Leitsatz (amtlich)
1. Die Möglichkeit, abweichend von § 556 ZPO gegen ein Urteil des FG Anschlußrevision noch bis zur mündlichen Verhandlung einzulegen und zu begründen, ergibt sich aus den gemäß § 155 FGO zu berücksichtigenden Besonderheiten des finanzgerichtlichen Verfahrens. Der I. Senat schließt sich dem Urteil des BFH IV R 111/66 vom 12. Januar 1968 (BFH 91, 145, BStBl II 1968, 207) insoweit an. Die zu § 556 ZPO ergangene Rechtsprechung des BGH (Urteil VII ZR 68/60 vom 15. Juni 1961, NJW 1961, 1816) erfordert mangels inhaltsgleicher Vorschriften für den Zivilprozeß und das finanzgerichtliche Verfahren nicht die Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes.
2. Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter, die auf deren stiller Beteiligung an dieser Gesellschaft beruhen, können verdeckte Gewinnausschüttungen sein. Inwieweit dies der Fall ist, bestimmt sich danach, welche Gegenleistungen die Kapitalgesellschaft einem gesellschaftsfremden Dritten als stillem Gesellschafter für die überlassenen Finanzierungsmittel hätte gewähren müssen und auch gewährt hätte. Dabei muß die für die stille Gesellschaft wesensnotwendige Gewinnabhängigkeit der an die Gesellschafter zu leistenden Vergütungen beachtet werden.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 556; KStG § 6 Abs. 1 S. 2; HGB § 336 Abs. 2 Hs. 2
Tatbestand
Das Stammkapital der Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen), einer GmbH, beträgt 20 000 DM. Gesellschafter sind die Firma
M-GmbH mit 18 000 DM,
A. T. mit 1 000 DM und
F. W. mit 1 000 DM.
Am Stammkapital der M-GmbH in Höhe von 45 000 DM sind beteiligt:
die M-GmbH (eigene Anteile) mit 13 000 DM,
A. T. mit 19 000 DM und
F. W. mit 13 000 DM.
Durch Vertrag vom 10. Juli 1962 beteiligten sich die Gesellschafter A. T. und F. W. ab 1. Juli 1962 mit einer Einlage von je 20 000 DM als stille Gesellschafter an der Steuerpflichtigen. Nach § 4 dieses Vertrages sind sie mit je einem Drittel am Gewinn und Verlust lt. Steuerbilanz der Steuerpflichtigen beteiligt. Das restliche Drittel verbleibt der Steuerpflichtigen.
Zwischen der Steuerpflichtigen und dem Revisionskläger (FA) besteht Streit darüber, ob die den Herren A. T. und F. W. als stillen Gesellschaftern der Steuerpflichtigen zugeflossenen Gewinnbeteiligungen teilweise als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind.
Das FA hielt die den stillen Gesellschaftern zugeflossenen Gewinnanteile für überhöht, da diese Anteile 98,8 v. H. der Einlage (1962) und 88,47 v. H. der Einlage (1963) betrugen. Es behandelte bei der Körperschaftsteuerveranlagung der Steuerpflichtigen für die Streitjahre 1962 und 1963 unter Berufung auf das Urteil des BFH IV 335/61 U vom 7. November 1963 (BFH 78, 155, BStBl III 1964, 61) den 20 v. H. der Einlage übersteigenden Teil der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung.
Das FG gab der hiergegen erhobenen Sprungklage der Steuerpflichtigen teilweise statt, indem es der Steuerpflichtigen 20 v. H. des von ihr erzielten Gewinns vorab zurechnete, die restlichen 80 v. H. entsprechend dem Vertrag über die stille Gesellschaft mit je einem Drittel auf die Steuerpflichtige selbst und ihre beiden stillen Gesellschafter verteilte. Zur Begründung seiner in EFG 1968, 273 veröffentlichten Entscheidung führte es aus, daß gegen die Anerkennung der stillen Gesellschaft zwar keine Bedenken bestünden, die vereinbarte Verteilung des von der Steuerpflichtigen erzielten Gewinns jedoch steuerlich nicht hingenommen werden könne, da für sie nicht nur betriebliche Gegebenheiten bestimmend gewesen seien. Gewinne seien dort zu versteuern, wo sie tatsächlich verdient, nicht aber dort, wohin sie aus außerbetrieblichen Gründen durch besondere Vereinbarung verlagert worden seien. Allgemein sei die Gewinnverteilung nach folgenden Grundsätzen vorzunehmen: Das im Betrieb arbeitende Kapital werde verzinst; für besondere Haftung im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern werde eine Risikoprämie gewährt; die Arbeitsleistung der im Unternehmen arbeitenden Gesellschafter werde vergütet. Letztlich müßten bei der Aufteilung des Gewinns die stillen Reserven und die Ertragskraft der GmbH angemessen berücksichtigt werden, an der sich der stille Gesellschafter durch seine Einlage beteilige. Der dann verbleibende Gewinn werde nach den Kapitalanteilen verteilt.
Bei der Bemessung des Vorabgewinns der Steuerpflichtigen sei zu berücksichtigen gewesen, daß sie im Zeitpunkt der Gründung der stillen Gesellschaft eine gesicherte wirtschaftliche Position auf dem Markt besessen habe. Die Steuerpflichtige sei zwar erst im Juli 1961 gegründet worden, habe jedoch Kunden einer Vorgängerfirma übernehmen können und habe insbesondere in der Muttergesellschaft, der Firma M-GmbH, einen sicheren und ständigen Hauptabnehmer ihrer Erzeugnisse besessen. Des weiteren müsse sich auswirken, daß die Steuerpflichtige als solche die Geschäfte der stillen Gesellschaft führe und für diese Tätigkeit auch einen gewissen Ausgleich beanspruchen könne. Allerdings könne dieser Ausgleich nur gering sein, da die Aufwendungen für die Geschäftsführung - Gehälter der Geschäftsführer - wiederum den Gewinn der GmbH gemindert hätten. Letztlich bestehe auch unter den Beteiligten kein Streit darüber, daß die von der GmbH eingebrachten und in ihr verkörperten Werte und die von ihr ausgeübten Tätigkeiten mit 20 v. H. des Gewinns angemessen vergütet würden.
Die im BFH-Urteil IV 335/61 U (a. a. O.) entwickelten Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dort habe der BFH zwar ausgesprochen, daß ein stiller Gesellschafter und kapitalmäßig Beteiligter einen angemessenen Gewinn nur in Höhe einer Verzinsung der Einlage zuzüglich eines Betrages erhalten könne, der dem Wert seiner Beteiligung für das Unternehmen entspreche. Eine Verzinsung in Höhe von 20 v. H. der Einlage sei angemessen. Der BFH habe diese Grundsätze zu einem Tatbestand ausgesprochen, in dem eine Tochter sich als stille Gesellschafterin an dem Unternehmen ihres Vaters beteiligt und der Firma kein neues Kapital zugeführt habe. Es sei dort lediglich das bisherige Kapital aufgeteilt worden und die Tochter sei bei einer 30 %igen Gewinnbeteiligung - die etwa der Kapitalbeteiligung entsprochen habe - nur mit 30 v. H. ihrer Einlage am Verlust beteiligt worden. Im hier vorliegenden Streitfall dagegen sei der Steuerpflichtigen neues Kapital zugeführt worden und die stillen Gesellschafter müßten mit ihren vollen Einlagen haften. Diese Unterschiede rechtfertigten es, die Grundsätze des genannten BFH-Urteils auf den Streitfall nicht anzuwenden. Abgesehen hiervon müsse beachtet werden, daß es dem Wesen der stillen Gesellschaft widerspreche, den Gesellschaftern nur eine feste Verzinsung ihrer Einlagen zuzubilligen.
Die Vorentscheidung wurde den Beteiligten am 27. Oktober 1967 zugestellt.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer-Bescheide 1962 und 1963 wiederherzustellen. Es rügt die unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 KStG in Verbindung mit §§ 5 und 12 EStG. Im einzelnen wird dargelegt, daß die für die Gewinnverteilung in Familiengesellschaften entwickelten Grundsätze (BFH-Urteile IV 335/61 U, a. a. O., I 38/59 vom 21. Juni 1960, StRK, Einkommensteuergesetz, § 15, Rechtsspruch 187, sowie IV 421/62 U vom 25. Juli 1963, BFH 78, 3, BStBl III 1964, 3) auch für GmbH-Gesellschafter gelten müßten, die an ihrer Gesellschaft zugleich als stille Gesellschafter beteiligt seien. Die durch die Einordnung unter einen einheitlichen Willen bedingte Interessenlage sei hier wie dort die gleiche.
Daß die im Streitfalle gewählte Gestaltung unter Fremden nicht denkbar gewesen sei, ergebe sich aus folgender Überlegung: Sei die zusätzliche Kapitalausstattung mit 40 000 DM durch die stillen Gesellschafter für die GmbH aus wirtschaftlichen Gründen nicht geboten gewesen, so stelle sich der Gewinn der GmbH als Ergebnis ihres eigenen Wirkens als Kapitalgesellschaft und ihrer eigenen Ertragskraft dar. Dann stellten die überhöhten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter freigebige Zuwendungen der GmbH an ihre eigenen Gesellschafter dar, also verdeckte Gewinnausschüttungen. Sei dagegen diese Kapitalausstattung wirtschaftlich geboten oder auch nur sinnvoll und für den Betrieb der GmbH wünschenswert gewesen, dann hätte diese sich die Gelder auf dem Kapitalmarkt zu günstigeren Bedingungen gegen normale Kreditzinsen beschaffen können. Auch dann also handle es sich bei den überhöhten Zinsen um eine verdeckte Gewinnausschüttung.
In der vom FA angestrebten Begrenzung der Gewinnzuweisungen an die stillen Gesellschafter auf je 20 v. H. der Einlage liege auch nicht die Vereinbarung einer festen, von den wechselnden Geschäftsergebnissen unabhängigen Vergütung. Eine solche sei praktisch nur dann gegeben, wenn die GmbH auf lange Sicht mit gleichmäßig so günstigen Gewinnen rechnen könne, daß bei deren Verteilung im Verhältnis der Kapitalanteile stets nominal 20 v. H. der Einlagen erreicht oder überschritten werde. Der Satz von 20 v. H. als obere Grenze der im übrigen variablen Gewinnquote sei so gewählt, daß er auch dem Gesichtspunkt möglicher Haftung gerecht werde. Im übrigen stehe es den Gesellschaftern frei, die Haftung des "stillen" Kapitals rechtsgeschäftlich für die Zukunft auf bestimmte (relative oder absolute) Beträge zu beschränken.
Die Steuerpflichtige rügt mit ihrer Revision, deren Begründung am 28. Dezember 1967 beim BFH einging, daß das FG der Gesamtaufteilung für das Streitjahr 1963 den Handelsbilanzgewinn anstelle des Steuerbilanzgewinns zugrunde gelegt habe. Den von der Steuerpflichtigen zu versteuernden Gewinnanteil habe es dadurch zu Unrecht mit 27 010 DM anstelle von 24 774,23 DM bemessen. Im übrigen beantragt sie, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Auf einen entsprechenden Hinweis des Senatsvorsitzenden beantragt die Steuerpflichtige wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO. Zur Begründung trägt sie vor, daß die Einführung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 1968 ihren Prozeßbevollmächtigten zunächst dazu gezwungen habe, alle anderen Arbeiten mehr oder weniger zurückzustellen. Er habe daher für die Aufarbeitung der Rückstände die Woche vom 18. bis zum 23. Dezember 1967 vorgesehen gehabt. Infolge einer ärztlich bestätigten Zahnerkrankung sei der Prozeßbevollmächtigte dann jedoch nur teilweise arbeitsfähig gewesen, so daß die Revisionsbegründung nicht rechtzeitig habe geschrieben werden können.
Das FA äußerte sich zum Antrag der Steuerpflichtigen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht, hält jedoch dessen sachliches Revisionsbegehren - unrichtige Gewinnermittlung durch das FG - für begründet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Prüfung der Rechtsmittel ergibt folgendes:
1. Die nur das Streitjahr 1963 betreffende Revision der Steuerpflichtigen ist als selbständiges Rechtsmittel unzulässig, denn sie wurde - wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - nicht innerhalb der in § 120 FGO bestimmten Frist begründet. Die von der Steuerpflichtigen vorgetragenen Ursachen der Fristversäumung können eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO nicht rechtfertigen. Die mit der Einführung der Mehrwertsteuer verbundene Mehrbelastung des Prozeßbevollmächtigten der Steuerpflichtigen ist nicht geeignet, die Säumnis zu entschuldigen, denn Arbeitsüberlastung ist in der Regel kein Grund für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. zuletzt BFH-Beschluß II R 8/68 vom 20. Juni 1968, BFH 93, 30, BStBl II 1968, 659). Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln sind aus Gründen der Rechtssicherheit an Fristen gebunden. Sie gehören daher zu den vordringlichsten Arbeiten eines geschäftsmäßigen Vertreters in Steuersachen, hinter denen andere Aufgaben notfalls zurücktreten müssen. Auch die Zahnerkrankung des Prozeßbevollmächtigten machte diesen - wie er selbst vorträgt - nur teilweise arbeitsunfähig. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß er trotz dieser Erkrankung imstande war, zumindest einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO zu stellen, dem nach Lage der Dinge mit Sicherheit entsprochen worden wäre (vgl. BFH-Beschluß VI R 129/67 vom 21. Juli 1967, BFH 89, 509, BStBl III 1967, 706).
Die Revision der Steuerpflichtigen muß jedoch als auch im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich statthafte unselbständige Anschlußrevision (vgl. Beschlüsse des Senats I B 35/67 vom 31. Juli 1967, BFH 90, 92, BStBl III 1967, 784, und I R 183/66 vom 23. August 1967, BFH 90, 272, BStBl II 1968, 60) gewertet werden. Als solche ist sie zulässig, denn sie konnte auch noch nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingelegt und - worauf es im vorliegenden Falle ankommt - begründet werden (vgl. BFH-Urteil IV R 111/66 vom 12. Januar 1968, BFH 91, 145, BStBl II 1968, 207). Zwar widerspricht diese Auffassung der in § 556 ZPO getroffenen Regelung, die vom BGH im Urteil VII ZR 68/60 vom 15. Juni 1961 (NJW 1961, 1816) dahingehend ausgelegt wurde, daß die Anschlußrevision spätestens bis zum Ablauf der für die Revision laufenden Begründungsfrist eingelegt und begründet werden muß. Gleichwohl ist der erkennende Senat nicht gemäß § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661) gehalten, diese Rechtsfrage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen; denn die Möglichkeit, im finanzgerichtlichen Verfahren eine Anschlußrevision noch bis zur mündlichen Verhandlung einzulegen und zu begründen, ergibt sich aus den gemäß § 155 FGO zu berücksichtigenden Besonderheiten dieses Verfahrens, das in der Frage der Anschlußrevision größere Gemeinsamkeiten mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als mit dem Zivilprozeß aufweist (siehe im einzelnen BFH-Urteil IV R 111/66, a. a. O.). Die Vorschriften der §§ 127, 141 VwGO lassen aber die Anschlußrevision bis zur mündlichen Verhandlung zu.
2. Die sich auf beide Streitjahre erstreckende Revision des FA ist unbegründet; die Anschlußrevision der Steuerpflichtigen führt hinsichtlich des Streitjahres 1963 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Steuer.
Gegen die steuerliche Anerkennung einer stillen Gesellschaft zwischen einer Kapitalgesellschaft einerseits und deren Gesellschaftern andererseits bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Die in den Urteilen des BFH I 198/62 U vom 28. Oktober 1964 (BFH 81, 329, BStBl III 1965, 119) und IV 218/65 vom 18. März 1966 (BFH 84, 539, BStBl III 1966, 197) für das partiarische Darlehen mit Gewinnbeteiligung und für die atypische stille Gesellschaft entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Weise für die zwischen diesen beiden Rechtsinstituten stehende typische stille Gesellschaft. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, die stillen Beteiligungen in verdecktes Stammkapital der Steuerpflichtigen umzudeuten (vgl. BFH-Urteile I 317/56 U vom 20. August 1957, BFH 65, 337, BStBl III 1957, 360 und I 136/59 U vom 6. Oktober 1959, BFH 70, 24, BStBl III 1960, 10), sind nicht erkennbar.
Aus der steuerlichen Anerkennung der von der Steuerpflichtigen und ihren Gesellschaftern gewählten Beteiligungsform folgt indes nicht zwingend, daß der gesamte Vertrag vom 10. Juli 1962 über die Errichtung der stillen Gesellschaft, insbesondere auch die Gewinnverteilungsabrede, der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG sind bei der Ermittlung des Einkommens einer GmbH auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist jeder Vermögensvorteil, den eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter zuwendet, den sie aber bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (vgl. zuletzt Entscheidung des Senats I 228/65 vom 23. Oktober 1968, BFH 94, 373, BStBl II 1969, 243). Auch Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter, die auf deren stiller Beteiligung an dieser Gesellschaft beruhen, können verdeckte Gewinnausschüttungen sein. Inwieweit dies der Fall ist, bestimmt sich danach, welche Gegenleistungen die Kapitalgesellschaft einem gesellschaftsfremden Dritten als stillem Gesellschafter für die überlassenen Finanzierungsmittel hätte gewähren müssen und auch gewährt hätte. Die zum Vergleich herangezogene hypothetische Gegenleistung muß daher ihrer Art nach so gestaltet sein, daß sie in den Rahmen der stillen Gesellschaft eingefügt werden kann, ohne diese in ihrem Wesen zu verändern. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Gewinnabhängigkeit.
Nach § 336 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB kann die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn der Gesellschaft nicht ausgeschlossen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) und des BGH liegt eine stille Gesellschaft nicht vor, wenn der stille Gesellschafter für die Hingabe des Kapitals eine vom Geschäftsergebnis unabhängige Vergütung erhalten soll (vgl. Urteil des RG IV 93/28 vom 6. Dezember 1928, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 122 S. 387 [390]; Urteil des BGH IV ZR 87/53 vom 22. Dezember 1953, Lindenmayer-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 139 BGB, Nr. 8). Der Senat schließt sich dieser auch im steuerrechtlichen Schrifttum vertretenen Auffassung an (vgl. - wenn auch einschränkend - Hoffmann in der Finanz-Rundschau 1964 S. 262 und Paulick, Handbuch der stillen Gesellschaft, Nachtrag 1966 S. 10). Der Forderung des Gesetzes, verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Ermittlung der Einkünfte einer Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen, kann entsprochen werden, ohne die von den Betroffenen gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung - stille Gesellschaft - steuerlich in vollem Umfange beiseite zu schieben und durch eine andere - Darlehen - zu ersetzen. Dieser Möglichkeit muß das Steuerrecht Rechnung tragen. Daher kann im vorliegenden Falle entgegen der Auffassung des FA die angemessene Leistung der Steuerpflichtigen an die stillen Gesellschafter nicht anhand einer als Obergrenze gedachten festen Verzinsung des von diesen zur Verfügung gestellten Kapitals ermittelt, sondern es muß ein Modus gefunden werden, der die für die stille Gesellschaft wesensnotwendige Gewinnabhängigkeit der Bezüge der stillen Gesellschafter in vollem Umfange berücksichtigt. Diesem Erfordernis entspricht das von der Vorinstanz gefundene Gewinnverteilungssystem.
Innerhalb dieses Gewinnverteilungssystems ist die Ermittlung eines auch unter Fremden denkbaren Gewinnverteilungsschlüssels von einer Vielzahl von Umständen abhängig. Am bedeutendsten sind, wie in der Vorentscheidung zutreffend gewürdigt, Kapitaleinsatz, Risiko und Arbeitseinsatz. Darüber hinaus sind die vom BFH im Urteil IV R 139/67 vom 15. November 1967 (BFH 90, 399, BStBl II 1968, 152) zur Gewinnverteilung bei der GmbH & Co. KG aufgestellten Grundsätze, soweit sich nicht aus dem Wesen der stillen Gesellschaft etwas anderes ergibt, entsprechend anwendbar. Da die Steuerpflichtige selbst in der von ihr eingelegten Revision der vom FG für die Besteuerung als maßgebend erachteten Gewinnverteilung nicht widerspricht, auch das FA diese Verteilung - abgesehen von grundsätzlichen Bedenken gegen das Gewinnverteilungssystem - für angemessen hält und überdies keine wesentlichen Umstände erkennbar sind, die die in der Vorinstanz vorgenommene steuerlich maßgebende Gewinnverteilung als unzutreffend erscheinen lassen, sieht der Senat keine Veranlassung, diese prozentuale Gewinnverteilung zu ändern.
Gleichwohl konnte der Vorentscheidung hinsichtlich des Streitjahres 1963 nicht gefolgt werden, denn die vom FG ermittelten Vomhundertsätze sind - wie die Beteiligten in der Revision übereinstimmend vortragen - auf den Steuerbilanzgewinn, nicht aber auf den Handelsbilanzgewinn anzuwenden. Als Gewinn für das Streitjahr 1963 ergibt sich somit ausweislich der Berechnung im Schriftsatz der Steuerpflichtigen vom 27. Dezember 1967 ein Betrag von 24 774,23 DM. Die Körperschaftsteuer hieraus beträgt bei Anwendung eines Steuersatzes von 51 v. H. 12 634 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 68672 |
BStBl II 1969, 690 |
BFHE 1969, 397 |