anrechnung nichts anderes, weil die Prüfung der Anrechnung nur der Veranlagungsstelle im Zusammenhang mit der Festsetzung der inländischen Steuer übertragen sein kann. Von dieser Auffassung geht auch § 68 e EStDV 1958 aus, wonach ein Steuerbescheid zu ändern ist (Berichtigungsveranlagung), wenn eine ausländische Steuer, die auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen ausländischen Einkünfte entfällt, nach Erteilung des Steuerbescheids, aber vor Ablauf der Verjährungsfrist erstmalig festgesetzt, nachträglich erhöht oder erstattet wird und sich dadurch eine höhere oder niedrigere Veranlagung rechtfertigt.
Sachlich kommt es, wie das Finanzgericht nicht verkennt, auf die Auslegung des Art. 11 DBAA und des § 34 c EStG 1958 in Verbindung mit § 68 g EStDV 1958 an. Das Finanzgericht meint jedoch zu Unrecht, daß danach die vom Bg. beantragte Art der Anrechnung gerechtfertigt sei.
Nach Art. 11 Abs. 1 DBAA unterliegen die Einkünfte aus beweglichem Kapitalvermögen der Besteuerung durch den Staat, in dem der Bezieher seinen Wohnsitz hat. Demgemäß hat das Finanzamt die österreichischen Dividenden zutreffend in die Veranlagung des Bg. einbezogen. Nach Art. 11 Abs. 2 DBAA bleibt es dem Staat, aus dem die Dividenden bezogen werden, unbenommen, Kapitalertragsteuer zu erheben. Demgemäß sind die Dividenden in der Republik österreich mit Recht der Kapitalertragsteuer unterworfen worden. Nach Art. 11 Abs. 3 DBAA ist die Kapitalertragsteuer "auf Antrag des Gläubigers vom Wohnsitzstaat auf seine Steuer für diese Einkünfte anzurechnen". Nach der Auffassung des Bg. ist damit eindeutig bestimmt, daß die vom Wohnsitzstaat festgesetzte Steuer um die von dem anderen Staat einbehaltene Steuer zu mindern sei. Nach der Auffassung des Finanzamts, das den Ton auf "Steuer für diese Einkünfte" legt, besagt Art. 11 Abs. 3 DBAA dagegen, daß die einbehaltene Steuer nur angerechnet werden kann, soweit sich die einbezogenen Einkünfte im Rahmen der Gesamteinkünfte auswirken.
Der Bundesminister der Finanzen führt aus, der Wortlaut lasse drei Möglichkeiten der Auslegung zu: Einmal könne die veranlagte Einkommensteuer nach dem Verhältnis der Dividendeneinkünfte aus dem anderen Staat zu den übrigen Einkünften aufgeteilt werden (Methode des § 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG 1958); die danach auf die Dividendeneinkünfte entfallende Einkommensteuer sei die "Steuer für diese Einkünfte" im Sinne des Art. 11 Abs. 3 DBAA. Die beiden anderen Möglichkeiten ergäben sich, wenn man annehme, daß entweder die Dividendeneinkünfte aus dem anderen Staat oder die übrigen Einkünfte als Einkommensspitze zu behandeln seien und den höchsten Steuersätzen unterlägen, während jeweils auf die übrigen Einkünfte bzw. auf die Dividendeneinkünfte die Sonderausgaben, die Freibeträge und die niedrigeren Steuersätze entfielen.
Das Finanzgericht hat mit dem Bg. angenommen, die Dividendeneinkünfte aus österreich seien von der Einkommensspitze abzurechnen. Mit dem Bundesminister der Finanzen betrachtet aber der Senat nur die erste Möglichkeit der Auslegung als dem Sinn und Zweck des Art. 11 Abs. 3 DBAA entsprechend. Sie ist auch nach dem Wortlaut (Anrechnung auf die "Steuer für diese Einkünfte") die nächstliegende. Nach Art. 1 Abs. 1 DBAA soll "vermieden werden, daß Personen, die in einem der beiden oder in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz haben, doppelt zu Steuern herangezogen werden". Nach der Auffassung des Finanzgerichts und des Bg. entspricht es diesem Zweck, die gemäß Art. 11 Abs. 3 DBAA einbehaltene Kapitalertragsteuer von 519 DM bis zu dem Betrag anzurechnen, um den die inländische Einkommensteuer durch Einbeziehung der in österreich besteuerten Kapitaleinkünfte höher ist, als sie ohne die Einbeziehung wäre. Die vom Finanzamt festgesetzte Steuer beträgt 1.356 DM; ohne die Einbeziehung der streitigen Kapitaleinkünfte hätte sie nur 828 DM, also 528 DM weniger betragen, so daß die Kapitalertragsteuer von 519 DM nach Ansicht des Finanzgerichts voll anzurechnen ist.
Das Finanzgericht und der Bg. übersehen aber, daß das DBAA für Fälle dieser Art nicht den sonst üblichen Weg gewählt hat, der, wenn die Auffassung des Finanzgerichts richtig wäre, auch für Fälle der vorliegenden Art der einfachste gewesen wäre, nämlich die betreffenden Einkünfte unmittelbar und ausschließlich dem einen oder dem anderen Staat zuzuweisen. Für die Fälle der vorliegenden Art haben die vertragschließenden Staaten den Weg gewählt, die Einkünfte beiden Staaten zugleich zuzuteilen und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nur die Anrechnung der Steuer vorzuschreiben. Die Einkommensteuer des Bg. ist unter Einbeziehung der österreichischen Kapitaleinkünfte auf insgesamt 1.356 DM festgesetzt worden. Dabei handelt es sich um eine einheitliche Steuer, die das Einkommen mit einem bestimmten Hundertsatz erfaßt. Die Höhe des Einkommens und der Einkommensteuer wird durch die anzusetzenden Einkünfte beeinflußt. Die Höhe der Einkommensteuer steigt mit der Höhe des Einkommens progressiv. Zur Erhöhung des Einkommens haben aber nicht, wie das Finanzgericht und der Bg. meinen, nur die österreichischen Kapitaleinkünfte, sondern alle bei der Veranlagung erfaßten Einkünfte des Bg. beigetragen. Will man ermitteln, in welcher Höhe die österreichischen Kapitaleinkünfte besteuert worden sind, so muß man von einer gleichmäßigen Auswirkung aller bei der Veranlagung angesetzten Einkünfte ausgehen.
In diesem Zusammenhang darf auch, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht hervorhebt, nicht übersehen werden, daß nach Art. 15 Abs. 3 DBAA der Wohnsitzstaat dadurch, daß das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte dem anderen Staat zugewiesen ist, nicht gehindert ist, die Steuern von den ihm überlassenen Einkünften nach dem Satz zu erheben, der dem Gesamteinkommen der steuerpflichtigen Person entspricht. Das DBAA schließt also die obige Auslegung des Art. 11 nicht nur nicht aus, sondern läßt eine entsprechende gesetzliche Regelung ausdrücklich zu. Dem Bg. ist zuzugeben, daß sich die hier angewandte Auslegung für ihn ungünstiger auswirkt, als die vom Finanzgericht angewandte. Das ist aber in der Höhe des österreichischen Steuersatzes begründet.
Die Methode des Finanzamts entspricht dem § 34 c Abs. 1 EStG 1958, wonach bei der Anrechnung der ausländischen Steuer die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln ist, daß die sich bei der Veranlagung ergebende Einkommensteuer im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zum Gesamtbetrag der Einkünfte aufzuteilen ist. Das gilt zwar nach § 34 c Abs. 2 EStG 1958 nicht, wenn "die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht". In § 68 g Abs. 1 EStDV 1958 ist dann aber doch angeordnet, daß § 34 c Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG 1958 anzuwenden ist. Der Bg. und das Finanzgericht halten § 68 g Abs. 1 EStDV 1958 für nichtig, weil es an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für diese Rechtsverordnung fehle. In § 34 c Abs. 6 EStG 1958 ist in der Tat keine Ermächtigung für den Fall vorgesehen, daß ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Auch in § 34 c Abs. 6 Ziff. 5 EStG 1958 ist nur von dem besonderen Fall die Rede, daß trotz eines Doppelbesteuerungsabkommens eine Doppelbesteuerung bestehen bleibt. Mit Recht nimmt aber das Finanzamt an, daß § 68 g Abs. 1 EStDV 1958 eine zutreffende Auslegung des Gesetzes enthalte. Wie ausgeführt, ist auch vom Boden des DBAA aus kein anderes Ergebnis möglich. Zum Erlaß des § 68 g Abs. 1 EStDV bedurfte daher die Bundesregierung keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG (vgl. Urteil des Senats VI 51/61 S vom 7. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 433, Slg. Bd. 73 S. 456).
Die angefochtene Entscheidung war demnach aufzuheben. Die Sprungberufung war als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410695 |
BStBl III 1963, 123 |
BFHE 1963, 338 |
BFHE 76, 338 |