Leitsatz (amtlich)
Bei der Besteuerung von Vorgängen, die im Bereich des Privatrechts gestaltet werden, ist grundsätzlich an die von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen anzuknüpfen, sofern diese eindeutig, ernstlich gewollt und tatsächlich durchgeführt sind.
Normenkette
StAnpG § 1 Abs. 3; BGB §§ 133, 157
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe der Gewinnanteil der beigeladenen M R aus einer Kommanditbeteiligung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) anzusetzen ist.
Der Kläger ist gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau, der beigeladenen M R, nach den gesetzlichen Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet. In Erfüllung dieser Verpflichtung hat er sich durch notariellen Leibrentenvertrag vom 22. Juni 1961 dazu verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau eine Leibrente von jährlich 7 200 DM zu zahlen. Am gleichen Tag schlossen der Kläger und die beigeladene M R einen weiteren notariellen Vertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, die Beigeladene im Innenverhältnis so zu stellen, als wäre sie mit einem Betrag von 30 000 DM der Kommanditeinlage des Klägers Kommanditistin der X-KG. Nach § 3 des Vertrages ist der Kläger berechtigt, von dem der Beigeladenen zustehenden Gewinnanteil einzubehalten, was er ihr persönlich aufgrund des zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen Leibrentenvertrags in dem Geschäftsjahr gezahlt hat.
Aufgrund dieser Vereinbarungen entrichtete der Kläger im Streitjahr 1966 an die Beigeladene aus dem Leibrentenvertrag 9 000 DM. Aus dem Unterbeteiligungsverhältnis wäre für die Beigeladene ein Gewinnanteil von 7 287 DM angefallen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah den Gewinnanteil der Beigeladenen aus dem Unterbeteiligungsverhältnis durch die Leibrentenzahlungen als aufgezehrt an. Das FA führte eine einheitliche Gewinnfeststellung im Verhältnis des Klägers, der beigeladenen M R und des gleichfalls unterbeteiligten beigeladenen A durch. Dabei setzte es den Gewinnanteil der beigeladenen M R mit null DM an.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Gegen die grundsätzliche Anerkennung der Unterbeteiligung der beigeladenen M R am Kommanditanteil des Klägers an der KG bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die schuldrechtliche Stellung der beigeladenen M R ergebe sich aus dem Vertrag über die Einräumung der Unterbeteiligung. Die Berechtigung des Klägers, von dem seiner geschiedenen Ehefrau zustehenden Gewinnanteil das abzuziehen, was er ihr bereits aufgrund des Leibrentenvertrags in dem gleichen Geschäftsjahr gezahlt habe, bestimme schuldrechtlich die Bemessungsgrundlage des Gewinnanteils. Der Gewinnauszahlungsanspruch der Beigeladenen bestehe also in der Höhe, die nach Abzug der Leibrentenzahlungen noch aus dem Anteilsverhältnis bestehen bleibe. Dieser Anspruch sei der Gewinnanteil, der steuerlich für die frühere Ehefrau des Klägers als Unterbeteiligte angesetzt werden müsse. Er sei im Streitjahr gleich Null.
Mit seiner Revision beantragt der Kläger, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Gewinnanteil der beigeladenen M R mit "7 267 DM" festzusetzen, hilfsweise, die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurückzuverweisen. Er rügt die rechtliche Würdigung durch das FG und vertritt die Ansicht, der Leibrentenvertrag gehe lediglich zeitlich vor, materiell-rechtlich bestehe ein Unterhaltsanspruch nur insoweit, als nicht eigene Einkünfte der Ehefrau vorlägen. Das FG klammere sich zu Unrecht an den zeitlichen Ablauf. Es übersehe dabei, daß dieser zeitliche Ablauf zwangsläufig sei, da zunächst der Lebensunterhalt sichergestellt werden müßte, während der Gewinnanteil aus der Unterbeteiligung erst im Folgejahr ausgeschüttet werden könne.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA hat einen Sachantrag nicht gestellt. Es verweist auf das Urteil des FG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Würdigung des FG kann rechtlich nicht beanstandet werden.
a) Bei der Besteuerung von Vorgängen, die im Bereich des Privatrechts gestaltet werden, ist grundsätzlich an die von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen anzuknüpfen, sofern diese eindeutig, ernstlich gewollt und tatsächlich durchgeführt sind. Etwas anderes kann auch aus der für die Auslegung von Verträgen nach § 1 Abs. 3 StAnpG maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht hergeleitet werden. Diese gebietet es, den wirtschaftlichen Inhalt der Vertragsregelung zu erfassen. Sie gestattet es aber nicht, die gewählte bürgerlich-rechtliche Form beiseitezuschieben (Urteil des BFH vom 29. November 1966 I 216/64, BFHE 88, 370, BStBl III 1967, 392).
b) Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß die beteiligten Personen wirtschaftlich etwas anderes wollten, als das, was sie erklärt haben. In diesem Fall kommen für die Auslegung der Verträge die Grundsätze des bürgerlichen Rechts zur Anwendung (§§ 133, 157 BGB). Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Was die beteiligten Personen im Streitfall vereinbart haben, läßt sich aber auch bei Anwendung dieser Auslegungsvorschrift nur so verstehen, daß nicht die zu zahlende Leibrente um den Gewinnanteil der beigeladenen M R aus ihrer Unterbeteiligung gekürzt, sondern daß umgekehrt der Gewinnanteil um die bereits gezahlte Leibrente vermindert werden sollte.
c) Daran muß sich der Kläger festhalten lassen. Seine Einwände gegen die Auslegung des FG greifen nicht durch. So kann sich der Kläger nicht darauf berufen, daß nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten auf den Unterhalt anzurechnen seien. Liegt - wie im Streitfall - die Gestaltung der Vertragsgrundlagen sowohl für eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten als auch für seinen Unterhaltsanspruch in den Händen derselben Personen, so muß es diesen überlassen bleiben, im Rahmen der im bürgerlichen Recht geltenden Vertragsfreiheit zu bestimmen, welchem der beiden Schuldgründe sie den Vorrang einräumen wollen. Daß es im Streitfall sinnvoll war, die Anrechnung der Leibrente auf den Gewinnanteil der Beigeladenen zu vereinbaren anstatt den umgekehrten Weg zu gehen, weil die Zahlung der Leibrente der Fälligkeit des Gewinnanteils aus der Unterbeteiligung zeitlich vorausgeht, mag zutreffen. Dieser vom Kläger vorgetragene Beweggrund für die gewählten Vertragsgestaltungen spricht aber gerade dafür, daß die vertragschließenden Personen das Vereinbarte auch tatsächlich gewollt haben. Für eine Umdeutung in eine steuerlich günstigere, aber nicht gewollte und vereinbarte Absprache bietet sich rechtlich keine Handhabe.
Fundstellen
Haufe-Index 71063 |
BStBl II 1974, 779 |
BFHE 1975, 263 |