Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungsregelung (Verbleibvoraussetzung) bei der Regionalzulage
Leitsatz (NV)
Das Tatbestandsmerkmal ,,mindestens drei Jahre . . . zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden" verlangt eine dreijährige eigenbetriebliche Nutzung der Wirtschaftsgüter durch den Investor selbst. Eine Nutzungsüberlassung oder Veräußerung der begünstigten Wirtschaftsgüter vor Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist ist daher grundsätzlich zulagenschädlich.
Normenkette
InvZulG 1977 § 1 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb als Einzelunternehmer ein Unternehmen. Er nahm in den Streitjahren (1976 und 1977) an dem Betriebsgebäude Erweiterungen vor, die im Frühjahr 1977 abgeschlossen wurden. Antragsgemäß gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zunächst für diese Investitionen die sog. Regionalzulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (InvZulG 1977). Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Zum 1. April 1979 verpachtete der Kläger seinen gesamten Betrieb an die . . . GmbH . . ., deren Geschäftsführer er war. Gesellschafter der GmbH waren seine Kinder und Schwiegerkinder. In der Folgezeit erklärte der Kläger in seinen Einkommensteuererklärungen weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Nach einer im Jahre 1984 beim Kläger durchgeführten Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, die begünstigten Gebäudeerweiterungen seien nach ihrer Herstellung nicht drei Jahre lang in der Betriebsstätte des Klägers verblieben. Es setzte die Investitionszulage für die Streitjahre auf 0 DM fest und forderte die bereits ausgezahlte Investitionszulage nebst Zinsen vom Kläger zurück.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Durch die Betriebsverpachtung rund zwei Jahre nach Herstellung der Gebäudeerweiterungen sei das Erfordernis einer dreijährigen Verwendung zu eigenbetrieblichen Zwecken nicht erfüllt worden. Zwar treffe es zu, daß die Wirtschaftsgüter trotz der Verpachtung weiterhin zum Betriebsvermögen des Klägers gehörten und dieser durch die Verpachtung auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt habe. Hierin sei aber keine eigenbetriebliche Nutzung zu sehen. Denn die eigenbetriebliche Nutzung der Wirtschaftsgüter erfolge nicht durch den Kläger, sondern durch die GmbH. Die Finanzverwaltung habe im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 31. Dezember 1986 (BStBl I 1987, 51, Tz. 44 und 45) insbesondere bei Fällen der Gesamtrechtsnachfolge ausnahmsweise anerkannt, daß bei der Ermittlung des Dreijahreszeitraums die Zeiträume der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zu den Betriebsstätten des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers zusammenzurechnen seien. Eine gleiche Regelung habe der BMF im selben Schreiben (a. a. O., Tz. 45) für die Fälle der Betriebsaufspaltung getroffen. Derartige Ausnahmen seien jedoch im Streitfall nicht gegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung sei mit dem Wortlaut und dem Sinn des InvZulG nicht vereinbar. Die Wirtschaftsgüter seien aus dem Betriebsvermögen nicht entfernt worden. Sie seien in seiner, des Klägers, Betriebsstätte verblieben. Durch die vorübergehende Verpachtung an die GmbH sei die Zielsetzung des InvZulG auch nicht beeinträchtigt worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig.
Zwar muß die Revision oder die Revisionsbegründung gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die nach Ansicht des Revisionsklägers verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Diesem Erfordernis ist jedoch schon dann Genüge getan, wenn eindeutig erkennbar ist, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1986 VII R 113/82, BFH/NV 1986, 748).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat bereits in seiner Revisionsschrift unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß er § 1 InvZulG 1977 für verletzt hält; denn er beantragte ausdrücklich ,,festzustellen, daß die gewährten Investitionszulagen nach § 1 Investitionszulagengesetz dem Kläger rechtmäßig zustanden".
Die Revision ist jedoch unbegründet.
1. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 c InvZulG 1977 ist die Herstellung von Ausbauten und Erweiterungen an zum Anlagevermögen gehörenden Gebäuden oder Gebäudeteilen begünstigt, wenn die Ausbauten und Erweiterungen nach ihrer Herstellung vom Steuerpflichtigen mindestens drei Jahre lang zu mindestens 90 v. H. zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden.
Wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat, sprechen die in den verschiedenen investitionszulagerechtlichen Vorschriften enthaltenen Tatbestandsmerkmale, wie z. B. ,,zu mindestens 90 v. H. zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden" (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1977); ,,in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben" (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 InvZulG 1977); ,,im eigenen gewerblichen Betrieb" (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 a und b des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG - 1987) oder ,,im Betrieb des Steuerpflichtigen" (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG 1990), die sog. Verbleibvoraussetzung oder Bindungsregelung an, die einheitlich für alle Investitionszulagentatbestände eine Aussage über die tatsächliche Verwendung der begünstigten Wirtschaftsgüter während der Bindungsdauer trifft (Urteile vom 25. Oktober 1985 III R 79/82, BFHE 145, 479, BStBl II 1986, 150; vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739; vom 3. Juni 1987 III R 135/83, BFH/NV 1987, 740). Diese tatsächliche Verwendung ist im Sinne einer eigenbetrieblichen Nutzung der Wirtschaftsgüter durch den Investor zu verstehen. Die Wirtschaftsgüter müssen grundsätzlich während des Verbleibzeitraums tatsächlich (räumlich) in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben. Daraus folgt, daß eine Investitionszulage nur der Investor bekommt, der mit den begünstigten Wirtschaftsgütern selbst Waren produziert oder Dienstleistungen erbringt, und daß Nutzungsüberlassungen oder Veräußerungen von begünstigten Wirtschaftsgütern vor Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist zulagenschädlich sind (BFH in BFH/NV 1987, 740 unter 2.).
2. a) Nach diesen Grundsätzen stehen dem Kläger keine Investitionszulagen zu. Er hat die begünstigten Gebäudeerweiterungen nicht selbst drei Jahre lang nach ihrer Herstellung genutzt, sondern sie zwischenzeitlich an die GmbH verpachtet. Dies ist zulagenschädlich.
b) Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter nach der Verpachtung des Betriebs nicht aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind. Zutreffend ist zwar, daß bei einem sog. ruhenden Betrieb der bisherige Betrieb in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht als fortbestehend angesehen wird; jedoch handelt es sich hierbei nicht um einen sog. werbenden Betrieb. Das Bestehen eines werbenden Betriebs während des dreijährigen Verbleibenszeitraums ist aber Voraussetzung für die Gewährung einer Investitionszulage. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Regionalzulage im besonderen. Regionalzulage wird nur gewährt, wenn die betreffenden Investitionen volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig sind. Diese Voraussetzung ist u. a. nur gegeben, wenn Dauerarbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden (§ 2 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 InvZulG 1977). Ein ,,ruhender" Gewerbebetrieb kann dieser Zielsetzung aber nicht gerecht werden.
c) Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, daß die Vorentscheidung nicht mit dem Sinn des InvZulG zu vereinbaren sei. Durch die in § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1977 enthaltene Verbleibregelung wollte der Gesetzgeber - neben der Verhinderung von Mißbräuchen (s. dazu BFH-Urteil vom 22. April 1988 III R 85/84, BFHE 153, 478, BStBl II 1988, 738, zu § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1982 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung) auch sicherstellen, daß der Investor während des Verbleibzeitraums die begünstigten Wirtschaftsgüter in seinem Betrieb in eigener Person einsetzt; denn er kann am ehesten gewährleisten, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter auch tatsächlich dem Förderungszweck entsprechend genutzt werden. Diesen Gesetzeszweck übersieht der Kläger bei seinem Einwand, die Investitionen hätten trotz der Betriebsverpachtung die Zielsetzung des InvZulG 1977 erfüllt.
d) Die Vorinstanz hat es auch zu Recht abgelehnt, im Hinblick auf die BMF-Schreiben vom 5. Mai 1977 (BStBl I 1977, 246 Tz. 104); vom 10. Dezember 1985 (BStBl I 1985, 683) und vom 31. Dezember 1986 (a. a. O., Tz. 44 f.) weitere Ausnahmen von der Bindungsregelung zuzulassen, und zwar insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß der Investor nach der Nutzungsüberlassung oder Veräußerung weiterhin Einflußmöglichkeiten auf die begünstigten Wirtschaftsgüter haben könnte. Die fortbestehende Möglichkeit der Einflußnahme des Investors auf die Wirtschaftsgüter als übergeordnetes Prinzip zur Rechtfertigung von Ausnahmen von der Verbleibregelung hat der erkennende Senat in seinem Urteil (in BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, unter Nr. 3 d) ausdrücklich abgelehnt. Er hält hieran weiter fest. Es sind von der Revision keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden, die eine Änderung dieser Rechtsprechung rechtfertigen würden.
Fundstellen
Haufe-Index 417955 |
BFH/NV 1992, 340 |