Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zuständigkeit bei Restitutionsklagen
Leitsatz (NV)
Richtet sich eine Restitutionsklage gegen ein Urteil oder einen Beschluß des Bundesfinanzhofs, so kann abweichend vom Wortlaut der §§ 580 und 584 ZPO der Bundesfinanzhof zur Entscheidung über diese Klage zuständig sein.
Normenkette
FGO § 134; ZPO §§ 580, 584
Tatbestand
Durch Beschluß vom 14. August 1986 VIII R 107/84 BFH / NV 1987, 103 hat der Senat die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 11. Januar 1984 IX 7479/82 E wegen verspäteter Einreichung der Revisionsschrift als unzulässig verworfen. Der Senat ist in dieser Entscheidung davon ausgegangen, daß die Revisionsfrist am 19. März 1984 abgelaufen war und die unmittelbar an den Bundesfinanzhof (BFH) gerichtete Revisionsschrift von diesem an das FG weitergeleitet wurde, wo sie am 20. März 1984 eingegangen ist.
Mit Schriftsatz vom 15. September 1986 stellten die Kläger den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Zur Begründung trugen sie vor, ihr Prozeßbevollmächtigter habe gleichzeitig mit der Absendung der Revisionsschrift an den BFH auch ein unterschriebenes Exemplar dieser Schrift an das FG gesandt, wo es noch innerhalb der Revisionsfrist eingegangen sein müsse. Dies entspreche ständiger Praxis ihres Prozeßbevollmächtigten.
Die Geschäftsstelle des Senats hat dem FG eine Abschrift des Schriftsatzes des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 15. September 1986 mit der Bitte um Mitteilung übersandt, ob dort ein unmittelbar an das FG gerichtetes Exemplar der Revisionsschrift eingegangen sei. Das FG hat diese Frage mit Schriftsatz vom 29. September 1986 dahingehend beantwortet, daß dort ein unmittelbar an dieses Gericht gerichtetes Exemplar der Revisionsschrift nicht vorliege. Es hat ergänzend darauf hingewiesen, daß sich allenfalls in bestimmten, dem BFH übersandten Akten oder Heftungen der von den Klägern behauptete Schriftsatz befinden könne.
Dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers wurde das Antwortschreiben des FG in Abschrift zur Kenntnisnahme übersandt. Er hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Entscheidungsgründe
Der Schriftsatz der Kläger vom 15. September 1986 ist als Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens VIII R 107/84 (Restitutionsklage) anzusehen.
Gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit der insoweit hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Restitutionsklage statt, wenn ein Verfahrensbeteiligter eine Urkunde zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Der erkennende Senat ist zur Entscheidung über die Klage zuständig, da sie sich gegen eine Entscheidung dieses Senats richtet. Nach § 584 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO darf das Revisionsgericht über die Restitutionsklage zwar nur befinden, wenn eine rechtskräftige Entscheidung nach § 580 Nr. 4 oder 5 ZPO angegriffen wird. Der Wortlaut des Gesetzes ist jedoch hinsichtlich der Restitutionsgründe des § 580 ZPO nach herrschender Meinung erweiternd auszulegen, da der Gesetzgeber offensichtlich nicht daran gedacht hat, daß tatsächliche Feststellungen unter Umständen auch vom Revisionsgericht zu treffen sein können (vgl. u. a. Wieczorek, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Band III, § 584 Anm. B I b 1 Satz 2). Nach dem Sinn des § 584 ZPO muß der Senat daher als Revisionsgericht auch zuständig sein, wenn der Steuerpflichtige sich mit der Klage gegen einen rechtskräftigen Beschluß des Senats wendet, durch den die Revision als unzulässig verworfen wurde und der Steuerpflichtige mit der Restitutionsklage nicht eine Sachentscheidung, sondern wie hier die tatsächlichen Feststellungen des Senats angreift, die der Verwerfung der Revision zugrunde liegen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1954 V ZR 56/50, BGHZ 14, 251, 257; Urteil des BFH vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119 sowie Beschluß des BFH vom 16. August 1979 I K 2/79, BFHE 128, 349, BStBl II 1979, 710).
Die Klage ist zulässig, denn sie wurde form- und fristgerecht erhoben und enthält sinngemäß die Behauptung, daß ein Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO vorliege.
Die Klage ist indes unbegründet. Denn den Klägern ist der Nachweis nicht gelungen, daß die zur Begründung ihres Antrags behauptete Urkunde, nämlich die Revisionsschrift versehen mit einem innerhalb der Revisionsfrist angebrachten Eingangsstempel des FG, vorhanden ist. Eine solche Urkunde konnte weder vom FG ausfindig gemacht werden noch ist sie in den von diesem Gericht dem BFH überlassenen Akten oder Heftungen enthalten.
Fundstellen
Haufe-Index 414992 |
BFH/NV 1988, 34 |