Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Gewinnrealisierung bei zu erstellenden Eigentumswohnungen
Leitsatz (amtlich)
Der Gewinn aus der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen ist dann realisiert, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das im Wesentlichen fertig gestellte Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben. Die Gewinnrealisierung betrifft nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 640
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger zu 1.) des Ausgangsverfahrens, der allein Revision eingelegt hat, ist ebenso wie die Klägerin zu 2. des Ausgangsverfahrens ehemaliger Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts … (im Folgenden GbR). Gegenstand des Unternehmens waren der Ankauf eines mit einem alten Hotel bebauten Grundstücks, der Umbau dieses Hotels in ein Appartementhaus mit 34 Ferienwohnungen und die Veräußerung der Ferienappartements. Die GbR ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Sie erwarb das Hotelgrundstück im Juli 1993 und begann noch im selben Jahr mit den Umbauarbeiten.
Im April des Streitjahres (1995) fand die bauamtliche Abnahme des sanierten und umgebauten Gebäudes durch das Bauamt statt. Sie wurde mit dem Vermerk "die bauliche Anlage kann genutzt werden" abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war ein Großteil der Ferienappartements verkauft. Die Übrigen wurden während der folgenden Monate veräußert.
Am 29. April 1995 unterzeichneten die Erwerber Protokolle, in denen sie die Übernahme ihrer Wohnungen und deren Bezugsfertigkeit bestätigten. In den Protokollen waren einzelne Mängel des jeweiligen Sondereigentums festgehalten.
Die Übernahmeprotokolle für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verkauften acht Appartements unterzeichnete der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. Von Mai 1995 bis zum Sommer desselben Jahres wurden alle Wohnungen unter Einschaltung eines Vermietungsunternehmens, der Fa. Appartementvermietung GmbH, vermietet. Die Ortsbesichtigung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums fand am 11. November 1995 statt. Dem Abnahmeprotokoll sind nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) eine Vielzahl von kleineren Mängeln an Außenhaut, Dach, Treppen und im Kellergeschoss zu entnehmen.
Zuvor, nämlich mit notarieller Urkunde vom 8. Juni 1995 war die GbR durch Austritt des Klägers zu 1. aufgelöst worden. Der Kläger zu 1. sollte von der Klägerin zu 2. einen Betrag in Höhe von 850 000 DM erhalten und von den Gesellschaftsschulden freigestellt werden. Die Auflösung der Gesellschaft stand unter der auflösenden Bedingung, dass die Gläubigerbanken den ausscheidenden Kläger zu 1. aus der Schuldhaft entließen. Das geschah am 31. Oktober 1995. Im Juni 1995 waren noch vier Wohnungen, am 31. Oktober 1995 nur noch eine Wohnung nicht veräußert, da der Nutzen und die Lasten für diese Wohnung erst zum 1. Dezember 1995 auf die neuen Eigentümer übergingen. Die Kaufpreise waren gezahlt. Nur in Ausnahmefällen war von den einzelnen Erwerbern die erst nach vollständiger Fertigstellung fällige letzte Rate zurückbehalten worden.
Die GbR ging davon aus, dass der Gewinn aus der Veräußerung sämtlicher Ferienappartements erst nach der Auflösung der Gesellschaft realisiert worden sei. Dementsprechend aktivierte sie in ihrer Schlussbilanz auf den 31. Oktober 1995 "In Ausführung befindliche Bauaufträge" und passivierte die im Jahr 1995 erhaltenen Beträge als "Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen". Als laufenden Gewinn des Streitjahrs gab die GbR 80 681 DM an. Darüber hinaus erklärte sie für den Kläger zu 1. einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 1 370 429 DM.
Anlässlich einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, der Gewinn aus dem Verkauf der Wohnungen sei im Zeitpunkt der Auflösung der GbR bereits realisiert gewesen. Die sich aus den Kaufverträgen ergebenden Pflichten beider Vertragsparteien seien in einem solchen Maße erfüllt gewesen, dass sich für die GbR kein bedeutendes Risiko mehr ergeben habe. Der Prüfer löste daher die von der GbR gebildeten Aktiv- und Passivposten auf und erhöhte den Gewinn des Streitjahres auf 3 229 852 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte dieser Auffassung. Gegen den entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid erhoben die beiden Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers zu 1., die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Der Kläger zu 1. beantragt, die Einkünfte der GbR unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und unter Abänderung des angefochtenen Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 23. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2001 für den Veranlagungszeitraum 1995 in Höhe von ./. 94 311,27 DM, den Verlustanteil des Klägers zu 1. mithin in Höhe von ./. 47 155,63 DM und den Veräußerungsgewinn des Klägers zu 1. nach § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 1 457 925,40 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen nicht den Schluss, dass die GbR in ihrer Bilanz auf den 31. Oktober 1995 die auf die Eigentumswohnungen 1 - 3 und 5 - 34 entfallenden Zahlungen der Erwerber sowie die gegen diese bestehenden Restkaufpreisforderungen als Vermögensgegenstände erfassen musste.
I. Allerdings hat das FG zutreffend entschieden, dass der maßgebende Zeitpunkt für die Gewinnerzielung nicht notwendigerweise der Tag der förmlichen Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 11. November 1995 war.
1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hatte die GbR, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte, in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sehen Rechtsprechung und herrschende Meinung im Fachschrifttum beim Verkauf von Vermögensgegenständen im Allgemeinen als objektiviert und willkürfrei erfüllt an, wenn der Vermögensgegenstand ausgeliefert, der Anspruch auf die Gegenleistung entstanden und die Gefahr des zufälligen Untergangs (sog. Preisgefahr) auf den Käufer übergegangen ist (Senatsurteil vom 27. Februar 1986 IV R 52/83, BFHE 146, 383, BStBl II 1986, 552; Krawitz, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1997, 886, 888; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG, PublG nach den Vorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes, 6. Aufl., HGB § 252 Tz. 82). Die Forderung aus dem Verkauf eines Grundstücks ist demnach realisiert mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Juni 2003 X R 49/01, BFHE 202, 320, BStBl II 2003, 751; Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 24. Aufl. § 5 Rz. 608). Das ist der Zeitpunkt der Übergabe (s. auch §§ 446, 438 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches n.F. ―BGB n.F.―, sowie Senatsurteil vom 23. November 1995 IV R 75/94, BFHE 179, 307, BStBl II 1996, 194).
2. Bei Werkverträgen i.S. des § 631 BGB bedarf es außer der Übergabe der Abnahme des Werkes durch den Besteller (§ 640 BGB), um den Übergang der Preisgefahr und damit die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen (BFH-Urteile vom 17. Januar 1963 IV 335/59 S, BFHE 76, 702, BStBl III 1963, 257, und vom 13. November 1985 VIII R 391/83, BFH/NV 1986, 531; Krawitz, DStR 1997, 886, 888; Hillenbrand/Brosig, Betriebs-Berater ―BB― 1994, 1397, 1398; Adler/Düring/ Schmaltz, HGB § 252 Tz. 82).
a) Die im Streitfall zwischen der GbR und den Erwerbern geschlossenen Verträge sind in den jeweiligen Vertragsurkunden je nach Abschluss vor oder nach Bezugsfertigkeit als "Kauf- und Aufbauverträge" oder als "Kaufverträge" bezeichnet. Gleichwohl waren sie nach der im Streitjahr gültigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ―was die Verpflichtung zur mängelfreien Errichtung des Bauwerks anging― als Werkverträge zu behandeln, da Vertragsgegenstand Wohnungen waren, die die GbR als Bauträgerin (§ 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Gewerbeordnung ―GewO―) neu errichtet hatte (BGH-Urteile vom 5. Mai 1977 VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372; vom 27. September 1990 VII ZR 316/89, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report ―NJW-RR― 1991, 342, Der Betrieb ―DB― 1991, 277 unter II.1. der Gründe). Das gilt unabhängig davon, ob das Bauwerk im Zeitpunkt der Veräußerung noch unfertig oder bereits fertig gestellt war. Ob der BGH an dieser Rechtsprechung nach In-Kraft- Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes festhalten wird (vgl. hierzu Busche in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch ―MünchKomm―, 4. Aufl., § 631 Rdnr. 227; MünchKomm BGB/H.P. Westermann, vor § 433 Rdnr. 25, m.w.N.), bedarf im Streitfall, der das Jahr 1995 betrifft, keiner Erörterung.
b) Hängt die Realisierung des für die Wohnungen zu entrichtenden Entgelts mithin von der Abnahme durch die Erwerber ab, ist die Besonderheit zu beachten, dass Wohnungseigentum aus dem Sondereigentum an einer Wohnung und dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum besteht (§ 1 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ―WoEigG―). Gemeinschaftseigentum sind außer dem Grundstück die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen (§ 1 Abs. 5, § 5 Abs. 3 WoEigG). Der Anteil des Gemeinschaftseigentums an einem Wohngebäude ist so erheblich, dass er nicht vernachlässigt werden kann. Er macht den überwiegenden Teil der Bausubstanz aus (BGH-Urteil vom 21. Februar 1985, VII ZR 72/84, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1985, 1551, DB 1985, 1390). In der Literatur wird er mit 80 v.H. beziffert (Brych, Monatsschrift für Deutsches Recht ―MDR― 1978, 181, 184; Herrmann/Heuer/Raupach ―HHR―, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 5 EStG, Anm. 970; Hillenbrand/Brosig, BB 1994, 1397, 1398).
c) Handels- und steuerrechtlich ist grundsätzlich an die zivilrechtliche Betrachtung anzuknüpfen. Die angeführte BGH-Rechtsprechung befasst sich mit der Abnahme von Gemeinschaftseigentum unter dem Gesichtspunkt, ab wann die Gewährleistungsfristen zu laufen beginnen. Dieser Zeitpunkt ist für die Gewinnrealisierung deswegen von Bedeutung, weil mit der Abnahme die Verpflichtung, das Werk zu erstellen, im Wesentlichen erfüllt ist und an ihre Stelle Gewährleistungspflichten treten. Dieser Vorgang kann auch bei vorsichtiger kaufmännischer Wertung so gesehen werden, dass er den Zahlungsanspruch derart sichert, dass er nicht mehr von der Einrede des nicht erfüllten Vertrags bedroht ist. Diese Betrachtung schließt allerdings nicht aus, zwecks Vereinfachung des Rechnungsverkehrs gewisse Varianten der zivilrechtlich frei gestaltbaren Abnahme (Teilabnahme) außer Acht zu lassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 531).
d) Die zivilrechtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum getrennt übergeben und abgenommen werden können (BGH-Urteil vom 30. Juni 1983 VII ZR 185/81, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht ―WM― 1983, 1104).
aa) Deswegen stellt sich zunächst die Frage, ob für die Gewinne aus der Erstellung des verschiedenen Sondereigentums einerseits und für den Gewinn aus der Erstellung des Gemeinschaftseigentums andererseits unterschiedliche Realisierungszeitpunkte gelten. Hierfür hat sich Uelner (Deutscher Steuerberatertag 1984, 141 f.) mit der Erwägung ausgesprochen, es handle sich hinsichtlich der einzelnen Eigentumswohnungen (Sondereigentum) und des Gemeinschaftseigentums nebst Außenanlagen um abgrenzbare Teilleistungen.
bb) Auch wenn man mit dem VIII. Senat des BFH (Urteil in BFH/NV 1986, 531) die Auffassung vertritt, eine solche besondere Gewinnrealisierung hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums dürfte der zivilrechtlichen Beurteilung am ehesten entsprechen, ist nicht zu verkennen, dass sich dann Schwierigkeiten hinsichtlich der Aufteilung ergäben. Die meisten Verträge ―so auch die des Streitfalls― weisen den Zahlungsanspruch des Werkunternehmers in einer Summe aus. Streitigkeiten über die Aufteilung der Vertragssumme wären vorhersehbar. Der Vereinfachungszweck des Buchungs- und Rechnungsverkehrs gebietet es, von einer Aufteilung abzusehen.
cc) Als einheitlicher Gewinnrealisierungszeitpunkt für beide Eigentumsarten werden verschiedene Varianten vorgeschlagen. Zum einen könnte man wegen der "Verzahnung" von Sonder- und Gemeinschaftseigentum in der Abnahme einer Wohnung eine Gewinnrealisierung auch hinsichtlich des auf die Wohnung entfallenden Gemeinschaftseigentums sehen (so Mundt, Deutscher Steuerberatertag 1984, 141). Für eine solche Lösung lässt sich anführen, dass für den Erwerber die vertragsgerechte Herstellung des Sondereigentums ohne Interesse ist, wenn das Gemeinschaftseigentum, also beispielsweise die tragenden Wände, mit erheblichen Mängeln behaftet ist, woraus man schließen könnte, er billige mit der Abnahme der Wohnung auch das auf die Wohnung entfallende Gemeinschaftseigentum. Eine ähnliche Lösung hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 31. Januar 1980 IV R 13/76 (BFHE 130, 34, BStBl II 1980, 318) befürwortet, indem er, ohne indessen auf die damals zivilrechtlich möglicherweise noch nicht so gefestigte Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht einzugehen, als Realisationszeitpunkt den der "Übergabe" der jeweiligen Wohnung angesehen hat. Gegen diese Lösung spricht indessen, dass die Abnahme der Wohnung regelmäßig nicht mit einer Begehung der gesamten Anlage verbunden ist, so dass der Veräußerer nicht annehmen kann, der Erwerber werde das gesamte Bauwerk als vertragsgerecht anerkennen (Oberlandesgericht ―OLG― Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 1979 13 U 7/79, MDR 1980, 495; Staudinger/Bub, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 12. Aufl., § 21 WoEigG Rz. 243; Häublein, Deutsche Notar-Zeitschrift ―DNotZ― 2002, 608, 609; HHR, a.a.O., § 5 EStG Anm. 970; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 4. Aufl. 2004, S. 237 Rz. 593; Reithmann/Brych/Manhart, Kauf vom Bauträger und Bauherrenmodelle, 5. Aufl., S. 58, Rdz. 66; a.A. OLG Hamm, Urteil vom 14. Dezember 1995 17 U 3/94, NJW-RR 1996, 1301).
e) Deswegen muss zur Bestimmung des einheitlichen Realisationszeitpunktes prinzipiell auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums abgestellt werden. Das gebietet im Hinblick auf die Bedeutung des Gemeinschaftseigentums das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht (BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 531). Maßgeblicher Zeitpunkt muss jedoch nicht notwendigerweise der der formellen Abnahmehandlung sein. Das folgt daraus, dass in vielen Fällen eine formelle Abnahme des Gemeinschaftseigentums vertraglich nicht vorgesehen ist und auch tatsächlich nicht durchgeführt wird. Als stillschweigende Abnahme des Gemeinschaftseigentums wird in solchen Fällen die widerspruchslose Ingebrauchnahme der jeweiligen Wohnungen durch die einzelnen Erwerber angesehen (vgl. Pause, NJW 1993, 553, 556; Merl in Kleine-Möller/Merl/ Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts ―Hdb. priv. BauR―, 2. Aufl. 1997, § 11 Rdn. 44 f.). Allerdings ist das Gemeinschaftseigentum noch nicht im Zeitpunkt des Bezugs der jeweiligen Wohnung abgenommen (BGH-Urteil vom 20. September 1984 VII ZR 377/83, NJW 1985, 731, BauR 1985, 200; Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, § 640 Rn. 6). Das ergibt sich aus den selben Erwägungen, die dagegen sprechen, dass die Abnahme des Sondereigentums ―also die Bestätigung der Bezugsfertigkeit der einzelnen Wohnung― als stillschweigende Abnahme des Gemeinschaftseigentums angesehen werden kann. Erforderlich ist vielmehr, dass das Gemeinschaftseigentum zumindest im Wesentlichen funktionstüchtig hergestellt ist und dass die Nutzung während einer Frist bestanden hat, die zur Prüfung der Vertragsgerechtigkeit der Leistung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Wohnungseigentumsgemeinschaft angemessen ist (vgl. Pause, NJW 1993, 553, 556; Hdb. priv. BauR/Merl, § 11 Rdn. 44 f.; Staudinger/Bub, § 21 WoEigG Rz. 243). Zudem tritt die Abnahmewirkung dann nicht ein, wenn der Erwerber beim Einzug Mängel gerügt hat, die ihn zur Abnahmeverweigerung berechtigen (BGH-Urteile vom 10. Juni 1999 VII ZR 170/98, BauR 1999, 1186, und vom 22. Dezember 2000 VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ―ZIP― 2001, 245, 249). Aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass eine Ingebrauchnahme des Werkes über mehrere Monate hinweg ohne Mängelrüge eine konkludente Abnahme darstellt (OLG Hamm in BauR 2001, 1914; Hdb. priv. BauR/Merl, a.a.O., § 11 Rdn. 44). Anders als im Senatsbeschluss über die Zulassung der Revision vom 25. August 2004 IV B 12/04 (BFH/NV 2004, 1532) in Betracht gezogen, beschränkt sich der Erklärungswert einer so verstandenen Ingebrauchnahme nicht auf die Abnahme allein des Sondereigentums. Vielmehr eröffnet die mehrmonatige Prüfungszeit dem Erwerber die Möglichkeit, auch Mängel des Gemeinschaftseigentums wie tragende Wände, Decken etc., die zu einer Abnahmeverweigerung berechtigen würden, aufzudecken. Die mehrmonatige Ingebrauchnahme heilt auch etwaige Formmängel der vorangegangenen formellen Abnahme des Sondereigentums, wie etwa die, dass eine Abnahme durch den Bauträger oder eine ihm nahe stehende Person keine Bindungswirkung für den Erwerber entfalten kann.
aa) Es kann nicht darauf ankommen ob die Wohnungen durch eigenen Einzug der Erwerber, durch Vermietung seitens der Erwerber oder unter Einschaltung eines Vermietungsunternehmens in Gebrauch genommen worden sind. Soweit das Vermietungsunternehmen nicht vom Erwerber, sondern vom Bauträger mit der Vermietung beauftragt worden ist, ist es freilich erforderlich, dass der Erwerber die Beauftragung vor dem Bilanzstichtag genehmigt. Die Genehmigung kann auch darin bestehen, dass der Erwerber das Vermietungsunternehmen weiterhin mit der Vermietung der vor dem Bilanzstichtag erworbenen Wohnung beauftragt.
bb) Welcher (mehrmonatige) Zeitraum als Prüfungszeit angemessen ist, hängt zivilrechtlich von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH-Urteil in NJW 1985, 731, BauR 1985, 200). Die Bestimmung des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung muss indessen auch dem Vereinfachungsgesichtspunkt Rechnung tragen (BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 531), der aus dem GoB der Wesentlichkeit abzuleiten ist (vgl. Kempermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 5 Rdnr. B 73). Das erfordert die Bestimmung eines festen Zeitraums, nach dessen Ablauf die Kaufpreis- bzw. Werklohnforderung des Bauträgers zu aktivieren ist. Der Senat vertritt die Auffassung, dass das vom Erwerber geschuldete Entgelt für eine Eigentumswohnung dann als Vermögensgegenstand des Veräußerers (Bauträgers) zu erfassen ist, wenn am Bilanzstichtag mindestens drei Monate nach dem vorbehaltslosen Nutzungsbeginn der Wohnung verstrichen sind. Er stützt sich dabei einerseits auf die bereits erwähnte zivilrechtliche Rechtsprechung, die eine mehrmonatige Prüfungsfrist fordert. Auf der anderen Seite ergibt sich aus § 12 Abs. 5 der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B), der für die (hier nicht einschlägige) fiktive Abnahme eine Prüfungsfrist von lediglich 12 Tagen vorsieht, dass der Zeitraum nicht zu weit gespannt werden darf. Zur Gewinnrealisierung kommt es auch dann, wenn unwesentliche Arbeiten am Gemeinschaftseigentum wie Außenputz und Außenanlagen noch nicht fertiggestellt sind (vgl. OLG Celle, Urteil vom 30. Juli 1998 14 U 209/97, MDR 1998, 1476). Eine andere Handhabung würde dem Erfordernis der Objektivierbarkeit (vgl. hierzu Kempermann in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 5 Rdnr. B 65, m.w.N.) entgegenlaufen, weil es dann der Bauträger in der Hand hätte, durch Verzögerung dieser unmaßgeblichen Restarbeiten den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zu manipulieren. Aus dem selben Grund tritt die Gewinnrealisierung unter den vorstehend genannten Voraussetzungen nach Ablauf der dreimonatigen Prüfungszeit auch dann ein, wenn später eine förmliche Abnahme durchgeführt wird, selbst wenn diese ―anders als offenbar im Streitfall― in den jeweiligen Verträgen der Erwerber mit dem Bauträger vereinbart ist.
cc) Die Entgelte für die in Gebrauch genommenen und mindestens drei Monate lang rügelos benutzten Wohnungen sind auch dann realisiert, wenn nicht alle anderen Wohnungen diese Voraussetzung erfüllen. Der Senat folgt nicht der im BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 531 in Erwägung gezogenen Lösung, derzufolge Gewinnrealisierung erst bei Abnahme der letzten Wohnung eintritt (so aber Hillenbrand/Brosig, BB 1994, 1397, 1400). Gegen die Richtigkeit einer solchen Lösung spricht bereits, dass die Abnahme der letzten Wohnung, soweit damit gemäß der üblichen Terminologie die Abnahme des Sondereigentums durch den letzten Erwerber gemeint sein sollte, nichts über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums aussagt (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 1979 13 U 7/79, MDR 1980, 495). Relevant wäre also allenfalls der Zeitpunkt, zu dem das Gemeinschaftseigentum durch den letzten Erwerber ausdrücklich oder konkludent abgenommen wird. Für eine solche Lösung könnte sprechen, dass die Folgen der Abnahme des Gemeinschaftseigentums, insbesondere der Beginn der Verjährung von Mängelrügen, nur für denjenigen Erwerber eintreten, der auch tatsächlich die Abnahme ausdrücklich oder konkludent erklärt hat (BGH-Urteil in NJW 1985, 1551, DB 1985, 1390; Pause, NJW 1993, 553, 556; Ott, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht 2003, 233, 241). Ein "Nachzügler", der die Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch nicht erklärt hat, kann daher seine Gewährleistungsansprüche auch dann geltend machen, wenn die diesbezüglichen Ansprüche der anderen Erwerber bereits verjährt sind. Macht er einen solchen Anspruch geltend, profitieren hiervon naturgemäß auch die anderen Erwerber (BGH-Urteil in NJW 1985, 1551, DB 1985, 1390; Pause, NJW 1993, 553, 556). Gegen die Relevanz des Zeitpunktes der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den letzten Erwerber spricht indessen, dass das Vorhandensein verborgener Mängel unwahrscheinlich ist, wenn einer Vielzahl von Erwerbern während eines dreimonatigen Prüfungszeitraums solche Mängel nicht aufgefallen sind. Ausschlaggebend ist schließlich der bereits angeführte Gesichtspunkt, dass bei der Bestimmung des richtigen Zeitpunktes für die Gewinnrealisierung das Bedürfnis nach Objektivierung beachtet werden muss. Es kann dem Veräußerer nicht überlassen sein, den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung dadurch hinauszuzögern, dass er eine von zahlreichen Wohnungen zunächst nicht veräußert.
dd) Allerdings liegt es angesichts der vorstehenden Erwägungen auf der Hand, dass die Gewinnrealisierung nicht bereits dann eingreifen kann, wenn nur einige wenige Wohnungen verkauft sind. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Gewinne aus der Erstellung und Veräußerung der Eigentumswohnungen erst dann realisiert sind, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben. Die Gewinnrealisierung betrifft nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte.
II. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
1. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob tatsächlich bei Ingebrauchnahme der Wohnungen das Gemeinschaftseigentum bis auf unwesentliche Arbeiten wie Putz und Außenanlagen fertig gestellt war. Aus verschiedenen vom FA angeführten Hinweisen lässt sich zwar entnehmen, dass es sich möglicherweise so verhielt. Eigene Feststellungen des FG fehlen jedoch zu diesem Punkt. Wenn das angefochtene Urteil die Feststellung enthält, dass dem Abnahmeprotokoll vom 11. November 1995 zufolge nur unbedeutende Mängel gerügt worden seien, so sagt das nicht unbedingt etwas über den Grad der Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums bei Inbetriebnahme aus. Auf der anderen Seite verkennt der Senat nicht, dass die rügelose dreimonatige Ingebrauchnahme durch Vermietung der Ferienwohnungen als Indiz dafür anzusehen ist, dass das Gemeinschaftseigentum im Wesentlichen fertig gestellt war. Die diesbezüglichen Feststellungen zu treffen und hieraus Schlüsse zu ziehen, ist dem Senat als Revisionsinstanz jedoch verwehrt.
2. Das FG wird im zweiten Rechtsgang demnach auch festzustellen haben, welche Wohnungen tatsächlich bis zum 31. Oktober 1995 ―dem maßgeblichen Stichtag für die Auflösung der GbR― mindestens drei Monate lang vermietet waren. Im angefochtenen Urteil ist nur pauschal von einer mehrmonatigen Vermietung die Rede. In der Revisionserwiderung hat das FA Angaben gemacht, die darauf hindeuten, dass die Dauer der Vermietung bei den einzelnen Wohnungen unterschiedlich war. Feststellungen des FG hierzu fehlen bisher. Des Weiteren wird das FG auch festzustellen haben, ob ―was indessen nahe liegt― die Umstände es rechtfertigen, davon auszugehen, dass die Vermietung seitens der Appartementvermietung GmbH den Erwerben als konkludente Abnahme zuzurechnen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1444156 |
BFH/NV 2005, 2295 |
BStBl II 2006, 26 |
BFHE 2006, 206 |
BFHE 211, 206 |
BB 2005, 2511 |
BB 2007, 39 |
DB 2006, 593 |
DStR 2005, 1892 |
DStRE 2005, 1432 |
DStZ 2005, 806 |
HFR 2006, 6 |
WPg 2006, 31 |
FR 2006, 181 |
NJW 2006, 1312 |
Inf 2006, 2 |
NWB 2005, 3752 |
NWB 2007, 3778 |
BBK 2005, 1169 |
DWW 2006, 259 |
NJW-RR 2006, 111 |
EStB 2005, 451 |
IBR 2006, 34 |
NZM 2006, 391 |
StuB 2005, 981 |
ZfIR 2005, 897 |
KÖSDI 2005, 14888 |
StBp 2006, 28 |
BTR 2005, 259 |
GuT 2006, 44 |
NWB direkt 2005, 3 |
NZBau 2006, 42 |
StBW 2005, 2 |
SJ 2006, 22 |
StB 2005, 441 |
stak 2006, 0 |