Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieblicher Anlaß für Versorgungsleistungen bei Abgeltung bisheriger Dienste
Leitsatz (NV)
Ein betrieblicher Anlaß für Versorgungsleistungen ist im Verhältnis zwischen den bisherigen Gesellschaftern einer OHG dann gegeben, wenn sich die Leistungen im Ergebnis als zusätzliche Abgeltung der bisherigen Dienste des ausgeschiedenen Gesellschafters darstellen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn sich tätige Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag Leistungen für den Fall ihrer Invalidität zusagen. Auch unter einander nahestehenden Gesellschaftern haben derartige Leistungen nicht notwendig eine familiäre, außerbetriebliche Ursache. Dies kann anders sein, wenn derartige Versorgungsleistungen nur für einen der Gesellschafter vorgesehen sind bzw. das Gesellschaftsverhältnis nur während kurzer Zeit bestand.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger und sein Vater waren Gesellschafter einer OHG. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, daß beim Tode eines Gesellschafters der Überlebende das Unternehmen fortführen sollte. Die Witwe des Vaters sollte an den Bruttoprovisionen beteiligt werden, und zwar in den ersten drei Jahren mit 15 v. H., den folgenden drei Jahren mit 10 v. H. und danach bis zu ihrem Tode mit 5 v. H. Der Witwe des Klägers sollte ebenfalls ein Provisionsanteil zustehen, jedoch nur bis zur Dauer von 10 Jahren; gleiches sollte für den Fall gelten, daß der Kläger keine Witwe, sondern nur minderjährige Kinder hinterließ. Außerdem war im Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß ein Gesellschafter bei längerer Krankheit aus der Gesellschaft ausscheide; er sollte in diesem Fall wie seine hinterbliebene Witwe an den Provisionen beteiligt sein. Der Vater des Klägers schied im Alter von 67 Jahren wegen Krankheit zum Jahresende 1974 aus; seit dem führt der Kläger die Vertretung als Einzelunternehmen.
In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1975 passivierte der Kläger eine Darlehensverbindlichkeit in Höhe des Kapitalkontos seines Vaters. Dieser erließ dem Kläger die Schuld; sie wurde in der Bilanz zum 31. Dezember 1976 nicht mehr ausgewiesen.
Der Kläger setzte die an seinen Vater ausgezahlten Provisionsbeteiligungen in den Jahren 1975 bis 1981 als Betriebsausgaben ab. Nach einer Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Abzug, weil es sich um Zahlungen aus einer privaten Versorgungsrente handele; ein Abzug als dauernde Last komme nicht in Betracht, weil das übernommene Betriebsvermögen weniger als die Hälfte des kapitalisierten Wertes der Zuwendungen ausmache. Das FA änderte deswegen die Einkommensteuerbescheide der Kläger für die Jahre 1975 bis 1981 und die Gewerbesteuermeßbescheide gegen den Kläger für denselben Zeitraum. Die Klagen zum Finanzgericht (FG) blieben erfolglos.
Hiergegen richten sich die vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revisionen der Kläger, mit denen die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat die Revisionen der Kläger betreffend Einkommensteuer 1975 bis 1981 und die Revision des Klägers betreffend Gewerbesteuer 1975 bis 1981 gemäß §§ 121, 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Revisionen erweisen sich als begründet.
1. Wird ein Betrieb gegen die Zusage einer Rente übertragen, ist eine betriebliche Veräußerungsrente anzunehmen, wenn sich die Beteiligten übereinstimmend von dem Gedanken einer angemessenen Gegenleistung leiten ließen. Sollte der Rentenberechtigte dagegen angemessen versorgt werden und bestand hierfür eine betriebliche Veranlassung, die vor allem in früher geleisteten Diensten des Berechtigten gesehen werden kann, kommt auch eine betriebliche Versorgungsrente in Betracht; sie führt zum Abzug der Rentenleistungen als Betriebsausgabe. Übertragen allerdings Eltern einen Betrieb auf ihre Kinder, ohne daß hierbei Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden, spricht eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung für den familiären, außerbetrieblichen Charakter der Betriebsübertragung und damit für die außerbetriebliche Natur der im Zusammenhang mit dieser Übertragung zugesagten Leistungen an die Eltern. Solche Leistungen führen beim Verpflichteten zu Sonderausgaben oder bleiben als Unterhaltsleistungen unberücksichtigt, wenn ihnen nicht die Erlangung eines wesentlichen Gegenwerts gegenübersteht. Diese Grundsätze gelten auch, wenn Eltern ihren Kindern nicht einen Betrieb, sondern einen Anteil an einer Personengesellschaft übertragen (BFH-Urteile vom 22. September 1982 IV R 154/79, BFHE 136, 527, BStBl II 1983, 99; vom 19. Dezember 1980 VI R 161/77, BFHE 131, 384, BStBl II 1981, 26; vom 7. Dezember 1977 I R 75/77, BFHE 124, 178, BStBl II 1978, 269; vom 6. März 1975 IV R 191/71, BFHE 115, 443, BStBl II 1975, 600; vom 3. Juli 1964 VI 346/62 U, BFHE 80, 202, BStBl III 1964, 548). An diesen Grundsätzen hat der Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) nichts geändert.
Hieran ist anzuknüpfen, wenn bereits im Gesellschaftsvertrag Rentenleistungen für einen ausscheidenden Gesellschafter oder seine Witwe vorgesehen sind; auch hierbei kann es sich um eine Gegenleistung für den durch Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) übergehenden Gesellschaftsanteil, aber auch um eine betriebliche oder außerbetriebliche Versorgungsrente handeln. Die Aufnahme derartiger Vereinbarungen in den Gesellschaftsvertrag bedeutet noch nicht, daß die vereinbarten Leistungen stets betrieblich veranlaßt sind (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1989 VIII R 337/83, BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888; vom 12. November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55; vom 21. Dezember 1977 I R 52/76, BFHE 124, 432, BStBl II 1978, 332; vom 27. April 1977 I R 12/74, BFHE 122, 275, BStBl II 1977, 603); gerade, wenn es sich bei den verbliebenen Gesellschaftern um Abkömmlinge des Ausscheidenden handelt, kommen auch außerbetriebliche Versorgungsleistungen in Betracht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 115, 443, BStBl II 1975, 600; vom 16. November 1972 IV R 38/68, BFHE 108, 28, BStBl II 1973, 184).
Andererseits besteht hier eher als beim Neuerwerb eines Gesellschaftsanteils die Möglichkeit einer betrieblichen Versorgungsrente, mit der in der Vergangenheit erbrachte Beiträge des Gesellschafters zusätzlich abgegolten werden sollen; hierin liegt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine nachträgliche, oder wie das FA formuliert, eine ,,nachhängende" Gewinnbeteiligung. Demgemäß hat die Rechtsprechung bei derartigen Gestaltungen wiederholt einen betrieblichen Anlaß für Versorgungsleistungen an den ausscheidenden Gesellschafter oder seine Witwe gesehen (vgl. BFH in BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888; vom 25. Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212; vom 18. Januar 1979 IV R 76/76, BFHE 127, 171, BStBl II 1979, 403; in BFHE 122, 275, BStBl II 1977, 603; vom 14. Dezember 1965 IV 56/65 U, BFHE 84, 526, BStBl III 1966, 192).
Welche Gründe im Einzelfall für die Vereinbarung der Rentenleistungen maßgebend waren, muß vom FG als Tatsacheninstanz ermittelt werden. Das Revisionsgericht kann jedoch überprüfen, ob die vom FG ermittelten Tatsachen auf eine private oder betriebliche Veranlassung hindeuten.
2. Im Streitfall hat das FG übereinstimmend mit dem FA angenommen, daß es sich bei den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Zahlungen an den ausscheidenden Vater des Klägers nicht um ein Veräußerungsentgelt, aber auch nicht um betriebliche Versorgungsleistungen handle, da eine frühere Tätigkeit des Vaters in der Gesellschaft hinreichend abgegolten worden sei und auch ein Anspruch nach § 89 b des Handelsgesetzbuches (HGB) nicht habe ausgeglichen werden sollen; es hat die Zahlungen vielmehr als private Versorgungsleistungen qualifiziert, die wegen des geringen Wertes des übergehenden Gesellschaftsanteils aber als nichtabzugsfähige Unterhaltsleistungen anzusehen seien. In der Revisionsinstanz geht das FA nunmehr davon aus, daß es zur entgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils gekommen sei und daß die Leistungen des Klägers Anschaffungskosten auf den Anteil des Ausgeschiedenen am Vermögen der Gesellschaft darstellten.
Beiden Auffassungen ist nicht zu folgen; bei den Zahlungen des Klägers handelt es sich vielmehr um Versorgungsleistungen, für die ein betrieblicher Anlaß bestand. Der Senat entnimmt dies dem vom FG festgestellten Sachverhalt und den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags.
a) Im Gesellschaftsvertrag war vorgesehen, daß ein Gesellschafter mit seinem Tode aus der Gesellschaft ausscheidet, so daß das Gesellschaftsunternehmen zu einem Einzelunternehmen des überlebenden Gesellschafters würde (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 142 Abs. 1 HGB); der Witwe des verstorbenen Gesellschafters, ggf. auch seinen Kindern, sollten alsdann bestimmte Anteile an den Provisionseinnahmen des überlebenden Gesellschafters zustehen. Daß es sich hierbei um Versorgungsleistungen und nicht um ein Entgelt für den übergehenden Gesellschaftsanteil handelte, liegt auf der Hand. Dem steht nicht entgegen, daß die Leistungen nach ihrer Höhe nicht den vollen Unterhalt der Berechtigten sichern konnten, und auch nicht, daß ihr Umfang von einem betriebsbezogenen Merkmal, nämlich der Höhe des Umsatzes, abhing; dies ist auch sonst hingenommen worden (vgl. BFH in BFHE 84, 526, BStBl III 1966, 192; vom 17. Dezember 1964 IV 378/61 U, BFHE 81, 471, BStBl III 1965, 170). Die vorgesehene Verknüpfung verhinderte eine Überlastung des Unternehmensnachfolgers, insbesondere bei einer Einstellung des Betriebs, ließ sonst aber angesichts der konstanten Umsatzentwicklung einen ebenfalls verhältnismäßig konstanten Beitrag zum Unterhalt des Berechtigten erwarten. Daß die Provisionsanteile nach dem Zeitablauf degressiv gestaffelt und für jüngere Anspruchsberechtigte überdies zeitlich begrenzt waren, bestätigt die betriebliche Verknüpfung der Leistungen, führt aber nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Diese Würdigung ist auch hinsichtlich der Provisionsanteile eines ausgeschiedenen Gesellschafters geboten. Derartige Zahlungen waren nur für den Fall vorgesehen, daß ein Gesellschafter wegen Krankheit aus der Gesellschaft ausscheiden müßte, während bei einem Ausscheiden aus anderem Grund eine Abfindung anhand einer Auseinandersetzungsbilanz ermittelt werden sollte. Daß diese Leistungen der Versorgung des ausgeschiedenen Gesellschafters dienen, jedenfalls aber einen Beitrag hierzu erbringen sollten, wird auch dadurch deutlich, daß die Zahlungen in ihrem Umfang den Leistungen an die Witwe des Gesellschafters angepaßt waren.
b) Für diese Versorgungsleistungen bestand auch ein betrieblicher Anlaß. Er ist, wie hervorgehoben, im Verhältnis zwischen den bisherigen Gesellschaftern dann gegeben, wenn sich die Leistungen im Ergebnis als zusätzliche Abgeltung der bisherigen Dienste des ausgeschiedenen Gesellschafters darstellen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn sich tätige Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag Leistungen für den Fall ihrer Invalidität zusagen. Auch unter einander nahestehenden Gesellschaftern haben derartige Leistungen nicht notwendig eine familiäre, außerbetriebliche Ursache. Dies kann anders sein, wenn derartige Versorgungsleistungen nur für einen der Gesellschafter vorgesehen sind bzw. das Gesellschaftsverhältnis nur während kurzer Zeit bestand. So lag es im Streitfall aber nicht; vielmehr konnten beide Gesellschafter in den Genuß der Invaliditätsleistungen kommen bzw. durch solche Zahlungen belastet werden. Da im Streitfall die Partnerschaft auf Dauer angelegt war, tatsächlich auch über längere Zeit bestanden hat und beide Gesellschafter im Dienste der Gesellschaft tätig waren, kann von der Ernsthaftigkeit und der betrieblichen Veranlassung der Abrede ausgegangen werden. Hierfür spricht weiterhin, daß Invaliditätszusagen auch gegenüber leitenden Angestellten abgegeben werden; wie derartige Zusagen, haben auch entsprechende Abmachungen unter tätigen Gesellschaftern in der Regel eine betriebliche Grundlage.
3. Als Betriebsausgabe mindern die Versorgungsleistungen auch den Gewerbeertrag des Klägers (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -). Der Vater des Klägers bezog hieraus nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Da die Gesellschaft ihr Ende gefunden hatte, konnten die Einkünfte nicht als Sondervergütung i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfaßt und im Gewerbeertrag des Klägers berücksichtigt werden. Ob sich hieran etwas durch die Einfügung von § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG geändert hat, kann dahinstehen, weil die Bestimmung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1986 gilt (§ 52 Abs. 1 EStG i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735). Eine Hinzurechnung dieser Leistungen zum Gewinn des Klägers gemäß § 8 Nr. 2 GewStG kommt aus den in BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212 dargelegten Gründen nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 417743 |
BFH/NV 1991, 530 |