Normenkette
ZRFG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Dezember 1971 in W (Zonenrandgebiet) ein Transportunternehmen, das hauptsächlich Kiestransporte im Konzernbereich der Firma E durchführte; eine Tochtergesellschaft der E war die B-GmbH. Der Kläger erwarb 1971 zwei Magirus-Allradkipper und einen Dreiachs-Kippanhänger (fabrikneu, Anschaffungskosten insgesamt 186 534,40 DM). Er begehrt hierfür eine Sonderabschreibung nach § 3 Abs. 2 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) in Höhe von 88 509 DM.
Im Herbst 1971 verlangte die E vom Kläger eine Herabsetzung der Frachtraten; sie wies darauf hin, daß sie anderenfalls dem Kläger die Aufträge entziehen würde. Der Kläger mußte befürchten, daß die E der B-GmbH, die ebenfalls das Transportgeschäft betrieb, die Aufträge zukommen lassen würde. In den anschließenden Verhandlungen wurde erkennbar, daß der E vor allem an einer übernahme des Unternehmens des Klägers gelegen war. Die E und der Kläger einigten sich schließlich dahin, daß eine gemeinsame GmbH zur Fortführung des Unternehmens des Klägers gegründet werden sollte.
Am 25. Mai 1972 wurde die ... Handelsgesellschaft mbH (GmbH) gegründet. Am Stammkapital von 200 000 DM waren beteiligt: die B-GmbH (Stammeinlage 132 000 DM), der Kläger (Stammeinlage 34 000 DM) und dessen Ehefrau (Stammeinlage 34 000 DM). Die GmbH sollte ab 1. Januar 1972 als bestehend behandelt werden. Mit Kaufvertrag vom 7. Juli 1972 veräußerte der Kläger sein Unternehmen an die GmbH. Kaufgegenstand war das Unternehmen "mit den im Jahresabschluß auf den 31. 12. 1971 ... ausgewiesenen Aktiven und Passiven sowie dem Recht auf Fortführung der Firma". Der Bruttokaufpreis (einschließlich Umsatzsteuer) ... wurde insbesondere für überlassene LKW gezahlt. Der anteilige Netto-Kaufpreis für die 1971 angeschafften o. a. drei Wirtschaftsgüter betrug 151 211 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte nach einer Betriebsprüfung den Antrag auf Gewährung der Sonderabschreibung im Rahmen der (erstmaligen) Einkommensteuerveranlagung 1971 ab, weil die Wirtschaftsgüter infolge ihrer alsbaldigen Veräußerung an die GmbH nicht drei Jahre in einer Betriebsstätte des Klägers verblieben seien. Der Kläger legte Einspruch ein, den FA und Oberfinanzdirektion (OFD) als Beschwerde ansahen. Die OFD wies den Rechtsbehelf - zusammen mit einer gegen eine Widerrufsverfügung für 1970 eingelegten Beschwerde - als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) hob die Widerrufsverfügung betreffend 1970 und die Beschwerdeentscheidung der OFD auf (Urteil vom 24. September 1975 II 155/74, rechtskräftig). Es vertrat die Auffassung, daß über den Widerruf und die Gewährung der Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren zu entscheiden sei (wie Urteil des Hessischen FG vom 27. November 1974 II 138/73, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1975, 166).
Das FA entschied daraufhin über die Sonderabschreibungen 1970/71 durch Einspruchsentscheidung. Die Einsprüche blieben insoweit erfolglos. Auf die erneute Klage hob das FG die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Einkommensteuer 1970 auf; § 3 ZRFG habe 1970 noch nicht gegolten; das FA werde prüfen müssen, ob die Sonderabschreibung für dieses Jahr aus Billigkeitsgründen zu gewähren sei. Hinsichtlich Einkommensteuer 1971 wies das FG die Klage ab und führte hierzu aus: Das FA habe die Sonderabschreibung zu Recht versagt. Die Fahrzeuge seien nicht, wie das Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) vom 18. August 1971 unter I 2 Abs. 1 Nr. 1 (BStBl I 1971, 386) ermessensfehlerfrei verlange, mindestens drei Jahre in der Betriebsstätte des Klägers verblieben, sondern schon 1972 veräußert worden. Unschädlich sei allerdings eine Einbringung i. S. des § 17 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform vom 14. August 1969 - UmwStG 1969 - (BMWF-Schreiben, a.a.O., I 2 Abs. 3). Diese Vorschrift sei jedoch nicht anwendbar. Der Kläger habe seine Einlage bar erbracht. Der Auffassung, daß auch eine verschleierte Sachgründung unter § 17 UmwStG 1969 falle (Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 17 UmwStG 1969 Rz. 3917), sei nicht zuzustimmen. Es sei aber auch keine verschleierte Sachgründung anzunehmen. Die Gründungsgesellschafter hätten nicht von vornherein verabredet, anstelle der vereinbarten Geldleistungen Sachwerte einzulegen. Der Ankauf des Betriebs des Klägers sei vielmehr das erste Rechtsgeschäft gewesen, das die GmbH nach ihrer Eintragung im Handelsregister vornehmen habe sollen und auch vorgenommen habe. Es sei nicht auszuschließen, daß der Kläger eine Sachgründung angestrebt habe. Er habe sich insoweit jedoch nicht gegenüber der E und der B-GmbH durchsetzen können.
Der Kläger rügt mit der Revision, die sich nur auf Einkommensteuer 1971 bezieht, Verletzung materiellen Rechts: Aus § 3 ZRFG ergebe sich eine dreijährige Verbleibdauer nicht. Wenn aber das o. a. BMWF-Schreiben als Ermessensregelung beachtlich sein sollte, müßten auch die von der Verwaltung gesetzten Ausnahmen beachtet und wirtschaftlich verstanden werden. Zu diesen Ausnahmen gehöre die Einbringung i. S. des § 17 Abs. 1 UmwStG 1969. Das FG habe zwar zu Recht eine Sacheinlage verneint. Aber Gesellschaftsgründung und Kaufvertrag müßten wirtschaftlich als Einheit beurteilt werden. Die GmbH-Gründung wäre ohne die Einbringung seines Unternehmens sinnlos gewesen. Es mache wirtschaftlich keinen Unterschied aus, ob ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar eingebracht werde. Zumindest sei jedoch eine verschleierte Sachgründung gegeben.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einkommensteuerbescheid für 1971 insoweit aufzuheben, als darin Sonderabschreibungen in Höhe von 88 509 DM nicht anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Es ist zweifelhaft, ob das FG zutreffend das Einspruchsverfahren als das richtige Vorverfahren angesehen hat. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat für die Zeit nach Inkrafttreten der Abgabenordnung (AO 1977) entschieden, daß im Beschwerdeverfahren zu entscheiden sei; das gelte auch für den Fall, daß der ablehnende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1977 ergangen sei (Urteil vom 28. Februar 1980 IV R 19/78, BFHE 130, 244, BStBl II 1980, 528). Der I. Senat hat für den hier gegebenen Fall, daß auch die Beschwerdeentscheidung vor dem 1. Januar 1977 ergangen ist, sogar ausgeführt, es lasse sich die Auffassung der Finanzverwaltung vertreten, daß das Beschwerdeverfahren gegeben sei (Urteil vom 28. Oktober 1981 I R 156/78, BFHE 134, 335, BStBl II 1982, 88). Mag danach dem FG auch nicht in der Begründung zu folgen sein, so ist seine Entscheidung im Ergebnis dennoch nicht fehlerhaft. Das FG-Urteil vom 24. September 1975 II 155/74, mit dem die Beschwerdeentscheidung der OFD aufgehoben wurde und die Beteiligten auf das Einspruchsverfahren verwiesen wurden, ist rechtskräftig geworden. Für dieses Verfahren steht sonach fest (§ 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), daß eine Beschwerdeentscheidung nicht ergehen darf.
2. Gemäß § 3 Abs. 1 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die in einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet Investitionen vornehmen, auf Antrag zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden; das gilt insbesondere für die Sonderabschreibungen nach § 3 Abs. 2 ZRFG. Diese Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH als Ermessensvorschrift aufzufassen, für die die obersten Finanzverwaltungsbehörden im Rahmen der Zielsetzung der Vorschrift Ermessensregelungen erlassen können, die von den nachgeordneten Behörden zu befolgen und von den Steuergerichten nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu beachten sind.
Das BMWF-Schreiben vom 18. August 1971 F/IV B 2 - S 1915-73/71 (BStBl I 1971, 386) bestimmt unter I Nr. 2 Abs. 1 Nr. 1: "1. Sonderabschreibungen kommen in Betracht für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer im Zonenrandgebiet belegenen Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben. 2. ...". Der IV. Senat des BFH hat entschieden, daß diese Regelung keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen läßt (Urteil vom 21. April 1983 IV R 60/80, BFHE 138, 396, BStBl II 1983, 529). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die vom Kläger vermißte gesetzliche Regelung der Verbleibdauer wird ersetzt durch die sachgerechte Ausfüllung des der Verwaltung in § 3 ZRFG eingeräumten Ermessens.
Danach hat grundsätzlich jede Überführung beweglicher Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb (der Betriebsstätte) des Steuerpflichtigen in den Betrieb (die Betriebsstätte) eines anderen Steuerpflichtigen innerhalb der Drei-Jahres-Frist zur Folge, daß die beantragte Sonderabschreibung versagt und eine bereits gewährte Sonderabschreibung widerrufen werden darf. Es ist dabei im allgemeinen gleichgültig, ob der Überführung eine Veräußerung - wie hier - oder eine Nutzungsüberlassung oder ein sonstiger Rechtsakt zugrunde liegt.
3. Hiervon sind allerdings Ausnahmen zu machen. Nach dem BMWF-Schreiben vom 18. August 1971 (a.a.O., I 2 Abs. 3 Satz 4) soll es unschädlich sein, wenn bewegliche Anlagegüter innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums im Rahmen einer unentgeltlichen Übertragung der Betriebsstätte oder einer Umwandlung im Sinne des Umwandlungsgesetzes (UmwG) oder einer Einbringung im Sinne des Dritten und Viertel Teils des UmwStG 1969 oder einer Verschmelzung (§§ 339 ff. des Aktiengesetzes - AktG -) auf einen anderen übergehen.
Der Senat hält diese Einengungen der Verbleibvoraussetzung im wesentlichen für sachgerecht. Sie erfassen vor allem die Gesamtrechtsnachfolge. Geht ein Betrieb (eine Betriebsstätte) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge - beispielsweise durch Erbfolge - über, wechselt zwar der Betriebsinhaber; der Gesamtrechtsnachfolger (z. B. der Erbe) nimmt jedoch rechtlich und wirtschaftlich die Stelle des Rechtsvorgängers ein. Es wäre im Rahmen der Verbleibregelung unangemessen, ihn als einen "anderen" anzusehen. Gleiches gilt für die unentgeltliche Übertragung der Betriebsstätte unter Lebenden. Der bisherige Betriebsinhaber tritt von der Betriebsführung zurück und räumt seinem Rechtsnachfolger (z. B. im Wege vorweggenommener Erbfolge) seine bisherige Stellung ein. Schließlich erscheint es angemessen, auch gesellschaftsrechtliche Einbringungsvorgänge - allerdings nur unter bestimmten noch darzulegenden Voraussetzungen - zu begünstigen. Hier erhält der einbringende Unternehmer zwar für die weggegebene Betriebsstätte Gesellschaftsrechte. Es ist jedoch zu bedenken, daß er kraft dieser Gesellschaftsrechte - wenn auch eingeschränkt durch die Befugnisse anderer Gesellschafter - wie bisher auf die Betriebsführung einwirken kann. Es ist so anzusehen, als ob er in der Kapitalgesellschaft oder in der Personengesellschaft, in die er sein Unternehmen eingebracht hat (§§ 17, 22 UmwstG 1969), wie früher schalten und walten kann. Eine solche wirtschaftliche Abgrenzung der Betriebsstätte "des Steuerpflichtigen" von der Betriebsstätte eines "anderen" könnte er allerdings angezeigt lassen, auch die Veräußerung eines Unternehmens an eine GmbH, an der der Steuerpflichtige beteiligt ist, zu begünstigen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es vom Zweck des ZRFG geboten ist, die in dem BMWF-Schreiben (a.a.O.) genannten Ausnahmefälle um derartige Fälle einer entgeltlichen Veräußerung zu erweitern. Die Ausdehnung der Regelung auf Einbringungsfälle der §§ 17, 22 UmwStG 1969 (und etwa entsprechende Veräußerungsfälle) gilt nur unter der Voraussetzung der Buchwertfortführung. Im Hauptfall der in den Verwaltungsregelungen genannten Einschränkungen, der unentgeltlichen Übertragung der Betriebsstätte, ergibt sich die Buchwertfortführung aus § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Sie ist auch für die sonstigen Einschränkungsfälle zu fordern, gleichviel, ob sie im Wortlaut der Verwaltungsregelung zum Ausdruck kommt oder nicht. Eine "wirtschaftliche Identität" zwischen zwei Steuerpflichtigen kann nur dann angenommen werden, wenn der die Betriebsstätte abgebende Unternehmer weder gezwungen noch freiwillig die stillen Reserven aufdeckt und der Übernehmer verpflichtet ist, die stillen Reserven eines Tages selbst aufzudecken. Würde anders verfahren, könnte der Steuerpflichtige mit der Sonderabschreibung zu Lasten seines laufenden Gewinns eine stille Reserve legen, die er bei einer anschließenden reserveaufdeckenden Einbringung (Veräußerung) zwar wieder versteuern müßte, aber lediglich tarifbegünstigt (§ 17 Abs. 5, § 22 Abs. 3 UmwStG 1969; § 16 Abs. 1, § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
4. Im Streitfall braucht nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob eine verschleierte Sachgründung vorliegt (s. auch Widmann/Mayer, a.a.O., § 20 UmwStG 1977 Rz. 6917, 7221. 1) und ob diese und möglicherweise sogar echte Veräußerungsfälle innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums unschädlich sind. Wird zugunsten des Klägers unterstellt, daß die Veräußerung seines Unternehmens am 7. Juli 1972 an die GmbH wie bei einer Einbringung der Gewährung der Sonderabschreibung nicht entgegensteht, muß er sich entgegenhalten lassen, daß er anläßlich der Veräußerung stille Reserven aufdeckte.
Der Kläger hat sein Unternehmen nicht zu Buchwerten an die GmbH veräußert. Insbesondere die drei 1971 angeschafften Wirtschaftsgüter, für die die Sonderabschreibung begehrt wird, wären, wenn dem Begehren des Klägers stattgeben würde, unter Aufdeckung erheblicher stiller Reserven veräußert worden. Ihr Veräußerungspreis betrug 151 211 DM. Ihr Buchwert würde nach den Vorstellungen des Klägers unter 98 025,40 DM (Anschaffungskosten abzüglich begehrter Sonderabschreibung) liegen; der Betrag von 98 025,40 DM wäre noch um die aus den Feststellungen des FG nicht ersichtliche für 1971 in Anspruch genommene Absetzung für Abnutzung i. S. des § 7 Abs. 1 EStG zu kürzen. Diese erst 1971 gelegte stille Reserve soll offenbar nach den Vorstellungen des Klägers als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn 1972 erfaßt werden.
Fundstellen
BStBl II 1984, 734 |
BFHE 1985, 395 |