Leitsatz (amtlich)
War die seit dem Abschluß eines Gesellschaftsvertrages bestehende Gründergesellschaft einer später in das Handelsregister eingetragenen GmbH nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert, so besteht die Organschaft zwischen der GmbH und dem Unternehmen bereits für die Zeit vor der Eintragung der GmbH in das Handelsregister (vgl. auch BGH-Urteil vom 24. Oktober 1968 II ZR 216/66, BB 1969, 153).
Normenkette
UStG 1951 § 2 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - seit dem 1. Januar 1972 eine OHG, die durch Umwandlung einer GmbH entstanden ist - wurde als GmbH mit notariellem Vertrag vom 21. März 1967 gegründet. Sie übernahm in diesem Vertrag die sämtlichen Aktiven und Passiven der von ihren Gründern bis dahin betriebenen J OHG mit Ausnahme der Grundstücke. Die Grundstükke und bestimmte Betriebsvorrichtungen, vermittels derer der Lebensmittelgroßhandel von der GmbH vom 1. Januar 1967 ab betrieben wurde, mietete sie von der nunmehr als Besitzgesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) fortbestehenden früheren J OHG.
An der ehemaligen OHG wie an der GmbH waren die Brüder J jeweils zur Hälfte beteiligt. Die Höhe der von den Gesellschaftern auf das Stammkapital der GmbH übernommenen Stammeinlagen (jeweils 150 000 DM) entsprach dem Differenzbetrag zwischen den von der GmbH übernommenen Aktiven und Passiven der OHG nach den Ansätzen in der auf den 1. Januar 1967 erstellten Gründungsbilanz der GmbH. Als Zeitpunkt der Gründung der GmbH wie der Vermietung der Grundstücke an diese war vertraglich jeweils der 1. Januar 1967 festgelegt.
Anläßlich einer im Jahre 1968 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, daß in den von der GmbH übernommenen Verbindlichkeiten auch eine Pensionsverpflichtung der OHG in Höhe von 37 155 DM enthalten war. Er vertrat unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. April 1962 V 246/59 S (BFHE 75, 67, BStBl III 1962, 292) die Auffassung, die Klägerin habe der OHG gegenüber mit der Übernahme der Pensionsverpflichtung eine sonstige Leistung und damit einen Umsatz bewirkt (§ 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1951 - UStG 1951 -), der mit 4 v. H. der Bemessungsgrundlage zu versteuern sei. Der Umstand, daß zwischen der früheren OHG und der GmbH ein Organverhältnis (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951) bestanden habe, sei unbeachtlich, weil die GmbH erst durch Eintragung in das Handelsregister am 31. März 1967 entstanden (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), die Schuldübernahme aber bereits vor diesem Zeitpunkt vollzogen worden sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schloß sich dieser Auffassung an und setzte die Umsatzsteuer auf 1 486,20 DM fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit dem Antrag, den Umsatzsteuerbescheid aufzuheben, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Zwischen der GmbH und der OHG habe erst seit der Entstehung der GmbH ein Organverhältnis begründet werden können, da ein solches die Existenz des Organs begriffsnotwendig voraussetze. Die Pachtverträge und mit ihnen die Schuldübernahme müßten aber bereits vor der die Entstehung der GmbH bewirkenden Eintragung in das Handelsregister (mündlich) vereinbart worden sein. Da somit im Zeitpunkt der Übernahme der Pensionsverpflichtung das Organverhältnis noch nicht bestanden habe, sei die GmbH mit dem durch die Schuldübernahme bewirkten Umsatz - entsprechend dem BFH-Urteil V 246/59 S - zu Recht zur Umsatzsteuer herangezogen worden.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter. Sie rügt die unrichtige Anwendung materiellen Rechts:
Die Auffassung der Vorinstanz, daß die GmbH bei Übernahme der Pensionsverpflichtung noch nicht in die OHG wirtschaftlich eingegliedert gewesen sei, sei unrichtig. Dies ergebe sich aus folgenden Erwägungen:
Die OHG als die Muttergesellschaft habe tatsächlich in keinem Zeitpunkt die Grundlagen ihres Unternehmens - nämlich die Betriebsgrundstücke und Betriebsvorrichtungen - aus der Hand gegeben. Die mietweise Überlassung der Grundstücke und Betriebsvorrichtungen an die GmbH sei - wie bereits längere Zeit vor der Betriebsaufspaltung vorgesehen - bereits ab 1. Januar 1967 vorgenommen worden. Daß schriftliche Mietverträge erst im Juni 1967 abgeschlossen worden seien, ändere hieran nichts. Denn maßgebend für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung und damit für den Beginn des Organverhältnisses sei der Zeitpunkt, in dem die GmbH vermittels der Anlagen der OHG ihren Betrieb tatsächlich aufgenommen habe, nicht aber derjenige, in dem die Mietverträge schriftlich niedergelegt worden seien. Da die GmbH bereits vom 1. Januar 1967 an den Großhandel auf den Grundstücken und mit den Anlagen der OHG auf eigene Rechnung betrieben habe, sei dies der maßgebende Zeitpunkt für die Betriebsaufspaltung und damit die Begründung des Organverhältnisses gewesen. Dieses habe daher bei Übernahme der Pensionsverpflichtung durch die GmbH bereits bestanden, so daß die Schuldübernahme einen nichtsteuerbaren Innenumsatz darstelle.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1971 und des Steuerbescheides vom 5. November 1970.
1. Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 21. März 1967 im Wege der Sachgründung errichtet. Die Abmachungen über die Sacheinlagen der Gesellschafter und die Sachübernahmen durch die GmbH sind mit Abschluß des Gesellschaftsvertrages der GmbH gegenüber wirksam geworden. Das gleiche gilt hinsichtlich der Übernahme der Schulden der ehemaligen OHG, zu denen auch deren Pensionsverpflichtungen gehört hatten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 2. Mai 1966 II ZR 219/63, Der Betriebs-Berater 1966 S. 597 - BB 1966, 597 -).
Das FG ist mit seinen tatsächlichen Feststellungen von dem Betriebsprüfungsbericht vom 3. April 1969 und den Abmachungen im Gesellschaftsvertrag ausgegangen. Aus diesen Unterlagen ergibt sich zweifelsfrei, daß das Unternehmen der GmbH - der Lebensmittelhandel - bereits seit dem 1. Januar 1967 für Rechnung der GmbH auf den. Betriebsgrundstücken und mit den Betriebsvorrichtungen der OHG tatsächlich betrieben wurde (vgl. auch § 4 des Gesellschaftsvertrages). Rechtlich bedeutet dies, daß von diesem Zeitpunkt an bereits eine Vorgründungsgesellschaft und vom 21. März 1967 ab eine Gründergesellschaft (Vorgesellschaft) als Unternehmensträgerin bestanden hat (vgl. Ulmer in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., Anm. 16 und Anm. 31 zu § 11 GmbHG; Wilke/Berg/Gottschling/Gaul, Handbuch der GmbH, 3. Aufl., Rdnr. 189.3, mit Hinweisen). Die Gründergesellschaft wird sowohl zuvilrechtlich wie auch steuerrechtlich bei nachfolgender Eintragung der GmbH in das Handelsregister als GmbH behandelt (vgl. BGH-Urteil vom 24. Oktober 1968 II ZR 216/66, BB 1969, 153; Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 6. Aufl., Anm. 21 zu § 2, und BFH-Urteil vom 11. April 1973 I R 172/72, BFHE 109, 190, BStBl II 1973, 568). Dies hat die Vorinstanz verkannt. Denn sie hat bei der rechtlichen Beurteilung in erster Linie darauf abgestellt, daß die GmbH erst mit der Eintragung in das Handelsregister als juristische Person entstanden sei, und der Existenz der Gründergesellschaft keine Bedeutung beigemessen.
Die Gründergesellschaft stand nicht nur in einem finanziellen und organisatorischen, sondern auch in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu der OHG, weil sie ihre Tätigkeit ohne die Betriebsgrundstücke und die Betriebsvorrichtungen der OHG nicht ausüben konnte. War aber die Gründergesellschaft auch wirtschaftlich abhängig von der OHG, so bestand von diesem Zeitpunkt ab angesichts der nachfolgenden Eintragung der GmbH in das Handelsregister zwischen ihr und der OHG ein Abhängigkeitsverhältnis, das als Organverhältnis i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951 zu beurteilen ist. Bei der Übernahme der Pensionsverpflichtung in dem Gesellschaftsvertrag handelt es sich somit um einen nichtsteuerbaren Innenumsatz.
Zu Unrecht beruft sich die Vorinstanz für die von ihr vertretene Auffassung auf das BFH-Urteil vom 5. September 1968 V 153/65 (BFHE 94, 101, BStBl II 1969, 55), weil der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt gegenüber dem Streitfall in mehrfacher Hinsicht anders gelagert war.
2. Da die Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war ihre Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Umsatzsteuerbescheid vom 5. November 1970 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1971 waren aufzuheben.
Fundstellen
BStBl II 1978, 486 |
BFHE 1979, 212 |