Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die gesetzliche freiwillige Rentenversicherung seiner Tochter sind nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, weil es an der dafür erforderlichen Verpflichtung beim Leistenden fehlt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG 1969 § 10 Abs. 1 Nr. 2a, § 12 Nr. 2; LStDV § 20a Abs. 2 Nr. 2; RVO § 1233; AVG §§ 10-11
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat 1969 für die freiwillige gesetzliche Angestelltenversicherung seiner Tochter bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Beiträge von insgesamt 2 112 DM geleistet und sie bei seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1969 als Sonderausgaben geltend gemacht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen verneint. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das FG führte aus, freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung seien zwar grundsätzlich Sonderausgaben nach §§ 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG, 20a Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 LStDV. Voraussetzung für ihre Abzugsfähigkeit sei aber, daß die Beitragszahlung aufgrund einer eigenen gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung des Zahlenden erfolge. Rechtsbeziehungen beständen bei der gesetzlichen Angestelltenversicherung aber nur zwischen dem Versicherten, dem Arbeitgeber und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Der Kläger, der als Dritter freiwillig Beiträge für seine Tochter leiste, trete damit nicht in Rechtsbeziehungen zu dem Versicherungsträger und werde nicht zum Versicherungsnehmer. Wenn es auch für die Abzugsfähigkeit der Beiträge bei Lebensversicherungsverträgen nicht darauf ankomme, wessen Leben versichert und wer Bezugsberechtigter sei, so sei doch entscheidend, daß der Leistende in vertraglicher Beziehung zum Versicherungsträger stehe. Die Zulassung der Abzugsfähigkeit von Prämien, die auf einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten eines Dritten geleistet würden und die Versagung des Sonderausgabenabzugs für Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Angestelltenversicherung eines anderen verstoße auch nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, weil keine vergleichbaren Sachverhalte vorlägen. Im übrigen sei der Kläger seiner Tochter nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtig, so daß die Beiträge zur Versicherung auch wegen § 12 Nr. 2 EStG nicht abzugsfähig seien. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des BFH, nach der § 12 Nr. 2 EStG trotz des Wortes "unbeschadet" als Ausnahme von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen sei. Eine außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG sei auch ausgeschlossen, weil die dafür in der Person der Tochter des Klägers erforderlichen Voraussetzungen unstreitig nicht vorlägen.
Mit seiner wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger unrichtige Auslegung der §§ 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG, 20a Abs. 2 Nr. 2 LStDV. Gesetzlich sei nicht näher erläutert, zu wessen Gunsten die Versorgungsaufwendungen erbracht sein müßten, damit sie als Sonderausgaben abgesetzt werden dürften. Die ursprünglich im Gesetz vorgesehene Beschränkung auf Beiträge für den Steuerpflichtigen, dessen Ehegatten oder Kinder, die mit ihm zusammen veranlagt würden bzw. für die ihm ein Kinderfreibetrag zu gewähren sei, bestände nicht mehr. Aus der Entwicklung der Gesetzgebung und in Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse habe der BFH für das Gebiet der Lebensversicherungen entschieden, daß es für den Sonderausgabenabzug der Aufwendungen ausreiche, wenn sie der Versicherungsnehmer erbracht habe. Das müsse aber auch für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gelten. In den Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere der Arbeiter- und Angestellten-Rentenversicherung, gebe es keine Bestimmung darüber, wer die freiwilligen Beiträge leisten müsse oder dürfe, sondern nur für wen sie geleistet werden könnten. Es sei der erkennbare Wille des Gesetzgebers, nicht nur die Vermögensbildung in privater Hand zu fördern, sondern den einzelnen zu veranlassen, durch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seine ausreichende Altersversorgung abzusichern. Wegen dieses Vorsorgecharakters der Aufwendungen und der damit verbundenen Entlastung der Gemeinschaft sei es widersinnig, die Abzugsfähigkeit der Beiträge als Sonderausgaben davon abhängig zu machen, daß sie der Versicherte selbst leisten müsse. Der Kläger zahle die freiwilligen Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung seiner Tochter aus ethischen Gründen, ohne daß eine rechtliche Verpflichtung bestände. Die Aufwendungen seien auch keine freiwilligen Unterhaltsleistungen im Sinne des § 12 Nr. 2 EStG. Im übrigen seien die Ausführungen des FG-Urteils zu § 12 Nr. 2 EStG und die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH rechtsfehlerhaft. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA den Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid dahin abzuändern, daß weitere 2 112 DM als Sonderausgaben anerkannt würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Leistungen zur gesetzlichen freiwilligen Angestelltenversicherung nach §§ 10, 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes vom 28. Mai 1924 (RGBl I S. 563), geändert durch Gesetz vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S. 1965), sind nur in der Person des Versicherten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG abzugsfähig. Die Regelung über die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung im Angestelltenversicherungsgesetz beruht auf § 1233 RVO und ist als freiwillige Fortsetzung der Versicherung nach dem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zu verstehen. Da die Beiträge nicht von der versicherten Tochter des Klägers selbst entrichtet zu werden brauchten, konnte der Kläger diese Verpflichtung übernehmen. Er mußte sie aber für seine Tochter erfüllen, ohne dadurch aus dem Versicherungsverhältnis berechtigt oder verpflichtet zu werden (§ 1233 RVO). Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG würde auch die Auslegung zulassen, daß ein Steuerpflichtiger die Beiträge, die er zur freiwilligen gesetzlichen Rentenversicherung eines anderen leistet, als seine Sonderausgaben absetzen kann. Bei mehreren möglichen Auslegungen des Gesetzes ist aber derjenigen der Vorzug zu geben, die dem im Wortlaut des Gesetzes in seinem Sinnzusammenhang ausgedrückten Gesetzeszweck entspricht (BFH-Urteil vom 28. April 1970 II 56/65, BFHE 99, 255, BStBl II 1970, 597). Unter Berücksichtigung dieses Auslegungsgrundsatzes ergibt sich, daß ein Steuerpflichtiger, der Beiträge zur Rentenversicherung als Sonderausgaben absetzen will, selbst Verpflichteter aus dem Versicherungsverhältnis sein muß. Es kann nicht dem Sinn der gesetzlichen Regelung entsprechen, daß Steuerpflichtige Beiträge zu Versicherungen als Sonderausgaben geltend machen können, die sie weder vertraglich noch gesetzlich schulden (BFH-Urteil vom 14. Juli 1961 VI 77/61 U, BFHE 73, 461, BStBl III 1961, 435). Der Kläger hätte zwar einen Lebensversicherungsvertrag als Versicherungsnehmer abschließen und seine Tochter als Bezugsberechtigte einsetzen können, ohne den Anspruch auf Berücksichtigung der Prämien als Sonderausgaben zu verlieren (BFH-Urteil vom 20. November 1952 IV 6/52 U, BFHE 57, 91, BStBl III 1953, 36). In diesem Fall wäre der Kläger aber vertraglich zur Zahlung der Prämie gehalten. Der Senat vermag von seiner Rechtsprechung, nach der es für den Sonderausgabenabzug auf die Eigenschaft als Versicherungsnehmer ankommt, auch nicht deshalb abzuweichen, weil die einschlägigen Bestimmungen des Angestelltenversicherungsrechts den technischen Begriff des Versicherungsnehmers nicht kennen. Wie der Kläger selbst ausführt, sind seine Leistungen ethisch lobenswert. Steuerlich stellen sie aber nichtabzugsfähige Einkommensverwendung nach § 12 Nr. 2 EStG dar.
Mit dem FG ist auch davon auszugehen, daß ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegt. Abgesehen davon, daß es sich bei der gesetzlichen Angestellten- und der privaten Lebensversicherung um verschiedene Gebiete handelt, deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber und den Lebensversicherungsgesellschaften vorbehalten bleiben muß, dient die grundsätzliche Bindung des Sonderausgabenabzugs an die Verpflichtung zu einem entsprechenden Aufwand gerade dem Gleichheitsgrundsatz und der Steuergerechtigkeit.
Fundstellen
Haufe-Index 70951 |
BStBl II 1974, 546 |
BFHE 1974, 371 |