Leitsatz (amtlich)
Die Genehmigung zur Aufstellung von Grabmälern auf einem städtischen Friedhof ist Ausübung öffentlicher Gewalt.
Normenkette
UStG 1951 § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; UStDB 1951 § 19 Abs. 1, 2 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob
a) Gebühren für die Genehmigung zur Aufstellung von Grabmälern auf Grund der Friedhofsordnung bzw. Friedhofsgebührenordnung einer Stadt,
b) ...
der Umsatzsteuer unterliegen.
Nach erfolglos gebliebenem Einspruch stellte das FG die Klägerin und Revisionsbeklagte (Stadt; im folgenden als Steuerpflichtige bezeichnet) in beiden Fällen von der Umsatzsteuer frei, weil Ausübung öffentlicher Gewalt vorliege.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten (FA), die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO), hat keinen Erfolg.
Die Gemeinden sind insoweit nicht gewerblich oder beruflich tätig, als sie öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllen (Ausübung öffentlicher Gewalt). Eine Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Aufgaben auf Leistungen gerichtet sind, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (sog. Annahmezwang, § 19 Abs. 1 UStDB 1951). Ausübung öffentlicher Gewalt liegt u. a. weiterhin dann vor, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger als Hoheitsträger gegenübersteht und die Leistung ihm in seiner Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist (Gutachten des RFH V D 1/37 vom 9. Juli 1937, RStBl 1937, 1306).
Zu a:
Da nach der Friedhofsordnung der Steuerpflichtigen die Errichtung von Grabmälern nur mit Genehmigung der Friedhofsverwaltung gestattet ist, ein Friedhofsbenutzer mithin ein Grabmal nur mit Genehmigung der Steuerpflichtigen aufstellen darf, besteht Annahmezwang (§ 19 Abs. 1 UStDB 1951). Das Vorliegen einer Annahmeverpflichtung im Sinne der genannten Vorschrift ist nicht schon dann zu verneinen, wenn man sich dem Zwang zur Annahme der Leistung (behördliche Genehmigung) dadurch entziehen kann, daß man auf die Vornahme der Handlung, die der behördlichen Genehmigung bedarf (Aufstellung eines Grabmals), verzichtet (RFH-Urteil V A 578/33 vom 29. Juni 1934, RFH 36, 283, RStBl 1935, 631). Die Genehmigung zur Aufstellung von Grabmälern ist außerdem eine der Steuerpflichtigen als Hoheitsverwaltung eigentümliche und vorbehaltene Aufgabe. Denn ihr obliegt im Rahmen des Bestattungswesens die Verwaltung und würdige Ausgestaltung der städtischen Friedhöfe. Hierzu gehört die ästhetisch einwandfreie und einheitliche Anlage der Grabstellen im Interesse der Allgemeinheit sowie die Beachtung der baupolizeilichen Bestimmungen zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Erfüllung dieser Aufgaben dient die an Gebühren gemäß der Friedhofsgebührenordnung der Steuerpflichtigen geknüpfte Genehmigung der vorzulegenden Grabskizzen für die Grabstätten und Grabmäler (mit und ohne Fundament). Das Genehmigungsverfahren ist Ausfluß öffentlicher Gewalt; es kann nicht Gegenstand einer privatwirtschaftlichen Betätigung sein.
In den RFH-Urteilen V 170/37 vom 10. Juni 1939 (RStBl 1939, 896) und V 202/41 vom 23. Oktober 1942 (RStBl 1943, 78), auf die sich das FA beruft, wird die Umsatzbesteuerung der Genehmigung zur Aufstellung von Grabmälern zusammen mit der Umsatzbesteuerung andersartiger Tätigkeiten des Bestattungswesens behandelt und mit allgemeinen, z. T. in den damaligen politischen Verhältnissen liegenden Gründen bejaht. Auf die verschiedenen im Rahmen des Bestattungswesens vorkommenden Tätigkeiten wird im einzelnen nicht oder nur unzureichend eingegangen. Die Annahme, daß nur mittelbar mit der Bestattung zusammenhängende Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, trifft dann nicht zu, wenn - wie im Streitfall - die Merkmale der Ausübung der öffentlichen Gewalt gegeben sind. Soweit aus dem (amtlich nicht veröffentlichten) Urteil des BFH V 129/53 vom 1. Juli 1954 zu entnehmen ist, daß die oben angeführten Entscheidungen des RFH hinsichtlich der Genehmigung zur Aufstellung von Grabmälern zu billigen sind, hält der Senat an dieser Auffassung nicht fest.
Zu b: ...
Fundstellen
BStBl II 1969, 511 |
BFHE 1969, 466 |