Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine betriebliche Versorgungsrente bei Witwenrentenzusage erst nach dem Tod des Gesellschafters
Leitsatz (NV)
Wird der Witwe des Gesellschafters einer Familienpersonengesellschaft erst einige Zeit nach dessen Tod von der Gesellschaft eine Rentenzusage erteilt, ohne daß aufgrund des Gesellschaftsvertrags hierzu eine Verpflichtung bestand, so liegt keine betriebliche Versorgungsrente vor.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und die Beigeladenen - seine Ehefrau und seine beiden Töchter - waren Gesellschafter einer KG: der Kläger atypischer stiller Gesellschafter, die Beigeladenen Kommanditistinnen. Komplementär der KG war bis zu seinem Tode am . . . 1976 Herr AS, der Vater der Beigeladenen zu 1. Alleinerbin nach AS war seine Ehefrau BS. Sie wurde nach dem Tode von AS nicht Gesellschafterin der KG. In diese trat entsprechend § 19 des Gesellschaftsvertrags vom . . . 1973 die Beteiligungsgesellschaft S mit beschränkter Haftung (GmbH) als Komplementärin ein, deren Gesellschafter-Geschäftsführerin die Beigeladene zu 1 und deren weiterer Gesellschafter die X-KG als Treuhänderin für den Kläger waren.
Die KG hatte AS seit 1. Mai 1963 eine feste Gewinnbeteiligung als Ruhegehalt zugesagt. Nach seinem Tod ergänzten die Gesellschafter im Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag am . . . 1977 diesen u. a. dahin, daß BS zu Lasten des Gewinns eine lebenslängliche Pension von monatlich 2000 DM, erstmals für den Monat September 1976, zugesagt wurde. Die Pensionsvereinbarung war mit einer Wertsicherungsklausel versehen. Grund für die Versorgung der BS sollte die 50jährige Tätigkeit des verstorbenen AS für die KG sein. Nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) wurde BS auch ein Wohnungsrecht eingeräumt.
Die KG passivierte die Rentenverpflichtung gegenüber BS nicht, sie zog die Rentenzahlungen als Betriebsausgaben ab. BS versteuerte sie als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Am 31. Mai 1977 schieden die Beigeladenen zu 2 und 3 und der Kläger aus der KG aus. In die KG trat eine AG als Kommanditistin ein. Sie übernahm die Kommanditanteile der Beigeladenen zu 2 und 3, die stille Beteiligung des Klägers und 60 000 DM des Kommanditanteils der Beigeladenen zu 1, außerdem die Gesellschaftsanteile der GmbH. Der Kläger und die Beigeladenen erhielten dafür . . . DM gezahlt und konnten einige Grundstücke und PKWs zu Buchwerten aus dem Betriebsvermögen der KG entnehmen. Sie übernahmen außerdem die Pensionsverpflichtung gegenüber BS in ihrer Verbundenheit als Grundstücksgemeinschaft an den Grundstücken Z-Platz.
Dies ergibt sich aus einer Vereinbarung zwischen der KG und der Grundstücksgemeinschaft, die geschlossen wurde, nachdem sich seit 1. Juni 1977 die Zusammensetzung der Gesellschafter der KG geändert hatte. Da eine Rückstellung für die Pensionsverpflichtung zunächst gegenüber AS und dann gegenüber BS nicht gebildet worden sei, seien diese Verpflichtungen von der neuen Gesellschaftergruppierung nicht übernommen worden. Sie verblieben deshalb bei der Grundstücksgesellschaft, die die Verpflichtungen ausdrücklich übernehme. Es bestehe Übereinstimmung, daß die KG seit 1. Juli 1977 von der genannten Verpflichtung freigestellt sei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) minderte den Veräußerungsgewinn um den versicherungsmathematischen Rentenbarwert von . . . DM und ging von einer Tilgung des Rentenstammrechts aus. Das FA behandelte den Ertragsanteil der Rente (9 v. H.) als nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers und der Beigeladenen. Es setzte in jedem der gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1982 und 1983 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von . . . DM fest und verteilte ihn mit jeweils . . . DM auf den Kläger und die Beigeladene zu 1 und jeweils . . . DM auf die Beigeladenen zu 2 und 3.
Das FG hat der Klage, mit der der Kläger begehrte, die Rentenzahlungen in voller Höhe als nachträgliche Betriebsausgaben anzuerkennen, stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, der Veräußerungsgewinn sei nicht um den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung zu mindern gewesen. Verbindlichkeiten könnten nur dann nicht mehr als Betriebsvermögen angesehen werden, wenn sie aus dem Erlös der vorhandenen aktiven Wirtschaftsgüter oder aus dem Veräußerungspreis hätten getilgt werden können. Etwas anderes gelte, wenn die frühere Betriebsschuld nicht zurückgezahlt werden könne, weil Rückzahlungshindernisse bestünden. Bei Rentenverbindlichkeiten handle es sich im Regelfall um nicht tilgbare Schulden, weil sie wegen Fortbestehens des Rentenstammrechts bis zum Tode des Berechtigten nicht vorzeitig abgelöst werden könnten. Die Rentenzahlungen seien wie vor der Anteilsveräußerung zu behandeln, mithin beim Zahlungsverpflichteten voll als betrieblicher Aufwand abziehbar. Im Streitfall hätten sich die Beteiligten zu Recht darauf verständigt, daß es sich um eine betriebliche Versorgungsrente handle. Diese sei der Berechtigten zu ihrer Versorgung im Hinblick auf die für das Unternehmen erbrachten langjährigen Dienste ihres verstorbenen Ehemanns zugesagt worden. Angesichts der dem Komplementär selbst versprochenen Altersversorgung hätten die Beteiligten davon ausgehen können, daß die betrieblichen Gründe das Rechtsverhältnis geprägt hätten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß es sich bei der BS im Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag zugesagten Pension um eine betriebliche Versorgungsrente handelte. Sollten die Ausführungen des FG dahin zu verstehen sein, daß es seiner Beurteilung eine bindende tatsächliche Verständigung zwischen den Beteiligten über die Rechtsnatur der BS zugesagten Pension zugrunde gelegt hat, so kann dem nicht gefolgt werden, weil im Steuerrecht eine Verständigung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA nur über schwierig zu ermittelnde tatsächliche Umstände zulässig ist (vgl. hierzu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BFHE 164, 168, BStBl II 1991, 673, und vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354 sowie die Anmerkung zu diesem Urteil in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1985, 213). Die Beurteilung der Pension als betriebliche Versorgungsrente ist jedoch eine rechtliche Qualifizierung. Handelt es sich bei der Beurteilung hingegen um die vom FG vorgenommene Würdigung, so kann ihr nicht gefolgt werden, weil das FG die zur Abgrenzung zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Versorgungsrente aufgestellten Rechtsgrundsätze außer Betracht gelassen hat.
Kennzeichnend für eine betriebliche Versorgungsrente ist, daß der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund steht (vgl. u. a. auch BFH-Urteile vom 10. April 1991 XI R 27, 28/88, BFH/NV 1991, 530; vom 27. Juni 1989 VIII R 337/83, BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888, und vom 7. Dezember 1977 I R 75/77, BFHE 124, 178, BStBl II 1978, 269, jeweils m. w. N.). Werden allerdings Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder eines Gesellschaftsanteils von den Eltern auf die Kinder vereinbart, ohne daß dabei Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen werden, so spricht eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung für den außerbetrieblichen Charakter dieser Verpflichtung (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888; vom 6. März 1975 IV R 191/71, BFHE 115, 443, BStBl II 1975, 600, und vom 16. November 1972 IV R 38/68, BFHE 108, 28, BStBl II 1973, 184). Dabei ist es gleichgültig, ob die Rentenleistungen gleichzeitig mit der Vermögensübertragung oder erst mehr oder weniger später vereinbart werden und ob Leistungsverpflichtete die Kinder bzw. nahen Familienangehörigen persönlich oder eine nur aus diesen Personen bestehende Personengesellschaft sind (BFH-Urteile in BFHE 108, 28, BStBl II 1973, 184, und vom 17. Januar 1961 I 141/60 U, BFHE 72, 347, BStBl III 1961, 130). Wird nicht dem ausscheidenden Gesellschafter, sondern dessen Witwe eine Rente zugesagt, so ist Voraussetzung für die Anerkennung als betriebliche Versorgungsrente, daß die Zusage im Gesellschaftsvertrag erteilt wurde (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1977 I R 75/77, BFHE 124, 178, BStBl II 1978, 269).
Es ist zwar zweifelhaft, ob die Würdigung des FG, daß es sich bei der BS zugesagten Pension um eine betriebliche Versorgungsrente handle, auf einer Auslegung der für die Beurteilung bedeutsamen Vereinbarungen beruht. Der Senat kann aber gleichwohl die Auslegung dieser Vereinbarungen selbst vornehmen, da das FG die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hierfür getroffen hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888 unter 4., und vom 11. Oktober 1983 VIII R 61/81, BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267).
Die Pensionszusage an BS kann nicht als betrieblich veranlaßt anerkannt werden. Zwar war nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG BS Alleinerbin nach AS. Sie hatte aber als solche keinen Anspruch auf Zahlung eines AS zugesagten Ruhegehalts; denn die Verpflichtung zur Zahlung des Ruhegehalts endet mit dem Tod des Berechtigten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 25. Oktober 1982 II ZR 2/82, Wertpapier-Mitteilungen / Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - 1983, 43). Ebenfalls in den Senat bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) hat das FG festgestellt, daß BS nicht Gesellschafterin der KG werden konnte. Nachfolger in die Gesellschaftsbeteiligung des AS wurden die GmbH sowie der Kläger und die Beigeladene zu 1, wie sich aus dem Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag ergibt. BS stand nach dieser Vereinbarung lediglich nach Übertrag des Kapitalkontos des AS auf dessen Privatkonto der Saldo dieses Kontos zu. Diese Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters zu Buchwerten war bereits in § 18 des Gesellschaftsvertrags festgelegt. Die Abfindung zu Buchwerten entsprach offensichtlich nicht dem Wert des Gesellschaftsanteils des AS, wie sich an den Leistungen der AG für die Ende Mai 1977 veräußerten Beteiligungen des Klägers und der Beigeladenen zeigt. Auch die Rentenzusage an BS wurde nicht unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Gegenleistung für den Gesellschaftsanteil des AS erteilt; denn nach der Begründung für die Einräumung der Versorgung wurde sie unter Bezug auf die AS gegebene Ruhegehaltszusage wegen dessen 50jähriger Tätigkeit für die KG zugesagt. Diese Begründung vermag allerdings nicht die mangels Abwägung von Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten sich aufdrängende Vermutung zu entkräften, daß die Zusage an BS aus außerbetrieblichen, familiären Gründen gegeben wurde. Die AS 1963 erteilte Ruhegehaltszusage wurde im Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1973 nicht ausdrücklich wiederholt. Es kann offenbleiben, ob sie nach § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags, wonach die Sonderregelung bezüglich der Tätigkeitsvergütung für den geschäftsführenden Gesellschafter erhalten bleibt, weiterhin rechtsgültig war. Denn der Gesellschaftsvertrag enthielt jedenfalls keine Regelung zugunsten der Witwe des AS.
Durch die Zusage im Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag wurde zwar die KG bürgerlich-rechtlich wirksam zu den Rentenleistungen verpflichtet. Das reicht für die steuerrechtliche Anerkennung als betriebliche Versorgungsrente aber nicht aus. Da die Zusage erst - einige Zeit - nach dem Tod des AS gegeben wurde, ist es - selbst unter Berücksichtigung einer Ruhegehaltszusage an ihn - schon sehr zweifelhaft, ob sie mit der Tätigkeit des AS im Dienst der KG noch in wirtschaftlichem Zusammenhang steht (vgl. dazu Urteil in BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888). Wesentlich ist allerdings, daß bei Beteiligung familienfremder Gesellschafter eine derartige Zusage von der KG nicht gegeben worden wäre, weil aufgrund des Gesellschaftsvertrags keine Verpflichtung dazu bestand. Eine Ruhegehaltszusage an AS begründete keinen Anspruch der BS auf Versorgung. Es bestand für sie als Alleinerbin allerdings die Möglichkeit, als Kommanditistin in die Gesellschaft einzutreten. Denn § 19 Abs. 2 des Vertrages bestimmte, daß die GmbH als persönlich haftender Gesellschafter eintreten, die Beteiligung des AS aber auf seine Erben übergehen, die sich auch die ihm zustehende Gewinnbeteiligung teilen sollten. Für den Fall des Nichteintritts sah der Gesellschaftsvertrag nur die Abfindung zu Buchwerten vor. Daß ein fremder Dritter zur Versorgung der BS unter dem Gesichtspunkt der von AS für die KG geleisteten Dienste nicht bereit gewesen wäre, zeigt sich auch daran, daß - nach Angaben des Klägers - die drei Monate später eingetretene AG nicht bereit war, die Zusage zu übernehmen. Darüber hinaus wird die familiäre Veranlassung für die Pensionszusage an BS auch daran deutlich, daß auch die Beigeladenen zu 2 und 3 die Zusage mitgetragen haben, obgleich ihre Kommanditbeteiligung nach dem Tod des AS unverändert geblieben ist.
Die Sache ist entscheidungsreif. Die Pensionszusage an BS war steuerrechtlich keine betriebliche Verbindlichkeit der KG, sondern eine außerbetriebliche vom Kläger und den Beigeladenen eingegangene Verpflichtung. Schon aus diesem Grund kommt der Abzug der Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben nicht in Betracht. Die Klage ist abzuweisen. Der Senat ist nicht befugt, die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide, in denen das FA die Rentenzahlungen mit dem Ertragsanteil als Betriebsausgaben anerkannt hat, aufzuheben, weil er gemäß §§ 96 Abs. 1 Satz 2, 121 FGO die Entscheidung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen abändern darf. Ob und in welcher Höhe der Kläger und die Beigeladenen die Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehen können, vermag der Senat im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit der gesonderten und einheitlichen Feststellung negativer Einkünfte (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 Buchst. a der Abgabenordnung - AO 1977 -) geht, nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 418408 |
BFH/NV 1992, 728 |