Leitsatz (amtlich)
Aus der Ingwerwurzel durch Extraktion gewonnene Auszüge, die neben 25 % ätherischen Ölen (wohlriechende Stoffe) alle anderen Inhaltsstoffe der Ingwerwurzel enthalten (Gingerol, Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe, Kohlehydrate und andere Extraktstoffe), fallen nicht unter die Tarifnr. 33.01 GZT (ätherische Öle und Resinoide), sondern unter die Tarifnr. 13.03 GZT (Pflanzensäfte und -auszüge).
Normenkette
GZT Tarifnr. 13.03; GZT Tarifnr. 33.01; GZT Vorschrift h zu Kap. 13
Tatbestand
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Mai 1977 eine als Ingwerextrakt bezeichnete und aus den USA stammende Ware ein. Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus der Ingwerwurzel, den man durch Extraktion mit organischen Lösungsmitteln (Aceton) und anschließendem Abdestillieren des Lösungsmittels gewinnt. Der Extrakt enthält alle in den Lösungsmitteln löslichen Inhaltsstoffe der Ingwerwurzel einschließlich des ätherischen Ingweröls, wobei nach den unstreitigen Angaben der Klägerin höchstens 25 % auf ätherisches Öl und der Rest auf sonstige Extraktstoffe des Ingwers entfällt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) tarifierte die Ware antragsgemäß als Pflanzenauszug der Tarifnr. 13.03 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT). Später tarifierte das HZA aufgrund eines Gutachtens der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) die Ware als Resinoid der Tarifst. 33.01 C GZT und erhob Zoll nach.
Einspruch und Klage, mit der die Klägerin geltend machte, daß der eingeführte Ingwerextrakt als Pflanzenauszug zu tarifieren sei, weil die Ware außer dem ätherischen Ingweröl alle typischen Inhaltsstoffe und Bestandteile des Ingwers, nämlich Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe. Kohlehydrate etc. enthalte und als Gewürzstoff vorwiegend für Fleischwaren, Suppen, Gemüse, Soßen etc. benutzt werde, hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) Hamburg führte in seinem Urteil vom 1. Juni 1979 IV 107/78 H (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1979, 576) aus, der eingeführte Ingwerextrakt sei unstreitig ein Pflanzenauszug, der jedoch nach der Vorschrift h zu Kap. 13 GZT nicht unter die Tarifnr. 13.03 GZT falle, wenn er die Merkmale der Resinoide der Tarifnr. 33.01 GZT erfülle. Resinoide, die für die Lebensmittelindustrie bestimmt seien, würden häufig auch Oleoresine genannt (ErlGZT in Erläuterungen zum Zolltarif – ErlZT – Teil II Rdnr. 12 zu Tarifnr. 33.01 GZT). Die eingeführte Ware weise die dargestellten Merkmale des Resinoids bzw. des Oleoresins auf. Sie enthalte unstreitig 25 % Ingweröl und die übrigen Extraktstoffe des Ingwers. Sie weise, wie bei einer Geruchsprobe in der mündlichen Verhandlung festgestellt worden sei, einen deutlichen Geruch auf und werde als Gewürzstoff für die Lebensmittelzubereitung verwendet.
Der Bezeichnung der Ware als Resinoid stehe nicht entgegen, daß nach den Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (ErlNRZZ) Resinoide sich von Pflanzenauszügen dadurch unterscheiden, daß sie hauptsächlich aus wohlriechenden Bestandteilen bestünden (ErlZT Teil I Rdnr. 43 zu Tarifnr. 13.03 GZT). Es könne dahingestellt bleiben, ob der Begriff „hauptsächlich” i. S. von „charakterbestimmend” zu verstehen sei. Denn die Tarifierung sei in erster Linie anhand der Merkmale zur Tarifst. 33.01 C GZT vorzunehmen. Es komme dann nicht mehr darauf an, ob nach den genannten ErlNRZZ zur Tarifnr. 13.03 GZT eine Tarifierung auch nach dieser Tarifnummer in Betracht komme.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des GZT. Zur Begründung trägt sie vor, daß es sich bei der Ware unstreitig um einen Pflanzenauszug handele, der sämtliche Inhaltsstoffe des Ingwers wie Gingerol, Harz, Stärke etc. sowie ätherische Öle enthalte, letztere zu allenfalls ca. 25 %, und der nur dann nicht der Tarifnr. 13.03 GZT zuzuweisen sei, wenn er als ätherisches Öl bzw. Resinoid anzusehen sei. Bei den unter die Tarifnr. 33.01 GZT fallenden ätherischen Ölen handele es sich um Waren, bei denen das Vorhandensein von Geruchsstoffen ein wesentliches Merkmal darstelle. Das gelte auch für die neben den ätherischen Ölen genannten Resinoide. Die in dem eingeführten Ingwerextrakt enthaltenen ätherischen Öle machten ihn nicht zu einem Resinoid. Kennzeichnend für den Ingwerextrakt seien vielmehr seine übrigen Inhaltsstoffe, einschließlich des seinen Geschmack bestimmenden Gingerols, weshalb er auch als Gewürzstoff verwendet werde.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG den Steueränderungsbescheid vom 12. Juli 1977 sowie die Einspruchsentscheidung des HZA vom 12. Juni 1978 aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor, das eingeführte Ingwer-Oleoresin zeichne sich dadurch aus, daß es, da es alle Aromenbestandteile des Naturgewürzes in hochkonzentrierter Form enthalte, dessen Aroma (Geruch und Geschmack) vollständiger wiedergebe, als es das im Ausgangsmaterial enthaltene Öl (Ingweröl) allein vermöge. Der Ansicht der Klägerin, daß für das Ingwer-Oleoresin nicht das ätherische Öl (Ingweröl), sondern die übrigen Inhaltsstoffe kennzeichnend seien, sei entgegenzuhalten, daß der Ingwerextrakt unstreitig einen Anteil von 25 % Ingweröl enthalte, während dieser Anteil im Ausgangsmaterial etwa 0,6 bis 3,4 % betrage. Ingweröl rieche aromatisch nach Ingwer. Ätherische Öle vermittelten nicht nur einen charakteristischen Geruch. Sie gehörten zu den aromatischen Geschmacksstoffen. Andererseits kennzeichne der verhältnismäßig hohe Anteil an Ingweröl nicht allein das Ingwer-Oleoresin. Auch die übrigen Geruchs- und Geschmacksstoffe (einschließlich des Gingerols) trügen dazu bei.
Der Senat hat mit Beschluß vom 10. Februar 1981 (BFHE 132, 367) den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) angerufen und ihm mehrere Auslegungsfragen gestellt
Der EuGH hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 27. Mai 1982 Rs. 49/81 wie folgt beantwortet:
- Erzeugnisse, die außer wohlriechenden Stoffen noch wesentlich größere Mengen der verschiedenen anderen Bestandteile der Pflanze enthalten wie Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe oder andere Geschmacksstoffe, ferner Kohlehydrate und andere Extraktstoffe, die die typischen Merkmale des Erzeugnisses mitbestimmen, fallen nicht unter die Tarifnr. 33.01 GZT („ätherische Öle und Resinoide”).
- Ein Erzeugnis wie das Gingerol gehört nicht zu den unter diese Tarifnummer fallenden wohlriechenden Stoffen, da seine wesentlichen Merkmale überwiegend durch den Geschmack und nicht durch den Geruch bestimmt werden.
Die Klägerin sieht ihre Tarifauffassung durch die Entscheidung des EuGH bestätigt.
Das HZA ist der Auffassung, daß Abs. 1 des Tenors der Entscheidung des EuGH, wonach zur Tarifnr. 13.03 GZT Erzeugnisse gehören, die u. a. wohlriechende Stoffe enthalten, in den Entscheidungsgründen unter Hinweis auf die ErlNRZZ k zu Tarifnr. 13.03 GZT (ErlZT Teil I Rdnr. 43) dahin präzisiert werde, daß diese Auszüge nur einen Teil der im Ausgangsmaterial vorhandenen wohlriechenden Stoffe enthalten dürften. Der zu tarifierende Ingwerextrakt enthalte aber unstreitig nicht nur einen Teil, sondern alle wohlriechenden Stoffe des Ausgangsmaterials. Der EuGH habe im Tenor seines Urteils bedauerlicherweise ausdrücklich nur die mengenmäßige Zusammensetzung des zu tarifierenden Erzeugnisses angesprochen. Deshalb könne man bei Außerachtlassung der Entscheidungsgründe zu der Auffassung gelangen, daß nur Pflanzenauszüge mit einem mehr als 50 %igen Anteil an wohlriechenden Stoffen als Waren der Tarifst. 33.01 C GZT anzusehen seien. Das könne aber, da Pflanzenauszüge, wie unstreitig, grundsätzlich nie eine so hohe Konzentration an wohlriechenden Stoffen enthielten, nicht richtig sein. Es sei daher notwendig, den Tenor des EuGH-Urteils unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe auszulegen. In der genannten ErlNRZZ k zur Tarifnr. 13.03 GZT, auf die sich der EuGH fast ausschließlich gestützt hat, seien zwei Kriterien für die Tarifierung einer Ware nach Tarifnr. 13.03 GZT genannt:
- Der Pflanzenauszug dürfe nur einen Teil der im Ausgangsmaterial vorhandenen wohlriechenden Stoffe beinhalten.
Die wohlriechenden Stoffe dürften nicht überwiegen. Im Hinblick auf diese vom EuGH bestätigte Regelung sei mithin der Tenor wie folgt zu lesen:
Erzeugnisse, die außer wohlriechenden Stoffen – die aber nur einen Teil der im Ausgangsmaterial enthaltenen wohlriechenden Stoffe repräsentieren dürfen – noch wesentlich größere Mengen der verschiedenen anderen Bestandteile der Pflanze enthalten wie …, fallen nicht unter die Tarifnr. 33.01 GZT.
Sollte diesen Überlegungen nicht gefolgt werden können und ausschließlich die mengenmäßige Zusammensetzung des streitigen Resinoids für seine Tarifierung herangezogen werden, werde angeregt, dem EuGH die Auslegungsfrage vorzulegen, ob für einen Pflanzenauszug, der weniger als 50 % wohlriechende Stoffe, jedoch nicht nur einen Teil, sondern alle wohlriechenden Stoffe des Ausgangsmaterials hochkonzentriert enthält, die Tarifposition 33.01 oder 13.03 GZT zutreffend sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und der angefochtenen Verwaltungsakte.
Der EuGH hat in für den Senat bindender Weise entschieden, wie die Tarifnr. 33.01 GZT (ätherische Öle und Resinoide) auszulegen ist. Er hat damit auch entschieden, daß Erzeugnisse, die nach der von ihm vorgenommenen Auslegung nicht unter die Tarifnr. 33.01 GZT fallen, bei der für Pflanzenauszüge in erster Linie in Betracht kommenden Tarifnr. 13.03 GZT (Pflanzensäfte und -auszüge) verblieben (vgl. Vorschrift h zu Kap. 13 GZT). Nach den unstreitigen Angaben der Klägerin enthält der eingeführte Ingwerextrakt höchstens 25 % ätherisches Öl. Die in dem Ingwerextrakt daneben enthaltenen anderen Bestandteile der Ingwerwurzel (nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe, Gingerol, Kohlehydrate und andere Extraktstoffe) sind nicht den wohlriechenden Stoffe zuzurechnen. Das gilt, wie der EuGH unter Nr. 2 des Tenors entschieden hat, auch für das Gingerol, da seine wesentlichen Merkmale überwiegend durch den Geschmack und nicht durch den Geruch bestimmt werden. Diese genannten Bestandteile sind, ohne wohlriechende Stoffe zu sein, für den Geschmack und für die typischen Merkmale des Ingwerextrakts mitbestimmend.
Der Senat kommt zu dem Ergebnis, daß ein Ingwerextrakt, der höchstens 25 % ätherisches Öl enthält und im übrigen aus anderen Geschmacks- und Extraktstoffen besteht, nicht unter die Tarifnr. 33.01 GZT fällt. Dieses Erzeugnis enthält gegenüber den wohlriechenden Stoffen i. S. der EuGH-Entscheidung noch wesentlich größere Mengen der anderen Geschmacks- und Extraktstoffe. Anders könnte nur dann entschieden werden, wenn Pflanzenauszüge bei einem ähnlichen Anteil an wohlriechenden Stoffen solche anderen Bestandteile enthielten, die weder als Geschmacksstoffe noch auch als Extraktstoffe, die die typischen Merkmale des Erzeugnisses mitbestimmen, angesehen werden können. Dafür gibt es aber nach den vom FG getroffenen Feststellungen im vorliegenden Falle keine Anhaltspunkte. Das folgt schon daraus, daß die Ware, wie das FG festgestellt hat, so wie sie ist, als Gewürzstoff für die Lebensmittelzubereitung verwendet wird.
Der Auslegung, die das HZA dem Abs. 1 des Urteilstenors in Verbindung mit den Entscheidungsgründen Nr. 9 entnehmen möchte, kann nicht gefolgt werden. Abs. 1 des Entscheidungstenors beginnt mit den Worten: „Erzeugnisse, die außer wohlriechenden Stoffen noch wesentlich größere Mengen der verschiedenen anderen Bestandteile der Pflanze enthalten …” Der Wortlaut dieses Entscheidungssatzes ist unmißverständlich. Er stellt den im konkreten Falle festgestellten Anteil der wohlriechenden Stoffe den anderen Bestandteilen der Pflanze, aus der der Pflanzenauszug gewonnen worden ist, gegenüber. Es kommt deshalb nur darauf an, in welchem mengenmäßigen Verhältnis der Anteil wohlriechender Stoffe zu dem Anteil der anderen Bestandteile steht, und nicht darauf, ob die wohlriechenden Stoffe der Pflanze im Pflanzenauszug vollständig oder nur teilweise enthalten sind. Daran ändert sich nichts dadurch, daß der EuGH sich in den Entscheidungsgründen in diesem Zusammenhang auf die ErlNRZZ k zur Tarifnr. 13.03 GZT berufen hat. Mit den Worten: „Der Auszug unterscheidet sich von dem ätherischen Öl dadurch, daß er außer einem Teil der wohlriechenden Stoffe noch wesentlich größere Mengen an … enthält”, soll nicht etwa gesagt werden, daß diese Erläuterung, die der EuGH zum großen Teil wörtlich in Abs. 1 des Entscheidungstenors übernommen hat, nur dann gelte, wenn der Bestandteil der wohlriechenden Stoffe nur einen Teil diese in der Pflanze enthaltenen Stoffe darstelle. Die Worte „außer einem Teil der wohlriechenden Stoffe” sind vielmehr, wie es auch der EuGH für richtiggehalten hat so aufzufassen, daß der Anteil der wohlriechenden Stoffe dem Anteil der anderen Bestandteile gegenüberzustellen ist. Daß diese Worte nur so zu verstehen sind, ergibt sich aus der englischen Fassung dieser Erläuterung. Sie lautet: „An extract differs from an essential oil in that it contains,apart from the odeoriferons constituents a far higher proportion of other plant substances …” Die kursiv geschriebenen Worte sind mit „abgesehen von den wohlriechenden Bestandteilen” zu übersetzen.
Es besteht nach allem kein Anlaß, erneut den EuGH anzurufen und ihn um Auslegung seines in dieser Sache ergangenen Urteils zu bitten.
Fundstellen
Haufe-Index 510558 |
BFHE 1982, 120 |