Entscheidungsstichwort (Thema)
Güterfernverkehrsgenehmigungen als immaterielle Wirtschaftsgüter
Leitsatz (NV)
Entgeltlich erworbene Güterfernverkehrsgenehmigungen sind auch nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG vom 14. 10. 1975 (BVerfGE 40, 196) und auch nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 9. 7. 1979 (BGBl I 1979, 960) immaterielle Wirtschaftsgüter, die mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten sind.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren Gesellschafter der X-KG (KG).
Die KG wurde zum 1. Januar 1978 in eine GmbH umgewandelt.
Die Gesellschaft war im Besitz einer Vielzahl von Genehmigungen für den Güterfernverkehr. Sie hatte sie überwiegend dadurch erworben, daß der bisherige Inhaber der Konzession auf diese gegenüber der Genehmigungsbehörde unter der Bedingung verzichtete, daß sie der KG neu erteilt werde. Für diesen bedingten Verzicht hatte die KG ein Entgelt geleistet. Die KG hatte die Konzessionen mit ihren Anschaffungskosten aktiviert. In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1975 ergaben sich unter Berücksichtigung von Zugängen Anschaffungskosten von . . . DM. Hierauf nahm die KG eine Teilwertabschreibung von . . . DM vor, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch seine Entscheidung vom 14. Oktober 1975 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71, 61/73, 255/73 und 195/75 (BVerfGE 40, 196) den bisher geübten Handel mit Güterfernverkehrsgenehmigungen als verfassungswidrig bezeichnet und damit unterbunden habe. Die KG wollte die Teilwertabschreibung auch in den Einheitswertfeststellungen für das Betriebsvermögen zum 1. Januar 1976 und zum 1. Januar 1977 berücksichtigt sehen.
Nach einer Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Abzug. Die Änderungsbescheide gab das FA nur dem Kläger zu 3. bekannt. Nach Klage und Revision verwies der Senat im Verfahren IV R 23/86 durch Urteil vom 16. Oktober 1986 IV R 23/86 die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück, damit die Bekanntgabe an die übrigen Gesellschafter der KG nachgeholt werde. Nachdem dies geschehen ist, haben auch die übrigen Gesellschafter Klage erhoben. Das FG hat den Klagen stattgegeben, mit denen auch geltend gemacht worden war, der Unternehmensbereich ,,Konzessionierter Fuhrbetrieb" sei nicht ausreichend rentabel, so daß sich der Erwerb der Güterfernverkehrskonzessionen als Fehlmaßnahme erwiesen habe. Das FG entschied, daß die erlangten Konzessionen den Charakter als Einzelwirtschaftsgüter verloren hätten und in den nichtbilanzierungsfähigen Geschäftswert des Unternehmens eingegangen seien.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache erneut an das FG zurückverwiesen werden.
1. Zu Recht hat das FG angenommen, daß die KG mit den gegen Abstandszahlung an die bisherigen Berechtigten erlangten Güterfernverkehrsgenehmigungen immaterielle Wirtschaftsgüter erworben habe, die entsprechend § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit ihren Anschaffungskosten zu aktivieren sind; die Rechtsprechung hat in ihnen firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter gesehen, weil sie zwar auf Zeit, jedoch mit der Aussicht der Verlängerung erteilt würden und damit nicht der Abnutzung unterlägen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juli 1963 IV 186/60 U, BFHE 77, 492, BStBl III 1963, 501; vom 18. Dezember 1970 VI R 99/67, BFHE 101, 100, BStBl II 1971, 237, m. w. N.). Ihre Erlangung ist Vorbedingung für die Aufnahme oder Erweiterung des Verkehrsbetriebes. Die Rechtsprechung ist auch davon ausgegangen, daß der mit der Genehmigung verbundene Vorteil bewertet werden könne. Denn dies ist für die Annahme eines selbständigen Wirtschaftsguts erforderlich (vgl. BFH-Beschluß vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382). Diese Bewertung wurde in der Vergangenheit im Wirtschaftsverkehr auch vorgenommen, indem für die Bereitschaft des bisherigen Konzessionsinhabers, der Neuerteilung der Genehmigung an einen Dritten zuzustimmen, bestimmte Summen gezahlt wurden.
2. Nach der Auffassung des FG bestand am Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1975 infolge der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 40, 196 keine Möglichkeit mehr, eine vorhandene Konzession auf diesem Wege auf einen Dritten zu übertragen. Nach den tatsächlichen Feststellungen, die der BFH-Entscheidung vom 10. August 1989 X R 176-177/87 (BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15) zugrunde liegen, sind Konzessionen aber noch im Jahre 1979 übertragen worden; der Handel mit Konzessionen ist erst mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) vom 9. Juli 1979 (BGBl I, 960) zum Erliegen gekommen.
Der Senat kann jedoch offenlassen, ob die in diesem Zusammenhang vom FA erhobene Verfahrensrüge zulässig und begründet ist. Denn selbst wenn die Beschränkung schon am 31. Dezember 1975 wirksam geworden wäre, würde dies nicht dahin führen, daß die erlangten Konzessionen nicht mehr als selbständige Wirtschaftsgüter aktiviert werden können.
Wie das FG nicht verkennt, genügt für die Annahme eines selbständigen immateriellen Wirtschaftsguts, daß der Vermögenswert zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann (z. B. BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, 222, BStBl II 1988, 995). Diese Möglichkeit wurde durch das Urteil des BVerfG aber nicht beeinträchtigt; sie bestand auch nach § 10 Abs. 4 GüKG i. d. F. des Änderungsgesetzes. Da die KG die erteilten Konzessionen jedenfalls mit dem Unternehmen oder mit einem Teilbetrieb übertragen konnte, bestanden sie als Einzelwirtschaftsgüter fort.
Das FG meint jedoch, daß die Konzessionen deshalb die Eigenschaft von selbständigen Wirtschaftsgütern verloren hätten, weil sie nicht mehr selbständig bewertbar seien. Die selbständige Bewertbarkeit ist in der Tat ein wesentliches Merkmal für die Annahme eines Wirtschaftsguts. Sie ist jedoch auch dann gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut nur mit dem Unternehmen übertragen werden kann; in diesem Fall genügt es, daß das Wirtschaftsgut als greifbarer Vorteil bei der Unternehmensübertragung in Erscheinung tritt und hierfür auch ein besonderes Entgelt angesetzt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 218/82, BFHE 147, 412, BStBl II 1987, 14). Dies ist im Falle der Güterfernverkehrsgenehmigungen schon bisher angenommen worden, wenn ein Frachtunternehmen mit Konzessionen erworben wurde; auch dann ist den Konzessionen ein eigener Wert zugemessen worden (vgl. Urteil in BFHE 77, 492, BStBl III 1963, 501).
Mit der Frage, ob Güterfernverkehrsgenehmigungen auch nach der Änderung des GüKG noch als selbständige Wirtschaftsgüter anzuerkennen sind und ob sie insbesondere selbständig bewertet werden können, haben sich bereits der II. Senat (Urteil vom 22. März 1989 II R 15/86, BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644) und der X. Senat des BFH befaßt (Urteil in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15). Beide Urteile haben diese Frage bejaht. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an und verweist im einzelnen auf die genannten Entscheidungen.
3. Die Kläger haben im Klageverfahren zusätzlich geltend gemacht, daß eine Teilwertabschreibung auch wegen Unrentabilität des Fuhrbetriebes erforderlich sei. Hierüber wird das FG nunmehr zu befinden haben; insoweit wird jedoch auf die Ausführungen in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15 zu dieser Frage hingewiesen und auch auf das BFH-Urteil vom 20. September 1989 II R 96/86 (BFHE 159, 95, BStBl II 1990, 206) Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 63023 |
BFH/NV 1991, 585 |