Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Bauarbeiten im Sinne des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975
Leitsatz (NV)
1. Gibt ein Steuerpflichtiger sein ursprüngliches Bauvorhaben auf und errichtet er das vorgesehene Gebäude auf einem anderen Grundstück, ist grundsätzlich der für dieses Bauvorhaben gestellte Bauantrag der gem. § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 maßgebliche Antrag auf Baugenehmigung (Anschluß an BFH-Urteil vom 28. September 1982 III R 12/80, BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146).
2. Von einem ,,spezifizierten Bauauftrag" mit der Folge des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 (Beginn der Bauarbeiten) kann nur gesprochen werden, wenn die Auftragserteilung in Beziehung zu einem ganz bestimmten Objekt steht.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b Abs. 2 Sätze 5-6
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Kälbermast. Betrieben wurde das Unternehmen ursprünglich am Ortsrand von X. Wegen zunehmender Beschwerden der Nachbarn versuchte der Kläger im Zusammenwirken mit der Gemeinde X, den Betrieb auszulagern. Gegen die Umsiedlung auf das schließlich ins Auge gefaßte, ebenfalls in der Gemeinde X gelegene Grundstück kündigte der zuständige Landesminister allerdings am . . . Mai 1975 einen Sicherungswiderspruch an. Gleichwohl reichte der Kläger am . . . Juni 1975 bei der Gemeinde X einen förmlichen Antrag für die Genehmigung eines Aussiedlerhofs mit Wohnhaus auf diesem Grundstück ein. Nach den dem Bauantrag beigefügten Plänen sollten dort zwei Mastställe mit einer Grundfläche von jeweils 56 m x 30,10 m und einem umbauten Raum von insgesamt 11 800 cbm sowie ein Wohnhaus mit 1280 cbm umbauten Raum errichtet werden. Es war allerdings geplant, zunächst nur einen Stall zu bauen. Der zweite Stall wurde lediglich für eine künftige Erweiterung mitgeplant. Da der Minister mit Schreiben vom . . . August 1975 weitere Bedenken gegen die Verwirklichung des Projekts am vorgesehenen Standort geltend machte, wurde der Bauantrag schließlich abgelehnt.
Am . . . November 1975 stellte der Kläger sodann bei der Gemeinde Y einen entsprechenden Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids; er wollte nunmehr das ursprünglich geplante Projekt auf dem Gebiet dieser Gemeinde verwirklichen. Der zuständige Landrat lehnte die Erteilung eines Bauvorbescheides allerdings im April 1976 ab. Daraufhin stellte der Kläger am . . . Mai 1976 mit geänderten Planunterlagen in Y einen förmlichen Bauantrag. Jetzt sollte auf dem in der Gemeinde Y gelegenen Grundstück ein Wohnhaus mit einem umbauten Raum von 1255 cbm sowie ein Kälberstall mit 6350 cbm Rauminhalt und einer Grundfläche von 60,22 m x 31,46 m errichtet werden. Die Absicht, einen zweiten Kälberstall gleich mitzuplanen, wurde fallengelassen.
Nach Erteilung der Baugenehmigung (. . . August 1976) für dieses Vorhaben errichtete der Kläger den Aussiedlerhof wie im Mai 1976 beantragt. Er nahm dort den Mastbetrieb im August 1977 auf.
Mit Antrag vom März 1978 begehrte der Kläger für die im Streitjahr (1977) zur Errichtung des Mastbetriebs getätigten Aufwendungen eine Zulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975. Er ist der Ansicht, als Investitionsbeginn müsse der im Juni 1975 in X gestellte Antrag auf Baugenehmigung angesehen werden. Daß die Investition schließlich nicht in X, sondern in Y durchgeführt worden sei, habe er - der Kläger - nicht zu vertreten. Im übrigen handele es sich bei dem später in Y eingereichten Bauantrag, der den tatsächlich errichteten Gebäuden dann zugrunde lag, nur um einen Antrag auf ,,Nachgenehmigung" und nicht um einen eigenständigen Bauantrag.
Weiter sei aber auch bereits im April 1975 mit den Bauarbeiten begonnen worden. So sei am 3. April 1975 ein ,,Betreuungs- und Architektenvertrag" mit der Z abgeschlossen worden. Dieser Vertrag gehe über einen üblichen Planungsauftrag weit hinaus und sei als eigentlicher Baubeginn zu werten. So umfasse der Vertrag neben den üblichen Planungsarbeiten die gesamte wirtschaftliche Betreuung der Hofaussiedlung einschließlich der Suche nach einem geeigneten Baugrundstück.
Schließlich seien im April und Mai 1975 bereits verbindliche, spezifizierte Aufträge für die Lieferung der Betonfertigteile und für die komplette Holzinnenausstattung des Stalles erteilt worden. Mit dem Abschluß dieser Verträge, in denen der Lieferumfang sowie die Preise genau bezeichnet seien, sei mit den Bauarbeiten begonnen worden, auch wenn die Lieferung nicht wie - zumindest im Fall der Holzinnenausstattung - vereinbart im September 1975, sondern erst Mitte 1977 erfolgt sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die begehrte Zulage. Das FA war insbesondere der Auffassung, der für das Grundstück in X gestellte Bauantrag könne nicht auf das in Y tatsächlich verwirklichte Vorhaben übertragen werden.
Die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der in X gestellte erste Bauantrag sei nicht maßgebend für die Zulagegewährung; dies sei vielmehr der - verspätete - in Y gestellte Antrag. Im übrigen sei auch ein gegenüber dem ursprünglichen Antrag anderes Objekt verwirklicht worden. So weise der Rauminhalt Veränderungen auf und die Verwirklichung eines zweiten Stalles sei endgültig aufgegeben worden. Auch habe der Kläger die Gebäude auf einem anderen Grundstück errichtet als ursprünglich geplant. Er habe zuvor nicht auf eine Genehmigung des in X eingereichten Bauantrags vertrauen können, denn der zuständige Landesminister habe schon vor Antragstellung einen Sicherungswiderspruch angekündigt. Es sei schließlich auch nicht möglich, die Auftragsvergaben im April und Mai 1975 als gemäß § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 maßgebenden Zeitpunkt des Beginns der Herstellung anzusehen. Denn mit Bauarbeiten in diesem Sinne könne erst dann begonnen werden, wenn der Standort eines Gebäudes festliege. Dies sei aber erst nach dem 1. Juli 1975 der Fall gewesen.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 für Herstellungsvorgänge setzt u. a. voraus, daß der Steuerpflichtige in der Zeit nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes, für das er Investitionszulage begehrt, begonnen hat. Nach § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 gilt bei Gebäuden und Gebäudeteilen als Beginn der Herstellung grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Für Gebäude und Gebäudeteile, die nach dem 30. Juni 1977 und vor dem 1. Juli 1978 fertiggestellt werden, wird eine Zulage für die vor dem 1. Juli 1977 aufgewendeten Teilherstellungskosten gewährt (§ 4 b Abs. 4 Satz 2 InvZulG 1975).
1. Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, daß der für das in Y verwirklichte Bauvorhaben maßgebende Antrag auf Baugenehmigung nicht vor dem 30. Juni 1975, sondern erst nach diesem Termin, mithin verspätet, gestellt wurde. Der Kläger beruft sich insofern ohne Erfolg darauf, er habe bereits am . . . Juni 1975 einen Bauantrag in X eingereicht.
a) Der erkennende Senat hat schon mehrfach entschieden, daß entsprechend der Zielsetzung des § 4 b InvZulG 1975 ein innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellter Bauantrag nur dann für die Gewährung der Zulage nach § 4 b InvZulG 1975 maßgebend ist, wenn das Gebäude auf der Grundlage dieses Bauantrags und der dazu erteilten Baugenehmigung errichtet worden ist (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454; vom 30. September 1988 III R 34/87, BFH/NV 1989, 457, sowie vom 7. Dezember 1990 III R 88/88, BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378). Ein Gebäude wird dabei nicht allein durch den dem Bauantrag beigefügten Bauplan bestimmt, sondern entscheidend auch durch die Lage und Beschaffenheit des ins Auge gefaßten Grundstücks (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1982 III R 12/80, BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146). Dementsprechend sind Baugenehmigungsverfahren und Baugenehmigung grundsätzlich grundstücksbezogen. Dies ergibt sich entscheidend aus der Überlegung, daß die bebaubare Fläche und die Form eines Gebäudes wesentlich von der Größe und der Lage eines Grundstücks bestimmt werden.
Gibt ein Steuerpflichtiger sein ursprüngliches Bauvorhaben auf und errichtet er das vorgesehene Gebäude auf einem anderen Grundstück, ist daher grundsätzlich der für dieses Bauvorhaben gestellte Bauantrag der gemäß § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 maßgebliche Antrag auf Baugenehmigung (BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146). Dabei ist es nach Ansicht des erkennenden Senats unerheblich, wie die Baubehörde den neuen Bauantrag formal behandelt (vgl. BFH-Beschluß vom 2. September 1988 III B 63/87, BFH/NV 1989, 194) und ob sie einen neuen Bauantrag überhaupt für erforderlich gehalten hat (vgl. Urteil in BFH/NV 1989, 457).
b) Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat allenfalls dann für denkbar gehalten, wenn die Aufgabe des ursprünglichen Bauvorhabens auf Umständen beruht, die außerhalb des Einflußbereiches des Investors liegen und von diesem nicht zu vertreten sind (vgl. BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146 i. V. m. Senatsurteil vom 22. April 1982 III R 113/78, BFHE 136, 166, BStBl II 1982, 571). Die Grundgedanken dieser Rechtsprechung sind im Streitfall jedoch nicht anwendbar. Nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen, den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgrichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG konnte der Kläger schon deshalb nicht auf die Genehmigung des von ihm im Juni 1975 in X eingereichten Bauantrages vertrauen, weil der zuständige Landesminister bereits im Mai 1975 einen Sicherungswiderspruch gegen die Verwirklichung auf dem ins Auge gefaßten Standort angekündigt hatte. Die Versagung der gleichwohl beantragten Genehmigung war somit vorhersehbar und zu erwarten.
2. Der Senat pflichtet dem FG - im Ergebnis - auch darin bei, daß der Kläger auch nicht rechtzeitig mit den Bauarbeiten i. S. des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 begonnen hat.
a) Nach dem Senatsurteil vom 8. Februar 1980 III R 100/78 (BFHE 130, 105, BStBl II 1980, 473) - das durch die zum InvZulG 1982 ergangene Entscheidung vom 23. Mai 1990 III R 44/87 (BFHE 162, 168, BStBl II 1990, 1037) ausdrücklich bestätigt wurde - gilt bei Gebäuden und Gebäudeteilen der Beginn der Bauarbeiten zwar auch dann als Beginn der Herstellung, wenn der formelle Antrag auf Baugenehmigung erst nach dem 30. Juni 1975 tatsächlich gestellt und später genehmigt wurde. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt diese Rechtsprechung im Streitfall jedoch nicht zur Anwendung.
Dies ergibt sich bereits daraus, daß die genannten Urteile in BFHE 130, 105, BStBl II 1990, 473 und in BFHE 162, 168, BStBl II 1990, 1037 lediglich eine im Zeitpunkt der Durchführung der maßgebenden Arbeiten vorhandene formelle Baurechtswidrigkeit für zulagenunschädlich hielten. In beiden Fällen hätte dieser Mangel bei rechtzeitiger Bauantragstellung vermieden werden können. Eine derartige Möglichkeit bestand für den Kläger jedoch nicht. Er wußte im Begünstigungszeitraum (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) noch nicht einmal, auf welchem Grundstück er sein Vorhaben schließlich würde verwirklichen können.
Hinzu kommt, daß § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 nach Auffassung des Senats lediglich einen Ersatztatbestand gegenüber der Regelvorschrift in § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 enthält (s. zur Entstehungsgeschichte das Urteil in BFHE 130, 105, BStBl II 1980, 473). Daraus folgt, daß bei Anknüpfung an den ,,Beginn der Bauarbeiten" grds. keine minderen Anforderungen gestellt werden dürfen, als wenn auf den Antrag auf Baugenehmigung abgestellt würde. Für den Streitfall bedeutet dies, daß von einem ,,spezifizierten Bauauftrag" mit der Folge des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 (Beginn der Bauarbeiten) nur dann gesprochen werden kann, wenn die Auftragserteilung in Beziehung zu einem ganz bestimmten Objekt steht. Sie muß sich insbesondere - wie ein Bauantrag - auch auf das nach Lage und Beschaffenheit feststehende, endgültig zu bebauende Grundstück beziehen.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die vom Kläger im April und im Mai 1975 erteilten Aufträge für die Errichtung und den Ausbau des Stalles betrafen nicht die (spätere) Errichtung des Aussiedlerhofes in Y. Sie waren demnach nicht ,,spezifiziert" i. S. der bisherigen Rechtsprechung des Senats (s. dazu die Urteile vom 28. September 1979 III R 75/77, BFHE 129, 104, BStBl II 1980, 56 und III R 12/78, BFHE 129, 107, BStBl II 1980, 57; vom 26. Februar 1988 III R 30/83, BFH/NV 1988, 666 sowie vom 18. Dezember 1986 III R 123/82, BFH/NV 1987, 468).
b) Im Abschluß des ,,Betreuungs- und Architektenvertrages" vom 3. April 1975 kann im übrigen auch deswegen kein Beginn der Bauarbeiten i. S. des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 gesehen werden, weil der Senat diese Wirkung nicht einmal bereits konkret durchgeführten Planungsarbeiten beigemessen hat. Sie liegen zeitlich zu weit vor den unmittelbaren Bauarbeiten (s. insbesondere das Urteil in BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146).
3. Nach alledem steht dem Kläger für den Bau des Kälbermaststalles eine Zulage nach § 4 b InvZulG 1975 nicht zu.
Fundstellen
Haufe-Index 417609 |
BFH/NV 1991, 560 |