Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Legt gegen die einheitliche Feststellung des Gewinns einer Partenreederei nur ein Partenreeder ein Rechtsmittel ein, so müssen die anderen Partenreeder von Amts wegen zum Rechtsmittelverfahren zugezogen werden, auch wenn für den das Rechtsmittel einlegenden Partenreeder bei der einheitlichen Gewinnfeststellung lediglich ein Veräußerungsgewinn festgestellt wird und Gegenstand des Rechtsstreits die Bewertung von Wirtschaftsgütern in der Anfangsbilanz dieses Veranlagungszeitraumes ist.
Zur Bewertung von Schiffen, die nach Kriegsende als Kriegsbeute von den USA beschlagnahmt wurden, später freigegeben und dann von der Bundesregierung den früheren Eigentümern wieder unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden.
Normenkette
AO § 239 Abs. 3, § 241/3; DMBG § 21; DMBG § 47 Abs. 1; DMBG § 74 Abs. 2
Tatbestand
Die Bf. sind Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft des verstorbenen Partenreeders X. Dieser hatte vor der Währungsumstellung zwei Partenanteile von insgesamt 60 Anteilen der Partenreederei Y. für 10.000 DM erworben. Der dieser Partenreederei gehörende Fischdampfer, der am 15. September 1942 in Dienst gestellt worden ist, wurde bei Kriegsende von den USA als Kriegsbeute in Anspruch genommen und erst Anfang 1954 an die Bundesrepublik zurückgegeben, die ihn den früheren Besitzern unentgeltlich zur Verfügung stellte. Die Bf. haben ihre Anteile an der Partenreederei am 1. Januar 1955 für 10.000 DM an einen anderen Mitreeder veräußert. Da die Partenanteile damals einen Buchwert von 1.171,90 DM hatten, stellte das Finanzamt für 1955 einen Veräußerungsgewinn von 8.828,10 DM fest. Der Einspruch, mit dem die Bf. begehrten, den Veräußerungsgewinn auf 0 DM festzustellen, hatte keinen Erfolg.
Auch ihre dagegen gerichtete Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht führte aus: Die Bf. bestritten nicht, daß der Veräußerungsgewinn rechnerisch und dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Ziff. 2 EStG gemäß ermittelt worden sei. Sie seien jedoch der Auffassung, daß die Besteuerung des Veräußerungsgewinns bei ihnen nicht in Betracht komme, weil sie die Anteile zu dem gleichen Betrag verkauft hätten, zu dem ihr Rechtsvorgänger sie erworben habe. Durch die Beschlagnahme des Schiffes als Kriegsbeute sei das Eigentum der Reederei an ihm untergegangen. Dieser Verlust habe sich wegen des damals bestehenden Abschreibungsverbots nach Art. VIII des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 12 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl - Hamburg 1946 S. 2) steuerlich nicht auswirken können. Erst in der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) habe diesem Verlust durch den Ansatz des Schiffes mit 1 DM Rechnung getragen werden können. Aus dem Erlaß der Finanzbehörde Hamburg 52 - S 2133 - 35 vom 26. Juli 1954 könnten die Bf. nichts zu ihren Gunsten herleiten. In diesem Erlaß sei lediglich bestimmt worden, daß die unentgeltliche Rückgabe beschlagnahmter Schiffe an die früheren Eigentümer steuerlich so zu behandeln sei, als ob den Reedern ein öffentlicher Zuschuß in Höhe des Zeitwerts des Schiffs gegeben worden sei. Für die Feststellung eines späteren Veräußerungsgewinns besage der Erlaß nichts. Im übrigen wäre der Veräußerungsgewinn auch dann entstanden, wenn das Schiff der Reederei nicht durch die Behandlung als Kriegsbeute entzogen worden wäre. Da das Schiff im Jahr 1942 in Dienst gestellt worden sei und die jährliche Abschreibung 10 v. H. betragen habe, wäre es im Jahr 1952 voll abgeschrieben gewesen, so daß bei der Veräußerung im Jahr 1955 ebenfalls von einem buchmäßigen Ansatz von 1 DM auszugehen gewesen wäre. Es sei auch zu berücksichtigen, daß die Bf. infolge des buchmäßigen Ansatzes des Schiffs mit 1 DM keinen Lastenausgleich gezahlt hätten.
Die Bf. vertreten auch in ihrer Rb. die Auffassung, ein Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG komme für sie nicht in Betracht. Formell lägen zwar die Voraussetzungen dieser Bestimmung vor. Sachlich sei jedoch die Anwendung dieser Vorschrift nicht gerechtfertigt, die sicherstellen solle, daß nicht verwirklichte Gewinne, die vor der Veräußerung nicht besteuert worden seien, bei der Veräußerung erfaßt würden. Dieser Fall liege bei ihnen aber nicht vor. Die Bewertung des Schiffs mit 1 DM sei auf dessen Verlust zurückzuführen, der jeden Gewinn und jede Abschreibung ausgeschlossen habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Eine Partenreederei ist steuerlich einer offenen Handelsgesellschaft gleichzustellen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 32/61 U vom 21. August 1961, BStBl 1961 III S. 500, Slg. Bd. 73 S. 643; Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 2/26 vom 16. November 1926, Slg. Bd. 20 S. 35), so daß der Gewinn einer Partenreederei nach § 215 Abs. 2 AO einheitlich festzustellen ist. Dabei müssen auch Veräußerungsgewinne im Sinn von § 16 Abs. 1 Ziff. 2 EStG, die bei der Veräußerung einzelner Partenanteile entstehen, verbindlich festgestellt werden (siehe Urteile des Bundesfinanzhofs I 294/56 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 414, Slg. Bd. 65 S. 468; IV 141/58 U vom 1. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 23, Slg. Bd. 70 S. 57).
In der angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellung für 1955 war daher neben dem laufenden Gewinn der Partenreederei für dieses Jahr auch festzustellen, welche Gewinne bei der Veräußerung der Partenanteile der Bf. zum 1. Januar 1955 entstanden sind und welche Gewinne die übrigen Partenreeder bei der Veräußerung ihrer Anteile im Juni 1955 erzielt haben. Gegen die einheitliche Gewinnfeststellung haben nur die beiden Bf. ein Rechtsmittel eingelegt; die anderen Partenreeder haben sich an dem Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt. Das Finanzgericht hat sie auch nicht von Amts wegen zugezogen. Hierzu wäre es aber nach § 239 Abs. 3 AO verpflichtet gewesen. Die Gewinnermittlung hängt bei allen Partenreedern von der Bewertung des Schiffs ab; sie kann für alle Beteiligten nur einheitlich ergehen. Die Unterlassung der Beiziehung der anderen Partenreeder wurde von den Beteiligten zwar nicht gerügt; der Mangel ist jedoch von Amts wegen zu beachten (Urteil des Bundesfinanzhofs III 278/61 vom 8. Februar 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 S. 411; Urteil des Reichsfinanzhofs VI 92/40 vom 26. Juni 1940, RStBl 1940 S. 642). Das angefochtene Urteil muß deshalb wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung aufgehoben werden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 25/55 U vom 28. Juni 1955, BStBl 1955 III S. 237, Slg. Bd. 61 S. 101).
Gegen die angefochtene Entscheidung bestehen auch sachliche Bedenken. Das Finanzgericht hat die Bewertungsvorschriften des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) offenbar wegen des angeführten Erlasses vom 26. Juli 1954 nicht berücksichtigt. Diese Beurteilung ist zweifelhaft. Da das Schiff am 21. Juni 1948 noch als Kriegsbeute in amerikanischem Besitz war, wurde nach § 21 DMBG zunächst zutreffend nur ein Entschädigungsanspruch mit einem Erinnerungswert von 1 DM in der DMEB der Partenreederei ausgewiesen. Lediglich das Fanggeschirr, das nicht beschlagnahmt war, wurde aktiviert. Das Finanzgericht hat nicht geprüft, ob dieser nach § 21 DMBG vorläufige Erinnerungsposten nach § 47 Abs. 1 DMBG durch eine nach § 5 DMBG vorgenommene Bewertung des Schiffs zu berichtigen gewesen wäre, als das Schiff im Jahr 1954 freigegeben und von der Bundesregierung der Partenreederei wieder unentgeltlich überlassen wurde. Eine solche Berichtigung wäre nach § 74 Abs. 2 DMBG auch steuerlich zu beachten gewesen und hätte wahrscheinlich infolge der Erhöhung des Buchwerts der Partenanteile zu einem wesentlich niedrigeren oder überhaupt nicht zu einem Veräußerungsgewinn der Bf. geführt.
Es war weiter zu prüfen, ob der Erinnerungsposten von 1 DM nach der Freigabe des Schiffs nicht nach § 47 Abs. 1 DMBG hätte berichtigt werden müssen (vgl. Kommentar zum D-Markbilanzgesetz von Geiler-Stehlik-Veith, 1950, § 47 Bem. IV B S. 321). In Widerspruch zu der Regelung des DMBG steht insbesondere die hilfsweise vom Finanzgericht gegebene Begründung, das Schiff wäre bei Zugrundelegung des früher angewendeten Absetzung für Abnutzung (AfA) - Satzes 10 v. H. am 1. Januar 1955 bereits ganz abgeschrieben gewesen. Da das DMBG die Bilanzkontinuität allgemein durchbrochen hat, wäre das Schiff ohne Rücksicht auf die AfA vor dem Währungsstichtag mit dem nach § 5 DMBG in Betracht kommenden Wert anzusetzen gewesen, der wahrscheinlich höher war als bei der Anwendung des höheren AfA-Satzes sich ergebende Restwert. Der Hinweis des Finanzgerichts schließlich auf die Nichtheranziehung der Partenreederei zum Lastenausgleich hat keine Bedeutung; denn eine Höherbewertung des Schiffs in der DMEB hat nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 DMBG auch zwangsläufig Auswirkungen für den Lastenausgleich.
Der vom Finanzgericht angeführte Erlaß der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 26. Juli 1954, dessen Grundsätze auch von den anderen Ländern vertreten werden (vgl. z. B. die Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 11. Mai 1955 in "Der Betrieb" 1955 S. 567) betrifft nach seinem Wortlaut nur die Ermittlung des laufenden Gewinns. Als Verwaltungsanweisung hat der Erlaß für die Steuergerichte grundsätzlich keine Bedeutung. Das Finanzgericht hat nicht dazu Stellung genommen, warum es ihn bei seiner Entscheidung trotzdem verwertet hat. Da der Erlaß nicht eindeutig ausschließlich eine Gesetzesauslegung zum Gegenstand hat, sondern eine Regelung enthält, die möglicherweise mit den Bestimmungen des DMBG nicht in Einklang steht, wäre dies erforderlich gewesen.
Soweit der Erlaß mit den Bestimmungen des DMBG nicht zu vereinbaren ist, kann es sich um eine auf § 131 AO gestützte Milderungsregelung handeln, durch die den besonderen Verhältnissen bei den als Kriegsbeute beschlagnahmt gewesenen und an die früheren Eigentümer zurückgegebenen Schiffen Rechnung getragen werden sollte. Eine solche Regelung kann dann auch für die Steuergerichte verbindlich sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 228/59 U vom 2. Mai 1961, unter 2., BStBl 1961 III S. 338, Slg. Bd. 73 S. 194). Bei der Würdigung der Rechtsnatur der Verwaltungsregelung ist jedoch zu beachten, daß die Anweisung sich nicht auf die Veräußerung der Schiffe bezieht und außerdem - wie dies aus der Entscheidung des Finanzgerichts hervorgeht - für die Steuerpflichtigen unter Umständen sich auch nachteilig auswirken kann. Zu dem Inhalt und der Bedeutung des Erlasses wird zweckmäßig die Finanzbehörde Hamburg gehört, die ihn herausgegeben hat.
Das Finanzgericht muß auch prüfen, ob der Erlaß für den Lastenausgleich ebenfalls Bedeutung haben sollte. Da die nach den Bewertungsvorschriften des DMBG vorgenommenen Bewertungen grundsätzlich sowohl für die Einkommensteuer als auch für den Lastenausgleich maßgebend sind, hängt die Rechtswirksamkeit des Erlasses unter Umständen auch von der Tragweite ab, die ihm zukommen sollte.
Falls das Finanzgericht bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis kommen sollte, daß der Erlaß eine von den Finanzgerichten zu beachtende Milderungsregelung enthält, hat es zu prüfen, ob die Steuerpflichtigen ein Wahlrecht haben, ob sie von der Regelung im DMBG oder der im Erlaß getroffenen Gebrauch machen wollen. Dabei ist zu beachten, daß dieses Wahlrecht nicht von den Bf. allein ausgeübt werden kann, sondern nur von allen Beteiligten an der Partenreederei gemeinsam.
Fundstellen
Haufe-Index 411305 |
BStBl III 1964, 550 |
BFHE 1965, 209 |
BFHE 80, 209 |