Leitsatz (amtlich)
Bei Gebäuden und Gebäudeteilen gilt der Beginn der Bauarbeiten auch dann als Beginn der Herstellung, wenn der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 30. Juni 1975 gestellt worden ist.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4 b Abs. 2
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) einen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 für die Herstellung eines Gästehauses hat.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die beantragte Investitionszulage mit der Begründung, der Bauantrag sei erst am 26. Juni 1976 und damit nach Ablauf des maßgeblichen Begünstigungszeitraums (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) gestellt worden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, sie habe bereits am 14. Juni 1975 der Baufirma A den Bauauftrag erteilt. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Seiner Ansicht nach ist eine Investitionszulage dann nicht zu gewähren, wenn der Bauantrag nach Ablauf des Begünstigungszeitraums gestellt worden ist, und zwar selbst dann nicht, wenn der Steuerpflichtige innerhalb dieses Zeitraums mit den Bauarbeiten begonnen hat.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht insbesondere geltend, die Auslegung des § 4b Abs. 2 InvZulG 1975 durch das FG widerspreche der Zielsetzung des § 4b InvZulG 1975.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, eine Investitionszulage von 66 824,36 DM zu zahlen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) setzt u. a. voraus, daß der Steuerpflichtige in der Zeit nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 mit der Herstellung des Wirtschaftsguts, für das er Investitionszulage begehrt, begonnen hat. Nach § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 gilt als Beginn der Herstellung bei Gebäuden und Gebäudeteilen der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Damit ist die Herstellung eines Gebäudes (Gebäudeteiles) grundsätzlich nur dann zulagebegünstigt, wenn der Antrag auf Baugenehmigung innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellt worden ist. Das Gesetz selbst sieht jedoch in § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG eine Ausnahme von diesem Grundsatz für die Fälle vor, in denen der Bauantrag vor dem 1. Dezember 1974 gestellt worden ist. Insoweit gilt als Beginn der Herstellung der Beginn der Bauarbeiten. § 4 b InvZulG 1975 enthält jedoch keine ausdrückliche Regelung darüber, wie zu verfahren ist, wenn der Steuerpflichtige die Bauarbeiten zwar ebenfalls während des Begünstigungszeitraums begonnen, den Bauantrag aber erst nach diesem Zeitraum gestellt hat. Der Senat ist der Ansicht, daß § 4 b InvZulG 1975 insoweit planwidrig unvollständig und deshalb ergänzungsbedürftig ist.
Die Vorschrift des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 war im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht enthalten (vgl. Bundestags[BT]-Drucksache 7/2979 S. 3). Erst während der Beratungen des Finanzausschusses erwies es sich als geboten, auch in den Fällen einen Konjunkturanreiz zu bieten, in denen der Bauantrag vor dem 1. Dezember 1974 gestellt, mit der Herstellung des Gebäudes vor dem Stichtag aber noch nicht begonnen worden ist. Dies führte zur Regelung des § 4 a Abs. 2 Satz 6 InvZulG, dem jetzigen § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 (vgl. BT-Drucksache 7/3010 S. 9). Ihr liegt die Überlegung zugrunde, daß das Stellen des Bauantrages nicht notwendigerweise zur Folge hat, daß der Steuerpflichtige das Bauvorhaben alsbald tatsächlich durchführt. Selbst die Baugenehmigung begründet grundsätzlich keine Baupflicht. Dem Gesetzgeber kam es mit der Schaffung des § 4 b InvZulG 1975 aber gerade darauf an, daß "Aufträge alsbald vergeben werden" (vgl. BT-Drucksache 7/3010 S. 5). Die Konjunkturzulage sollte auch bewirken, daß zurückgestellte oder erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehene Investitionen alsbald, d. h. innerhalb des maßgeblichen Zeitraums, vorgenommen würden. Beginnt der Steuerpflichtige innerhalb des Begünstigungszeitraums mit der Herstellung eines Gebäudes, so hat dies die vom Gesetzgeber gewollte konjunkturfördernde Wirkung, und zwar nicht nur dann, wenn der Steuerpflichtige die Baugenehmigung vor dem 1. Dezember 1974, sondern auch dann, wenn er sie nach dem 30. Juni 1975 beantragt hat. Beide Fallgestaltungen sind von der Zielsetzung des § 4 b InvZulG 1975 her gesehen gleich zu behandeln. Es hätte daher auch in den Fällen, in denen der Bauantrag nach dem 30. Juni 1975 gestellt worden ist, einer dem § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 entsprechenden Regelung bedurft. Dem steht nicht entgegen, daß bauordnungsrechtlich regelmäßig vor Zustellung der Baugenehmigung mit der Baumaßnahme (Bauausführung) nicht begonnen werden darf (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 der im Streitfall anzuwendenden Niedersächsischen Bauordnung - abgedruckt bei Salfeld, Niedersächsische Bauordnung, 3. Aufl., 1977 -). Abgesehen davon, daß nicht jeder Beginn der Bauarbeiten i. S. des § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975, wie beispielsweise die Erteilung des Bauauftrags, eine Baumaßnahme (Bauausführung) i. S. des Bauordnungsrechtes darstellt, wären bei einer - bauordnungsrechtlich möglichen - nachträglichen Einholung der Baugenehmigung lediglich Verfahrensvorschriften nicht beachtet worden. Dies allein berechtigt aber grundsätzlich nicht zur Forderung auf Beseitigung des Gebäudes (Gebäudeteiles). Weder aus dem Gesetz selbst noch aus dessen Entstehungsgeschichte sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß der Gesetzgeber die Gewährung der Investitionszulage von der Einhaltung bauordnungsrechtlicher Verfahrensvorschriften hat abhängig machen wollen.
Die vorhandene Lücke der gesetzlichen Regelung ist in Übereinstimmung mit der Systematik und dem Zweck der bestehenden Vorschriften in der genannten Weise auszufüllen. Dementsprechend gilt bei Gebäuden und Gebäudeteilen der Beginn der Bauarbeiten auch in den Fällen als Beginn der Herstellung, in denen der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 30. Juni 1975 gestellt worden ist.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Bundesminister der Finanzen (BdF) die gegenteilige Verwaltungsanweisung in Tz. 3.6.8.2. seines Schreibens vom 26. Februar 1975 IV B 2 - S 1988 - 200/75 (BStBl I 1975, 213 [220]) in das BdF-Schreiben vom 5. Mai 1977 IV B 2 - S 1988 - 150/77 (BStBl I 1977, 246) nicht aufgenommen hat.
2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, sie habe bereits im Juni 1975 den Bauauftrag erteilt und damit mit den Bauarbeiten begonnen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. September 1979 III R 95/77, BFHE 129, 104, BStBl II 1980, 56) und ob die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 vorliegen. Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird die noch erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 73541 |
BStBl II 1980, 473 |
BFHE 1980, 105 |