Leitsatz (amtlich)
Errichtet ein Rohbauunternehmer auf einem ihm und seiner Ehefrau gemeinsam, weil zum Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft gehörenden Grundstück ein Gebäude, so liegt hinsichtlich des Rohbaus Eigenverbrauch vor (§ 1 Nr. 2 UStG 1951).
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 2, §§ 2, 5 S. 2
Tatbestand
Der Kläger (Steuerpflichtiger) betreibt ein Baugeschäft. Im Rahmen seines Unternehmens führt er Maurer- und Betonarbeiten aus. Er lebt seit April 1953 im Güterstand der Gütergemeinschaft.
Im Jahr 1965 errichtete der Beschwerdeführer auf einem Grundstück, das sich im gemeinschaftlichen Eigentum beider Ehegatten befindet, ein Mietwohngebäude mit vier Wohnungen. An Selbstkosten für den Rohbau des Mietwohngrundstücks wurden seitens des Steuerpflichtigen unstreitig 71 500 DM aufgewendet. Das FA sah in der Erstellung des Rohbaues für die Grundstücksgemeinschaft eine steuerpflichtige Werklieferung. Es rechnete dem für 1965 erklärten Umsatz die Selbstkosten des Rohbaues zu und unterwarf sie mit 4 v. H. der Umsatzsteuer.
Der Steuerpflichtige ist dagegen der Meinung, es handele sich um einen nicht steuerbaren Innenumsatz, weil er sowohl Unternehmer des Baugeschäfts sei als auch bei der Grundstücksgemeinschaft als Unternehmer auftrete. Er habe hierfür stillschweigende Generalvollmacht seiner Ehefrau besessen. Daher sei er auch im Kaufvertrag über das Grundstück allein als Käufer genannt und trete allein als Vermieter der dort errichteten Wohnungen auf. Auf Grund der Generalvollmacht sei eine einheitliche Willensbildung beim Bauunternehmen und bei der Gütergemeinschaft gewährleistet. Da wegen des Bestehens der Gütergemeinschaft auch die Gleichheit der Gesellschafter und die Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse bestehe - sowohl der Gewerbebetrieb als auch das Grundstück gehörten zum Gesamtgut- liege eine Unternehmereinheit vor. Die Werklieferung sei daher nicht steuerbar.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage des Steuerpflichtigen hat das FG abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Unternehmereinheit zwischen dem Baugeschäft und der Grundstücksgemeinschaft liege nicht vor. In dem Bauunternehmen und in der Grundstücksgemeinschaft sei eine einheitliche Willensbildung, wie sie für eine Unternehmereinheit erforderlich sei, nicht gewährleistet. Denn die Entscheidungen innerhalb der Gütergemeinschaft würden von beiden Eheleuten gemeinsam getroffen, während der Steuerpflichtige in seinem Baugeschäft allein entscheidungsberechtigt sei. Daß der Steuerpflichtige seine Ehefrau in der Gütergemeinschaft auf Grund einer Generalvollmacht vertrete, ändere hieran nichts. Da zwischen dem Baugeschäft und der Gütergemeinschaft sonach wegen Fehlens einer einheitlichen Willensbildung keine Unternehmereinheit bestehe, habe das FA die Selbstkosten des Rohbaues (71 500 DM) zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Bei der Vermietung der Mietwohnungen, so wird ausgeführt, handele es sich um ein Erwerbsgeschäft. Dieses werde ausweislich der nur von dem Steuerpflichtigen unterschriebenen Mietverträge von dem Steuerpflichtigen allein geführt. Als Vermieter trete nach außen ausschließlich der Steuerpflichtige selbst auf. Daß sich das Mietobjekt auf einem der Gütergemeinschaft gehörenden Grundstück befinde, sei unbeachtlich, zumal das gleiche auch hinsichtlich des Baugeschäfts der Fall sei. Da somit die Entscheidungen in dem Vermietungsgeschäft und in dem Baugeschäft von der gleichen Person getroffen würden, sei in beiden Betrieben eine einheitliche Willensbildung vorhanden. Diese ergebe sich im übrigen - zusätzlich - auch daraus, daß die Ehefrau dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Grundstücksbewirtschaftung (Vermietung) eine Generalvollmacht erteilt habe, was ausschließlich geschehen sei, um die einheitliche Willensbildung in den beiden Unternehmen sicherzustellen. Die Eigenleistungen des Steuerpflichtigen bei der Errichtung des Geschäfts seien daher wegen Vorliegens von Unternehmereinheit als Innenumsatz nicht steuerbar.
Der Steuerpflichtige beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1965 durch Herausnahme der Selbstkosten von 71 500 DM in Abänderung des Steuerbescheids entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats besteht - abgesehen von weiteren Voraussetzungen - Unternehmereinheit zwischen zwei oder mehreren Gesellschaften, wenn die gleichen Personen im gleichen Verhältnis an diesen Gesellschaften beteiligt sind und eine einheitliche Willensbildung bei allen Gesellschaften gewährleistet ist. Umsatzsteuerrechtlich liegt dann nur ein Unternehmen eines Unternehmers vor. Diese Annahme ist, wie der Senat in dem Urteil V 293/55 U vom 12. März 1959 (BFH 68, 594, BStBl III 1959, 226) ausführlich dargelegt hat, nur bei voller Identität der Personengruppe, gleichem Beteiligungsverhältnis bei allen in Betracht kommenden Gesellschaften und einheitlicher Willensbildung gerechtfertigt. Die Vorinstanz hat das Vorhandensein dieser Voraussetzungen nach dem im Streitfalle gegebenen Sachverhalt verneint. Die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
Da das Grundstück zum Gesamtgut (§ 1416 BGB) der Eheleute gehört, werden die Entscheidungen in der Grundstücksgemeinschaft, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, von den Eheleuten gemeinsam getroffen (§ 1421 BGB). Daß der Steuerpflichtige dabei auf Grund einer Generalvollmacht zur Vertretung seiner Ehefrau berechtigt ist, ändert hieran nichts. Denn - ganz abgesehen von der jederzeitigen Widerruflichkeit der Vollmacht (§§ 167, 168 BGB) - gibt der Vertreter keine eigene Willenserklärung, sondern die des Vertretenen - also einesanderen - ab. Daß die Vermietung der vier Mietwohnungen kein selbständiges Erwerbsgeschäft im Sinne des § 1456 BGB begründen kann, sondern als Vermögensverwaltung (Verwaltung des zum Gesamtgut gehörenden Grundstücks) anzusehen ist, hat das FG zutreffend ausgeführt. Hinsichtlich der Grundstücksgemeinschaft, von der und für die allein die Wohnungen vermietet werden, liegt also eine gemeinsame Willensbildung der Eheleute vor.
Bei dem Baugeschäft ist dies nicht der Fall. Zwar gehört auch das Baugeschäft als Vermögenswert zum Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB). Es wird aber - und dies ist wesentlich - als Erwerbsgeschäft nach § 1456 BGB unter der Firma J H, Bauunternehmen, geführt. Dies bedeutet, daß im Bereich des Baugeschäftes die Zustimmung der Ehefrau zu den mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Rechtsgeschäften nicht erforderlich ist, § 1456 Satz 1 BGB. Hinzu kommt, daß der Steuerpflichtige alleiniger Inhaber der Firma J H, Baugeschäft, ist, unter der das Baugeschäft betrieben wird. Da der Steuerpflichtige sowohl nach bürgerlichem Recht wie nach Handelsrecht (§ 17 HGB) das Baugeschäft ohne Mitwirkung seiner Ehefrau selbständig betreibt, ist er allein hinsichtlich des Baugeschäfts Unternehmer nach § 1 Satz 1 UStG 1951. Da die Vermietung der Wohnungen in den Bereich der Grundstücksgemeinschaft fällt, fehlt es - abgesehen von der mangelnden einheitlichen Willensbildung - schon an der vollen Identität des Unternehmers. Von einer Unternehmereinheit im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1951 kann deshalb keine Rede sein.
Der Steuerpflichtige ist auch zu Recht mit den Selbstkosten des Rohbaues zur Umsatzsteuer herangezogen worden. Die Erstellung des Rohbaues für die Grundstücksgemeinschaft ist im Rahmen des Baugeschäftes umsatzsteuerlich als Eigenverbrauch nach § 1 Nr. 2 UStG 1951 zu beurteilen; denn der Steuerpflichtige hat den Rohbau zunächst seinem Unternehmen entnommen und sodann der Grundstücksgemeinschaft überlassen, ohne daß er oder seine Ehefrau dafür etwas gezahlt haben. Da nach den obigen Ausführungen zwischen der Grundstücksgemeinschaft und dem Baugeschäft keine Unternehmeridentität besteht, ist der Rohbau auf fremdem Grund und Boden, und zwar aus vorwiegend privaten Gründen erstellt worden, so daß die Beurteilung des Vorgangs als Eigenverbrauch gerechtfertigt ist. Soweit der Senat in der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidung V 90/64 vom 6. Mai 1965 (HFR 1966, 215) eine Werklieferung angenommen hat, wird an dieser Auffassung, die übrigens für den Streitfall im Ergebnis auf den gleichen Besteuerungsmaßstab wie bei dem des Eigenverbrauchs (§ 5 Abs. 1 Satz 2 UStG) hinausläuft, nicht mehr festgehalten. Die Annahme einer steuerbaren Werklieferung setzt ein Entgelt voraus. Das Entgelt kann aber nicht in etwaigen Buchungen auf dem Privat- oder Kapitalkonto des Steuerpflichtigen erblickt werden. Entgelt ist nach § 10 UStDB 1951 immer nur das, was der Empfänger der Lieferung aufwendet oder was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung gewährt. Entgelt kann hiernach nicht sein, was sich allein in der Buchführung des Unternehmers abspielt; es fehlt an einem Entgelt von dritter Seite.
Die Selbstkosten des Rohbaues betragen nach den Feststellungen des FG - im übrigen auch nach den eigenen, seitens des FA nicht bestrittenen Angaben des Steuerpflichtigen - im Streitfall 71 500 DM und sind in dieser Höhe zu Recht dem erklärten Umsatz für das Jahr 1965 zugeschlagen worden.
Da sich die Vorentscheidung somit im Ergebnis als zutreffend erweist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen, § 126 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 413178 |
BStBl II 1972, 511 |
BFHE 1972, 193 |