Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff "verdeckte Gewinnausschüttung" wird in § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise verwendet.
2. Schließt eine GmbH mit ihrem beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführer eine Treuhand-Vereinbarung dahingehend, daß die GmbH sich verpflichtet, nur die ihr von dem Gesellschafter-Geschäftsführer übertragenen Geschäfte zu übernehmen und dabei im Innenverhältnis als Treuhänder des Gesellschafter-Geschäftsführers tätig zu werden, so ist diese Vereinbarung objektiv unklar bzw. wird sie tatsächlich nicht durchgeführt, wenn die GmbH mit Wissen und Wollen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers die aus der Tätigkeit gegenüber Dritten sich ergebenden Forderungen und Verbindlichkeiten bilanziell wie eigene behandelt.
3. Eine "Gewinnbeteiligung" des Gesellschafter-Geschäftsführers ist als Vermittlungsprovision unüblich und unangemessen, wenn sie darauf abzielt, der Kapitalgesellschaft von dem von ihr erzielten Gewinn nur einen Betrag in Höhe von 10 v.H. bzw. von 15 v.H. ihres Stammkapitals zu belassen.
Orientierungssatz
Hat das FG entsprechend dem Klageantrag über den Körperschaftsteuerbescheid entschieden, so kann der Bescheid über Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer nicht in das Revisionsverfahren einbezogen werden. Einer Einbeziehung des Ergänzungsabgabebescheids in das Rechtsbehelfsverfahren bzw. Rechtsmittelverfahren bedarf es nicht, weil der Körperschaftsteuerbescheid Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Ergänzungsabgabe ist. Nach einer Änderung des Körperschaftsteuerbescheids muß der Ergänzungsabgabebescheid von Amts wegen geändert werden.
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2, § 7 S. 2; FGO § 115 Abs. 1, § 118 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 1; StAnpG § 11 Nr. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Stammkapital im Streitjahr 1971 21 000 DM betrug. Ab dem 23.Februar 1970 war R alleiniger Gesellschafter und gleichzeitig von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiter Geschäftsführer. Gegenstand der Klägerin war die Durchführung von Treuhandgeschäften aller Art.
Die Klägerin schloß mit R am 1.März 1970 eine sog. Treuhandvereinbarung und am 20.Mai 1970 einen Geschäftsführervertrag ab. Nach der Treuhandvereinbarung verpflichtete sich R, sämtliche ihm angetragenen Treuhandaufträge über die Klägerin ausführen zu lassen. Die Klägerin verpflichtete sich, künftig allein diese ihr von R übertragenen Treuhandgeschäfte zu übernehmen. Dabei sollte die Klägerin als Treuhänder für R tätig werden. Ihr sollte ein Gewinn in Höhe von 10 bzw. 15 v.H. ihres Stammkapitals verbleiben. Darüber hinaus gehende Gewinne sollten dem R zustehen. Verluste waren grundsätzlich von R zu tragen.
Der Geschäftsführervertrag sah für R ein monatliches Fixum und eine Umsatztantieme in Höhe von 10 v.H. des Jahresumsatzes vor, sobald ein Mindestumsatz von 200 000 DM pro Jahr erreicht worden sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ gegenüber der Klägerin ursprünglich jeweils einen endgültigen Körperschaftsteuer-, Ergänzungsabgabe- und Gewerbesteuermeßbescheid 1971. Nach einer Außenprüfung im Jahre 1977 versagte er der Treuhandvereinbarung die steuerrechtliche Anerkennung und behandelte die Weiterleitung des anteiligen "Gewinns" an R als verdeckte Gewinnausschüttung. Der Einspruch und die Klage gegen den geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheid 1971 blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1971 vom 16.Dezember 1977 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 5.Mai 1978 hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 16 364,97 DM Körperschaftsteuer und 491,85 DM Ergänzungsabgabe und den berichtigten Gewerbesteuermeßbescheid 1971 vom 10.März 1978 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 5.Mai 1978 hinsichtlich eines Meßbetrages in Höhe von 1 605 DM aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. A. Die Revision ist teilweise unzulässig. Insoweit war sie zu verwerfen (§ 126 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Revision ist unzulässig, soweit die Klägerin mit ihr die Aufhebung des Bescheides über die Festsetzung einer Ergänzungsabgabe 1971 begehrt. Gemäß § 115 Abs.1 FGO richtet sich die Revision nur gegen das Urteil eines Finanzgerichts (FG). Gemäß § 118 Abs.1 Satz 1 FGO kann sie nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Ausweislich des Rubrums, der unter Gründe (I.) wiedergegebenen Klageanträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 22.Februar 1983 VII 160/78 K, G hat das FG München über die Ergänzungsabgabe 1971 nicht durch Urteil entschieden. Einer solchen Entscheidung bedurfte es auch nicht, weil die Ergänzungsabgabe 1971 u.a. zur Körperschaftsteuer 1971 erhoben wird (§ 1 des Ergänzungsabgabegesetzes vom 21.Dezember 1967 --ErgAbgG --, BGBl I 1967, 1254, BStBl I 1967, 484 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1971 vom 23.Dezember 1970, BGBl I 1970, 1856, BStBl I 1971, 8). Sie bemißt sich nach der für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Körperschaftsteuerschuld (§ 3 Abs.1 Nr.1 ErgAbgG). Damit ist der Körperschaftsteuerbescheid 1971 Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Ergänzungsabgabe 1971. Erst wenn der Körperschaftsteuerbescheid 1971 geändert wird, kann und muß auch der Ergänzungsabgabebescheid als Folgebescheid geändert werden (§ 175 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung --AO 1977--). Die Änderung wird von Amts wegen durchgeführt, weshalb in der Regel für ein entsprechendes Klagebegehren das Rechtsschutzinteresse fehlt, solange der Grundlagenbescheid noch nicht geändert ist. Fehlt es aber an einer Entscheidung des FG über den Ergänzungsabgabebescheid 1971 durch Urteil, so kann der Bescheid in das Revisionsbegehren der Klägerin nicht einbezogen werden.
B. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß dem FA durch die im Jahre 1977 durchgeführte Außenprüfung neue Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt wurden, die zu einer höheren Körperschaftsteuer 1971 bzw. zu einem höheren Gewerbesteuermeßbetrag 1971 führten. Da die Klägerin bezüglich dieser Feststellungen keine zulässigen und begründeten Rügen erhoben hat, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Daraus ergibt sich, daß die Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1971 und des Gewerbesteuermeßbescheides 1971 gemäß § 173 Abs.1 Nr.1 AO 1977 rechtmäßig war.
2. Das FG hat zutreffend die Gewinnabführung durch die Klägerin an R als verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 qualifiziert.
a) Die von der Klägerin gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erhobenen Bedenken greifen nicht durch.
§ 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 verwendet den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung als sog. unbestimmten Rechtsbegriff. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 10.Oktober 1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153). Es kommt hinzu, daß die Rechtsprechung den Begriff der verdecken Gewinnausschüttung seit Jahrzehnten einheitlich interpretiert (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 9.Juli 1935 I A 37/34, RStBl 1935, 1128). Wenn der Gesetzgeber deshalb an dem unbestimmten Rechtsbegriff festhält, so billigt er damit gleichzeitig die von der Rechtsprechung vorgenommene Inhaltsbestimmung.
Deshalb sind entsprechend der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung im körperschaftsteuerrechtlichen Sinne alle Vorgänge zu verstehen, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern bzw. diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei --um den Folgen des § 7 Satz 2 KStG 1968 zu entgehen-- eine Beurteilung des Sachverhalts geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche verdeckt. Vermögensteile werden damit den Gesellschaftern in einer Form zugeführt, in der sie nicht als Ausschüttung erscheinen, sondern unter anderer Bezeichnung verborgen sind. Im allgemeinen liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Dezember 1983 I R 70/77, BFHE 140, 221, BStBl II 1984, 384; vom 23.Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 11.Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kommt bei Leistungen der Kapitalgesellschaft an ihn eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann in Betracht, wenn nicht von vornherein eindeutig und klar bestimmt ist, ob und in welcher Höhe --einerlei ob laufend oder einmalig-- ein Entgelt bezahlt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 30.Januar 1985 I R 37/82, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345). Fehlt eine klare, eindeutige und im voraus getroffene Regelung, besteht wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung des Einkommens der Gesellschaft und des Gesellschafters jeweils am günstigsten ist.
b) Das FG hat im Streitfall auch zutreffend die o.g. Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 als erfüllt angesehen.
Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß R im Streitjahr 1971 der alleinige Gesellschafter der Klägerin war. Da in bezug auf diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben wurden, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Aus ihr folgt, daß R beherrschender Gesellschafter der Klägerin war.
Das FG hat ferner den Inhalt der Treuhandvereinbarung vom 1.März 1970 als unklar und nicht eindeutig gewürdigt. Außerdem ist es davon ausgegangen, daß ein ordentlicher Geschäftsleiter die Treuhandvereinbarung mit einem fremden Dritten nicht würde abgeschlossen haben. Beide Würdigungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Treuhandvereinbarung vom 1.März 1970 ist schon deshalb objektiv unklar bzw. tatsächlich nicht durchgeführt, weil die Klägerin --wäre sie tatsächlich nur als Treuhänderin des R tätig geworden-- die sich aus dieser Tätigkeit gegenüber Dritten ergebenden Forderungen und Verbindlichkeiten in der eigenen Bilanz nicht hätte ausweisen dürfen. Mit Rücksicht auf § 11 Nr.3 des Steueranpassungsgesetzes hätte sie --steuerrechtlich gesehen-- die Forderungen und Verbindlichkeiten als solche des R behandeln müssen. Dieser hätte alsdann Einkünfte aus Treuhandtätigkeit erzielt.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist die Klägerin jedoch mit Wissen und Wollen des R nicht so verfahren. Sie gerierte sich im Rahmen ihrer Gewinnermittlung als eine Person, die eine Tätigkeit für eigene Rechnung ausübte und sich gegenüber R zu einer Entlohnung dessen Vermittlungstätigkeit oder aber zu einer "Gewinnbeteiligung" verpflichtete. Daraus ergeben sich für den Inhalt der Treuhandvereinbarung einerseits Unklarheiten; andererseits ist sie als solche nicht ihrem Wortlaut entsprechend durchgeführt worden.
Die in der Treuhandvereinbarung enthaltene Gewinnbeteiligungsabrede kann auch nicht unter anderen Gesichtspunkten steuerrechtlich anerkannt werden. Insoweit ist zunächst unklar, ob die "Gewinnbeteiligung" als Vermittlungsprovision oder aber als allgemeine Gewinnabführung gewährt werden sollte. Schon wegen dieser Unklarheit wäre sie in beiden Fällen als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren. Es kommt jedoch hinzu, daß eine "Gewinnbeteiligung" als Vermittlungsprovision unüblich und unangemessen wäre. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Empfänger der Vermittlungsleistung von dem von ihm erzielten Gewinn nur ein Betrag in Höhe von 10 bzw. 15 v.H. seines Stammkapitals verbleiben soll. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einem fremden Dritten nur ein am Wert der Vermittlungsleistung im Einzelfall orientiertes Entgelt versprochen haben. Seine Aufgabe als Geschäftsführer eines Erwerbsunternehmens ist es nämlich, Gewinn zu erzielen und diesen Gewinn nach Möglichkeit zu steigern (vgl. BFH-Urteil vom 16.April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492). Mit dieser Aufgabenstellung verträgt sich keine Vereinbarung, die der Gesellschaft von vornherein jede Möglichkeit der Gewinnsteigerung nimmt und ihre Gewinnerwartung auf eine bestimmte Verzinsung des Stammkapitals beschränkt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 5.Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234).
Zu Unrecht vergleicht die Klägerin die abgeschlossene Treuhandvereinbarung mit dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG. Im Falle einer GmbH & Co. KG erzielt die KG und nicht die Komplementär-GmbH die Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit. Die Komplementär-GmbH ist an den Einkünften nur mit einem Gewinnanteil beteiligt. Im Streitfall wird die Erwerbstätigkeit (Treuhandtätigkeit) jedoch ausschließlich von der Klägerin ausgeübt. Für eine "Gewinnbeteiligung" ist insoweit sachlich kein Raum. Wird sie dennoch vereinbart, so ist sie Einkommensverteilung i.S. des § 7 Satz 2 KStG 1968.
Fundstellen
Haufe-Index 61975 |
BStBl II 1988, 25 |
BFHE 150, 524 |
BFHE 1987, 524 |
BB 1987, 2286 |
BB 1987, 2286-2287 (ST) |
DB 1987, 2440-2441 (ST) |
DStR 1987, 802-802 (S) |