Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für die Umstellung einer Zentralheizung von Koks- auf Ölfeuerung sind auch dann als Erhaltungsaufwand des Gebäudes abzugsfähig, wenn die ersetzte Feuerungsanlage technisch noch funktionsfähig war (Abweichung von dem BFH-Urteil vom 23. Juni 1961 VI 179/60 S, BFHE 73, 374, BStBl III 1961, 403).
Normenkette
EStG §§ 21, 9, 11
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und die Beigeladene sind Eigentümer eines gemischtgenutzten Grundstücks. Sie ließen im Streitjahr 1972 die zentrale Koksheizung auf Ölfeuerung umstellen. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) beurteilte die Aufwendungen im Gegensatz zu den Eigentümerinnen als Herstellungskosten und berücksichtigte im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur einen Abschreibungsbetrag von 10 v. H. (§ 82 a EStDV) als Werbungskosten.
Während der Einspruch der Klägerin erfolglos blieb, führte die Klage zur beantragten Änderung des der Besteuerung zugrunde liegenden Feststellungsbescheides. Das FG entschied, die Kosten für eine derartige Umstellung der Feuerungsanlage seien auch dann als Erhaltungsaufwand sofort abzugsfähig, wenn die Anlage zwar nicht technisch, wohl aber - wegen der in der Beweisaufnahme bestätigten Schwierigkeiten, geeignetes Bedienungspersonal für die Koksheizung zu finden - wirtschaftlich verbraucht sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des FA mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA beruft sich darauf, nach dem Urteil des BFH vom 23. Juni 1961 VI 179/60 S (BFHE 73, 374, BStBl III 1961, 403) seien die Umstellungskosten einer technisch noch betriebsfähigen Kokszentralheizung auf Ölfeuerung als Herstellungskosten zu behandeln. Abgesehen davon seien etwaige Schwierigkeiten bei der Einstellung eines Heizers kein Kriterium wirtschaftlicher Unbrauchbarkeit. Es seien noch zahlreiche Kokszentralheizungsanlagen in Betrieb.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Aufwendungen für die Erneuerung von bereits in den Herstellungskosten eines Gebäudes enthaltenen Teilen, Einrichtungen oder Anlagen werden nur in Ausnahmefällen als Herstellungskosten des Gebäudes behandelt, wenn nämlich die Teile so artverschieden sind, daß die Baumaßnahme nach der Verkehrsanschauung nicht mehr in erster Linie dazu dient, das Gebäude in seiner bestimmungsmäßigen Nutzungsmöglichkeit zu erhalten, sondern etwas Neues, bisher nicht Vorhandenes zu schaffen. Wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) ausdrücklich klargestellt hat, ist dabei nicht auf die Veränderung oder Verbesserung der Heizungsanlage, sondern allein auf die Veränderung oder Verbesserung des Gebäudes abzustellen. Ob eine neue Anlage für sich allein betrachtet die gleiche Beschaffenheit aufweist wie die bisherige, ob sie ebenso funktioniert oder dem technischen Fortschritt entsprechend modernisiert, etwa zur Erreichung eines höheren Bedienungskomforts auf eine neue Energiequelle umgestellt wird, ist für die steuerrechtliche Beurteilung der aufgewandten Kosten nicht maßgebend, solange die Anlage die bisherige Funktion für das einheitliche Gebäude in vergleichbarer Weise erfüllt. Herstellungskosten liegen nur dann vor, wenn das Gebäude durch die Umstellungsmaßnahme wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder - von der üblichen Modernisierung abgesehen -über seinen bisherigen Zustand hinaus verbessert wird. Ist dies nicht der Fall, stellen die Kosten auch dann Erhaltungsaufwand dar, wenn der Wert der Anlage oder des Gesamtgebäudes durch die Verwendung von höherwertigem Material, die Anpassung an den technischen Fortschritt oder den nachträglichen Einbau bisher nicht vorhandener Teile zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlage gesteigert wird (vgl. dazu im einzelnen das Urteil des erkennenden Senats vom 9. November 1976 VIII R 27/75). Die Rechtsprechung hat die Grenzlinie zwischen nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand zugunsten des Bereichs der Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) verschoben und so mit steuerentlastender Wirkung den gesteigerten Bedürfnissen der Substanzerhaltung und Modernisierung Rechnung getragen (GrS 5/71). In Zweifelsfällen sind die Kosten für die Erneuerung von Gebäudeteilen demnach als Erhaltungsaufwand abzugsfähig.
Die Entscheidung, ob Aufwendungen nach diesen Grundsätzen als Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand zu beurteilen sind, wird grundsätzlich durch den Zustand und die Brauchbarkeit der erneuerten Anlage nicht beeinflußt. Herstellungskosten werden nicht dadurch zu Erhaltungsaufwand, daß der ersetzte Gebäudeteil abgenutzt, technisch oder wirtschaftlich verbraucht war; andererseits verliert Erhaltungsaufwand seinen Charakter nicht durch die Tatsache, daß der ersetzte Gebäudeteil noch funktionsfähig war (ebenso z. B. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 5 EStG Anm. 58 d "Heizung" [E 344, 345]; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 21 EStG Anm. 68). Die Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit einer Erneuerungsmaßnahme ist kein entscheidungserhebliches Beurteilungsmerkmal. Durch die - teilweise - Entfernung der alten Anlage bringt der Steuerpflichtige hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß die Anlage insoweit für ihn - aus welchen Gründen auch immer -, wertlos geworden ist. Er hätte daher die Möglichkeit, für die in den Herstellungskosten des Gebäudes enthaltenen anteiligen Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 7 Abs. 4 Satz 3 EStG eine Absetzung für außerordentliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung geltend zu machen und gegebenenfalls eine hinsichtlich der Funktion für das Gebäude andersartige Anlage einzurichten (Herstellungskosten). Es steht ihm jedoch auch frei, die Anlage durch eine ebensolche oder in der Zweckbestimmung für das Gebäude ähnliche zu ersetzen (Erhaltungsaufwand). Der abweichenden Rechtsauffassung, die der VI. Senat in seinem - zum Sachverhalt einer technisch verbrauchten Heizungsanlage ergangenen - Urteil VI 179/60 S geäußert hat, schließt sich der erkennende Senat nicht an, da diese Auffassung nicht mit den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH GrS 5/71 vereinbar ist.
Es kann für die vorliegende Entscheidung auf sich beruhen, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen eine Heizungsumstellung danach zur Annahme von Herstellungskosten führen kann. Im Streitfall ist der Senat in Übereinstimmung mit dem FG der Meinung, daß das Gebäude durch die Baumaßnahme in seinem Zustand keine entscheidende Veränderung oder Verbesserung erfahren hat. Auch der Einbau der für die Umstellung der Energiequelle von Koks auf Öl erforderlichen neuen Anlageteile berührt in erster Linie die technische Funktion der Heizungsanlage. Die Funktion der Heizungsanlage für das Wohngebäude ist im wesentlichen die gleiche geblieben.
Fundstellen
Haufe-Index 72230 |
BStBl II 1977, 281 |
BFHE 1977, 188 |