Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen eines Soldaten (Waffensystemoffiziers) für Lehrgänge zum Übergang in den zivilen Beruf
Leitsatz (NV)
Aufwendungen eines Soldaten auf Zeit zur Vorbereitung des Übergangs zum zivilen Beruf sind Fortbildungskosten und keine Ausbildungskosten, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang sowohl mit der bei der Bundeswehr tatsächlich verrichteten als auch mit der im zivilen Beruf angestrebten Tätigkeit stehen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7; FGO § 76
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum Juni des auf das Streitjahr folgenden Jahres (Folgejahr) Waffensystemoffizier (WSO) bei der Bundeswehr. Er erwarb nach entsprechenden Lehrgängen im März des Folgejahres die zivile Verkehrsflugzeugführerlizenz und ist seit Juli für eine Fluggesellschaft tätig.
Der Kläger machte u.a. Lehrgangskosten in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, die Aufwendungen zum Erwerb der zivilen Verkehrsflugzeugführerlizenz seien Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes (EStG), da der WSO einem Militärpiloten nicht gleichzusetzen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt und führte aus: Die Aufwendungen für die Lehrgänge seien keine Ausbildungskosten, sondern Fortbildungskosten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Aufwendungen eines Soldaten zur Vorbereitung des Überganges zum zivilen Beruf Fortbildungskosten, wenn sie in engem sachlichem Zusammenhang sowohl mit der bei der Bundeswehr verrichteten als auch mit der im zivilen Beruf angestrebten Tätigkeit stünden. So liege es im Streitfall. Der Kläger habe das manuelle Fliegen beherrschen müssen. Deshalb sei er bei der Bundeswehr als Pilot ausgebildet worden und auch zur Flugzeugführung berechtigt. Insoweit unterscheide er sich von einem Militärpiloten nur durch eine geringere Zahl an Pflichtflugstunden. Daher bestehe ein enger sachlicher Zusammenhang mit der von ihm angestrebten Tätigkeit als Pilot im zivilen Luftverkehr. Die nach den Angaben des Klägers zur Finanzierung der Ausbildungskosten angefallenen Zinsen seien ebenfalls als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG abzuziehen, weil die Kosten für den Erwerb der Flugzeugführerlizenz Werbungskosten seien. Das FA rügt mit der vom FG zugelassenen Revision Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Nr.7 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Entscheidung des FG, die Aufwendungen des Klägers für die Lehrgänge zum Erwerb der privaten Verkehrsflugzeugführerlizenz seien Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Das FG ist in Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 9. März 1979 VI R 141/77 (BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337, 338) zwar zutreffend davon ausgegangen, daß Fortbildungskosten anzunehmen sind, wenn die Aufwendungen eines Soldaten zur Vorbereitung des Übergangs zum zivilen Beruf in einem engen sachlichen Zusammenhang sowohl mit der bei der Bundeswehr tatsächlich verrichteten als auch mit der im zivilen Beruf angestrebten Tätigkeit stehen. Es hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall jedoch mit der Begründung bejaht, der Kläger sei bei der Bundeswehr als Pilot ausgebildet worden und sei zur Flugzeugführung berechtigt gewesen; er habe sich von einem Militärpiloten nur durch eine geringere Zahl an Pflichtflugstunden unterschieden.
Das FA rügt zu Recht, daß diese Feststellung des FG im Widerspruch zu seinem, des FA, Sachvortrag im Klageverfahren steht. Denn das FA hatte die Berechtigung des Klägers zum Führen von Flugzeugen in der Klageerwiderung ausdrücklich bestritten. Das Bestreiten des FA in der Klageerwiderung hätte eine Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 FGO) und zumindest die Darlegung der Quellen erfordert, aufgrund derer das FG zu der Erkenntnis gelangt ist, der Kläger sei bei der Bundeswehr als Pilot ausgebildet, zur Flugzeugführung berechtigt und unterscheide sich von einem Militärpiloten nur durch eine geringere Zahl an Pflichtflugstunden. Dem Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, auf welche Quellen das FG seine Erkenntnisse stützt. Auch das Protokoll über die mündliche Verhandlung gibt über diese Frage keinen Aufschluß.
Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf diesen Erkenntnissen, die im Widerspruch zum Vortrag des FA stehen. Denn nach der zutreffenden Rechtsauffassung des FG war für die Anerkennung von Fortbildungskosten ein enger sachlicher Zusammenhang der bisherigen mit der vom Kläger angestrebten Tätigkeit im zivilen Luftverkehr erforderlich. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hängt indessen auch nach der eigenen Rechtsansicht des FG von dem zwischen den Beteiligten umstrittenen und deshalb aufklärungsbedürftigen Inhalt der Ausbildung und den Aufgaben des Klägers als WSO ab.
2. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Der Senat hat zwar mit dem Urteil vom 24. April 1992 VI R 131/89 (BFHE 168, 144, BStBl II 1992, 963) entschieden, daß die Aufwendungen eines Flugingenieurs für den Erwerb der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer 2. Klasse mit dem Ziel, Copilot zu werden, als Werbungskosten abziehbar und keine Berufausbildungskosten sind. Die in dieser Entscheidung aufgestellten Merkmale für die Abgrenzung zwischen Berufsausbildung und beruflicher Fortbildung sind auch bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob die Aufwendungen eines Soldaten zur Vorbereitung des Übergangs zu einem zivilen Beruf als Werbungskosten abziehbar sind.
Die verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG reichen aber nicht für eine eigene Entscheidung des Senats aus. Das angefochtene Urteil enthält keine verfahrensfehlerfrei getroffenen konkreten Feststellungen darüber, ob und ggf. in welchem Umfang und auf welche Weise der Kläger bei dem Erwerb der Verkehrsflugzeugführerlizenz auf die durch die Berufsausbildung als WSO erworbenen Kenntnisse aufbauen konnte und ob z.B. in einigen Fächern aufgrund der bisherigen Tätigkeit des Klägers eine Befreiung von Prüfungsfächern erfolgt ist. Das FG wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 418764 |
BFH/NV 1993, 226 |