Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Betriebsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Die in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs ausgesprochenen Grundsätze für die Anerkennung einer Buchführung als ordnungsmäßig zur Erlangung von Steuervergünstigungen, sind auch dort anzuwenden, wo es sich nicht um versehentliche, sondern um bewußt unrichtig vorgenommene Buchungen handelt.
Die subjektiven Verhältnisse bei der Führung der Bücher sind von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Beweiskraft der Buchführung hinsichtlich der in ihr dargestellten Tatbestände (§ 208 AO).
Wo das Gesetz Vergünstigungen von dem Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung abhängig macht (§ 7 a, § 7 c, § 10 Abs. 1 Ziff. 3, 4 EStG 1949), kommt es auf den objektiven Zustand der Buchführung an, wie er sich nach der Würdigung im Rahmen der Veranlagung darstellt.
Normenkette
EStG § 7a; AO § 208
Tatbestand
Gelegentlich einer steuerlichen überprüfung durch den Steuerfahndungsdienst erklärte der Mitinhaber X. der Beschwerdegegnerin - Bgin. - (OHG) am 20. Dezember 1949 den Fahndungsbeamten, sie stelle aus drei verschiedenen Bestandteilen eine Treibstoffmischung her, die sie an ihre Kunden ohne Benzinmarken abgeben könne. Sie unterhalte ein Steuerzwischenlager, das der Kontrolle des Hauptzollamts unterliege, das ihr gewisse Schwundmengen, die sich zwangsläufig ergäben, zugestanden habe. Sämtliche Lieferungen der von ihr bezogenen Treibstoffe seien ordnungsmäßig verbucht worden, jedoch habe sie aus den ihr zugestandenen Schwundmengen hin und wieder kleinere Mengen ohne Beleg verkauft und die Einnahmen nicht verbucht. X. schätze diese Mengen für II/1948 und 1949 auf je 5.000 DM und erstattete insoweit Selbstanzeige nach § 410 der Reichsabgabenordnung (AO).
In einer weiteren protokollarischen Erklärung vom 10. Januar 1950 erklärte X. sich damit einverstanden, daß die unversteuert gebliebenen Mehrumsätze und Mehrgewinne für II/1948 und 1949 auf je 5.000 DM geschätzt würden. Gleichzeitig verzichtete er gemäß § 248 AO auf die Einlegung von Rechtsmitteln.
Das Finanzamt stellte daraufhin den Gewinn der OHG für II/1948 auf 66.403 DM und für 1949 auf 123.502 DM einheitlich fest. Hierbei wurden die von der OHG aus § 7 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgenommene Sonderabschreibung von 891,50 DM in II/1948 und 17.418,45 DM im Kalenderjahr 1949 nicht anerkannt und die von der Steuerpflichtigen (Stpfl.) beantragte Verbindung der Geschäftsjahre II/1948 und 1949 nicht zugelassen, weil die Buchführung nicht als ordnungsmäßig angesehen werden könne.
Im Berufungsverfahren stützte sich die OHG auf das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 69/50 U vom 4. August 1950 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 I S. 187). Sie habe in II/1948 einen Umsatz von 943.834 und in 1949 von 3.154.585 DM erzielt. Die nicht verbuchten Geschäfte machten somit 0,53, bzw. 0,16 % des Umsatzes aus. Auch wenn man den geschätzten Gewinn dem Gesamtgewinn gegenüberstelle, ergäben sich nur Quoten von 7,2 und 3,8 v. H. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, daß eine ordnungsmäßige Buchführung grundsätzlich nicht anerkannt werden könne, wenn bestimmte Geschäftsvorfälle bewußt nicht verbucht worden seien, auch wenn es sich um verhältnismäßig kleine Beträge handele.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies wie folgt:
Auch auf den vorliegenden Fall müßten die Grundsätze des Urteils des Obersten Finanzgerichtshofs IV 69/50 U vom 4. Aug. 1950 angewandt werden. Hierbei könne die Frage, ob eine Buchführung noch als ordnungsmäßig anzusehen sei, nicht nach starren Hundertsätzen beurteilt werden. Ein unbeabsichtigtes Versehen vermöge das Vertrauen in die Buchführung in geringerem Masse zu beeinträchtigen, als es bei bewußten, in der Absicht der Steuerverkürzung vorgenommenen Nichtbuchungen der Fall sei. Aber auch im letzteren Falle könne die Steuervergünstigung nicht allgemein versagt werden. Bewußte Steuerverfehlungen unbedeutenden Umfanges könnten auf diesem Wege nicht dergestalt geahndet werden, daß dem Stpfl. durch die Versagung der Steuervergünstigungen steuerliche Nachteile in einem Umfange aufgebürdet würden, wie sie nicht einmal im steuerlichen Strafverfahren als kriminelle Strafe festgesetzt würden. Entscheidend sei im Einzelfalle, ob die aufgedeckten Verfehlungen vermuten ließen, daß noch weitere nicht aufgedeckte Mängel vorhanden und die Buchungsmethoden des Stpfl. demgemäß als unzuverlässig anzusehen seien. Im vorliegenden Fall treffe dies nicht zu. Hierzu komme, daß X. freiwillig, wenngleich vermutlich unter dem Einfluß einer drohenden Steuerüberprüfung, den Vorgang dem Finanzamt mitgeteilt habe. Der Reichsfinanzhof habe in der Entscheidung VI 115/38 vom 9. März 1938, Steuer und Wirtschaft Nr. 229, ausgesprochen, die Steuervergünstigung des Verlustvortrages könne nur dann verweigert werden, wenn die Buchführung derart ungeordnet und falsch sei, daß aus ihr auch bei Richtigstellung einzelner Fehler ein klares Bild über Gewinne und Verluste nicht zu erhalten sei. Die vom Reichsfinanzhof entwickelten Grundsätze hätten in ihren Grundlagen der Oberste Finanzgerichtshof und der Bundesfinanzhof beibehalten.
Bei der Beurteilung der Frage dürfe nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 356/51 U vom 27. März 1952, BStBl. III S. 122, der Zweck der Bestimmung hinsichtlich des Erfordernisses einer ordnungsmäßigen Buchführung nicht unbeachtet bleiben. Dieser Zweck bestehe darin, daß die Höhe der Anschaffungen, für die nach § 7 a EStG eine erhöhte Abschreibung in Anspruch genommen werde, aus der Buchführung zuverlässig festgestellt werden könne und daß in gleicher Weise der zu verteilende Gewinn aus der Buchführung zweifelsfrei ersichtlich sei. Beide Möglichkeiten würden durch die streitigen Vorgänge nicht beeinflußt.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamts wiederholt die Auffassung, daß auch unwesentliche Verstöße, die sich auf Steuerverkürzungsabsicht gründeten, dazu führen müßten, die Steuervergünstigungen zu versagen. Am Gewinn gemessen könnten die nicht verbuchten Beträge auch nicht mehr als unwesentlich angesehen werden.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Umstritten ist zunächst die Frage hinsichtlich der Verteilung des Betriebsergebnisses der verbundenen Wirtschaftsjahre II 1948 und 1949 auf die beiden Veranlagungsabschnitte. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist insoweit unbegründet. Die Firma ist als OHG in das Handelsregister eingetragen. Wie in der Entscheidung I 72/52 U vom 10. Oktober 1952, BStBl. 1953 III S. 3, dargestellt ist, hängt bei Kaufleuten, die in das Handelsregister eingetragen sind, die Verbindung der Geschäftsjahre nicht von der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ab. Es bedarf deshalb für diesen Streitpunkt nicht einer Prüfung der Frage, ob die Buchführung noch als ordnungsmäßig anerkannt werden kann.
Anders ist die Rechtslage bei der Vergünstigung des § 7 a EStG.
Dem Finanzamt ist darin beizupflichten, daß die Rechtsprechung bisher bei der Frage der Bedeutung von Buchführungsmängeln für die Anerkennung einer Buchführung als ordnungsmäßig im wesentlichen nur Fälle behandelt hat, wo die Mängel der Buchführung nicht auf die Absicht der Steuerverkürzung zurückzuführen waren. Die hier zu entscheidende Rechtsfrage geht dahin, inwieweit Steuerverkürzungsabsicht bei Falschbuchungen die Grundsätze, die die Rechtsprechung bisher entwickelt hat, berührt.
Der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs entspricht es, daß auch Mängel der Buchführung, die ohne Verschulden gegeben sind, z. B. durch Kriegseinwirkungen (Entscheidungen des Obersten Finanzgerichtshofs IV (VI) 21/47 vom 4. Mai 1948, Steuer und Wirtschaft Nr. 22, IV 78/49 U vom 13. Januar 1950, Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen S. 343, Bayer. Amtsblatt des Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - S. 62) dazu führen, die Gewährung der Steuervergünstigung zu versagen. Der Grund hierfür ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmung. Die Vergünstigung kann nur gewährt werden, wenn die Vorgänge durch die Unterlagen einer Buchführung überwacht werden können. Fehlt der Nachweis durch eine Buchführung, so besteht keine Gewähr dafür, daß die wirtschaftlichen Vorbedingungen, an die die Vergünstigung geknüpft wird, gegeben sind, bzw. eingehalten werden. Hieraus folgt, daß für die Beurteilung des Rechtsproblems in erster Linie die objektiven Verhältnisse der Buchführung maßgebend sind und die subjektiven Auffassungen und Absichten des Buchführenden in ihrer Bedeutung zurücktreten.
Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß die Bestimmungen über das Erfordernis einer ordnungsmäßigen Buchführung keine Belohnung für das Buchführen darstellen, sondern in den bereits oben mitgeteilten überwachungszwecken begründet sind. Wie das Finanzgericht gleichfalls zutreffend ausführt, stellt deshalb die Ablehnung der Vergünstigung keine Strafe für eine nicht ordnungsmäßig geführte Buchführung dar.
Es muß dem Finanzamt darin beigepflichtet werden, daß es von wesentlicher Bedeutung für die Veranlagung eines Stpfl. ist, ob eine Falschbuchung in einem Versehen oder der Unkenntnis des Buchführenden begründet ist oder in der Absicht der Steuerverkürzung. Man wird in bewußten Falschbuchungen einen stärkeren Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erblicken müssen, als in versehentlichen Falschbuchungen. Bewußte Falschbuchungen werden in wesentlich größerem Ausmaße dazu führen, Bedenken gegen das sachliche Gesamtergebnis der Buchführung zu erwecken als versehentliche unzutreffende Buchungen. Hieraus ergibt sich, daß die Frage, auf welche Beweggründe die mangelhafte Buchführung zurückgeht, von entscheidender Bedeutung für die Anerkennung des Buchführungsergebnisses bei der Veranlagung ist. Legt man trotz der Falschbuchungen im wesentlichen das Ergebnis der Buchführung der Veranlagung zugrunde, so widerspricht es der Auffassung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs, eine abweichende Beurteilung hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei der Anerkennung und Versagung der Steuervergünstigung vorzunehmen. Wie der Reichsfinanzhof in seiner Rechtsprechung stets zum Ausdruck gebracht hat, kann die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nur einheitlich entschieden werden. Im einzelnen siehe die in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 356/51 U vom 27. März 1952 mitgeteilte Rechtsprechung.
Die subjektiven Verhältnisse bei der Führung der Bücher sind somit von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Beweiskraft der Buchführung hinsichtlich der in ihr dargestellten Tatbestände (§ 208 AO). Wo aber das Gesetz Vergünstigungen von dem Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung abhängig macht (§ 7 a, § 7 c, § 10 Abs. 1 Ziff. 3 und Ziff. 4 EStG 1949), kommt es auf den objektiven Zustand der Buchführung an, wie er sich nach der Würdigung im Rahmen der Veranlagung darstellt. Mit den gesetzlichen Bestimmungen wäre es nicht vereinbar, die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei der Gewährung von Steuervergünstigungen mit dem Problem der Strafwürdigkeit mangelhafter Buchungen zu verquicken.
Grundsätzlich muß somit davon ausgegangen werden, daß auch bei bewußten Falschbuchungen nicht ohne weiteres die steuerlichen Vergünstigungen versagt werden können. Die entscheidende Frage besteht darin, in welchem Umfange derartige Falschbuchungen noch als unschädlich anzusehen sind. Können die Falschbuchungen im vollen Umfang berichtigt werden, und wird ausschließlich das Buchführungsergebnis der Veranlagung zugrunde gelegt, so muß die Steuervergünstigung, die man an eine ordnungsmäßige Buchführung knüpft, gewährt werden. Führen die Falschbuchungen zu Schätzungen, so ist die Frage zu entscheiden, ob es sich um eine "ergänzende" Schätzung zum Buchführungsergebnis handelt. Die Grenze, inwieweit man eine steuerunschädliche ergänzende Schätzung zum Buchführungsergebnis oder eine steuerschädliche Schätzung des gesamten Ergebnisses unter Verwendung der Buchführungsunterlagen anzunehmen hat, ist überflüssig. Es können hier, wie bereits das Finanzgericht ausführt, keine schematischen Hundertsätze aufgestellt werden. Die Entscheidung, ob man die Buchführung trotz der Schätzungen, die sich als Folge der Mängel notwendig machen, noch als "ordnungsmäßig" im Sinne des Gesetzes ansehen kann, hat unter Würdigung des gesamten Tatbestandes zu erfolgen. Erforderlich ist stets, daß der wirtschaftliche Vorgang, für den die Buchführung die erforderliche überwachungsmöglichkeit bieten soll, in der Buchführung zuverlässig verfolgt werden kann.
Im vorliegenden Falle hat die Firma ihre bewußt unterlassenen Buchungen dem Finanzamt mitgeteilt. Aber sie war nicht in der Lage, die nicht verbuchten Geschäftsvorfälle entsprechend den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Buchführung in Grundbüchern und in Hauptbüchern darzustellen. Sie konnte somit ihre Buchführung nicht richtigstellen. Die Geschäfte und die hieraus erzielten Umsätze und Gewinne mußten geschätzt werden. Das Finanzgericht sah es unter Würdigung der gesamten Verhältnisse noch als vertretbar an, diese Schätzung als eine ergänzende Schätzung zum Buchführungsergebnis anzuerkennen. Mit Recht hat hierbei das Finanzgericht der Tatsache Bedeutung zugemessen, daß die überwachung des Vorganges, für den die Steuervergünstigung gewährt werden soll, durch den Mangel der Buchführung nicht berührt wird. Dem Finanzamt mag darin beizupflichten sein, daß auch eine der OHG ungünstige Beurteilung hätte erfolgen können. Es handelt sich um Geschäfte recht beachtlichen Umfanges. Der Senat glaubt aber, von einer Aufhebung der Vorentscheidung absehen zu sollen. Es handelt sich um einen Tatbestand, für dessen Beurteilung das Ermessen des Beurteilenden von Bedeutung ist. Man kann zu ihm je nach der persönlichen Auffassung verschieden Stellung nehmen. Der Senat trägt aber Bedenken, die Entscheidung der Tatsacheninstanz, die den Verhältnissen näher steht als die Rechtsbeschwerdeinstanz, in einem Falle aufzuheben, wo auch die Würdigung der Tatsacheninstanz möglich erscheint.
Die Rb. des Finanzamtsvorstehers muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407582 |
BStBl III 1953, 106 |
BFHE 1954, 268 |
BFHE 57, 268 |